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29. Mai 2018

Verkehrsregeln sind nur für Autos gemacht

"Wir wollen Gerechtigkeit in Sicherheitsfragen, nicht Gleichheit. Ein Fahrrad hat weniger Gewicht als ein Auto, es fährt nicht so schnell, und der Radfahrer hat eine bessere Rundumsicht. Fahrrad und Auto sind nicht dasselbe, und das müssen wir berücksichtigen, wenn es um die Verkehrsregeln geht."

Das sagt die Geschäftsführerin von Velo Québec, Suzanne Lareau, in einem Artikel von Lloyd Alter, der sich mit der Frage beschäftigt, ob eigentlich wirklich für Radler dieselben Verkehrsregeln gelten müssen wie für Autofahrer. Tatsächlich sind Räder leichter, schmaler und wendiger als Autos, Radfahrende haben keine B-Säulen im Blickfeld, sie sitzen höher als Autofahrer und sie hören andere Verkehrsteilnehmer besser. Und Radfahrer riskieren keine Zusammenstöße, weil sie dabei selbst stürzen, sich also selbst verletzen. Daraus folgt: Man muss sie nicht so oft Anhalten lassen wie Autos. Man könnte sie wie hier in Lindau, an v vielen Ampeln, an denen Autofahrer wegen ihrer Breite halten müssen, auch bei Rot fahren lassen.

Unsere Verkehrsregeln sind für Autofahrer von Autofahrern entwickelt worden. Und zwar, um Fußgänger/innen und Radfahrer/innen von der Fahrbahn wegzuhalten. Zum anderen sollen sie die Menge an Autos ordnen, damit nicht alle auf einer Kreuzung zusammenkrachen. Ampelschaltungen dienen einerseits dazu, den Autoverkehr im Fluss zu halten und stauarm abzuwickeln, andererseits dazu, auch mal Fußgänger/innen über die Straße zu lassen. Sie sichern den Vorrang des Autos vor jeglichem anderen Verkehr. Rädern oder Zufußgehenden wird dann und wann mal ein Wegerecht zugestanden. Dann aber müssen sich Fußgänger darauf verlassen können, dass der Autoverkehr steht, denn Autos können Fußgänger töten. Deshalb spricht man auch von der Betriebsgefahr des Autos. Deshalb müssen Autofahrende unbedingt bei Rot halten.
Cahrlottenplatz, eine Autokreuzung

Fahrräder und Fußgänger sind völlig anders unterwegs, nämlich mit Muskelkraft. Eine Fußgängerampel dient dem Fußgänger. Hat er Grün, kann er gehen. Hat er Rot, dann weiß er, dass Autos kommen können. Kommt aber gar kein Auto, gibt es auch gar keinen Grund für den Fußgänger stehen zu bleiben. Wenn er geht, gefährdet er niemanden anderen (nur sich selbst, falls er nicht aufpasst).

Radfahrer müssen den gesamten per Muskelkraft aufgebauten Schwung abbremsen und danach mühsam und mit viel Kraft wieder aufbauen. Deshalb halten Radfahrer/innen so ungern, vor allem dann nicht, wenn beispielsweise über einen Fußgängerüberweg gar kein Fußgänger geht, wenn der Fußgänger schon halb über den Zebrastreifen drüber ist oder wenn er gefahrlos rechts abbiegen kann, ohne dabei Fußgänger oder sich selbst zu gefährden, oder wenn er/sie die Kreuzung gecheckt hat, an der ein Stoppschild steht.

Stoppschild Lehenstraße/Filderstaße
zugeparkt und selten befolgt
Autofahrende könnten dafür sogar Verständnis haben, denn auch ihnen fällt es oft schwer, an einer roten Ampel zu halten, obgleich sie keinerlei Kraft aufwenden müssen, um wieder zu starten. Manche fahren also trotzdem weiter. So hat mich mal fast ein Autofahrer umgefahren. Und letztes Jahr wurde ein Radler von einem Rotlichtfahrer am Österreichischen Platz umgerissen und liegen gelassen.

Autofahrer beschweren sich oft erbittert darüber, dass Radfahrer sich nicht an die Hauptregeln halten: Halten und Warten bei Rot, zum Stillstand abbremsen an Zebrastreifen und warten, bis der Fußgänger drüben ist. Dabei übersehen sie, dass sie in einem breiten und schweren Gefährt sitzen, für das der Verkehr so umständlich geregelt werden muss, der Radler dagegen nicht.

