Ein Verkehrsversuch im hessischen Heusenstamm könnte zum bundesweiten Vorbild werden. Dort hat man Schutzstreifen auf eine schmale Durchfahrtsstraße gelegt und zugleich Tempo 30 angeordnet.
Es handelt sich um einen Abschnitt der Industriestraße. Die Radfahrenden mussten vorher die Gehwege befahren (siehe Foto), die als Radwege ausgeschildert waren. Offenbar wollte man sie vom Gehweg runter haben und hat Schutzstreifen markiert. Nun beträgt aber die Restbreite für Autos nur noch drei Meter. Vor zwei Jahren startete man einen Verkehrsversuch mit dem Ziel, Radfahrenden auf der Fahrbahn mehr Platz einzuräumen. Zugleich hat man die Senkrechtparkplätze in Längsparkplätze umgewandelt, um die Sicherheit der Radfahrenden zu erhöhen. Der Verkehrsversuch wurde im vergangenen Jahr um zwei Jahre bis 2026 verlängert. Nach Einschätzung der Verkehrsexpert:innen ist er positiv verlaufen. 85 Prozent der Radfahrenden führen auf der Fahrbahn (auf den Gehwegen blieben meist Eltern mit ihren Kindern). Außerdem habe man nur wenige knappe Überholvorgänge durch Autofahrende gemessen.
Kurz vor Start der der neuen Straßengestaltung gab es natürlich heftigste Diskussionen und Proteste, wie immer, wenn man dem Autoverkehr etwas Platz wegnimmt, ihn verlangsamt und den Radverkehr vom Fußverkehr trennt und auf die Fahrbahn verlegt. Inzwischen hat man sich daran gewöhnt. Heusenstamm hat übrigens einen CDU-Oberbürgermeiser, der den Radverkehr fördern möchte. Allerdings hatte die Stadt auch keine andere Wahl, denn der Gehweg war laut neuer StVO zu schmal für eine gemeinsame Nutzung durch Radfahrende und Fußgänger:innen. Weil aber die Kernfahrbahn mit Schutzstreifen auch wiederum arg schmal war, musste das hessische Regierungspräsidium diese Konstruktion genehmigen. Das hessische Verkehrsministerium will diese Verkehrsführung nun in die Verwaltungsvorschrift aufnehmen, sodass Extra-Genehmigungen unnötig werden, weshalb das Bundesverkehrsministerium nun am Ball ist.
Entscheidend scheint mir das Tempo 30 zu sein, was den Überholdruck der Autofahrenden etwas mildert. In Stuttgart ist auf siebzig Prozent der Straßen 30 km/h angeordnet. Schutzstreifen gibt es da nicht, weil man davon ausgeht, dass Radfahrende hier gut im Mischverkehr radeln können. Das allerdings dürften die Eltern von Kindern, die Rad fahren, anders sehen. Für Kinder, die ab 11 Jahren nicht mehr auf Gehwegen radeln dürfen, braucht es eine ausgewiesene und geschützte Radinfrastruktur. Schutzstreifen sind das eher nicht, weil sie bei immer noch recht vielen Autofahrenden das Missverständnis erzeugen, sie könnten links der gestrichelten Linie fahren, ohne den vorgeschriebenen Überholabstand einhalten zu müssen. Sie können zu regelrechten Angststreifen werden.
"braucht es eine ausgewiesene und geschützte Radinfrastruktur."
AntwortenLöschenHmm, ist es nicht eher so, dass es eine inklusiv nutzbare Verkehrsinfrastruktur braucht?
