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13. Oktober 2018

Zwei Kilometer gefährlicher Nevenkitzel

Blogleser Colin erlebt jeden Morgen, wenn er zur Arbeit radelt, seine Schreckmomente.  Er radelt im Dachswald den Knappenweg hinauf und wird überholt, was das Zeug hält, der Platz aber nicht hergibt.

Er hat mir geschrieben. Anlass war: Er und ein zweiter Radler sind von einem überholenden Bus abgedrängt und fast erfasst worden.

Der Knappenweg hat einen Anstieg und Gefälle, rechts wird teils geparkt (dann reicht die Fahrbahn nicht für zwei Autos), er hat Kurven, die man nicht einsehen kann, wenn man überholt, es kommt viel Gegenverkehr, es sind ein Bus und Lkw unterwegs. Dabei wirkt das Ganze wie eine harmlose Wohnstraße am Dachswald. Was Colin mir geschrieben hat, ist krass.

Er schreibt: "Guten Morgen, als Leser deines Blogs wende ich mich hiermit an dich. Ich bin leidenschaftlicher Radfahrer und pendle auch jeden Morgen zur Arbeit, dies sind zwar nur 2 km, aber diese 2 km stecken voller Gefahren. Start ist bei mir der Knappenweg, welchen ich Richtung Universität bergauf befahre. Anschließend biege ich in die Unterführung ab in die Robert-Leicht-Straße.

Folgendes: Heute morgen (6:40Uhr (9. Oktober 2018), ziemlich dunkel) fuhr ich wie immer den Berg hinauf mit etwa 10-12 km/h, 20 Meter vor mir fuhr ein weiterer Radfahrer. Nach kurzer Zeit kam der Linienbus 82 von hinten angefahren (ein langer Gelenkbus). Dieser begann mich auf der Geraden zu überholen, kurz vor der Kurve wollte er ansetzen den zweiten Radfahrer zu überholen. Da der Busfahrer allerdings nicht wusste, ob nach der Kurve bereits Gegenverkehr kommt, setzte er die Lichthupe ein.

Der entgegenkommende Verkehr verstand dieses Zeichen nicht, weshalb er mit (vermutlich) vorschriftsmäßiger Geschwindigkeit von 40 km/h den Berg hinab in die Kurve fuhr. Hier fuhr aber bereits der Bus auf der Gegenfahrbahn. Der musste ausweichen und drängte den zweiten Radfahrer und mich ab Richtung Bürgersteig. Dem zweiten Radfahrer blieben etwa 20 cm zum Bus, ich konnte auf den Bürgersteig flüchten.

Dies geschieht etwa jeden zweiten Tag, heute war es der Bus, sonst sind es hauptsächlich dicke SUVs oder Handwerker-Kastenwägen, die oft mit überhöhter Geschwindigkeit heran kommen. Im letzten Moment merken sie, dass sie gar nicht sehen, ob etwas kommt. Sie überholen mich meist trotzdem."

Colin hat am Folgetag mit einer Lenkerkamera seine Fahrt gefilmt. Aus diesem Film habe ich diese Bilder herausgeschnitten und in zwei Collagen zusammengefasst. Auf der ersten sieht man, wie er vor der Kurve von einem schwarzen Sprinter überholt wird, der gleich darauf nach rechts an den Bordstein zieht, weil ein Lkw entgegenkommt. Im Film pfeift er mit viel Motor und Fahrtwind, also Tempo, vorbei. Dann kommt schon der zweite, ein schwarzer Pkw, der es noch schafft, bevor Colin an die Reihe geparkter Fahrzeuge kommt. Da radelt er so, dass mit Sicherheitsabstand (1,5 Meter) keiner mehr an ihm vorbeikommt. Ein weißer Pkw macht es trotzdem. Man sieht, wie eng es für den Radfahrer wird, rechts die Dooringzone, links ein beschleunigender Pkw. 

Auf der zweiten Collage sind wir dort, wo die Parkplätze aufhören und links eine Grünnase mit Bake in die Fahrbahn ragen, die offensichtlich die herabkommenden Autos bremsen soll. Alle, die Colin nach der Parkplatzstrecke jetzt überholen wollen, müssen ziemlich Gas geben. Und sie tun es, wo wie dieser Lkw, gerade so durch diesen Durchgang zwischen Gehweg und Nase passt. 

Wie eng es ist, sieht man bei dem Bergabfoto. 

