13. Mai 2016

Radfahrer, löst euch in Luft auf!

Wenn Radfahrer auf Autostraßen fahren, empfinden eingefleischte Autofahrer das als Demonstration. Wenn Radfahrer auf Gehwegen fahren, schimpfen Fußgänger darüber, dass Radler überall fahren und keine Rücksicht nehmen. 

Man ist aber auch gegen Radstreifen auf Fahrbahnen. Und  man will zugleich den Fußverkehr in der Stadt stärken und es Fußgängern bequemer machen. Und, schwupp, sind wir Radfahrende schon wieder außen vor. Man will uns nicht haben, weder auf Fahrbahnen, noch auf Gehwegen.

Radfahrende sind die Lästigen, die Bösen, die Ideologen, die Kampfradler, die Vogelfreien, die Gehassten, die Gejagten, die Verscheuchten, die Unerwünschten. Löst euch gefälligst in Luft auf! Existiert nicht!
Danke. Und nun?  Wir Radfahrende wollen doch niemanden stören, nur vorankommen. Wir schlängeln uns ungern durch Fußgänger/innen. Wir bremsen ungern Autos aus. Wir fahren Rad, weil wir damit in der Stadt am schnellsten und bequemsten vorankommen. Und schaden tun wir damit auch niemandem. Im Gegenteil: Wir entlasten den Autoverkehr vom Stau, wir helfen, die Luft besser zu machen, wir drängeln uns nicht in übervolle Stadtbahnen zur Hauptverkehrszeit. Wir bewegen uns auf gesündere Art und entlasten unser aller Krankenkassen, wir bringen Geld in den Lokalen Handel. Wir verdienen ordentlich Geld und zahlen Steuern.

Warum hasst man uns dennoch? Weil wir das dritte Element im Stadtverkehr sind, zwischen Menschen, die im Autofahrermodus und denen, die im Fußgängermodus unterwegs sind. Und auch noch schwer zu fassen. Wir sind so verschiedenartig.

Am leichtesten ist Verkehrspolitik fürs Auto (wenn auch am teuersten). Autos sind eine total homogene Masse. Sie sind alle gleich, sie sind genormt. Und es spielt keine Rolle, ob ein Alter, ein Junger, eine Frau, ein Mann, ein Gehbehinderter oder eine Mutter mit zwei Kindern darin sitzt. Autos fahren alle gleich schnell (und nur so schnell, wie sie sollen), auf für sie in jahrzehntelanger Arbeit ausgeklügelten Bahnen, die ihnen das Fortkommen so leicht wie möglich machen. Für sie gibt es eine enorme stadtweite Infrastruktur zum Abstellen der Fahrzeuge, nämlich Straßenränder und Parkhäuser. Deshalb ist Autoinfrastruktur leicht zu planen und umzusetzen.

Fußgänger/innen sind da schon weniger homogen. Das merken wir nur nicht, denn einen Teil haben wir bereits aus der Stadt vertrieben (oder lassen wir nicht mehr rein), nämlich die Alten und Gehbehinderten. Wir sehen hauptsächlich die, die zügig auf ihren zwei Beinen laufen. Die Seniorinnen an Rollatoren, die Alten mit Krücken, die Rollstuhlfahrenden, die sehen wir in unserer Innenstadt so gut wie gar nicht. Sie sitzen zu Hause. Die schaffen es nicht mehr bis in die Stadt, weil die Hindernisse zu vielfältig sind. Sie kommen in Bahnen und Busse nicht hinein, und wenn, haben sie Angst, dass sie losfahren, bevor sie sicher sitzen. An Treppen müssten sie andere um Hilfe bitten. (Tragen Sie mir bitte meinen Rollatom hoch?) Auch ist so mancher Bordstein für sie unüberwindlich hoch. Ist er an einer Straßenecke mal niedrig, dann parkt garantiert ein Auto dort. Und dann die Radler auf den Gehwegen! Wir sehen übrigens auch nur wenige Eltern mit Kinderwagen, denn auch für sie sind Treppen Hindernisse, die sie zu teils enormen Umwegen zwingen. Die fahren ihre Kinder dann im Auto herum. Die Alten fahren auch Auto oder verlassen ihr Viertel nicht mehr. Fußgänger haben keine Lobby, die Alten noch weniger.
Dennoch bemüht sich auch Stuttgart, die Wege für Fußgänger zu verbessern. Dafür gibt es ebenfalls vergleichsweise einfache Regeln: Keine hohen Bordsteine, Rampen statt Treppen, Aufzüge, Gehwege vor ausparkenden Autos schützen, kein Kopfsteinpflaster, genügend Fußgängerüberwege über Stadtautobahnen. Autoverkehr verlangsamen, Radverkehr von Gehwegen verbannen!