Fußgänger/innen unter sich brauchen keinerlei Ampeln. Radfahrende unter sich auch nicht. Das zeigt de berühmte Kreuzung in Groningen, wo rundum alle Autos angehalten werden und dann alle Radler gleichzeitig aus allen Richtungen über die Kreuzung fahren und abbiegen. Und es funktioniert glänzend.

Nur Autos brauchen Ampeln. Und Fußgänger brauchen Ampeln nur, um vor Autos geschützt zu sein, wenn sie über die Straße gehen. Dass Radfahrer dabei übrigens nicht geschützt sind, zeigen die vielen tödlichen Abbiegeunfälle an Radwegübergängen parallel zu Fußgängerübergängen (ausführlicher Artikel dazu kommt noch). Ein gutes Ampelmanagement für Radfahrende muss berücksichtigen, dass Radfahrende nicht so oft anhalten müssen wie Autos, weil sie keine Fußgänger gefährden. Radstreifen funktionieren deshalb oft nicht, weil Radfahrende alle fünfzig bis hundert Meter zusammen mit den Autos zum Stillstand abgebremst werden (und dabei nicht mal in den Genuss einer Grünen Welle kommen, die die Autofahrer haben). Je mehr Ampelhalte, desto unattraktiver wird ein Radstreifen oder Radweg, desto weniger benutzen ihn, desto mehr radeln woanders.

Dabei geht es auch mit weniger Radlerampeln: Der Guardian beschreibt einen Versuch in Amsterdam, wo man an einer Kreuzung die Ampeln abgeschaltet hat. Es gibt dort nicht viel Autoverkehr, aber sehr viel Radverkehr. Der Effekt: Ohne Ampeln fließt der Verkehr, Radfahrende arrangieren sich untereinander und mit dem Autoverkehr.

Wenn eine Stadt den Radverkehr wirklich lenken will, wenn sie bestimmen will, wo Radfahrende unterwegs sind und wo nicht, dann muss sie Wege anbieten, die Radfahrer nicht behandeln wie Autofahrer und alle Nasen lang stoppen. Hochbordradwege müssen rechts an den Ampelanlagen für Autos vorbeigeführt werden, wo immer das geht. (Das haben wir beispielsweise auf dem Radweg Neckartalstraße in Münster.) Ein Halt an einem Stoppschild ist unnötig. Das hat man in Idaho bereits erkannt. Dort dürfen Radfahrende Stoppschilder behandeln wie Vorfahrt-achten-Schilder. Der nächste Schritt ist die Erlaubnis für Radfahrende, eine rote Ampel zu behandeln wie ein Stoppschild.  Das ist beim Rechtsabbiegen oder beim Geradausfahren an T-Kreuzungen kein Problem, weil Radler ja nicht die ganze Breite der Fahrbahn einnehmen.

Ich kann verstehen, dass Autofahrer sich ärgern, wenn ein schmaler Radler an ihnen vorbei gleitet und weiterfährt, wo sie selbst halten und warten müssen. So mancher Autofahrer mag dem Radler diese Vorteile nicht gönnen, die das Radfahren mit sich bringt. Aber das Fahrrad ist nun mal nicht so ein behäbiges und gefährliches Verkehrsmittel wie anderthalb Tonnen Blech mit Motor und vier Sitzen. Ein Autofahrer kann einen Radfahrer allein damit zu Fall bringen und sogar töten, indem er seine Autotür aufstößt. Ein Radfahrer kann einem Autofahrer schlichtweg gar nichts tun, was ihn verletzt. An der Windschutzscheibe geht nur der Kopf des Radfahrers kaputt, aber er zerschlägt nicht die Windschutzscheibe.

Deshalb sollten wir mehr darauf achten, was dem Radfahrer Vorteile bringt und die Gefahren für ihn verringert. Und gerade der gleichzeitige Start von Radfahrern und Autos an einer Ampel bringt nicht den Autofahrer in Gefahr, sehr wohl aber den Radler, wenn der Autofahrer ihn unbedingt überholen will, bevor die Straße auf der anderen Seite der Kreuzung zu eng dazu wird. Weshalb ja Radlerampeln dem Radler den Start zwei bis drei Sekunden vor dem Start der Autos ermöglichen. Ist der Radler schon weg, bevor die Autos starten, fällt der Platzkampf-Konflikt zwischen Auto und Fahrrad weg.

