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8. Dezember 2020

Sind Radfurten wie Zebrastreifen?

Wie ist das mit diesen Radfurten parallel zu Zebrastreifen? Haben sie dieselbe Wirkung wie der Zebrastreifen?

Diese Frage, nur etwas komplizierter, stellte mir kürzlich ein Stadtplaner aus Saarbrücken. "Ich überprüfe gerade im Rahmen eines Radverkehrskonzepts die Frage, ob Radfahrer:innen auf Radfurten, die neben Zebrastreifen außerhalb von Knotenpunkten an städtischen Verkehrs- und Sammelstraßen angelegt werden, gegenüber dem Längsverkehr Vorrecht haben oder Wartepflicht." 

Ich habe die Frage so verstanden:

Er meinte eine Straße, über die quer ein Zebrastreifen führt (und zwar nicht an einer Kreuzung). Auf dem haben Fußgänger:innen bekanntermaßen Vorrang vor dem Autoverkehr. Legt man neben diesen Zebrastreifen nun eine Radfurt, wie wäre es dann? Müssen die Autofahrer den querenden Radverkehr auf ihm vorlassen und halten? Er bezog sich auf einen Blogpost von mir, wo ich arg ungenau über Radfahren auf Zebrastreifen geschrieben hatte. 

Einen Passus in der StVO dazu gibt es nicht. Meine Einschätzung lautet: Nein, der querende Radverkehr hat keinen Vorrang vor dem Autoverkehr. 

Wo wir solche Radfurten sehen, hat der Radverkehr ohnehin Vorrang vor dem Autoverkehr. Wir sehen sie nur in Einmündungen von Nebenstraßen auf Vorrangstraßen und um Kreiverkehre herum. Sie liegen immer parallel zum Vorrangverkehr, so auch zum Beispiel hier im Königsträßle an der Einmündung zur Jahnstraße. Die Jahnstraße ist eine Vorrangstraße. Radverkehr auf dieser Straße und auf den parallelen Gehwegen hat Vorrang vor dem Autoverkehr aus der Vorfahrt-achten-Straße (anders als Fußgänger:innen, die hier warten müssen, die haben nur dem einbiegenden Verkehr gegenüber Vorrang). Der Radstreifen bekräftigt das und warnt optisch Autofahrende (wie auch das Verkehrzeichen für Radverkehr von beiden Seiten) davor, dass Radverkehr von den Gehwegen kommt und quert. Alle einbiegenden Autos müssen ohnehin den Geradeausverkehr der Radfahrenden (und der Fußgänger:innen) abwarten. 

Solche Radfurten sind oft auch dort, wo man vor allem Schulkinder auf freigegebenen Gehwegen entlang von Vorrangstraßen schickt. Auch hier (Degerloch: Löwenstraße/Reutlinger Straße) wieder begleiten die Gehwege und die Furt eine Vorfahrtsstraße. Hier können Autofahrende glücklicherweise drüber fahren und dann erst an der Haltelinie der Vorrangstraße den Autoverkehr abwarten. An anderen Stellen aber stehen sie genau auf solchen Furten, wenn sie aus der Straße herausfahren wollen und noch warten müssen. (StVO § 9)

Werden Radfahrende parallel zum Fußverkehr mit Hilfe solcher Radfurten außen um einen Kreisverkehr herumgeführt, verhält es ich genauso: Der Kreisverkehr hat Vorrang gegenüber dem Fahrverkehr, der in ihn reinfahren will, also haben es auch alle Radfahrenden, die auf ihm oder parallel zu ihm fahren. Sie haben auch Vorrang gegenüber jenen, die aus dem Kreisverkehr hinausfahren, weil sie ja abbiegen. Also kann man da eine Furt hinmalen, um zu verdeutlichen, dass mit Radfahrenden gerechnet werden muss. Tückisch ist übrigens hier am Kreisverkehr Fasanenhof, dass die Radler:innen von beiden Seiten kommen, also auch gegen die Richtung des Kreisverkehrs herumfahren, genauso wie Fußgänger:innen von beiden Seiten kommen.

