17. April 2016

Wer es eilig hat, muss langsam tun

Stau entsteht nicht, weil manche zu langsam fahren, sondern weil manche zu schnell fahren, dann abbremsen müssen, den hinter ihnen zum Bremsen zwingen, und noch einen, bis einer zum Stillstand abbremsen muss. 

Bis der wieder losgefahren ist, haben hinter ihm bereits fünf andere zum Stillstand abgebremst. Und der Stau ist da. Ein einziger Raser kann einen kilometerlangen Stau verursachen. Und er merkt es nicht einmal.

Denn es dauert vergleichsweise lang, bis ein Auto wieder losgefahren ist und rollt. Der Stau wird immer länger, und sein Anfang wandert mit etwa 15 Km/h gegen die Fahrtrichtung nach hinten. Man nennt das auch Phantom-Stau, weil es keine ersichtliche Ursache gibt.

Wer es eilig hat, hält also besser Abstand (so kann man abrupte Bremsmanöver vor einem ausgleichen) und fährt in konstantem Tempo angepasst an das der anderen Fahrzeuge. Das fällt einigen Autofahrern allerdings schwer. Ein Tempo beibehalten können, gehört zur großen Kunst des Autofahrens. Wer in der Cannstatter Straße vor jedem Blitzer auf 40 abbremst und danach auf 60 beschleunigt, gehört nicht zu den guten Autofahrern. Dabei kommt einer, der sich links und rechts an Autos vorbei schlängelt, nicht schneller an. Auf einer Strecke von zwei bis drei Kilometern ist der Zeitgewinn von 70 km/h zu 50 km/h 11 Sekunden. Und die nächste Ampel macht den Zeitgewinn zunichte. Da stehen dann wieder alle gemeinsam.


Auf der Cannstatter Straße kann man das schön beobachten. Denn kaum ein Autofahrer hält sich an die Empfehlung der Schalttafel, beispielsweise 30 km/h zu fahren, um bei grüner Ampel am Neckartor anzukommen. Der Autofahrer, der auf diese Geschwindigkeit reduziert, wirkt wie ein Stein im Fluss und wird links und rechts überholt. Die Autos scheren dann vor ihm wieder ein und stauen sich auf, weil die Ampel ja noch rot ist, wenn sie ankommen. Die Schlange wächst dem entgegen, der eisern mit 30 km/h ranfährt, und der muss dann auch um Stillstand abbremsen und bei Grün neu starten.

Tatsächlich kann man mit dem Auto kilometerlang durch Stuttgart rollen (längs durchs Tal), ohne an einer einzigen, der recht wenigen Ampeln halten zu müssen. Der Verkehr ist bei uns so organisiert, dass Autofahrer so selten wie irgend möglich anhalten müssen, die Wege werden ihnen freigeschaltet. Es sind die Autofahrer selbst, die ihre Staus verursachen, einmal, weil zu viele zur gleichen Zeit unterwegs sind, und zum anderen, weil sie nicht konstant fahren, sondern abrupt beschleunigen und dann abrupt abbremsen müssen. Dagegen hilft in Stuttgart nichts mehr. Breitere Straßen würden mehr Verkehr erzeugen und bald genauso verstopft sein. Und mehr Grün-Phase geht auch nicht.

Derzeit ist viel von Verstetigung des Autoverkehr die Rede, um den Feinstaub zu reduzieren. In der Hohenheimer Straße merken wir, dass bei Tempo 40 bergan der Verkehr fließt, aber nur, weil man per Ampelschaltungen alle Rot-Stopps aus dem Weg geräumt hat. Wenn auf der B14 viel Verkehr ist, leuchten auch hier Geschwindigkeitsbegrenzungen auf 40 auf. Rollt der Verkehr etwas langsamer, sind auch die Bremsmanöver und Ungeduligen weniger heftig.

Dagegen müssen Fußgänger und Radler ihren Weg immer wieder unterbrechen, um den Autoverkehr durchzulassen.  

Am Neckartor warten Radler. Sie haben drei rote Ampeln
auf ihrem Weg in die Neckarstraße
Das macht Radfahren und zu Fuß Gehen unattraktiv. Wenn ich mit dem Auto besser durch Stuttgart komme als mit dem Rad oder oder per Bahn und Bus, dann nehme ich das Auto. Das machen derzeit viele. Der Autoverkehr hat stetig zugenommen. Auch der Radverkehr, aber er macht dennoch derzeit nur 5 Prozent des Verkehrs in Stuttgart aus. Die Diskussion über den Feinstaub verführt uns dazu, Ampelschaltungen nur für den Autoverkehr zu optimieren, nicht aber für den Fußgänger und Radlerverkehr. Was wiederum den Autoverkehr attraktiver macht.

Andersherum haben wir eine bessere Zukunft in der Innenstadt. Denn viele Fußgänger und viele Radfahrer reduzieren Lärm, Feinstaub und Stickoxide besser als immer mehr Autos.

