3. Oktober 2016

Liebe Autofahrerinnen und Autofahrer,

seid doch nicht so garstig zu den Radfahrenden. Freut euch über Menschen auf dem Fahrrad. Sie stehen nämlich schon mal nicht vor euch im Stau.

Und wenn sie an der Ampelschlange mal etwas schneller vorankommen als ihr, dann lächelt und nehmt es gelassen. Mit dem Fahrrad ist man im Innenstadtverkehr nun mal schneller als mit dem Auto.  Ihr könnt es ja selber mal ausprobieren. Aber Radler beschimpfen, mit Scheibenwischwasser bespritzen,  sie schneiden und ausbremsen geht gar nicht.

Denkt dabei auch an euch selbst, liebe Autofahrende. Möchtet ihr wirklich dafür verantwortlich sein, dass eine Radlerin oder ein Radler stürzt, sich etwas bricht, sogar tödlich verletzt, weil ihr ihn bedrängt, bespritzt und bedroht? Das kann nämlich passieren, wenn ihr mit eurem Blechpanzer einen Radler angreift. Radler haben keine Knautschzone. Übrigens tun sie auch überhaupt nichts.

Abstand halten! Das ist zu knapp. 
Blogleserin Christiane schreibt mir. "Innerhalb von zwei Wochen bin ich zweimal bespritzt worden: Beim erstmal fuhr ich von Feuerbach Richtung Weilimdorf die Weilimdorfer Straße hinauf. Ein Auto überholte, setzte sich direkt vor mich. Der Beifahrer hielt ein Deospraydose aus dem Fenster und spritzte damit in meine Richtung. Einen Teil des Gases musste ich einatmen.
Gestern fuhr ich die Waiblinger Straße in Cannstatt Richtung Wilhelmsplatz. Am Ende des Radweges (Kreuzung Daimlerstraße) ordnete ich mich mit Handzeichen in den fließenden Verkehr ein. Der Autofahrer hinter mir gab Gas, überholte mich und setzte sich direkt vor mich. An der nächsten Kreuzung kamen wir zum stehen. Er bespritzt mich mit Scheibenwischwasser, das direkt in meinem Gesicht landete, in meinem Auge. Die beiden Insassen drehten sich an den nächsten Kreuzungen noch mehrmals um und lachten hämisch.
Passiert so etwas öfter? Nimmt das zu? Bisher wurde ich nur beschimpft, damit kann ich leben. Aber wenn die Autofahrer "handgreiflich" werden wird es gefährlich.
Ich denke jetzt darüber nach, mir eine Kamera zu kaufen und solche Fälle, wenn sie wieder vorkommen, vielleicht auch mal zur Anzeige bringen." 

8 Kommentare:

  1. Leider ist die Auswertung einer Kamera in der Regel nicht vor Gericht verwertbar. Glücklicherweise wurde ich noch nicht bespritzt.

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  2. Vermutlich würde ich an der nächsten Kreuzung eine Tür an einem leeren Sitzplatz öffnen, und die Insassen zur Rede stellen. Denn mit offener Tür fahren Autofahrer nicht weiter, müssen aussteigen um sie zu schließen, und sind damit erstmal aus dem Panzer raus.

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    1. Viele Autofahrer haben beim Fahren alle Türen abgeschlossen, damit sie nicht angegriffen werden.

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  3. Kenn ich. Deshalb fahren da draussen einige Autos ohne Seitenspiegel rum.

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  4. Was kann man denn als Radfahrer tun, wenn man von einem Autofahrer "angegriffen" wird? Wie reagiert man da am besten?

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  5. Anpöbeln und Scheibenwischwasser ist doch noch toll ;)
    Vorgestern angespuckt worden, vor 2 Wochen beim Stehen an der Ampel so geschnitten worden, dass der Fahrer mir über den linken Schuh gefahren ist...
    Alle diese Vorgänge sind (ausser dem Anpöbeln) genau genommen bereits (versuchte) Körperverletzung - egal ob Spucke oder Wasser, Deo oder sonst was. Nur der Nachweis wird sehr schwer - eine Kamera kann zumindest die Polizei bei der Aufnahme der Ermittlungen 'ermuntern'. Ob ein Gericht die Aufnahmen dann zulässt, wird sich zu einem späteren Zeitpunkt feststellen lassen.