Das Ganze sind Notlösungen, die uns nicht weiterhelfen. Besser wäre es, Radfahrende kämen runter von den Gehwegen und würden auf der Fahrbahn durch den Kreisverkehr geleitet (wo man übrigens immer auch radeln kann, wenn die Gehwege nur freigegeben sind, selbst, wenn es solche komischen Furten gibt). Auch diese Schulweglösungen auf freigegeeben Gehwegen sind unglücklich und zeigen nur, dass wir auf unsern Fahrbahnen keine Verkehrsplanung für einen sicheren Radverkehr haben, weil wir dort allen Platz den parkenden und fahrenden Autos vorbehalten. Da die Verkehrsregeln im Detail den meisten Menschen nicht bekannt sind, gewöhnten wir die Radfahrenden nur daran, auf Gehwegen zu radeln, auch dann, wenn sie nicht freigegeben sind. Und wir gewöhnen die Autofahrenden daran, dass Radler:innen aus ihrem Blickfeld auf Gehwege verschwinden. Sie tauchen dann nur plötzlich beim Abbiegen vor dem Kühler auf, was wiederum sehr gefährlich für die Radfahrenden werden kann.

Übrigens: Mittlerweile dürfte allen bekannt sein (meinen Stammleser:innen sowieso), dass man auf dem Fahrrad auf einem Zebrastreifen keinen Vorrang vor dem Autoverkehr hat, Autofahrende müssen nicht bremsen und halten. Das müssen sie erst, wenn ich vom Fahrrad absteige und es über den Zebrastreifen schiebe. Dann bin ich Fußgängerin. Diese Regel gehört zu den Radfahrerregeln, die alle nennen, die schnell mal Regeln zusammenstellen. Man darf auf dem Zebrastreifen auch fahrend eine Fahrbahn überqueren (aber nur, wenn der Gehweg, von dem er abgeht, auch für Radfahrende freigegeben ist), man muss halt abwarten, bis die Straße frei ist.


14 Kommentare:

  1. Einer der 101 Gründe, warum ich auf der Straße fahre, die Vorfahrtsregeln sind immer klar und wenn ich Vorfahrt habe, wird sie mir nicht alle 150 Meter an einer Setenstraße geklaut.
    Jedes Abbremsen oder Anhalten auf dem Fahrrad kostet zusätzliche Energie, ein Stop soviel wie 100m zusätzlicher Fahrtweg.
    All das macht ungenügende (und das ist sie zu 95%, selbst wenn neu) Infrastruktur so unglaublich ärgerlich. Sie ist immer unbequemer, langsamer, länger, ermüdender und direkt oder indirekt (z.B. wenn man sie wie ich aus o.g. Gründen nicht nimmt und Autofahrer dann ekelhaft werden) gefährlichet als die Straße.

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    1. Das mit der Energie ist übrigens auch etwas was mich so am Uberhandnehmen der E-bikes stört. Dass Radfahren mit Körperkraft stattfindet wird bereits jetzt schon vollig ignoriert. Das mit der zusätzlichen Energie zum Anfahren nach einem Stop hat kein Verkehrsplaner je berücksichtig und an vielen Kreuzungen, zn jeder Unterführung und selbst auf freier Strecke gibt es jetzt schon auf Radwegen immer wesentlich mehr Steigungen als auf den entsprechenden Straßen. Wenn nun E-Bikes zur Norm werden, dann wird das nie aufhören, bzw. noch schlimmer werden, weil man sagen wird, die haben ja eh alle einen Motor.

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    2. Sehr Lesenswert zu diesem Thema dazu auch dieser Artikel hier: https://fahrradzukunft.de/30/pedelec-versus-muskelkraft-umfassende-kritik/#soziale-indikation

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    3. Lieber Marmotte, ich fahre ja Pedelec seit 14 Jahren. Ohne Pedelec hätte ich nicht angefangen, in Stuttgart Rad zu fahren, weil ich heimzu immer zehn Minuten den Berg hoch radeln muss, teilweise mit übber 12 Prozent Steigung. Den Pedelecs verdanken wir in Stuttgart den Fahrradboom und den zunehmenden Druck auf die Behörden und Verwaltungen, die Radverkehrsinfrastruktur auszubauen. Und ich kann die auch sagen, dass man (ich) mit dem Pedelec ebenfalls sehr genau merkt, dass bremsen und anfahren Energie kostet und dass man mit Muskelkraft Rad fährt. Und ganz ehrlich: Wozu müssen wir eigentlich immer ein Wir gegen Euch aufmachen, warum die Radfahrtypen untereinander sortieren und ausgrenzen? Warum gegen Pedelec-Radler:innen Aversionen entwickeln udn schüren? Ich finde, wir brauchen ein Miteinander.