Was könnte man hier tun? Mir scheint der Lkw- und Pkw-Verkehr im Knappenweg unverhältnismäßig groß. Es sieht nach Schleichweg aus. Die Straße unterscheidet sich nicht von den anderen, die durch den Dachswald kurven, sie hat nur das Pech, dass sie offenbar den kürzesten Anschluss zur Uni bildet. Die Frage wäre, ob der Verkehr hier wirklich durchmuss. Autostraßen gibt so viele zu denselben Zielen, Radrouten gibt es immer nur eine, Radweg fehlen oft. Ein so genannter Sicherheitsstreifen würde vielleicht etwas helfen. Aber er zeigt Autofahrenden nur, dass Radler hier fahren dürfen. Entlang der geparkten Fahrzeuge wird die Stadt den Streifen eher nicht führen. Die Parkplätze einziehen, würde die Anwohner/innen stören und das Tempo der Autos, die hier fahren, noch erhöhen. 

Was am ehesten helfen würde, wäre hier Tempo 30 auszuschildern und das auch zu überprüfen. 
Ich finde, was hier recht viele Autofahrende mit den Radlern machen, ist unverschämt und rücksichtslos. Das dürfen wir eigentlich nicht durchgehen lassen. Ganz schlimm, wenn sich auch noch gestresste Busfahrer an dieser Überhol-Panik beteiligen. Das kann's nicht sein. Das darf nicht so bleiben. Wir wollen ja, das Menschen mit dem Fahrrad zur Arbeit fahren, nicht mit dem Auto. Und so eine Situation ist keine Ermutigung für weniger routinierte Radler, keine für Jugendliche oder Eltern mit Kindern, keine für Eltern, ihre Kinder mit dem Rad fahren zu lassen. 


Colin könnte übrigens auch den Dachswaldweg radeln. Aber das ist ein Umweg und er hat drei, statt einer Ampel. Auch dort wird nicht langsam gefahren. Die Verkehrsnasen sind allerdings (sehr gut überlegt!) Für Radfahrende durchlässig. 

Aber, so schreibt er mir: "Ist das zielführend, wenn wir Radfahrer klein beigeben und den Autofahrern alles durchgehen lassen?" 



Hier die Karte mit einer Markierung der Stelle, um die es hier geht. (Quelle StuttgartMaps) 

12 Kommentare:

  1. Meine Lösung für solche Probleme ist nicht gut und bestimmt nicht für jedermann. Bei solchen Engstellen - und davon gibt es viele - können Autofahrende die 1,5m Mindestabstand beim Überholen nicht einhalten.

    Für mich heißt das, dass ich so weit in der Fahrbahnmitte fahre, dass sie auch gar nicht auf die Idee kommen zu überholen.


    Wenn der Radfahrende außerhalb der Dooringzone fährt (was man auch darf), kommt das Auto an der Stelle schlicht nicht vorbei.

    Das ist alles andere als entspanned und sorgt auch für einen hohen Adrenalinpegel.
    Meiner Erfahrung nach, finden sich dei Autofahrenden aber schnell mit der Situation ab. Und kein Autofahrender fährt den Radfahrenden von hinten über den Haufen.

    Wenn man den Platz zum (verkehrswidrigen) Überholen gibt, wird er auch beansprucht.
    Das muss auch gar nicht aus bösem Willen passieren. Häufig verspüren die Autofahrenden Druck von den hinten (drängelnden) Autofahrenden .

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    1. Das mache ich persönlich nur bei strecken ohne Anstieg. Bei 10 - 12 kmh bergauf kann ich es meistens nicht mit meinem Gewissen vereinbaren, das Auto hinter mir zur gleichen Geschwindigkeit zu zwingen.

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    2. Hej Dude,
      wenn das der Colin ist, den ich kenne, fährt der mit mehr als 12 km/h dort hoch!
      Go Colin!

      Und wenn ich mich richtig erinnere, war das mal eine Fahrradversuchsstrecke - da scheint also jemand die falschen Schlüsse gezogen haben, gell Herr Kähnlein.

      Für die altbekannte Problematik des mangelnden Problembewusstseins des ÖPNV bzgl. dessen Gefährungspotential gegenüber nachhaltiger Mobilität schlage ich vor, sich direkt an den Aufsichtsratsvorsitzenden der SSB zu wenden.
      Er wird Ihnen - auch nicht - weiter helfen.

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    3. Die Versuchsstrecke ist weiter unten - von Kaltental bis zum Ortseingang.