Radfahrende sind dagegen eine höchst inhomogene Masse. Es gibt schnelle Radler, langsame, sichere und unsichere, welche auf Liegerädern, welche mit Lastenrädern oder Kinderanhängern, die breiter sind, einzelne auf E-Dreirädern, E-Räder, Trekkingräder, Rennräder die jeweils in anderem Modus fahren, Kinder auf Rädern, Gruppenformationen. Manche radeln lieber auf der Fahrbahn, weil sie schnell von A nach B wollen, manche fühlen sich da so unsicher, dass sie auf Gehwege flüchten und sich nach von jeglichem Autoverkehr isolierten Radwegen sehnen, manche radeln nur im Freizeitmodus und wollen es grün haben und durch den Wald fahren.
Manche pendeln 50 km am Tag zur Arbeit, manche radeln einen Kilometer zum Einkaufen durchs Wohnviertel. Die einen schieben ihr Rad auch mal gern durch eine Fußgängerzone, die anderen wollen auch an roten Ampeln nicht bremsen müssen, sondern rollen. Die Fortbewegungsziele und -interessen sind vielfältig und sehr unterschiedlich. Nichts ist genormt. Die Geschwindigkeiten sind höchst unterschiedlich. Die physischen Fähigkeiten und die Persönlichkeiten auch.

Die Politik für den Radverkehr ist also kompliziert. Legen wir die Radinfrastruktur auf die Fahrbahn, beschweren sich Autofahrer und Radler/innen, die sich fürchten oder denen das Achten auf Autos zu stressig ist. Legen wir sie auf Gehwege, beschweren sich die Fußgänger/innen, die das stresst, und die Radfahrer/innen, die sich nicht in Schrittgeschwindigkeit durch Fußgänger schlängeln wollen. Machen wir Radwege, beschweren sich die Autofahrer, weil sie Platz verlieren, und die Radfahrer, weil sie dort lang fahren müssen und der Weg zugeparkt, nicht geräumt oder voller Glasscherben ist und Fußgänger darauf entlang gehen. Radfahrende werden auch und gerade in Stuttgart zwischen Fahrbahnen und Gehwegen hin und her geschoben. An jeder Ecke ist der Weg, den man ihnen anbietet, anders organisiert, mal wie für Fußgänger, mal wie für Autos, mal wie nur für Radfahrer. Radfahrende sollen sich selbst offensichtlich als Störenfriede erleben, auf Fahrbahnen werden sie angehupt, auf Gehwegen als Rowdies beschimpft.

Zur Begründung ihres Hasses auf Radfahrende geben Autofahrer und Fußgänger dann stets Geschichten zum besten, bei denen Radfahrer Regeln verletzt haben. (Als ob Autofahrer und Fußgänger nie Regeln verletzen würden*. ) Wobei Autofahrer verkennen, dass sie eine tonnenschwere Masse bewegen, die Menschen tötet, wenn der Fahrer einen Fehler macht oder die Regeln verletzt.* Radfahrer töten nicht, wenn sie Fehler machen, sie können aber andere verletzen, wobei sie sich in der Regel selbst auch verletzen, weil sie stürzen. Die harmloseste Verkehrsart sind Fußgänger: ungeschützt, aber auch langsam. Wenn durch ihren Fehler im Straßenverkehr jemand umkommt oder verletzt wird, dann weil ein Autofahrer oder Radler zu schnell war und nicht vorausschauend gefahren ist und beim Ausweichen irgendwo gegen kracht.

Aber der Kessel ist voll. Voller Autos. Derzeit sind Radfahrende trotz einer mangelhaften Radinfrastruktur unterwegs und suchen sich praktikable Wege. Aber Radfahren darf kein individuelles Abenteuer im Autokessel sein. Man muss es nachdrücklich fördern. Wenn die, die heute schon Rad fahren, sich morgen alle ins Autos setzen, dann bewegt sich nichts mehr auf unseren Stuttgarter Straßen. Und dass kann doch gerade die Autolobby nicht wollen. Stehende Autos machen sich selber überflüssig. Also lasst uns mal ohne Aufgeregtheiten eine Radimnfrastruktur planen und herstellen, mit der sich Radfahrende, so unterschiedlich sie auch sind, wohl fühlen. Das hilft allen.