Ein Beispiels ist diese Kreuzung. Hier kommt die Kolbstraße von der Tübinger Straße her auf die Hauptstätter Straße. Fußgänger müssen lange warten, bis sie Grün bekommen. Dann gehen sie los. Gleichzeitig mit ihnen bekommt ein Radler grün, de von oben kommt. Dort steht eine Radlerampel, weil das eine Einbahnstraße bergauf ist.

Sieben Sekunden nachdem die Fußgänger losgelaufen sind, bekommen die Autos Grün, die hier neben mir an dieser Ampel warten. Auch ich  muss solange warten und dann zusammen mit den Autos starten. Wie fast alle Radler starte ich grundsätzlich schneller als ein Auto (Autofahrer reagieren einfach sehr langsam) und radle schon, wenn der Autofahrer losfährt. Pech für mich, wenn er dann auf Teufel komm raus an mir vorbei will, bevor es drüben die Kolbstraße hinauf geht. Da habe ich schon manches Mal den Außenspiegel dicht neben mir gesehen. So mancher Radler erspart sich deshalb hier den Start bei Auto-Grün und startet tatsächlich bereits, wenn die Fußgänger parallel zu ihm (und der Radler von oben) Grün bekommen. Verboten, aber sehr sinnvoll. Er ist dann nämlich schon drüben in der Kolbstraße, bevor das Auto ihm folgt (es muss dann hinter ihm bleiben, weil die Straße wegen der geparkten Autos zu schmal zum Überholen ist). Hier wäre die Rotfahr-Erlaubnis für Radfahrer/innen also sinnvoll. Besser wäre es natürlich, man würde da mal eine Radlerampel hinmachen.

Einbahnstraße Liststraße, früher verboten,
jetzt für Radler frei
Wir haben übrigens bereits eine Regel für Radfahrer geändert, weil Fahrräder eben anders sind als Autos. Früher fuhren Radler verbotenerweise gegen die Einbahnstraßen, inzwischen sind die meisten Einbahnstraßen für Radfahrer in Gegenrichtung freigegeben. (Wobei es auch Autofahrer gibt, die gegen die Einbahnrichtung fahren, das kann ich immer wieder sehen.) An der Liststraße (Foto rechts) sieht man, dass auch vorher schon genug Platz für Radler da war, man es aber für gefährlich hielt. Ein Radstreifen soll die Gefahr bannen und Autofahrer aufmerksam machen. (Leider parken Autos oben dann oft auf dem Radstreifen.)

Jetzt fehlt bei uns nur noch der Idaho-Stopp und die Erlaubnis bei Rot für Autos umsichtig weiterzuradeln.

Eine Alternative zu solchen Sonderfreigaben auf Fahrbahnen ist übrigens ein durchgehendes Radwegnetz mit eigenen Ampeln und eigenen Abbiegespuren, mit grüner Welle für Radfahrer und der Möglichkeit, einander zu überholen wie beispielsweise in Kopenhagen


25 Kommentare:

  1. Man könnte sich 90% Deiner (übrigens sehr fundierten Analyse) schenken, wenn innerorts generell Tempo 30 gelten würde (das schließt nicht aus, dass einige Ein- und Ausfallstraßen mit genügend Platz für Trennung von Rad- und MI-Verkehr individuell Tempo 50 oder 60 sind) und Kreuzungen - wo es der Platz zulässt - mit Kreisverkehren ausgestattet werden. Wenn ich mit dem Auto unterwegs bin, fahre ich auch lieber flüssig Tempo 30 als Stop and Go mit kurzem Beschleunigen auf Tempo 60...

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  2. Alles was Christine geschrieben hat ist richtig nur möchte ich Dich mal auf einen Leserbrief aufmerksam machen, an welchem man das Miteinander zwischen allen Verkehrsteilnehmern lesen kann:
    https://www.abendblatt.de/leserbriefe/article214412595/Briefe-an-die-Redaktion-29-Mai-2018.html
    Aus den mindestens drei Leserbriefen kann man eines heraus lesen: Es gibt kein gleichberechtigtes nebeneinander und schon gar nicht miteinander. So lange dies so bleibt, ändert sich leider für niemanden etwas.

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  3. Mit ein paar Thesen und Schlussfolgerungen bin ich absolut nicht einverstanden.

    Zunächst ein paar grundsätzliche Überlegungen vorneweg: ich finde es in Ordnung, dass es Verkehrsmittel gibt, die schneller fahren dürfen als es die langsamsten (d.h. die Fußgänger) können. Kanz klar, Prio 1, der öffentliche Personenverkehr (Schiene und Straße) und der schienengebundene Frachtverkehr. Dann, gleichrangig, Kraftfahrzeuge, die im öffentlichen Interesse fahren (z.B. Krankenwagen, Lieferverkehr der Grundversorgung).

