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19. März 2021

Wir wollen uns sicher und akzeptiert fühlen - Fahrradklimatest des ADFC

Die Ergebnisse des Fahrardklimatests des ADFC für das vergangene Jahr sind da. Grundsätzlich hat sich nicht viel verändert. 

Es tut sich nicht viel in Sachen Ausbau, die Planung dauert zu lange, man sieht nur wenig neue Radinfrastruktur auf der Straße. Immer noch massiv bemängelt wird, dass die Städte lasch mit Falschparkern umgehen und die Baustellenumleitungen viel zu wünschen übrig lassen. Am wichtigsten sind den Radfahrenden ein gutes Sicherheitsgefühl (81 %), die Akzeptanz durch andere Verkerkehrsteilnehmende (80 %) und ein konfliktfreies Miteinadner von Auto- und Radverkehr (70%). Und da gibt es immer noch viel zu tun. Die Breite der Radwege und -streifen wird von Jahr zu Jahr kritischer bewertet. Die Radfahrenden wollen immer dringender eine sichere und bequeme Radinfrastruktur. Auch in den Gewinnerstädten ist noch viel Luft nach oben. 

Tübingen
Über die Achulnote 3 kam da keine Stadt. In Baden-Württemberg hat Karlsruhe bei den Städten bis eine halbe Million Einwohner:innen gewonnen (bundesweit Münster vor Freiburg). Bei den Städten über eine halbe Million Einwohner:innen liegt Bremen (3,57) vor Hannover und Frankfurt am Main vorn. Stuttgart liegt auf Platz 11 von 14. Schlusslicht ist Köln hinter Dortmund und Essen. Nach Einschätzung der Befragten hat sich in Stuttgart nichts verändert, die Note liegt bei 4,16. Bei den kleineren Städten ist Böblingen in der Bewertung deutlich estiegen und landete bei der Note 3,62. Weiter vorn findet sich Tübingen (3,39), dort hat sich aber nichts verbessert.

Karlsruhe
Es gibt ja nicht viele gute Noten, so erstaunt es, dass die kleine Stadt Wettringen im Münsterland immerhin auf eine 1,96 kommt. Warum das so ist, habe ich nicht herausbekommen. Die Stadt wirbt mit den Radwegen, die das Münsterland durchziehen. Aber vielleicht kennt ja jemand von euch dieses Städtchen. 

Das Klima für Radfahrende hat sich also in Deutschland und seinen Städten nicht grundlegend gebessert. Sicherheit und ein friedlicher Straßenverkehr sind die wichtigsten Kriterien dafür, wie Radfahrende ihre Fahrradstadt wahrnehmen. Aus dem Klimatest geht hervor: Es muss breite Radstreifen oder Radwege geben, die müssen unbedingt von Autos freigehalten werden, und die Huberei und das knappe Überholen müssen aufhören. In Baustellen wollen wir nicht verratzt vor Sperren stehen und in den brausenden Autoverkehr einfädeln müssen. Die Presse sollte nicht ständig das Radfahren skandalisieren und mal eine großangelegte Kampgange, die für Verständnis wirbt, wäre auch ganz schön.