*Anfang Mai ist ein Autofahrer in Bad Säckingen gegen alle Regeln und Verbote in eine Fußgängerzone gefahren, hat dann wohl Gas- und Bremspedal verwechselt und ist in ein Straßencafé gerast, wo er zwei Menschen getötet und viele verletzt hat.









18 Kommentare:

  1. Für die Fußnote: Bad Säckingen ist sicher ein Einzelfall. Zur Nicht-Beachtung von Regeln durch PKW-Fahrer braucht man eigentlich nur eine einzige Regel erwähnen: die Höchstgeschwindigkeit. Nur eine sehr geringe Minderheit hält sich daran, die Mehrheit glaubt sogar, 20km/h zu schnell sei ihr gutes Recht!

    Ich habe übrigens die Erfahrung gemacht, dass ich im Auto wesentlich öfters von hinten angehupt werde (ich halte mich immer an die Höchstgeschwindigkeit), als auf dem Fahrrad.
    Daher kann ich allen, die mit dem Rad fahren, nur empfehlen, hupende Auto-Fahrer einfach zu ignorieren. Das sind die Typen, die ohnehin bei nächster Gelegenheit ihren Führerschein abgeben müssen. Wegen: "... charakterlich nicht zur Führen von KFZ geeignet".

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    1. Das Reinfahren Fußgängerzonen ist leider kein Einzelfall, auch bei uns nicht. Muss man sich nur mal die Königstreue anschauen. Und wenn dann ein einzelner Autofahrer einen Fehler macht ... Stimmt übrigens, auch Autofahrer gehen rüde miteinander um. Ich lasse mich von hupenden Autofahrern auch nicht abschrecken, auf Fahrbahnen zu radeln. Ich sehe aber halt ganz arg viele Radfahrende, die sich das nicht trauen oder bei erster Gelegenheit auf den Gehweg flüchten. Das ist natürlich auch verkehrt. Auch Radfahrer wissen oft nicht so genau, wie die Regeln für sie eigentlich gehen. Ich persönlich glaube, dass eine prominente und selbstbewusste Radinfrastruktur die Situation entschärfen würde, weil unsere Stadtgesellschaft damit ausdrücken würde: Wir wollen hier die Radfahrenden, wir mögen sie.

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    2. Da gibt es durchaus mehr als nur die Höchstgeschwindigkeit. Sehr oft beobachte ich "es war noch gelb" Fahrer, wobei schon tiefrot war (gut, als Radler oder Fußgänger legt man auch mal ab und zu einen Ampelsprint hin, diese Situation ist aber eben auch im Autoverkehr keine Seltenheit). Dann das konsequente Zuparken von Kreuzungsbereichen in Stausituationen weil es die Fahrer nicht gebacken bekommen (kann einem als Radfahrer nicht passieren), an der Haltelinie anzuhalten. Ferner ist es das Durchfahren von Einbahnstraßen in die falsche Richtung. Eine Freundin von mir wohnt in einer solchen kurzen Straße, wo man regelmäßig jemanden durchbrettern sieht wenn er meint, es kommt grad nichts. Last but not least die vielen Falschparker an Kreuzungen/Einmündungen, die Gehwege und Radwege blockieren etc. Von daher: Sich mit "wir Autofahrer fahren ja höchstens mal ein bisserl zu schnell" rauszureden ist nicht.

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    3. Lieber Matthias, mir ist aufgefallen das der Anhup-Grad von dem gewählen PKW abhängt. Auch ich respektiere wenn ich ausnahmsweise mal das Auto benutze das Limit, und ernte Unverständnis von anderen Motoristen. Fahre ich mit unserem Familienschiff (D-Segment Kombi (wie VW Passat), neues Modell) dann fahren die anderen kurz drängelnd heran, und halten danach genervt Abstand. Fahre ich mit unserem Stadtauto (A-Segment Kleinstwagen, 17 Jahre alt), so werde ich bedrängt, angehupt und überholt.
      Mit dem Fahrrad auf der Fahrbahn werde ich weniger bedrängt als mit dem Kleinstwagen.