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  6. „Passiert so etwas öfter? Nimmt das zu?“

    Ja, nach meiner subjektiven Wahrnehmung nimmt es zu - allerdings unabhängig vom Verkehrsmittel. Ich denke, es ist viel eher ein gesellschaftliches Phänomen, dass wir immer mehr ein Volk von Egomanen werden. Die virtuelle Vernetzung ermöglicht es dem Menschen, sich stark zu individualisieren und scheinbar weniger abhängig von realen Verflechtungen zu sein. Die eigenen Interessen erfahren eine viel höhere Gewichtung, weil all unser Handeln ob der Vielzahl an Kommunikationsmöglichkeiten deutlicher im Fokus steht als noch vor dem Zeitalter des Internets. Die gesellschaftliche Barriere, auf Multiplikatoren angewiesen zu sein, um seine Interessen und Ideale zu vertreten bzw. zu verbreiten, verblasst zusehends. Dadurch verstärkt und verankert sich indes der individuelle Eindruck, die eigenen Belange würden wichtiger sein und gleichermaßen vom Umfeld dergestalt resorbiert werden.

    Das meine ich gar nicht wertend, sondern eher feststellend. Den Hang dazu hatte der Mensch schon immer. Bloß war es eben früher schwieriger, sich mit partikularen Interessen Gehör zu verschaffen, sodass man auf andere noch eher angewiesen war als heute.

    Die Aggressionen sind ergo nach meinem Dafürhalten ein Ausdruck von Selbstbezogenheit, und man findet sie überall - genauso auch bei Radfahrenden. Im Schlossgarten ist es meiner Frau und mir bereits des Öfteren passiert, dass wir rigide angeklingelt, angebrüllt und unsere drei- und fünfjährigen Kinder geschnitten worden sind.

    Derweil nehme ich mich keineswegs von derlei Emotionen aus. Ich fahre tagtäglich mit dem Rad in die Stadt. Rund 11 km sind es pro Richtung. Und auch in mir wächst in der einen oder anderen Situation die Wut. Hier sind es vielleicht die Autofahrer, die keine Lücke lassen, damit ich ihre Warteschlange bis vor zur Ampel passieren kann. Da sind es die Fußgänger, die wieder einmal zu viert den Weg in Längsrichtung schleichend versperren. Und dort sind es die „Schönwetterradler“, die auf ihrer Spazierfahrt nichts rechts und nichts links neben sich sehen und mich zum Abbremsen zwingen.

    Allerdings behalte ich meinen Zorn in mir, zumindest versuche ich das. Und ich rufe Passanten meistens "Danke!" zu, wenn Sie mir Platz machen. In der Hoffnung, dass wir vielleicht auf diese Weise lernen, besser aufeinander zu achten.

    Ach ja, die Autofahrer: Klar, sie verhalten sich nicht anders. „Nur“ sind die Auswirkungen ihrer Wut anderen Kalibers. Erst gestern überholte mich ein silberner BMW am Schlachthof wortwörtlich um Haaresbreite, weil mehr als ein Stück Pubes nicht mehr zwischen uns gepasst hätte. Vor zwei Wochen fuhr mir ein 40-Tonner ganz bewusst auf, während ich ordnungsgemäß an der roten Ampel wartete. Anschließend schnitt er mich und drängte mich ab, obgleich es keine Vorgeschichte gab. Ich hatte ihn weder überholt oder sonst wie in seinen Augen provoziert. Es war einfach die blanke Wut (auf Radfahrende).

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  7. "Danke" sage auch ich gerne zu Fußgängern, wenn Sie - mich bemerkend - Platz machen. Die Reaktionen hierauf sind durchweg gut... meist ein freundliches Lächeln. Die gefühlten 5% rücksichtsloser Autofahrer habe ich bisher nur überlebt, weil ich auf der Straße für diese Klientel inzwischen einen dritten Sinn entwickelt habe. Meist schlucke ich meinen Ärger über diese "Nahtoderfahrungen" runter. Als junger Wilder hat man sich dann doch schon mal an der nächsten Kreuzung revangiert. Heute werde ich nur noch richtig böse, wenn Kinder gefährdet werden. Autofahrer, die die Straße bisher nur aus dieser - ihrer - Perspektive kennen, denken - auf Radfahrer bezogen - soweit wie ein Schwein scheißt. Das scheint ein Naturgesetz zu sein.

    Rücksicht kommt an. Deshalb freue ich mich über die vernünftigen 95% und versuche den Rest zu überleben.

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