    Dann wird es spannend, der Zankapfel Individualverkehr. Der kann KFZ-motorisiert sein oder Fahrrad oder "ein bisschen motorisiert" wie Pedelecs und e-Bikes oder "richtig" motorisierte Roller und Mopeds.

    Klar, ich würde die Fahrräder bevorzugen wegen der optimalen Kombination aus Umweltfreundlichkeit, Platzbedarf, Infrastrukturkosten und Reichweite. Bis ca. 30km Entfernung ist das Fahrrad für (gesunde) Pendler zumutbar, also für einen absoluten Großteil des Individualverkehrs im Ballungszentrum.

    Jedenfalls: Gleichberechtigt (im Sinne von Schritttempo für alle) wird dem Bedarf nicht gerecht. Also müssen reservierte Bereiche her für die, die schneller unterwegs sein sollen. Und Regelungen, die die schnellen in Zaum halten und Regelungen, die die langsamen davon abhalten, die schnelleren zu behindern und zu gefährden.

    Jetzt zu meinen Anmerkungen.

    1. Die StVO hat nicht nur Regelungen für KFZ, sondern durchaus einige spezielle für Fahrräder. Fast alle Regelungen sind ok. Ich bin eher gegen Ausnahmen und Sonderfälle. Die machen alles nur kompliziert und schwierig zu merken. Siehe z.B. die schon häufiger diskutierte Ampelhierarchie.
    Statt dann Fahrradfahrern zu erlauben, rote Ampeln zu ignorieren, kann an den betreffenden Stellen beispielsweise auch eine (dauer) grüne Fahrrad-Ampel installiert werden. Ampeln können (ohne Widerspruch zu den Verkehrsregeln) durchaus so geschaltet werden, dass Fahrradfahrer bevorzugt werden. Die integrierte Verkehrsleitzentrale kann durchaus die Priorität darauf setzen, den Fahrradverkehr flüssig am laufen zu halten. Das ist eine Frage des politischen und verwaltungsseitigen Willens, keine Frage der Verkehrsregeln.

    3. Klar "funktionieren" die Anarchie-Kreuzungen (alle durcheinander, keine Fahrbahnmarkierungen, egal wie unübersichtlich) irgendwie. Das sieht man auf der HRR1 alle paar Meter. An fast jedem Knotenpunkt (Kreuzung) zwischen Rad- und Fußverkehr wird der Radweg unterbrochen per Schild "Gehweg, Radfahrer frei" Fußgänger dürfen sich frei tummeln, Radfahrer müssen sehen, wie sie durchkommen. Gut ist das nur dafür, die schnelleren Verkehrsmittel auszubremsen. Wäre ein prima Mittel, um den KFZ-Verkehr auszubremsen und um für Sicherheit zu sorgen. Klappt ja, sieht man zwischen Katzenstift und Schülergehege. Alle schimpfen darüber, Unfälle passieren aber nicht. Wäre doch ein Modell für die Kulturmeile. Ist da zwar nicht zulässig, auf der HRR1 werden die Verwaltungsvorschriften aber auch beharrlich ignoriert, die eine Trennung der Verkehrsströme fordern.

    Fazit: es sind nicht die Verkehrsregeln, die die Autos bevorzugen, es ist die Bauweise der Infrastruktur.

    2. Fußgänger, die die rote Ampel ignorieren (oder die auch anderswo ignorant auf die Straße laufen), gefährden eben doch andere Verkehrsteilnehmer: es gibt doch auch die schnellen Radfahrer, die auf ihren Hauptstrecken ganz offiziell 20-30 km/h Durchschnittstempo erreichen sollen, und zwar einschließlich Wartezeiten durch Ampelstopps. Hattest Du etwa noch nie bei Tempo 30 auf dem Radweg der Theo im Berufsverkehr (also Autostau) das Vergnügen, dass Dir ein Fußgänger reingelaufen ist? Das tun die an der Büchsenstraße gerne mal, wenn die Autos sowieso stehen. Bei dem schmalen Radweg hast Du keine Chance auszuweichen.