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  2. Glückwunsch zu diesem gelungenen Blogbeitrag, der das Dilemma des 3-unter-einen-Hut-bringens sehr gut beschreibt. Ich selber bin in allen drei (bzw.4, wenn man noch die Öffentlichen hinzuzählt)Bereichen unterwegs, bin also Auto-, Bahn- u. Radfahrer, sowie auch Fussgänger. Je nachdem in welcher "Rolle" ich gerade stecke, probiere ich daher immer den Befindlichkeiten der jeweilig anderen Gruppe mit Verständnis und Respekt zu begegnen (nicht einfach, man geht schon mal gern in seiner jeweiligen Rolle auf). Das Phänomen, das sich die einzelnen Gruppen untereinander nicht grün sind und sich gegenseitig als Wurzel allen Übels sehen war leider schon immer sehr ausgeprägt. Die letzten Jahre kommt auch - aus meiner Sicht - immer mehr hinzu, dass sich innerhalb der Gruppen das Miteinander verschlechtert (das ständige angehupe, angepöbele und angeklingele nimmt zu, und das mal jemand in der Bahn freiwillig auf seinen Platz verzichtet oder seine Breitbeinigkeit eingrenzt wird auch seltener). Hängt vermutlich mit der generellen gesellschaftlichen Entwicklung zusammen, die aus Allen schon sehr früh versucht kleine ICH-AGs mit sehr begrenztem Tellerrand zu entwickeln.

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    1. Oder auch damit, dass wir halt an vielen Orten so viele sind, dass der Einzelne meint, er müsse für sich selber sorgen, sonst komme er nicht mehr durch oder nicht dorthin, wo er hinwill. Allerdings erlebe ich, wenn ich Auto fahre, auch, dass so mancher Fahrer meint, er oder sie müsse jede Lücke nützen und zwischen jedem Blitzer beschleunigen. Und dann hole ich genau den an der nächsten Ampel wieder ein. Wir müssten lernen, ruhiger zu fahren. Auch so mancher Radler. Aber Vorschläge kann man ja viele machen ... Wir halten uns ja auch oft nicht mal an unsere eigenen Vorschläge 😊

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  3. Schöner Artikel. Aber dass Stuttgart viel für die Radler tut, hahaha.
    Gescheit(!) Abgesenkte Bordsteine sind ja bereits bei Neubauten Mangelware, und es gibt noch gigantischen altbestand.
    Btw.: das politkorrekte durchgegenderte radfahrende kann man auch durch Radler ersetzen. ..

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    1. Lieber Anonymus, Radfahrende (übrigens nicht durchgängig gegendert) kann man eben nicht durch Radfahrer ersetzten, weil dabei so gut wie alle an männliche Radfahrer denken. Das sind auch die, die hier meistens mitdiskutieren und eher gegen Radstreifen und fürs mutige und kaltblütige Fahrbahntadeln argumentieren. Es fahren aber ebensoviele Frauen wie Männer in Stuttgart Fahrrad, und sie fahren oft anders und haben sehr oft auch andere Bedürfnisse. Radpolitik wird in Stuttgart für den männlichen Radfahrer bevorzugt mit Rennrad (und Rennradpedalen) gemacht, wenn auch alles andere als wirklich gut. Diese Halteringe an den Ampeln sind ein Beispiel dafür. Erstens kann sich da nur ein Radfahrer halten, und zweitens würden wir Radlerinnen uns eher erhöhte Seitenbordsteine wünschen zum Fußabstellen. Ich halte es für dringend wichtig, dass in unseren allgemeinen Formulierungen entweder auch Frauen vorkommen (Radfahrer/innen) oder dass geschlechtsneutral sind. Wobei ich das nur bei allgemeinen Aussagen mache, bei komplizierteren Erklärungen etc. eher nicht.

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    2. Der Frauen/Männeranteil an Radfahrenden ist nach meinem Eindruck nicht gleich. Männer fahren mehr, oder Frauen weniger, wie man's nimmt. Und das ist ein schlechtes Zeichen. Jan Gehl oder so jemand ähnliches, der sich um lebenswerte und radfahrfreundliche Städte kümmert, meint, dass man an der Zahl der radfahrenden Frauen und Kinder ablesen kann, wie gut man in einer Stadt Rad fahren kann.

      Du benutzt am Anfang das Wort Autostraße. Das wird oft unbewusst gesagt. Man kann daran erkennen, dass in den Köpfen die Straßen den Autos gehören. Rechtlich ist das bei den meisten Straßen nicht so, wie bekannt ist.

