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30. September 2017

Es ist nur ein verführerisches Angebot

Es muss ja nicht jeder und jede Rad fahren. Aber wer es will, sollte es tun können. Das ist der Sinn einer Radförderung. 

Oft höre ich: "Ich würde ja, aber in Stuttgart kann man nicht mit dem Rad fahren." Das sagen Menschen, die ihre Wege hauptsächlich mit dem Auto zurücklegen oder mit den öffentlichen Verkehrsmitteln. Und die demzufolge immer auch etliche Strecken zu Fuß gehen.

Sie sehen zwar Radfahrende (und ärgern sich über sie, wenn sie auf Gehwegen unterwegs sind), sehen aber keine Radstreifen oder Radwege vom Auto oder der Stadtbahn aus, die ihnen zeigen würden: Ah, da kann ich ja auch radeln. Viele Radfahrende sind auf Nebenstraßen unterwegs und für die Autofahrenden im Stau unsichtbar. So entsteht der Eindruck, in Stuttgart könne man nicht radeln, und wenn doch, dann sei das lebensgefährlich. Beides stimmt nicht.
In Stuttgart kann man sogar sehr gut Rad fahren. Mit einem Pedelec kommt man tatsächlich auch überall hin, ohne verschwitzt anzukommen. Und es ist auch nicht gefährlich, auf Autofahrbahnen zu radeln, es stresst nur.

lte Weinsteige wird allmählich zur Fahrradstraße
Derzeit beobachte ich, dass die Alte Weinsteige von Radfahrern übernommen wird. Früher bin ich da alleine rauf und runter geradelt, heute kommen mir (selbst bei schlechtem Wetter und Kälte) jedesmal zwei bis drei Radler entgegen. Autofahrer, die hier illegal runter fahren (sie missachten ein Einfahrt-verboten-Schild an der Wilhelmshöhe) und solche, die rauf fahren (nachmittags auch regelwidrig, weil die Durchfahrt nach oben verboten ist), hängen nun viel öfter als früher hinter Radfahrenden fest. Rauf zu fährt ein Pedelec mit etwa 10 km/h, runter fahren die meisten mit knapp 30 km/h. Radfahrende sind hier auf dem besten Weg, einen Schleichweg für Autos unatraktiver zu machen. Das kann die Anwohner nur freuen.

Für alle, die auf der Neuen Weinsteige im Stau stehen, wäre es besser, sie würden sehen, dass man mit dem Fahrrad auch nach Degerloch hinauf fahren kann, und zwar bequem und mit mäßiger Steigung. Deshalb braucht die Neue Weinsteige hinauf den Panorama-Radweg auf einer der schönsten Strecken Stuttgarts. Das wird auch so kommen. Eine Radinfrastruktur macht Radfahrende für Autofahrer sichtbar. Das gilt auch bei Hauptverkehrsachsen in die Vororte. Auch wenn es in den einzelnen Orten Bestrebungen gibt, Radfahrende wiederum auf Nebenstraßen zu verbannen (auch wenn sie mehr Steigungen haben als die Autorouten), so sind Radstreifen an den Hauptstraßen von großem Vorteil. Radfahrende gibt es nämlich, und sie werden sichtbar mehr. Sie fahren dann halt auf den Fahrbahnen vor den Autos, wenn man ihnen keine Radstreifen neben den Autosspuren anbietet. Zudem beschleunigen Radstreifen den Umstieg aufs Fahrrad, weil für Autofahrende sichtbar wird, dass man Strecken unter fünf Kilometern (etwa die Hälfte aller Strecken, die heute noch mit dem Auto gefahren werden) auch gut mit dem Fahrrad zurücklegen kann.

Radstreifen Neckarstraße
Es ist ein Angebot, keine Gebot. Eine  gute Radinfrastruktur ist eine Verführung von Menschen, die in der Freizeit gerne Rad fahren, das Rad auch für Alltagsstecken zu nehmen. Und das entlastet den Autoverkehr. Eine gute Radinfrastruktur ist für alle von Vorteil, die auf ihr Auto angewiesen sind. Die stehen dann weniger im Stau.

Deshalb verwundert mich die verbissene Gegenwehr gegen Radstreifen und Radwege immer mehr. Es kommt mir vor, als wolle man unbedingt verhindern, dass weniger Autos in Stuttgart unterwegs sind. Dabei brauchen doch gerade Handeltreibende, Handwerker aber auch Rettungskräfte Fahrbahnen, auf denen sie auch vorwärts kommen. In ein Stadtzentrum geht immer nur eine bestimmte Menge an Autos hinein. Autostraßen werden von Gebäuden begrenzt. Die kann man nicht abreißen, damit Autos mehr Platz haben. Wozu auch, wenn dann in der Stadt niemand mehr wohnt und alle woandershin fahren zum Einkaufen, weil unsere Innenstadt dicht ist und nur noch aus Autostraßen besteht?

9 Kommentare:

  1. Wieso sich Radfahrer gegen Radstreifen und Radwege wehren stand schon oft in dem Kommentaren. Ich sehe keinen Sinn darin das immer wieder zu wiederholen.

    Martin

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    1. Radfahrer sind verschieden. Manche wollen keine Radwege, manche wollen sie.

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    2. Manchw wollen sicher fahren, manche sich nur sicher fühlen. Bis zum nächsten Dichtüberholer, Rechtsabbieger, Türöffner, Regen damit das Laub rutschig wird, etc.