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    1. Also ehrlich, bei 30 km von "zumutbarer Pendelentfernung" zu sprechen, finde ich etwas merkwürdig. Ich habe 20 km, ich bin das einmal mit dem Rad gefahren. Ich bin nicht mehr zurückgefahren. 20km einfach heißt gut eine Stunde Zeitaufwand, bei zurück in Summe 2 Stunden. Wenn ich mittags aus dem Büro komme, bin ich platt, da kann und will ich nicht noch eine Stunde Radfahren. ÖPNV, auch schon ausprobiert, einfach 1,5 Std. Ehrlich: ich fahr da lieber Auto, dauert je nach Verkehr zwischen 15-25 min, max. Fahrzeit bei absolutem Verkehrschaos 40min, ich kann meine ganzen Arbeiten (Einkaufen, HAushalt, kochen etc.) noch selbst erledigen. Wenn mit pro Tag noch 1-2 Std fehlen, dann bräuchte ich eine Putzfrau, die unter Tags die Arbeiten erledigt und das wiederum will ich nicht.
      Gruß
      Karin

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    2. Karin, wenn das bei dir so ist, dann ist es eben so. Niemand, auch ich nicht, sagt, dass alle mit dem Fahrrad fahren müssen. Wenn allerdings mehr ihre kurzen Strecken mit dem Fahrrad fahren würden, bräuchtest du nicht 40 Minuten für deinen Weg, sondern immer 25 Minuten, denn es gäbe weniger Stau. Tatsächlich sind übrigens Autos real in einer Stadt so gut wie immer mit durchschnittlich 30 km/h unterwegs. Kommt Parkplatzsuche noch hinzu, verrringert sich die durchschnittliche Reisegeschwindigkeit auf 17 km/h. Das entspricht dem Durchschnitts-Reisetempo mit dem Fahrrad. Mit einem Pedelec ist man etwas schneller. Die zwanzig Kilometer fährst du mit dem Pedelec in einer Stunde. Manche wählen in so einer Situation das Fahrrad, weil sie sich damit eine Sporteinheit verschaffen und den Kopf frei kriegen. Aber so eine Strecke muss man ja nicht täglich radeln. Ein oder zwei Mal die Woche würde ja für ein bisschen Sport nebenbei auch reichen.

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    3. Liebe Karin, schade, dass Du so schnell "aufgegeben" hast. Ich möchte noch mal klarstellen: die 30 km sind sicher keine Sache für jede(n). Man muss dafür beim Einstieg auch erst einmal ca. 2 Wochen einsteigen und durchhalten, dabei die Strecke und das Tempo steigern, die ersten Tage den schmerzenden Hintern aushalten. Dann geht das durchaus: reine Fahrzeit 60-80 Minuten abhängig vom Wetter/Gegenwind und davon, wie viele Ampeln gerade rot sind. Dazu 10-15 Minuten Duschen und Umziehen. Nach einem Monat ist es dann keine Belastung mehr, sondern ganz normal, und Du kommst eher "aufgetankt" als "platt" an.

      Diese relativ hohe Tempo ist auch nicht mit jedem Fahrrad machbar. Das sollte leicht sein, mit guten Bremsen, verwindungssteif, mit relativ schmalen Reifen und hohem Luftdruck, also idealerweise ein Straßenrad, Speedbike oder Cyclocrosser. Du hast, wenn ich mich richtig erinnere, ein Dreirad, ausgelegt auf Lastentransport. Damit würde ich auch viel zu lange brauchen.

      Bis zu 3 Stunden täglich unterwegs zu sein kann man insgesamt leichter akzeptieren, wenn man es nicht nur als verlorene Zeit betrachtet, sondern auch als sportlichen Ausgleich (und keinen anderen Sport treibt, also für Sport nicht "doppelt" Zeit investiert). Und man kann es leichter akzeptieren, wenn man es als Ausgleich und Freizeit werten kann.

      Das funktioniert für mich persönlich auf meiner Strecke durch die Parkanlagen mit den Hasen, am Neckar und am Max-Eyth-See entlang, danach die Chance bei der Sandfanganlage gegenüber vom Klärwerk, gelegentlich ein Reh zu sehen.

      Das funktioniert (für mich) nicht entlang bzw. auf stark befahrenen Autostraßen. Deshalb nehme ich auch einen gewissen Umweg in Kauf und fahre nicht die offizielle Pendlerstrecke auf der alten B14, durch Waiblingen, durch Fellbach und auf der HRR1 durch Bad Cannstatt. Die Strecke mag irgendjemanden zum Radfahren motivieren. Die Strava Heatmap beweist, dass dort sogar einige Radfahrer unterwegs sind.