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    4. Ich schüre Aversionen gegen Polutiker und Verkehrsplaner, die gar nicht wissen, für wen oder was sie eigentlich planen, welche Faktoren eigentlich eine Rolle spielen.
      E-Bikes an sich stören mich nicht, deren Überhandnehmen wie ich oben schrieb, aber schon. Und das führt bereits jetzt schon zu absurden Situationen, wie dein letzter Artikel zeigt.

      @Markus Den Artikel habe ich gelesen. In der Fahrradzukunft war vor ein paar Jahren (Nr.23) eine Auseiandersetzung mit e-bikes vom Konzeptionsstandpunkt her. Zitat daraus :
      "Diese Verschiebung der Bewertungskriterien ist eine Verschiebung vom Einfachen zum Komplizierten, vom Leichten zum Schweren, vom Reduktiven zum Expansiven, von Fahrrad-Maßstäben zu automobilen Maßstäben."

      Bereits jetzt zählen beim Bau von Infrastruktur nur die Automobilmaßstäbe, wenn die dann auch noch beim Fahrrad selbst maßgeblich werden, dann gute Nacht.

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    5. @Markus: Ich habe mir diesen Beitrag durchgelesen. Ich kann allerdings in den Entgegnungen zu den Thesen keinerlei Belege finden; es wird immer nur behauptet, nicht aber bewiesen. Im Übrigen halte ich es mit Christine: Wir Radfahrenden schwächen unsere Position alleine dadurch, dass wir uns selbst in Biobiker und Pedelec-Fahrende aufdividieren. Und diese Schwächung geht nicht von den Pedelec-Fahrenden aus ...

      Zurück zum Thema: Bei uns wurde in diesem Jahr ein Kreisverkehr gebaut. Er liegt direkt am Ortsschild und dient auch als Autobahnzufahrt und -abfahrt. Dort hat man für Radfahrende das komplette Schikanenregister gezogen: Kurz vor dem Kreisel wird der Radfahrende per Benutzungspflicht auf den Radweg gezwungen, um dann im Abstand von 2 Metern zur Autofahrbahn per Vorfahrt gewähren-Beschilderung dem (für den Radfahrenden) von hinten links kommenden Autoverkehr Vorfahrt zu gewähren. Für Radfahrende fällt also jede Form der Vorfahrt flach; sie müssen immer für jeden Autofahrenden anhalten. Irrsinn pur und eigentlich ein massiver Verstoß gegen die StVO.

      Gleichzeitig wurden Schwellen verbaut, die zwei oder drei cm hoch einen Absatz zur Autofahrbahn bilden. Begründung: Sehbehinderte können so den Rand der Fahrbahn ertasten. Übrigens ist dort bisher täglich ein älterer Mann mit seinem Rollator unterwegs gewesen; der kommt jetzt nicht mehr über die Hindernisse .... Sehbehinderte konnte ich dort alleine unterwegs noch nicht antreffen.

      Gleichwohl: Die Autolobby (die Planer im Landesbetrieb Mobilität, so heißt das bei uns in Rheinland-Pfalz) hat ihr möglichstes getan, alle Verkehrsarten außer dem MIV zu diskriminieren. Und von den ERA hat man dort möglicherweise etwas gehört, sie aber ganz sicher nicht in der Planung berücksichtigt.

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    6. Das ist leideer das Konzept von Kreisverkehren außerhalb geschlossener Ortschaften, in Wangen im Allgäu kenne ich auch so einen. Ich weiß ja nicht, wo der deinige sich befindet, aber über Radverbände und Gemeinderäte könnte man da schon anfangen zu agieren und auf die Behinderungen aufmerksam machen, gerade für die Rollatoren-Leute. Du kannst mir auch Fotos und genauere Ortsangaben schicken, und ich schreibe mal darüber.

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    7. Liebe Christine, was meinst du mit "Konzept"? Gibt es irgendwo ein Papier, in dem Behörden aufgefordert werden, gegen Gesetze zu verstoßen?

      Und was soll man da "agieren und aufmerksam machen", wozu gibt es Verwaltungsgerichte?

