23. Mai 2015

Zum Stoppschild das Video

Link zum Video
Man glaubt es nicht, wenn man das nicht gesehen hat. Blogleser und Vertreter von Critical Mass und ADFC haben sich am Freitag Abend in der Tübinger Straße, Ecke Feinstraße getroffen, um an dem neuen Stoppschild für Radfahrer das Stoppen zu üben. 

Es war ein Fototermin für meine neue Stopp-Galerie. Doch irgendwann lief es uns kalt den Rücken runter bei dem, was wir zu sehen bekamen, und ich habe angefangen zu filmen. Klar, dass die neue Abschrankung Autofahrer und Radler noch verwirrt. Wir sahen aber auch, dass Autofahrer, die vom Gerber kommen, keine Probleme haben, Radler zu erkennen, die vom Marienplatz her kommen und geradeaus weiter wollen. Viele Autofahrer hielten, um Radler durchzulassen. 

Die wenigsten Radfahrer realisierten das Stopp-Schild, oder sie bezogen es nicht auf sich. Wer selbst nicht oft im Alltagsverkehr Rad fährt, versteht  nicht, warum ein Stoppschild für Radler ein No-go ist. Radler bevorzugen den bei uns nicht legalen Roll-Stopp, denn das Starten aus dem Stillstand bedeutet Kraftaufwand. Es bedeutet übrigens auch, wie man in dem Video gut sehen kann, Instablität und Stockungen im Radverkehr. 

Außerdem erkennt man sehr schön, dass für Radler mit kleinen Reifen (Klapprädern), der Untergrund der neuen Radspur (mit Gulli) zu wellig ist. Sie sind auf den Boden konzentriert und dann auf den Autoverkehr Feinstraße/Tübinger Straße und kommen gar nicht dazu, auch noch das Stoppschild zu beachten. Fußgänger haben außerdem den Raum praktisch augenblicklich für sich als Querungshilfe entdeckt und laufen Radlern blicklos vor die Reifen. Und dann die Autos, die sich in beachtlicher Zahl durch die Abschrankungen schlängeln. 

Eine Vorfahrt-Achten-Schild würde hier völlig ausreichen. Eigentlich aber spricht aus Sicht von Radfahrer/innen auch nichts dagegen, den Radlern hier die übliche Geradeaus-Vorfahrt vor Abbiegenden einzuräumen. Die Querschranke könnte man durch lichte Poller (Pfosten) ersetzen, durch die Autos nicht mehr so einfach durchpassen, etwa so wie in der Fahrradstraße in Esslingen. 

Das Stoppschild schafft hier auch deshalb nicht die von der Verwaltung als dringend notwendig erachtete Sicherheit für Radfahrer, weil Autofahrer auch diese Abschrankung nicht respektieren. Und das ist die eigentliche Gefahr. Im Video sehen wir: Einer nimmt fast einen Radler auf den Kühler. 

Unglücklicher kann man auf der Radhauptroute 1 nach meiner Auffassung die Lage für Radler kaum noch lösen. Sie werden wieder einmal im Autoverkehr zermalmt. Nur weil Radler Pfadfinder sind, überleben sie das meist unbeschadet. Weil sie vorausschauend fahren und die Fehler anderer Verkehrsteilnehmer ausgleichen. Das Stoppschild an dieser Stelle fördert einmal mehr die Radlermentalität des Schlänglers nach dem Motto: Die Verkehrsregeln sind nicht für mich, sondern für Autofahrer gemacht, also muss ich selber schauen, wie ich mich durchschlängle.

Das ist ein grausiger Rückschritt in der Fahrradpolitik der Stadt Stuttgart. Um so tragischer, als der Bezirkbeirat Süd (auch ich) vehement für die Sperrung gekämpft hat mit dem Ziel, die Tübinger Straße zur Fahrradstraße umzuwidmen und Radler Vorrang zu geben. So geht das allerdings nicht.  





Und hier der Link zum Artikel in der Stuttgarter Zeitung vom 28.5.2015. Der Artikel zitiert den Verkehrsexperten im Amt für öffentliche Ordnung, der ausführt, dass sie Situation für Radfahrer hier ohne Stoppschild extrem gefährlich sei. Praktisch tödlich gefährlich. Interessant nur, dass wir vorher ohne Stoppschild durchgekommen sind und überlebt haben.

14 Kommentare:

  1. Regelnmissachten um die Wette :D (von beiden Seiten)
    Habt Ihr denn die Autofahrer, die sich da durchgemogelt haben, angezeigt?

    Von der Situation her würde auch eine Lösung wie an der Villa Berg gehen (Sickstraße, Kreuzung Teckstraße). Die Kreuzung ist für Autos abgesperrt und als Fußgängerzone und mit "Fahrrad frei" ausgewiesen. Man braucht also gar nicht in die Ferne schweifen (Esslingen) für eine passende Lösung :)

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    1. Eine Fußgängerzone mit Fahrrad frei ist der Hauptradroute 1, glaube ich, auch nicht angemessen. Die Teckstraße gucke ich mir demnächst mal genauer an. Ist natürlich nicht so viel befahren wie die Tübinger Straße. Das muss man auch bedenken.

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    2. "Fußgängerzone mit Fahrrad frei" ist die formale Beschilderung. In Wirklichkeit ist das einfach ein abgesperrter Platz, der für Radfahrer durchlässig ist. Dass da mal jemand läuft ist sehr selten und auch nie ein Problem. Es ist genug Platz, um daran vorbeizufahren.

      Abgesperrt ist der mit Pollern, so wie in Esslingen (daher auch der Vergleich), und ganz ohne Bodenbemalung. Also völlig unbürokratisch und gut und übersichtlich. Im Gegensatz dazu wirkt die neue Sperre an der Tübinger Straße einfach nur überreguliert und protzig.

