24. Juni 2013

Aufstand gegen die Wespen - Fahrradstadt Stuttgart

Stuttgart ist schon Hauptstadt des Staus. In Wahlkämpfen wird die Stadt darum regelmäßig zur künftigen Fahrradstadt erklärt.

Gefällt mir. Und eigentlich kann man in Stuttgart sehr gut Rad fahren. Allemal mit einem bergtauglichen Elektrorad. Das allerdings geht nur deshalb momentan so gut, weil Stuttgart eine Autostadt ist und verglichen mit Karlsruhe oder Freiburg nur wenige Radfahrer unterwegs sind. Andernfalls würde sich schnell zeigen, dass alle Radwege zu schmal sind und alle Kreuzungen zu eng.

Fußgänger und Autofahrer würden verzweifeln in den Schwärmen von Radlern, die ihnen in Einbahnstraßen und auf Gehwegen entgegen kommen, die zwischen ihnen am Ampeln warten und durchstarten.

Planung und Anlage von Radrouten kosten Geld, deshalb gibt die Stadt derzeit immer mehr Gehwege und vor allem Fußgängerampel-Anlagen für Radfahrer frei. Aber darin steckt ein fataler Denkfehler

Man hat sich in den letzten Jahren nämlich bemüht, den Fußgängern mehr Raum zu geben, und dazu Fußgängerüberwege über die großen City-Ringstraßen und am Charlottenplatz sogar einen Deckel mit Überwegen gelegt. Und nun tut man so, als ob Radfahrer verkehrstechnisch das Gleiche wären wie Fußgänger. Sind sie aber nicht. Sie bewegen sich völlig anders. Radfahrer sind das Dritte zwischen Autofahrern und Fußgängern. 

Und wo haben bei einer solchen Verkehrspolitik eigentlich die Fußgänger noch ihren Raum? Wo können sie entspannt spazieren, wo können die Kinder rennen oder radeln üben, ohne dass die Eltern in Angst und Schrecken vor Tempo-Radlern leben? Wo kann ein Fußgänger durchs Grün schusseln, ohne jäh aus dem Traum geklingelt zu werden? Fußgänger werden von Autos gegängelt und von Radfahrern gescheucht.

Aber auch den Radfahrern tut man nichts Gutes. Wer sie zu den Fußgängern gesellt und damit ihnen gleichsetzt, nimmt ihre Fortbewegung nicht ernst. Er degradiert das Radeln zu einem Freizeiterlebnis dessen wesentlicher Charakter Muße ist. Ist es aber nicht. Alltagsradler wollen vor allem rasch von A nach B kommen. Wer als Radpendler jeden Tag durch den Schlossgarten von zu Hause zur Arbeit fährt, weiß, als Radler ist er das dritte Rad am Zweirad.

Machen wir nun Verkehrspolitik für Fußgänger und Radfahrer auf der einen und Autofahrer auf der anderen Seite? Oder machen wir eine für alle drei, auch für Radfahrer? Den Stadtplanern scheint das noch nicht so ganz klar zu sein. Im Moment schieben sie die ungeliebten Radler von den Fahrbahnen lieber in die Fußgängerbereiche als umgekehrt sie auf den Fahrbahnen zu platzieren. Das Geschrei der Autofahrer ist immer sehr groß, wenn ein Radweg ihren Raum beschränkt. Deshalb entstehen Radwege auch nur dort, wo sie völlig unnötig sind, weil eh Platz da ist. Fußgänger aber entfachen kein Geschrei, wenn man wieder mal einen ihrer Gehwege für Radler freigegeben hat.

Weil Radfahrer nun mal da sind und sich vor allem Rad fahrende Politiker/innen für sie stark machen, klatscht man immer öfter noch eine Radspur in den Fußgängerüberweg, und mancherorts bekommt das Ampelmännchen ein Ampelfahrrädchen dazu. Aber Grünphasen für Fußgänger über mehrgliedrige Fahrspuren entsprechen eben nicht dem Tempo von Radfahrern. Wo der Fußgänger in seiner Grünphase durchmarschiert, muss der Radler immer wieder halten und den Fuß auf den Boden setzen.

Und in Stuttgart ist noch niemand auf die Idee gekommen, dass es mit einem Haltegriff (den höchsten zwei Radler gleichzeitig nutzen können) am Ampelmasten nicht getan ist, um das Anhalten bequem zu machen, sondern dass Bordsteine hermüssen. Und zwar auf der richtigen Seite, rechts, dort wo Radler halten sollen.

Für die Verkehrspolitik sind Radler eher so was wie Wespen, wichtig fürs Ökosystem, aber nicht beliebt. Man guckt, dass man sie sich fern hält, indem man ihnen Lebensräume dort anbietet, wo sie einen selbst nicht stören. Wenn man selbst Autofahrer ist, ist es klar, dass diese Viecher zu den Fußgängern gehören. Doch was tun, wenn eines Tages die Fußgänger den Aufstand gegen die Wespen ausrufen? 


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