      Ja, Radfahrer sind die mit Abstand inhomogenste Gruppe der Verkehrsteilnehmer. Und sie haben keine brauchbare, durchgehende Infrastruktur für sich. Man kann sie bauen, das dauert und kostet. Separierte Radwege, auf die sich auch Frauen, Kinder und Alte trauen. Wenn dann viele Rad fahren, wird sie Opfer ihres eigenen Erfolgs: es gibt Radfahrerstau. Und immer noch Tote durch rechts abbiegende Kfz. Man kann aber auch mal was versuchen, was noch niemand versucht hat. Ich weiss nicht, ob das realistisch ist. Man könnte das Rad fahren auf der Fahrbahn auch gefühlt sicher machen, indem man die Drängler und Raser wegnimmt. Was mein Vorredner Matthias schrieb, dass die bei nächster Gelegenheit ihren Führerschein abgeben müssen, passiert heute leider nicht! Man kann in Deutschland einen Radfahrer aus grober Fahrlässigkeit tot fahren, und wird viel weniger bestraft als ein Wirtschaftskrimineller.

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    3. Ich habe mal gelesen, dass in Schweden jeder Autofahrer ein Mitschuld hat, wenn er einen Unfall mit einem Radfahrer hatte, egal, ob er ihn verursacht hat oder nicht. Müsste ich aber noch mal nachprüfen.

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    4. Liebe Christine, ja, bitte weiterhin gendern, danke!

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    5. Lieber Robert, eines vergaß ich noch zu sagen. Wenn du mein Blog kennst, weißt du dass ich immer Fahrbahn Schreibe. Das Wort Autostraße habe ich hier bewusst verwendet, um unbewusste die Zuordnung der Fahrbahn zu den Autos, deutlich zu machen.

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  4. Ich bin in den letzten zehn Jahren viel Fahrrad gefahren in Passau, Leipzig, Meerbusch und Neuss. Die Unterschiede zwischen Leipzig und Düsseldorf könnten nicht größer sein. Leipzig ist eine Stadt, in der ein großer Teil der Bevölkerung wenigstens gelegentlich das Rad benutzt, einfach weil die Topografie der Stadt viele Wege mit dem Rad erzwingt: Wenn man mit Motorfahrzeugen mehr als die doppelte Strecke und ebenso die doppelte Fahrzeit veranschlagen muss dann nimmt so ziemlich jeder das Rad. Und wer gelegentlich Rad fährt, kennt die andere Perspektive und achtet auch als Autofahrer eher auf die gefährlichen Situationen.

    Hinzu kommt ein gewisser Erziehungseffekt durch einige Hardcores der Kurier- oder Fixie-Fraktion. Da gab es schon einige Fälle von Kurieren, die nach Angehupt-Werden den Autofahrer an der Ampel wüst bebrüllt haben, oder eben Autofahrer, die nach einer Beinahe-Kollision (Schneiden beim Rechtsabbiegen) den linken Außenspiegel durch einen beherzten Tritt eingebüßt haben. Nicht, dass ich das gut fände, aber es spricht sich herum...

    In Meerbusch dagegen bin ich auf dem Weg vom Aldi zurück ins Zentrum (ja, der mit der E-Tanke, wo die Panamera-Plug-In-Kunden besonders gerne lange einkaufen) schon mal von einem SUV-Fahrer angebrüllt worden, wie verantwortungslos es denn wäre, mit Kind im Hänger auf der Straße zu fahren (kein Radweg in Fahrtrichtung). Ich habe dann schwäbisch gegrüßt.

    In D-Oberkassel bin ich auf der Düsseldorfer Straße (sehr eng) mehrfach beschimpft und angehupt worden und zweimal mit Schürfwunden vom Rad geholt worden (Überholversuche mit verfrühtem Einscheren, leider war ich nicht schnell genug oben, um das Kennzeichen zu merken).