14 Kommentare:

  1. Die Sache Radwege und Radverkehr wird von den Städten einfach halbherzig angegangen. Ich habe den Eindruck die Maßnahmen richten sich nach der Höhe der Kosten. Ich habe auch beim Fahrradklimatest mitgemacht. Bei den Fragen ist mir aufgefallen, dass ich bei uns (Mannheim) nut wenig positives ankreuzen konnte und wo es positiv war, war das Thema eher sekundär (Fahrradaktionen, Leihrad, Werbung fürs Fahrrad, Fahrraddekoration, Parkingday). Die Themen bringen im Alltag aber wirklich nichts. Wenn man das kritisiert, wird man als undankbar hingestellt, weil "jetzt haben wir eine Fahrradstraße umgebaut....". Ja toll, eine Strecke, die ich nie fahre, bei der mir zu Fuß aufgefallen ist, dass sich zum vorherigen Zustand kaum etwas für Radfahrer geändert hat (immer noch beidseitg parkende Autos, der Bürgersteig an der Kreuzung ein bisschen anders, ein bisschen Farbe auf dem Boden). Die Maßnahme sah eher wie normale städtplanerische Umgestaltung aus, als "Fahrradprojekt" getarnt. Dann gibt es bei uns noch den Plan, einen von PKW illegal beparkten Geh- und Radweg in eine Fahrradstraße (parallel zu einer Hauptein-Ausfallstraße) umzuwidmen, damit dort, ACHTUNG!, die PKW zu den Kleingärten LEGAL PARKEN können, weil sie ja momentan illegal über Geh-und Radweg fahren und dann dort genauso illegal parken.
    Kann man so eine Stadtverwaltung noch erst nehmen? NEIN. Kann man da den Eindruck bekommen, da arbeiten nur Vollpf.., JA. Bei so viel Humbug greift man sich an den Kopf. Und dann soll man gute Noten für Radverkehrsmaßnahmen vergeben? Für schwarze Farbe auf schlechten Radwegen, die dann immer noch schlecht sind? Für zu schmale Radwege? Für Streifen in Dooringzonen? Für Baustellen, die urplötzlich auftauchen, ohne vorherige Ankündigung und Umleitung (vor allem weil hier einfach nur Hirn und andere Schilderpositionen ausreichen)?
    Da hats wirklich nur schlechte Noten gehagelt.
    Ich würde mir auch mal Aktionen wünschen, bei den Autofahrer auf ihre Pflichten hingewiesen werden, gerne auch in Fremdsprachen. Und ich würde mir wünschen, dass für Autofahrer viel mehr vom §48 STVO Gebrauch gemacht wird, dann hätten die Verkehrsregelnmythen endlich mal ein Ende.
    Heute etwas krätzig
    Karin

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    1. Liebe Karin, nur heute krätzig? Hast schon recht, wir Radler:innen sind in unseren Städten immer noch nicht die Priorität bei der Verkehrsplanung. Andererseits braucht eben Planung und ihre Genehmigung in den politischen Gremien Zeit, und dann braucht es Zeit, bis man Baufirmen gefunden hat etc. Und unterschätze Fahrradstraßen nicht. Selbst, wenn Anlieger noch fahren dürfen, der Radverkehr nimmt auf ihnen sofort zu, war bei unserer Tübinger Straße so. Auch die Fahrradstraßen in Karlsruhe, die von den Medien so gelobt wurden, sind für mein Gefühl eher dürftig, da fahren und parken immer noch Autos, aber komischerweise gelingt es durch sie eben doch, den Radverkehr aufzuwerten und sichtbar zu machen, und sie erzeugen tatsächlich mehr Radverkehr. Ansonsten braucht es in einer Stadt eben jemanden oder eine Organisation, die Mängel sichtbar macht und dadurch in die Politik trägt, es braucht einen Radentscheid oder Bürger:innen, die an die Stadträt:innen viele Briefe schreiben. Öffentlicher Druck ist nach meiner Erfahrung ein gutes Mittel, die Stadtpolitik auf ein Thema aufmerksam zu machen.

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  2. "Wir wollen uns sicher und akzeptiert fühlen" - Wenn ich sowas lese geht bei mir immer eine Alarmsirene im Kopf an. Natürlich möchte auch ich mich als Radfahrer sicher und akzeptiert fühlen. Noch viel mehr möchte ich aber sicher sein und akzeptiert werden!

    Und so möchte ich auch die Forderungen im letzten Absatz verstanden wissen. Als Beitrag zu Sicherheit und Akzeptanz und nicht als Bitte um eine Beruhigungspille.

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    1. Klar, wollen wir auch sicher sein und sind es oftmals nicht. Allerdings fühlen sich viele auf Radwegen sicher (sind es aber nicht, wegen der Rechtsabbieger). Das Sicherheitsgefühl und die tatsächliche Sicherheit divergieren beim Radeln ein bisschen. Und für Stadtplaner:innen ist immer die Frage: Ist das objektiv sicher, sofern der Straßenverkehr sicher sein kann, fühlen sich ängstlichere RAdler:inne aber unsicher und steigen darum nicht aufs Fahrrad? Diese Fragen diskutiere ich hier auf dem Blog auch oft. Und da gibt es dann ganz unterschiedliche Ansichten.