Vielleicht lässt sich auch sagen, dass etwas grundsätzlich falsch läuft, wenn überhaupt flächendeckend ein Netz von Todeszonen im öffentlichen Raum existiert, nur um Menschen viel Geld aus der Tasche zu ziehen mit dem Ziel 2Tonnen schwere Blechkisten zu verkaufen, die dann weite Teile des öffentlichen Raumes dem Allgemeingebrauch entziehen, die mit von fast allen Menschen zu Recht als ausgesprochen hässlich, störend und krankmachend empfundenen Lärm den biologisch akustischen Kontakt mit 'biologischen Planeten' für die meisten Menschen auslöschen (auch wenn das nicht aktiv bemerkt wird -> carblindness), die die Luft verpesten, und die unseren Kindern den Raum für die so wichtige spontane Bewegung und die spontane aktiv bewegte Welterkundung ihrer Umgebung entziehen?
Vom Antrieb für die immer problematischer werdende Erderwärmung mal gar nicht zu reden ...
Durch den Ausbau einer separaten 'Rad-Infrastruktur' - ohne aber die Verkehrsinfrastruktur insgesamt anzutasten - werden sich doch solche (und zahlreiche andere) Fehlentwicklungen der gegenwärtigen Mobilitätskultur nicht sonderlich ändern, außer vielleicht im Nahbereich der wenigen privilegierten Quartiere für besserverdienende Familien, die, oft bedingt durch das Privileg einer ausreichend hohen Erbschaft, in den teuren 'verkehrsberuhigten' Quartieren und den umweltfeindlichen 'Grünen Eigenheim-Vorstädten' zu logieren pflegen.
Was wären denn eigentlich die Nachteile einer Mobilitätskultur, welche wie im Artikel vorgeschlagen das Tempo der zur Zeit noch tonnenschweren Blechkisten nicht nur im Ausnahmefall, sondern ganz generell auf z.B. 30kmh für den Individualverkehr beschränkt, und für Strecken, bei denen das zu zu hohen Reisezeiten führt dann die Optionen von Schienenverkehr und >T30 Leichtfahrzeugen zur Verfügung stehen.
Sicher 'utopisch', aber vielleicht braucht es angesichts der globalen Multikrise auch genau das:
Zukunftsgerechte Konzepte mit kreativ-utopischem Überschuss?
Ob sowas (zur Zeit) anschlussfähig ist?
Nein.
Aber vielleicht kann das ein Gedankenanstoß sein mal ein wenig Abstand zur 'Status Quo' orientierten Abhängigkeit des automobilen Entwicklungspfades zu nehmen, zumindest mal probeweise?
Alfons Krückmann
Es wären die ersten Angebotsstreifen, welche Autofahrer dazu motivieren, mit größerem (legalem) Abstand zum Radfahrer zu überholen. Für die Besserung der Situation ist hier Tempo 30 entscheidend.
AntwortenLöschenThomas
Ich kenne diese Idee der Kernfahrbahn aus der Schweiz und Frankreich. Wie alles, was nur aus Farbe besteht, funktioniert es nicht, selbst wenn es in einem dafür einigermaßen passenden Kontext (geringe Verkehrsdichte, langsame Geschwindigkeiten, insgesamt ausreichende Straßenbreite....) gemacht wird.
AntwortenLöschenAuch der Begegnungsverkehr mit Tempo 30, der offenbar in Artikel und Kommentaren gerade als Lösung dargestellt wird funktioniert nur dann einigermaßen, wenn Autos dabei eine kleine Minderheit sind. Sonst gilt sofort wieder das Recht des Stärkeren.
Also ich finde die Mercedes T. R. echt süß. Und hilfreich ist sie auch, da man ihre naiven Argumente auch von anderen Verkehrs-Laien hört. Tip-Top!
AntwortenLöschenDas glaube ich eben nicht. Sondern eindeutige Falschbehauptungen. Gegen die ich im aktuellen politischen Klima extrem dünnhäutig werde.
LöschenHeul doch, MTR
LöschenZur Erinnerung, ich mag sachdienliche Kommentarre, ich lösche aber solche, die sich ohne Belege, also nicht fundiert, gegen Radfahrende richten. Und zur Erinnerung: Dies ist mein privater Blog, und in dem möchte ich einen freundschaftlichen und sachlichen Umgang miteinander haben, Zensur kann nur von staatlichen Behörden ausgeübt werden.
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