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  2. Es gibt in der StVO (in erster Näherung) keine Sonderregeln für die Vorfahrt des Radverkehrs. Die Vorfahrtregel gilt für die gesamte Straße, also auch auf dem Radweg. Es heißt ja auch Vorfahrtstraße und nicht Vorfahrtfahrbahn.

    Anders sieht es beim Kreisverkehr aus. Hier hat nach §8 StVO der Verkehr auf der Kreisfahrbahn Vorfahrt. Der Radverkehr muss warten.

    Radfahrer werden oft nicht als Fahrzeugführer betrachtet, sondern als Fußgänger mit Rädern, von sich selbst, von anderen Verkehrsteilnehmern und anscheinend auch von einem Stadtplaner aus Saarbrücken. Die Vorfahrtsregeln der StVO sind aber unabhängig davon, ob ein Radweg neben einem Fußgängerüberweg liegt.

    Vielleicht stammt die Auffassung, dass Radwege neben dem Zebrastreifen etwas Besonderes sind, von der inzwischen abgeschafften Regel, dass auf Radfurten neben einer Fußgängerfurt die Fußgängerampel gilt.

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    1. Genau das habe ich geschrieben, Volker. Der Radverkehr wird behandelt wie der parallele Autoverkehr, auch wenn er auf Gehwegen oder Radwegen radelt. Der Fußverkehr aber nicht. Deshalb macht man Zebrastreifen in die Einmündungen in Kreisverkehre. Aber man sieht sehr schön, dass Regeln generell auf andere Situationen übertragen werden, wie du ganz richtig bemerkst, nämlich so, als bilde der kombinierte Rad- und Zebrastreifen eine Regel, nicht aber die Vorfahrtsregelungen beim Überqueren einer Straße. Das ist sehr menschlich.

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    2. Jörg
      Das mit dem Kreisverkehr außerorts der gegen §9 Abs 3 der StVO verstößt stört mich auch sehr.
      Sogar auf den Kreisel zufahrende Autofahrinnem wo ein Auto schon wartend steht setzen aggressiv ihre Vorfahrt durch.
      Dabei deckt die ERA wohl gar nicht die Musterlösung des Landes BW Musterblatt: 4.5-4 (Radfahrer müssen außen Vorfahrt gewähren). Diese Art der Verkehrsregelung macht Opfer im Falle des Unfalls immer zu "selber schuld". Das widerspricht jedem Grundsatz a) gleiches Recht für alle b) Schutz des Schwächern

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  3. Es gibt hierzu eine Stellungnahme des Wissenschaftlichen Dienstes Deutscher Bundestag (WD7-3000-155/11)
    Dort wird die Rechtslage nach StVO beschrieben und einer Ausnahmeregelung widersprochen.
    MfG Marcel

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  4. Mein Kenntnisstand bei Kreisverkehren war bisher:
    a) Innerorts ( => sollte gebaut werden mit max 5m Abstand) Vorfahrt für Radfahrer (RF) auf Radwegen(RW) oder freigegebenen Gehwegen (fgGW).
    b) Außerorts ( => sollte gebaut werden mit mehr als 5m Abstand) Vorfahrt für Ein und- Ausfahrenden Verkehr. Vorfahrt Achten für RF auf RW oder fgGW.

    ABER: Da RW meistens mit Bordstein angelegt werden und RW bzw. GW "andere Straßenteile" sind => Vorfahrt Achten laut STVO § 10 Einfahren und Anfahren
    "Wer [...] von anderen Straßenteilen oder über einen abgesenkten Bordstein hinweg auf die Fahrbahn einfahren [...] will, hat sich dabei so zu verhalten, dass eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist; [...]. Dort, wo eine Klarstellung notwendig ist, kann Zeichen 205 stehen."

    Dazu sehr interresant zu lesen (hoffentlich gilt das Urteil nicht mehr)
    https://radverkehrspolitik.de/olg-hamm-noch-weniger-vorfahrt-als-keine-vorfahrt-fuer-radfahrer/

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  5. Liebe Christine,

    der Kreisel selbst liegt innerorts, wenn auch direkt am Rand der Ortslage. Stadtrat und Politik sind sensibilisiert, wir machen auch immer wieder auf diesen (und einige andere) Missstände aufmerksam. Allerdings ist auch die Einflussmöglichkeit der Politik begrenzt; schlussendlich macht fast jede Verwaltung das, was sie für richtig hält. Aber das kennst Du ja.

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