29. Juli 2013

Ich seh dich doch. - Nachtfahrten ohne Licht

Also siehst du mich auch. Ungefähr das muss ein Radfahrer denken, der nachts ohne Licht unterwegs ist. Eine erstaunlich infantile Haltung. 

Im Sommer fahren viele, die sonst nicht fahren. Oder nur tagsüber. Diese Tagesradler entdecken, wenn es plötzlich dunkel ist, dass ihr Licht nicht funktioniert. Aber auch im Winter sehe ich, dass drei von zwanzig Radlern ohne Licht unterwegs sind, gern im Schlossgarten.

Erstaunlich, wie viele Radler nicht damit rechnen, das es dunkel sein könnte, wenn sie sich auf den Heimweg machen.

Inzwischen sind nicht mehr nur Dynamo-Lichtanlagen Pflicht. Erlaubt sind auch die hellen LED-Lampen mit Nabendynamo und sogar die batteriebetriebenen Lichter, die man sich an den Lenker und hinten ans Rad klemmt. Hauptsache Licht!
Es spricht also nichts dagegen, wenigstens so etwas dabei zu haben. Natürlich aufgeladen. Und es sage keiner, er führe ja nie nachts. Man weiß nie, was die Zukunft bringt.

Ich habe aber den Verdacht, dass viele, die ohne Licht fahren, durchaus eine funktionierende Beleuchtung haben. Sie machen sie nur nicht an. Klar bremst der Felgendynamo bei Nacht. Aber die Nabendynamos, die heute viele Räder haben, tun es nicht. Sie sind ja immer in Funktion, auch wenn man das Licht gar nicht anhat. Also kann man es bei Dämmerung und Dunkelheit ruhig anstellen.

Vielleicht liegt es in der Fußgänger-Seele so vieler Radfahrer begründet. Sie fühlen sich als Fußgänger, und Fußgänger müssen kein Licht mit sich führen. Wenn sie schwarz gekleidet sind, sieht man sie auch nicht. Es sind sie, die nach Autos gucken, bevor sie die Straße überqueren. Außerdem hat der Radler vielleicht ohnehin vor, an der nächsten Ampel auf den Fußgängerüberweg zu wechseln und auf dem Gehweg weiter zu fahren. Und da ist es dann besser, wenn eine eventuell vorbeifahrende Polizeistreife nicht sieht. Vielleicht wollen etliche Radfahrer tatsächlich nicht gesehen werden, weil sie so viele illegale Aktionen vorhaben.

Wer sieht den Radler?
Radfahrer, die ohne Licht fahren, haben jedenfalls keinen blassen Schimmer, wie schlecht man sie sieht. Das menschliche Auge ist zwar durchaus imstande, auf unklare dunklere Schatten zu reagieren und den Radler zu erkennen, aber eben erst im letzten Moment. Und wer von einer Verkehrssituation gerade sehr in Anspruch genommen wird, der sieht den Radfahrer dann gar nicht. Und nicht jeder Autofahrer sieht auch wirklich richtig gut, schon gar nicht bei Dämmerung und Dunkelheit. Die Gefahr für einen Radler ohne Licht ist enorm groß, umgefahren zu werden.

Wo ist auf dem Foto oben der Radfahrer? Ich habe das Bild etwas aufgehellt, was nicht viel hilft. Das menschliche Auge eines gesunden, jungen Autofahrers wird den Radler im letzten Moment an der Bewegung erkennen. Ein älterer Verkehrsteilnehmer aber vielleicht nicht.

Die Straße (Liststraße) ist schmal. Rechts schieben sich die Kühler parkender Autos in meine Fahrbahn. Deshalb fahre ich mit dem Auto etwas mittig. Es wäre also sehr günstig für den Radler, wenn ich ihn sähe. Dann kann ich mich soweit rechts halten, dass er gefahrlos an mir vorbeikommt. Und er erspart mir die Schrecksekunde und eine Notbremsung, wenn ich ihn unmittelbar vor mir erkenne.

Der auf dem Foto links schiebt. Und er hat Strahler in den Felgen.
Wenn es nicht darum ginge, dass Radfahrer überhaupt nachts mit Licht fahren, würde ich jetzt noch ausführlich etwas über die Art der Beleuchtung sagen. Punktkleine LED-Funzeln am Lenker oder Stirnlampen helfen nämlich auch nicht viel. Stirnlampen sind viel zu hoch, um beim Autofahrer das Raster "Achtung Radfahrer" in Gang zu setzen. Und winzige Lichter werden vom allgemeinen Verkehr überstrahlt. Die LED-Technik erlaubt es heute, sehr helle Strahler für wenig Energie an Rädern anzubringen. Und die werden gesehen. Aber so weit sind wir ja noch gar nicht, weder im realen Straßenverkehr noch in der Gesetzgebung.

Natürlich muss das Rücklicht auch funktionieren! Um so mehr, als der Radler hinten keine Augen hat und den Autofahrer nicht sieht. Hier gilt nicht mehr: Ich seh dich doch, also siehst du mich auch. Hier sehen beide Verkehrsteinehmer nichts, weder der Autofahrer noch der Radler. 



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