    Und zum Thema Autofahren: Ich bin gelegentlich mit dem Auto auf bundesdeutschen Fernstraßen unterwegs und halte mich prinzipiell an Geschwindigkeitsbeschränkungen. Heisst: In der Stadt strikt, über Land +x, wobei x die Summe aus Tachovoreilung und Toleranz bedeutet, also 88 bei 80 und 132 bei 120 - und auf freigegebenen Stücken je nach Verkehr zwischen 130 und 170. Damit bekommt man auch den großen Volvo auf unter sechs Liter. Tatsächlich findet man dann so ein paar (geistige) Tiefflieger, die meinen, dass Tempo 120 eher 210 bedeutet. Dieser Fraktion wünschte ich manchmal Norwege, die Schweiz oder Italien an den Hals, wo die signifikante Überschreitung von Tempolimits einen Monat Knast oder beschlagnahme des Verkehrsmittels bedeutet.


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  5. Was den Raum oder den Platz anbetrifft:

    Den Raum für zusätzliche Strassen in einer gewachsenen Innenstadt kann zumeist recht genau mit NULL beziffern. Es ist also in den meisten Fällen -ganz unabhängig vom Geld- nicht möglich dem KFZ mehr Platz einzuräumen.
    Wenn ich aber weiterhin Mobilität gewährleisten will, dann muss ich umgekehrt anderen Verkehrträgern Raum geben. Das geht nur, indem man dem individualisiertem KFZ-Verkehr etwas nimmt (etwas, nicht alles). Wer das nicht einsehen will, kann gleich wieder im Stau stehen bleiben.

    Zum Nachdenken: https://bikephreak.wordpress.com/2016/01/28/ist-mobilitaet-ein-wert/

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    1. Es ist sogar ganz leicht, den Autos etwas Raum wegzunehmen, ohne dass die das groß merken. Wir haben teils achtspurige Stadtautobahnen, deren je zwei äußere Spuren längst überflüssig geworden sind, weil die Straßen, in die man von dort massenhaft abbiegen können sollte, gesperrt sind. Es geht auch nicht darum, Autos gänzlich aus der Innenstadt zu verbannen. Es gibt Menschen, die kommen nur mit dem Auto noch in die Stadt. Es müssen nur nicht ganz so viele Autos an den Straßenrändern stehen, bei den Mengen an Parkhäuseren (die nicht mal voll sind), die wir rund herum haben.

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  6. Ich bin fast ausschließlich mit dem Auto in Berlin unterwegs aus beruflichen Gründen. Ich habe nichts gegen Radfahrer so lange diese sich an die Verkehrsregeln halten und ihr verhalten somit für mich, zumindest teilweise, voraus zu sehen ist. In keiner anderen Stadt hatte ich bis jetzt so viele beinahe Unfälle wie hier. In Amsterdam war ich auch mit dem Auto, dort lief alles ohne Probleme. Langsame Radfahrer fahren auf dem breiten Gehweg und schnelle Kurierfahrer fahren im fließenden Verkehr mit und halten sich dort an die Verkehrsregeln. Während in Berlin fahrradampeln mehr als möglichen Vorschlag bei einigen Radlern gelten und sich an jeder Ampel bis nach vorne durch die kleinste Lücke Gedrängel wird um 10m weiter wieder überholt zu werden oder den rechtsabbieger an zu brüllen weil der ihn nicht gesehen hat. Und ja, in eben diesen Situationen bin ich auch für manche ein A... da ich vor dem rechtsabbieger so weit nach rechts fahre, dass kein Radfahrer mehr an mir vorbei kommt, damit er nicht in meinem Toten Winkel landet. Gleichzeitig wird sich über zu geparkte Radwege beschwert, aber wo sollen Lieferanten halten? Ich wurde schon beschimpft und mein Auto angespuckt, weil ich auf dem Radweg stand während ich erste Hilfe bei einem Unfall keine 10m weiter geleistet habe. Es sind einfach auf beiden Seiten zu viele die keine Rücksicht auf andere nehmen, sowohl auf 2 Rädern wie auch auf 4 Rädern. Das muss sich ändern.