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  4. Es ist einfach nur beschämend mit welcher "Geschwindigkeit" die Themen in Stuttgart angegangen werden. Es gibt von kommunaler und städtischer Seite aus nahezu kein Handlungsbedarf - so die Denke. Alles wird auf Hinweis und Zuruf angegangen. Und das erst nach langer langen Diskussionen, mit Widerwillen und und halbherzig. Es braucht an manchen Stellen keine teure Radfahrermessgeräte. Es ist einfach offensichtlich das dort Chaos herrscht. Das nur als Beispiel. Radwege die ich mir mit Fußgänger teilen muss während Nebendran die Autos zweispurig hin und zweispurig zurück fahren und in der Mitte der Autobahn fährt dazu noch die Straßenbahn - das ist oftmals die Stuttgarter Radfahrerrealität. Ein Fass ohne Boden! Traurig. Und die Auswertung diese aktuellen Umfrage ist eine Ohrfeige an die Stadt!

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  5. lustig.
    gerade hat mich ein busfahrer vor dem kh versucht von der straße abzudrängen. ich habe mehrfach gegen seinen bus gehämmert, ihn gestellt und ihn darauf hingewiesen, dass er 1,5 m mindestabstand halten muss.

    "HAUABDUSCHEISSRADFAHRER"

    die polizeistreife, die ich später ansprach sagte mir, ich solle mich erst mal beruhigen und wenn ich mal ein zwei mal drüber geschlafen hätte, einen termin beim polizeirevier machen. aber ohne zeugen wär's eher schwierig.

    das ist die realität.
    mobilität modern denken.
    wie einstein thematisch treffender sagen würde:
    "with sticks and stones"

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    1. An die Verkehrsbetriebe schreiben, mit Nr. des Busses, Zeitpunkt, Ort.

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  6. Ralph Gutschmidt19. März 2021 um 19:44

    Ich finde es einfach traurig.

    Zehn Jahre grüner OB und noch länger grüne Mehrheit im Gemeinderat, da würde man doch auch im Verkehr Impulse erwarten. Ja, es hat sich was getan, aber im Vergleich zu anderen Städten ohne Grüne Mehrheit nun wirklich eher weniger.

    Vielleicht ist ein CDU OB da ein Vorteil, jetzt haben die Grünen einen Angriffspunkt.

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  7. 10 Jahre GRÜNE in der Landesregierung, 10 Jahre GRÜNE Mehrheit im Stuttgarter Gemeinderat, 10 Jahre OB Kuhn, 10 Jahre VM Hermann, 10 Jahre ADFC BW Landesvorsitzende Zühlke. 2012 hatte Stuttgart beim ADFC-Fahrradklima-Test eine 4,23.

    Was sagt uns das alles?

    Claudia Rieger

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  8. Die Note 4 sagt aus, dass die geforderte Leistung erbracht wurde, aber gelegentlich grobe Fehler enthält. Selbst einer Fahrradstadt wie Utrecht würde ich maximal die Note 3 geben- denn ich habe auch dort die Infrastruktur für KFZ als Referenz. Mit der Note 6 hätte Stuttgart immerhin die Hälfte der Leistung erreicht- wo aber kann ich auf 50% der Verkehrsflächen in Stuttgart genauso schön mit dem Rad fahren, wie es mir mit dem Auto angeboten wird?
    Ich habe den Verdacht, dass einige Bewertungen von Gehwegradler-Aktivisten stammen, die echte Radfahrer verhöhnen. Die gibt es in jeder echten Autostadt zu genüge.

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  9. Das gute am Radklimatest ist, dass er eine Bewertung und ein Stimmungsbild und die Erwartungshaltung von "normalen" Nutzern vermittelt. Die schlechten Noten trotz mancher Verbesserungen dokumentieren, dass die politischen Gremien und die Verwaltungen den gestiegenen Ansprüchen und der steigenden Anzahl von Radfahrern hinterherhinken. Schade ist, wenn das zu Resignation führt (auf beiden Seiten, Verantwortliche für die Infrastruktur und Nutzer der Infrastruktur).

    Seitens ADFC vermisse ich allerdings eine objektive, faktenbasierte Übersicht mit einem ausdrücklichen Ranking der Städte, die auf einer nicht wegdiskutierbaren Metrik basiert wie z.B. die Anzahl der Planungs- und Ausführungsfehler pro Kilometer Radroute auf Grundlage der einschlägigen Vorschriften (ERA2010).

    Eine Infrastruktur nach dem Maßstab der Verwaltungsvorschriften und der ERA2010 ist zwar immer noch weit von Perfektion entfernt. Dessen bin ich mir schon bewusst.