      Wenn ich da ohne Alternative Rad fahren müsste, würde ich mich auch wieder für's Auto entscheiden.

      Die Voraussetzungen sind natürlich nicht bei jedem gegeben. 90 Minuten pro Strecke auf dem Weg zur Arbeit zu verbringen, das nehmen viele auf sich, und das Finanzamt hält das auch für die zumutbare Grenze. Daran hatte ich mich orientiert. Diese pauschale Grenze ist absurd, wenn man Kinder kurz nach Arbeitsende von der Betreuung abholen muss, oder aus vielen anderen Lebensumständen.

      @ Christine: Das Landesverkehrsministerium hat ermittelt, dass ca. 7 Prozent MIV-Anteil (PKW, LKW, ...) am modal split alternativlos und unvermeidbar sind. Alle anderen kann man ernsthaft versuchen zu überreden auf das Fahrrad umzusteigen. Im Endeffekt gibt es dafür nur ein einziges überzeugendes Argument: eine Infrastruktur, auf der Radfahrer
      - sicherer als heute,
      - schneller als der KFZ-Verkehr
      (auch da gibt es extrem viel Verbesserungspotential) und
      - auf attraktiven Routen
      (da ist Stuttgart dank der Bundesgartenschau 1977 "aus Versehen" heute gar nicht so schlecht aufgestellt)
      unterwegs sind. Bleib' weiter dran, dafür zu "kämpfen"!

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  4. Sonderregelungen für Radler halte ich für kritisch. Die bestehenden Regelungen für Radler sind offensichtlich vielen KFZlern unbekannt oder werden ignoriert.

    Beliebte Gerüchte:

    - Radler haben auf der Straße nichts verloren, dafür gibt es Radwege.

    - Radler dürfen nicht nebeneinander fahren.

    - ...

    Dass Kinder auf Gehwegen radeln müssen bzw. dürfen, scheint auch nicht bekannt zu sein.

    "Den Vater, der seinen Jungen begleitete und auf der Straße fuhr, nahm der AWB-Mann noch wahr. Er bremste sein tonnenschweres Gefährt ab, ließ den Vater passieren. Doch der kleine Junge, der auf dem Gehweg folgte, erfasste er beim Anfahren" (Kölner Express).

    Was wohl passiert wäre, wenn der Vater von seinem neuen Sonderrecht Gebrauch gemacht hätte, seinen Sohn auf dem Gehweg zu begleiten? Zwei Tote?

    Auf der Straße wurde er ja gesehen. Aber der Gehweg ist ja sicher.

    Herr Verkehrsminister, Ihre Verantwortung. Ändern Sie die StVO an der Stelle.

    Frau Oberbürgermeisterin, Ihre Verantwortung. Sorgen Sie in Ihrer Kommune für sichere Radwege.

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  5. Ich überlege gerade was sich faktisch ändern würde so
    denn alles geschriebene (geforderte) eintreffen sollte?
    Auf meinem Weg zur Arbeit, 2 x 12km, bei schönem Wetter
    mit dem Fahrrad, bei schlechtem Wetter mit dem KFZ, sehe
    ich keinen (mich eingeschlossen) Radfahrenden, welcher an
    einer roten Ampel hält! Es würde sich also, zumindest auf
    meiner täglich Strecke, rein gar nichts ändern, außer
    dass die Vergehen legalisiert würden. Also, her damit!

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  6. Verkehrsregeln sind nur für Autos gemacht??
    Verkehrsregeln sind für ALLE Verkehrsteilnehmer gemacht!
    Ansonsten würden Chaos und Anarchie herrschen.
    Stellen sie sich nur einmal vor Fußgänger oder MTBler würden auf der Trasse einer S-/U-Bahn laufen/fahren. Oder aber Mofa-Fahrer in der Wilhelma herumkurven. Oder Fußgänger und Radfahrer auf der linken Spur einer Stadtautobahn entgegen der Fahrtrichtung unterwegs sein.
    Oder Fußgänger würden auf der Stammstrecke vom Hbf zur Schwabstraße laufen. Oder, oder, oder ...

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    1. Och einfach mal so, ich stelle mir vor, Autofahrer würden auf Rad- und Gehwegen Parken. Oder sie würden schneller als erlaubt fahren. Oder sie würden beim Abbiegen Radlern die Vorfahrt nehmen und diese Radler töten. In Köln in den letzten 5 Wochen 2 tote Radler, in Berlin dieses Jahr auch schon 3 oder 4.