Übrigens in Stuttgart sind ca. 36 Prozent der Straßen Vorbehaltsstraßen, auf denen regulär 50 gefahren werden darf. Unter 1 Prozent von diesen Straßen haben an Steigungen eine Reduktion auf 40 km/h, und ebenfalls unter 1 Prozent haben Tempo 30, wo sie an Schulen vorbeiführen. Etwa 64 Prozent der Straßen von Stuttgart liegen in Wohngebieten und damit in Tempo-30-Zonen.





6 Kommentare:

  1. Meine Erfahrung ist, das trotz ungünstiger Ampelschaltung das E-Bike in Stuttgart das schnellere Verkehrsmittel ist als das Auto. Es entfällt die Parkplatzsuche, und man kann oft Schleichwege abseits der Auto Routen nehmen, um insgesamt früher das Ziel zu erreichen.

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  2. Bei Strecken unter sieben Kilometern auf jeden Fall. Und besonders dann, wenn das Ziel in einer Gegend liegt (Innenstadt z.B.), wo man Parkplatz suchen müsste. Das Rad ist das auch zuverlässiger als der ÖPNV. Mit dem Fahrrad ist man immer pünktlich, wenn man weiß, wie lang man für eine Strecke braucht. Man braucht dann immer gleich lang. Bei Strecken von um die 12 Kilometern, hängt es nach meiner Erfahrung von der Verkehrslage ab, ob Auto oder Fahrrad schneller ist. Den Stau umfährt man mit dem Fahrrad. Ist aber nichts los auf den Straßen, dann sind solche Strecken mit dem Auto meist fünf bis zehn Minuten schneller zu bewältigen. Wenn man dann aber Parkplatz suchen und zum Ziel noch ein bisschen zu Fuß laufen muss, ist das Fahrrad wieder schneller, zumindest gleich schnell.

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  3. Ich kann ähnliches bestätigen. Mein Weg zur Arbeit sind etwa 20 KM von Stuttgart Mitte nach Sindelfingen. In Sindelfingen habe ich reichlich Parkplätze, in Stuttgart leider nur einen Anwohnerausweis.
    Mit dem Auto brauche ich 30 Minuten zur Arbeit und etwa 45 zurück, weil nachmittags die Straßen deutlich voller sind als morgends vor 6.
    Mit dem Motorrad sind es 30 + 40 + umziehen, mit Fahrrad und S-Bahn 45 + 45 und ganz schlecht schneidet das Pedelec ab. 55 + 50 + umziehen, dann ist aber der Sport auch schon erledigt.
    Selbst bei 20 KM und einer hervorragens ausgebauten Strecke mit Heslacher Tunnel, Schattenring und einem Stück Autobahn ist der Zeitunterschied nicht wirklich erheblich.

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    1. Ich fahre auf meiner Strecke von Böblingen Rauher Kapf bis zum Kinderhaus im Step um nach der Arbeit die Kinder aus der Kita zu holen. Das sind 12,5km mit dem Pedelec durch den Wald, oder 15km über die Autobahn. Wenn es pressiert, fahre ich 23 Minuten mit dem Rad - mit dem Auto ist man zur Hauptverkehrszeit etwa 25 Minuten unterwegs wenn es gut läuft, muss aber 35-40 Minuten planen für die ungünstigen Fälle. Wenn ich nicht duschen möchte, benötige ich knapp 30 Minuten mit dem Pedelec.
      Auf den Strecken von der Kita heim (2km) und von zuhause zum Fußballplatz auf dem mein Sohn spielt (2km), beide innerhalb S-Vaihingen, bin ich mit dem Auto circa 10-15 Minuten und mit dem Pedelec etwa 6 Minuten unterwegs. Auf keiner meiner alltäglichen Strecken bin ich mit dem Auto schneller.

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  4. Schön, wie ihr das ausgerechnet habt. Vielen Dank. Selbst auf langen Strecken ist das Rad ein Vorteil. Auch wenn man vielleicht nicht schneller ankommt als mit dem Auto, hat man sich immerhin schon mal bewegt, bleibt fit und ist besser gelaunt.

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  5. Die Sache mit der besseren Laune ist wohl mein Hauptmotiv. Wenn ich mit dem Fossil zur Arbeit fahre, wenn das Wetter wirklich mies ist, brauche ich erstmal einen Kaffee. Und danach startet mein Tag eher mittelgut. Zu Feierabend habe ich dann keine Lust auf den Stau, komme genervt heim.
    Mit dem Fahrrad komme ich wach und zufrieden in Büro an, auch wenn ich dort ungern dusche und daher auf dem hinweg eher locker fahre. Wenn dann Feierabend ist, freue ich mich schon darauf es richtig krachen zu lassen bis zur heimischen Dusche. Oft fahre ich bei gutem Wetter größere Umwege, um das radeln länger genießen zu können.

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