      Du hast gefragt.

      Martin

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    3. Die meisten RadfahrerInnen sind das Gezerre sogenannter Experten leid.
      Sie wollen sicher radfahren und sich dabei sicher fühlen.
      Und sie wissen (zum Glück gibt's heute Internet),dass das keine Raketenwissenschaft ist.

      Im Gegenteil, dieser kleine einfache Trick reicht völlig aus:
      Statt eines vorgeblichen (Sicherheits-) Ingenieursblicks auf die Vor- und Nachteile dieser oder jener technischen Lösungen für "Radfahrer" - schaue man sich die Menschen an. Nämlich die, die auf den Fahrrädern sitzen - oder sitzen sollen.
      Wollen wir eine urbane Verkehrswende, so werden wir folgende zwei menschliche Zielgruppen identifizieren:

      1. Für die Zukunftsfähigkeit und Nachhaltigkeit der Verkehrswende müssen wir die Schulkinder, erstmal die der weiterführenden Schulen, (wieder) aufs Rad bringen. Denn Kinder behalten ein einmal erlerntes Mobilitätsverhalten oft auch als Erwachsene bei und geben es an ihre Kinder weiter.
      Dazu brauchen wir ein kindgerechtes, d.h. fehlertolerantes Radschulwegenetz.
      Wie dies Netz technisch aussieht und im Einzelnen ausgestaltet ist, das muss sich an den Erfordernissen der sie benutzenden Menschen (hier: Kinder) orientieren.
      Der große Vorteil: Wo Kinder sicher radeln können, dort können Alle sicher radeln.
      Das Radschulwegenetz und seine technische Ausführung eignen sich deshalb ganz hervorragend als Basis und als Maßstab für ein stadtweites inklusives Radwegenetz.

      2. Die Zielgruppe der Pendler
      Zumindest entlang der Hauptstraßen, aber gerne auch als eigenes Radschnellwegenetz brauchen wir sichere und schnelle Radverkehrsverbindungen, die attraktiv genug sind, Pendler aus dem Auto aufs Rad zu holen.
      Dieses Netz sollte als Backbone-Netz die Umlandgemeinden mit der Innenstadt verbinden, vorhandene U-oder S-Bahnen multimodal mit dem Radverkehr verknüpfen und die Hauptpendlerströme abbilden.

      Man muss auf die Bedürfnisse der MENSCHEN fokussieren, die die Infrastruktur benutzen (sollen).
      Sonst wiederholt man nur alte Ideologiedebatten.

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  2. "Bis zum nächsten Dichtüberholer, Rechtsabbieger, Türöffner, Regen damit das Laub rutschig wird, etc ". Ja, Martin, schimpfen ist leicht, verbessern ist aber manchmal schwierig. Was wären denn deine Vorschläge? Zum Beispiel gegen "Regen, damit das Laub rutschig wird" :-)

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    1. Gegen rutschiges Laub hilft beispielsweise, die Wege zu reinigen. Das muss gar nicht so häufig sein, alle 2-3 Wochen würde ja schon ausreichen. Leider werden in Stuttgart die Reinigungsfahrzeuge, die eigentlich für Geh- und Radwege vorgesehen sind, im Oktober umgebaut zum Schneeräumen auf Straßen, so dass gerade dann, wenn es am dringendsten wäre, monatelang gefährliches Rutschen angesagt ist.

      Laut Zeitungsberichten gibt es demnächst, evtl. schon 2019, eine Reinigungsoffensive der Stadt. Ich hoffe, dabei wird die Priorität auf Sicherheit gelegt (Laub, Matsch) und nicht auf Ästhetik (ausgespuckte Kaugummis).

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  3. Radwege und Radstreifen gut finden, heißt nicht, gut finden, dass sie entlang geparkter Fahrzeuge verlaufen. Ich bin dafür, Radlern auf zwei- bis dreispurigen Autostraßen eine ganze Spur abzutreten und die so zu gestalten, dass keine Auto drauf fahren oder drauf parken kann. Ist aber eine Maximalforderung. Ich gebe Vorstadt Strizzi Recht: Unsere Radinfrastruktur muss so sein, dass Kinder darauf radeln. Dazu taugen derzeit in Stuttgart weder die Straßen noch die Radstreifen, schon gar nicht die so genannten Sicherheitsstreifen.

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    1. "Dazu taugen derzeit in Stuttgart weder die Straßen noch die Radstreifen..." Stimmt, wie das Bild oben von der Neckarstraße plakativ zeigt. Wo will eigentlich dieser Kampfpilot hin? Erst einem Radler vor die Nase fahren und dann eine durchgezogene Linie überfahren? Und am Abend zuhause wieder klagen, dass diese Radfahrer sich an keine Regeln halten?

      Solange solche "Kavaliersdelikte" ungeahndet bleiben, solange werden unsere Straßen nicht kinderfreundlich werden. Es gibt derzeit keine Schutzräume für Schwächere auf Deutschlands Straßen. Außer einem: das Innere eines Autos. Sehr bedauerlich.

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    2. Christine Du hast es auf den Punkt gebracht. Ich fahre jeden Tag Fahrrad aber ich bin der Typ Kampfradler und erkämpfe mir meine Rechte aber die Mutti und das Kind fahren doch lieber weiterhin mit der Bahn, wenn sie weiterhin Spaß am Leben haben wollen.

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