      Lieber Sigma, kannst du dir das vorstellen?

      Ich muss mir gar nicht vorstellen, wie Autofahrer Rennradler in ner 30er-Zone überholen. Bei Gegenverkehr. Der Rennradler bin übrigens ich. Und 30 schaffe ich im Flachen spielend.

      Und lieber Sigma, stelle dir einfach mal vor, es gäbe rund 10 Mio. Einträge in Flensburg. Die allermeisten von motorisierten Verkehrsteilnehmern.

      Es herrscht reichlich Unordnung auf Deutschlands Straßen.

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    2. Hallo Matthias,

      alles was sie aufzählen ist richtig.
      Aber, muss man zusätzlich für noch deutlich mehr "Unordnung" sorgen, nur weil einer Randgruppe gewisse Dinge weniger gefallen? Ausnahmen schaffen, welche sich kaum jemand merken kann, von verstehen will ich jetzt nicht reden, sorgt für weitere Unordnung.

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    3. Welche Randgruppe? Wenn doch die Regeln für alle gelten, wie Sigma behauptet, wozu dann die wertende Unterscheidung in Gruppen? Die "Hauptgruppe" Autofahrer fordert seit Jahrzehnten freie Fahrt bei höchstmöglichem Tempo und beansprucht Unmengen an öffentlichen Flächen. Übrigens ohne adäquate Gegenleistung. Mit dem Resultat, dass die Innenstädte verstopft und die Umwelt nachhaltig geschädigt ist. Auch hier kein Ausgleich.

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    4. Zitat Matthias: "... wozu dann die wertende Unterscheidung in Gruppen"?

      Weil wir in einer Demokratie leben!
      Die Mehrheit, so zumindest aktueller Stand der Dinge, möchte sich via KfZ und zu Fuß bewegen. Mehrheiten haben in einer Demokratie i.d.R. das "sagen".

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    5. Das ist ein kleiner Irrtum, Sigma. Die Mehrheit gewinnt in einer Demokratie Abstimmungen. Allerdings bedenkt diese Mehrheit in unserer Demokratie auch immer, dass Minderheiten nicht benachteiligt werden. In Deutschland erkennen wir an, dass viele Menschen anders leben als die Mehrheit, die übrigens keine absolute Mehrheit ist, wir unterstützen Konzepte, die der Umwelt nützen, statt ihr zu schaden, wir schützen Schwächere. Mitnichten missbraucht eine Mehrheit ihre Macht, um eine Minderheit platt zu machen oder an den Rand zu drängen oder im Regen stehen zu lassen. Zumal übrigens eine Mehrheit, etwa 80 Prozent, sich dringend weniger Autoverkehr und mehr Rad- und Fußgängerverkehr in ihren Städten wünscht.

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    6. Vielen Dank Christine, Sigma verwechselt offensichtlich Demokratie und Autokratie. Pluralismus ist halt nicht jedermanns Sache. Schlimm ist nur, dass zu viele Autofahrer mit diesem "Demokratie"-Verständnis nach Sigma unterwegs sind.

      Zumal es ein Benachteiligungsverbot von Minderheiten gibt (Verfassung, AGG).

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    7. Hallo Sigma, es gibt nicht nur die Verkehrsverstöße, die in Flensburg dokumentiert sind, wie Matthias schreibt. Es gibt auch Tausende Verkehrstote. Und die gierige rücksichtslose Aneignung von verbotenen Verkehrsflächen durch Autofahren wäre noch viel flächendeckender, wenn nicht an allen Ecken und Enden Schranken und Poller aufgestellt werden würden. Diese verursachen für sich schon wieder einige Unfälle und Stürze von Radfahrern, weil sie häufig unübersichtlich und zu eng aufgestellt sind.

      Danke, Christine, für Deine gute Beschreibung der Demokratie.

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    8. Zitat Christine Lehmann:
      "Das ist ein kleiner Irrtum, Sigma. Die Mehrheit gewinnt in einer Demokratie Abstimmungen. Allerdings bedenkt diese Mehrheit in unserer Demokratie auch immer, dass Minderheiten nicht benachteiligt werden."

      Wo in aller Welt hatte ich dies angezweifelt?
      Nur, und das ist der Punkt, wählt die deutliche Mehrheit (zur Zeit) das KfZ und die eigenen Beine/Füße zur Fortbewegung. Dadurch wird auch niemand benachteiligt oder gar "platt gemacht". Jeder darf sich fortbewegen, im Rahmen der Regelungen, wie es ihm/ihr gefällt. Und von Machtmissbrauch habe ich zu keiner Zeit gesprochen, wie kommen sie bloss darauf? Ich selbst bin ÖPNV-Nutzer und Fußgänger, ein Auto besitze ich nicht. Dies lediglich zur Einordnung meiner Person.