      Natürlich bleibt die Frage, ob man das 1:1 übertragen könnte, oder ob modifiziert. Aber an der Teckstraße gibts z.B. gar keine so großen Lücken, dass man mit einem Auto durchfahren könnte! Und aus Fahrradsicht wirkt es völlig durchlässig (für eine Fahrradachse also richtig passend), was man von der Tübinger Straße ja nun nicht behaupten kann.

      Schaus Dir am besten selber an - ich bin gespannt! :)

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    3. Fahrrad frei = Schrittgeschwindigkeit = unbrauchbar

      Dann kann ich gleich schieben und als Fußgänger hab ich – dank Zebrastreifen – auch jetzt schon Vorfahrt an der Stelle.

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  2. Und für alle die das "STOP"-Schild vermeiden wollen gibt es eine - für Radler legale - Umfahrung: einfach nach Links in die Furtbachstraße ablenken lassen, die nächste wieder Rechts - sozusagen die Kirche "St. Maria" umfahren - dann hinter dem Rupert-Mayer-Platz entlang bis man über den "Fahrrad frei"-Gehweg im Bereich "Paulinen-Brücke/Gerber" wieder auf die Tübinger Straße wechseln kann.
    So kann man mitunter auch den etwas volleren Abschnitt (z.B. Parkplatz-Suchenden) der Tübinger Straße (zwischen Paulinen- und Feinstraße), sowie das "Rechts-Vor-Links" der Paulinenstraße umgehen.

    Aber wie man den Auto-Fahrspuren (Höhe Gebäude, Furtbachstraße 2B) ansehen kann ist dieser (Schleich-)Weg auch für Autos vom Gerber aus möglich, solange der Rupert-Mayer-Platz noch nicht umgestaltet ist. Mal gucken, wie lange es braucht bis sich hier ein Trend entwickelt.

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  3. Es hält sich keiner dran, nichtmal die Polizei, wie immer in Stuttgart.......

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  4. Bei aller Bescheidenheit ist mir dieses Genörgel über Stoppschilder viel zu kleinkariert. Warum sollte sich irgendjemand an diesem Gebimse für idiotische Paragraphenreiter oder spießige Auto-Diktatoren halten? Ich ignoriere einfach dieses Gebimsel im extrem dankbaren und ehrführchtigen Bewusstsein, dass während der letzten paar Jahrzehnte und Jahrhunderte viele Menschen dafür gestorben sind, dass ich frei und selbstbewusst in dieser wunderbaren Demokratie leben und mich entfalten darf. Mich über Stoppschilder des üblichen Dipl. Ing. FH Radverkehrsplanergebimse in Deutschland aufzuregen, fehlt mir persönlich jedenfalls die Relevanz. Beste Grüße und besten Dank für diese wunderbare und extrem wichtige Arbeit in diesem Blog. Drei Ausrufezeichen für den letzten Satz und vollkommen ohne Ironie, sondern in größter Anerkennung.

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    1. Tschuldigung. War wohl ziemlich blöd von mir. Ich gelobe Besserung! Trotzdem stelle ich mir die Frage, warum ich Regeln (und Gesetze) akzeptieren soll, die auch andere, z.B. Autofahrer ignorieren? Dein Video zeigt es doch, dass die Planung und die Regeln absurd sind. Und ich frage mich darüber hinaus, weshalb ich diese Verkehrsplaner ernst nehmen sollte. Dein Video und Dein Kommentar dazu sehe ich schlicht als Bestätigung meiner bescheidenen Auffassung. Oder bin ich einfach nur zu blöd, Deine Message zu verstehen? Diese Verkehrsplanung an diesem Ort ist doch schlicht absurd. Beste Grüße, Stefan K.

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  6. Vielen Dank für diese aufschlussreichen Aufnahmen! Der Streifenwagen am Schluss war schon echt die Härte, ich dachte ja vorher schon: Dreister kann es doch eigentlich nicht mehr gehen. Ich weiß nicht, ob ich darüber lachen oder weinen soll.

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  7. Wie ist denn die Regelung für Fahrzeuge vom Gerber her, die nach links in die Feinstraße abbiegen wollen? Ich habe dort kein Schild gesehen, das die Vorfahrt regelt. Damit müsste doch "Rechts vor Links" gelten.

    Dann hätte an der Stelle keiner Vorfahrt. Die Radfahrer vom Marienplatz her haben ein Stoppschild, die Fahrzeuge vom Gerber her haben "Rechts vor Links".

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    1. Genau so reagieren die meistenAutofahrer momentan auch. Sie haben ein blaues Schild "Linksabbiege-Gebot" und warten, wenn Radler kommen, weil sie das Stoppschild (von hinten ja erkenntlich) auch nicht sehen. Sie haben aber keine Vorfahrtregelung. Typisch inkonsistente Beschilderung in Stuttgart. Könnte sein, dass dieses Schild für die Autofahrer aber noch nachgereicht wird.

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  8. Ich warte jetzt darauf, dass Radfahrer, die das Stop-Schild ignorieren, von der Polizei angehalten und gemaßregelt werden, während Autofahrer den gleichen Weg nehmen und dabei "übersehen" werden.

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  9. http://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.radfahren-in-stuttgart-halt-fuer-radler-wird-ueberprueft.1c8cc630-6f20-45b7-9a69-5a60a2ad2478.html

    Hinsichtlich des Polizeifahrzeuges als Finale deines Videos, gehe ich natürlich davon aus, dass die lediglich getestet haben, ob bei zukünftigen critical mass-Touren dort auch die Begleitfahrzeuge noch durchpassen *gg*

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