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    1. Ja, das ist ein echtes Problem in Deutschland. Ich habe mein Blog angefangen, weil ich mich gefragte habe: Warum missachten Radler so oft rote Ampeln? Ich habe erkannt, dass es daran liegt, dass für sie nichts wirklich durchgängig geregelt ist. Sie werden von der Fahrbahn auf Gehwege geleitet, müssen mal über Fußgängerampeln, mal dann wieder auf die Fahrbahn. Sie haben drei verschiedene Ampelsysteme (Post dazu kommt demnächst), ihre Radstreifen hören plötzlich ganz auf. In den Niederlanden gibt es eine jahrzehnte lange Tradition des Respekts für Radler. Hier nicht. Hier fühlen sich Radfahrer hintangesetzt und fahren oft mit einer Mentalität: Wenn die Stadt nicht für mich sorgt, muss ich für mich selber sorgen. Wenn die Stadt die Autos auf Radstreifen nicht abschleppen lässt, dann muss ich die Falschparker selber zurecht weisen. Wenn Autofahrer nicht auf mich achten (beim Rechtsabbiegen), dann muss ich laut werden und für mein Überleben schreien. Das ist nicht gut. Ich glaube, das können wir nur ändern, indem wir unsere Straßenverkehrspolitik auch und gerade für Radfahrende machen. Und selbstverständlich müssen wie an Staus vorbei zur Ampel vorradeln dürfen. Das ist ja der Witz bei Radfahren. Es ist nicht denkbar, dass Radler im Autostau in drei Schritten vorrücken zur Ampel. Radfahren hat den Vorteil, dass man schneller vorankommt als im Auto, und diesen Vorteil muss die Straßenverkehrsordnung stärken. Sind Radler erst einmal ein respektierter Teil des Straßenverkehrs, dann lassen sie sich auch viel leichter in die Pflicht nehmen, sich an Regeln zu halten. Ich kann aber heute noch in Stuttgart mehrere Stellen aufzählen, wo die Radinfrastruktur Radler dazu zwingt, eine Verkehrsregel zu übertreten, wenn sie sie nutzen wollen. Das fördert gar nicht die Idee, dass Radler sich ebenso streng an die StVO halten sollten wie Autofahrer. (Und seien wir ehrlich, auch Autofahrer tun das ja nicht so streng.) Ich wünsche mir auch ein verständnisvolleres Miteinander. Ich ärger mich auch als Radlerin über so manche Radfahrer. Aber ich sehe auch, dass manche für sich keine andere Lösung sehen, als über den Gehweg zu radeln oder falsch herum auf einem Radstreifen oder bei Rot über eine freie Kreuzung zu fahren (manche Induktionsschleifen reagieren nicht auf Radfahrer, was also tun?). Es hakt noch zu sehr bei der Infrastruktur, wie ich höre, auch in Berlin. In Stuttgart aber auch.

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    2. Stuttgart kenne ich nicht, aber in Berlin hakt es teilweise sehr an der Infrastruktur. Ich muss aber auch zugeben, dass ich mich nicht immer an die StVO halte. Ja, ich habe auch schon auf Randstreifen gehalten, aber was soll man machen, wenn man in der Innenstadt die Wahl hat einen 80kg Generator oder mehrere Gasflaschen 200m weit zu schleppen oder 2 Minuten auf dem Radweg zu stehen, weil alle Parkplätze belegt sind? Leider ist so eine Situation nicht die Regel und viele nutzen das unberechtigt aus. Mit einer Aktentasche könnte ich auch weiter bis zum Auto laufen, es gibt aber viele denen das zu schwer zu sein scheint. Die unterschiedlichen radführungen sind aber auch meiner Meinung nach das größte Unfallrisiko. Leider hatte ich schon mehrfach das "Vergnügen" eine Vollbremsung machen zu dürfen, weil Radler unvermittelt auf die Straße fuhren. Dafür, dass man sie dann nicht mit knapp 2,8t Fahrzeugmasse erwischt bekommt man hier dann noch den Mittelfinger gezeigt... Was viele dabei nicht bedenken, das Einfahren in die Fahrbahn, auch von einem endenden Radweg aus, ist nach Paragraph 7 Abs. 5 StVO geregelt, also Schulterblick, Richtung anzeigen und nur Einfahren, wenn der andere Verkehr nicht behindert wird. Letztens habe ich dabei beinahe einen Radfahrer der in seinem lastrad vorne zwei Kinder drin hatte nur um ein paar Zentimeter verpasst und hatte Glück, dass auf der nebenspur gerade kein Auto war... Von daher bin ich voll dafur, dass radschutzstreifen weiter ausgebaut werden, damit es nicht irgendwann doch noch kracht. Rücksicht auf allen Seiten ist das beste, es kann immer sein, dass ein Radweg nicht benutzbar ist und es kann auch immer mal vorkommen, dass es keine andere haltemöglichkeit für Autos gibt, in diesen Situationen müssen beide Seiten sich einander anpassen und auch mal 5 gerade sein lassen. In diesem sinne, gute und unfallfreie Fahrt für alle!

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