    Andererseits sind in die Regelwerke schon alle möglichen Kompromisse eingearbeitet. D.h., was nicht einmal diesen Maßstäben genügt, ist im Endeffekt unsäglich schlecht und gefährlich.

    Derartige objektive und nachprüfbare Vergleichszahlen dokumentieren dann auch deutlich, welche Stadt tatsächliche Fortschritte in der Breite erreicht.

    Leuchtturmprojekte sind ja nett für die Aufmerksamkeit und für politischen Applaus. Die Brauchbarkeit ergibt sich aber aus der Gesamtsicht und den schwächsten Gliedern in der Kette.

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    1. Holger, im Prinzip sind ja objektive Daten immer gut, aber ich stelle mir gerade vor, wie der ADFC alle zwei jahre Stuttgart (und andere Städte) abradelt, um die Fehler in der Infrastruktur pro Kilometer zu finden und zu zählen. Ich fürchte, wir alle, die wir uns ehrenamtlich fürs Radfahren einsetzen, haben nicht die Instrumente, diese Menge von Daten zu erheben.

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  10. Ja, eigentlich ist das ja Aufgabe der Behörden: die Kontrolle, die alle 2 Jahre vorgeschrieben ist. Was in dieser Hinsicht passiert, ist leider intransparent. Wie häufig hat sie in den letzten Jahrzehnten denn stattgefunden? Wo sind die Ergebnisse? Die sollten doch veröffentlicht werden - da es sich kaum um vertrauliche Geheimnisse handeln kann, gehören sie veröffentlicht. Dann lässt sich auch klar und objektiv nachvollziehen, in welcher Rate die Verwaltung für Verbesserungen oder Verschlechterungen sorgt. Eine wichtige Grundlage zum Abgleich mit politischen Zielen und Vorgaben. Seit Jahren tappen wir alle im Dunkeln und so kommt es zu den deutlich auseinanderklaffenden Wahrnehmungen, ob "zu viel", "quasi gar nichts" oder "unanagemessen viel" unternommen wird.

    Nun haben nur wir Radfahrer offensichtlich tatsächlich Interesse daran. Datensammel-Portale gibt es ja schon, und nun werden die Professuren besetzt für wissenschaftliche Auswertung. Nun ist Wissenschaft eher Projektgeschäft. Sind die Unis der richtige Träger für das nachhaltige, jahre- bis jahrzehntelange Pflegen der Daten? Immerhin haben sie billige Arbeitskräfte für die Fleißarbeit: Praktikanten und Studenten, die (unentgeltlich) Bachelor- oder Masterarbeiten schreiben müssen.

    Beim Erheben von Daten kann ich helfen. Das Finden und zählen sehe ich gar nicht als das größte Problem und den größten Aufwand an. Die Ersterfassung ist zwar eine gewaltige Aufgabe. So viel tut sich in 2-Jahres-Abständen doch aber gar nicht - die meisten Punkte wird man Jahr für Jahr abhaken können als "besteht unverändert".

    Das eigentliche Problem dürfte aber die Datenführung (Strukturierung nach Kriterien, Unterscheidung nach Knotenpunkt oder Strecke, Referenzwerte wie Verkehrsstärken und Rolle der Route, Klassifikation, Gruppierung, Zusammenfassung von Problemen, die längere Strecken betreffen) um Ergebnisse in Kennzahlen und deren Entwicklung darstellen zu können.

    Auf meiner Strecke habe ich für mich die letzten Jahre schon mal ca. 150 Stellen dokumentiert und gebündelt der Stadt geschickt. Das Ordnungsamt bemüht sich schon seit Jahren, den Datenschatz zu heben. Nach meinem Gespräch zu Details von zwei Stellen (Rosensteinbunker-Kreuzung und eine unzulässige Anordnung der Benutzungspflicht) gab es allerdings keine weiteren Rückfragen. Das wundert mich etwas, denn die Mängel sind teilweise etwas subtil. Ich schließe daraus, dass wenig Interesse besteht.

    Nach und nach lade ich das alles jetzt ins Portal vom Klimabündnis hoch.

    Was macht man nicht alles, wo ich eigentlich doch nur genau so selbstverständlich und von den Behörden und Politikern gehegt und gepflegt mit dem Rad zur Arbeit fahren will, wie ich als Autofahrer von Behörden und Politikern umworben und gefördert werde.

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