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    9. Zitat Matthias:
      "Vielen Dank Christine, Sigma verwechselt offensichtlich Demokratie und Autokratie. Pluralismus ist halt nicht jedermanns Sache"

      Vielleicht sollten sie meinen Beitrag noch einmal aufmerksam durchlesen?! Autokratie(!), ich hoffe nur sie kennen den politischen Sinn dieses Begriffes tatsächlich. Falls ja, dann verstehe ich nicht weshalb sie diesen in diese Debatte hier eingebracht haben.

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  7. Na ja, wer einer Randgruppe empfiehlt, sich geräuschlos unterzuordnen, weil eine Hauptgruppe "das Sagen hat, beweist seine antidemokratische Gesinnung.

    Und laut Wikipedia: "In der vergleichenden Regierungslehre wird der Autokratie zumeist die Demokratie als idealtypisches Konzept gegenübergestellt."

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  8. @ Matthias

    Weshalb wohl stand das "sagen" in " "?
    Goldwaage - wie fast immer hier? - OmG.
    Bloss keine andere Meinung resp. Sicht der Dinge zulassen?
    Arm auf meiner Sicht, sorry.

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    1. Arm auf meiner Sicht, sorry.
      Tippfehler:
      Arm AUS meiner Sicht, sorry (war gemeint)

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    2. Wenn deine Antwort auf meine Frage nach der wertenden Unterscheidung anders gemeint ist, kannst du das ja klarstellen. Warum du Anführungszeichen verwendest, möchte ich nicht beurteilen. Dazu kannst du dich ebenfalls äußern.

      "Jeder darf sich fortbewegen, im Rahmen der Regelungen, wie es ihm/ihr gefällt" (Zitat Sigma). Aber wenn er/sie sich für das Fahrrad entscheidet, begibt er/sie sich deiner Meinung nach an den Rand der Gesellschaft. Nichts anderes bedeutet Randgruppe. Deine Wortwahl.

      Helmut Kohl sagte einmal, den Zustand einer Gesellschaft erkenne man daran, wie sie mit ihren Minderheiten umgehe.

      Minderheiten. Nicht Randgruppen. Sprache ist verräterisch, sie zeigt immer auch die innere Überzeugung. Oftmals ungewollt.

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    3. @ Matthias

      Mit Randgruppe war immer eine kleine Gruppe, oder auch eine geringe Anzahl an Personen im Vergleich zu einer deutlichen grösseren Gruppe gemeint. Hier Anzahl der Radfahrenden im Vergleich zu KfZ-Benutzern und Fußgängern. Nie war Rand der Gesellschaft gemeint. Konnte man das tatsächlich missverstehen?

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    4. Eine kleine Gruppe im Vergleich zu einer größeren Gruppe ist in der Minderheit. Randgruppe bedeutet laut Wikipedia:

      "Soziale Randgruppe  ist eine Bezeichnung für sehr verschiedene jeweils als nicht integriert geltende Bevölkerungsteile innerhalb der Gesellschaft. Grundlage dieser Bezeichnung ist eine Vorstellung von Gesellschaft, die gekennzeichnet ist durch die beiden Annahmen eines (einigermaßen) einheitlichen und gut funktionierenden „Innen“ einerseits, und nicht integrierter oder integrierbarer „Außenseiter“ andererseits. Bezugspunkt für die Frage nach der „Integration“ kann dabei entweder die Teilhabe am gesellschaftlichen Reichtum (Eigentum und Einkommen) oder die Übereinstimmung in Bezug auf herrschende soziale Normen und Gesetze sein; auch Überschneidungen hinsichtlich dieser beiden Ausgangspunkte sind möglich."

      Und dies ist wirklich unmissverständlich. In deiner Welt sind demnach Radler "nicht integrierte oder nicht integrierbare Außenseiter".

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    5. @ Matthias

      Dann entschuldige ich mich für die falsche Wortwahl.
      Gemeint war immer Minderheit im Vergleich zu KfZ-Benutzern und Fußgängern. Das konnte man meines Erachtens auch daran erkennen, dass ich niemals von "sozial" gesprochen habe, sondern von Anzahl und Grössen.

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