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    4. Ich hatte auch länger Gewissensbisse, Autofahrer hinter mir auf 10-15 km/h runterzubremsen. Dann kam das: https://twitter.com/StgtMartin/status/1045206482801889280
      Rücksichtnahme kann nicht heißen, sich selbst zu gefährden. Und ja, ich empfinde es jetzt deutlich entspannter hinter mir ein Hupen zu hören, als immer damit rechnen zu müssen knapp überholt zu werden.

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    5. Hallo Martin.
      Ich habe mir ein paar Videos von dir bei Twitter angeschaut. Ein Wunder dass du noch lebst. Ich pendle jeden Tag von Stuttgart nach Sindelfingen/Böblingen. Auch ich mach da einiges mit. Für Autofahrer sind wir echt vogelfrei. Zum Glück schaff ich es dass ich 90% der Strecken im Wald oder auf Nebenstraßen fahren kann.
      Gruß Thomas

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    6. Alexander Müller15. Oktober 2018 um 18:13

      @Simon:

      Ich stimme dir 100% zu.
      Wenn eine Straße zu eng ist, als dass mich ein Autofahrer regelkonform überholen kann, fahre ich in der Mitte der Fahrbahn um mich vor seinen unüberlegten Überholmanövern und damit letztendlich auch ihn vor sich selbst zu schützen.

      Habt kein schlechtes Gewissen, wenn das Auto langsam hinter euch her zuckeln muss! Ihr müsst so fahren, dass ihr nicht gefährdet werdet!

      Gruß
      Alex

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    7. Und wenn es bergauf geht, und der Autofahrer hinter einem das eigene Radtempo erreicht hat, kann man ihn dann nett vorbeiwinken, so spart man sich auch noch das lange gedrängelt fühlen!

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  2. Ich wohne im Knappenweg und kann die Erfahrungen nur bestätigen. Besonders gern wird kurz vor der Kurve oder in der Kurve überholt um dann scharf abzubremsen wenn Gegenverkehr kommt und rechts Autos parken, was eigentlich fast immer der Fall ist. Dann muss ich als Radfahrer ebenfalls stehen bleiben obwohl ich eigentlich trotz Gegenverkehr weiter bergauf fahren könnte.
    Zum Thema "Mir scheint der Lkw- und Pkw-Verkehr im Knappenweg unverhältnismäßig groß" versucht der Bürgerverein Dachswald schon seit mehr als 30 Jahren den Durchgangsverkehr zu reduzieren. Es handelt sich aber um eine Vorbehaltsstraße, was es fast unmöglich macht, den Verkehr zu beruhigen. Wenn der Schattenring bzw. die B14 verstopft ist, stehen hier soviel Autos auf dem Knappenweg im Stau, dass weder der Bus noch Fahrradfahrer legal, also auf der Straße, durchkommen. Es wird dann von den Radfahrern und auch schon mal von den Bussen der Gehweg genutzt.

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    1. Danke, Frank, für die Info. Das sind wieder mal ganz dicke Bretter, ich sehe schon.

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  3. Liebe Bürger. Wir nehmen ihre Probleme ernst und haben beschlossen, den Knappenweg auf 6 Fahrspuren auszubauen. Die Häuserzeile wird dazu abgebrochen, um Platz zu erhalten. Hatte ja damals bei der Hauptstätter Str. auch geklappt. Und Radfahren wird dort natürlich verboten- aus Sicherheitsgründen versteht sich. Mit Bürgernahen Grüßen. Ihr Alexander Kotz.

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  4. @Christine:

    Ich glaube hier nicht, dass Tempo 30 helfen würde. Bergauf ist man sowieso noch deutlich langsamer, selbst mit einem Ebike, bergab rollt man hier aber mit 40-50km/h, d.h. man müsste noch mehr Bremsstaub erzeugen als sonst schon.

    Leider gibt es hier einige rücksichtslose Fahrer, ein paar erkenne ich schon an den Autos, da ich hier täglich fahre. Bei den Busfahrern gibt es ein zwei A****, aber auch einige sehr rücksichtsvolle. Wie im normalen Straßenverkehr. LKWs sieht man hier aber seltener als Busse.

    Kurvenüberholer sind aber auf der gesamten Strecke extrem schlimm. Ich warte hier ja nur auf den ersten Unfall. Heute hat mich mal wieder ein Bus auf der unübersichtlichsten Stelle überholt.

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