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24. Juni 2017

Eine Fahrradstraße ist verschwunden

Es ist keine Überraschung, jedenfalls nicht für die, die meinen Blog lesen. Vor gut einem Jahr habe ich geschrieben, dass die Hauptradroute 1 umorganisiert wird, wenn das Dorotheenquartier rund um Breuninger fertig ist. 

Diesen alten Artikel haben in den letzten Tagen erbitterte Radfahrende kommentiert. Aus gutem Grund. Zwar ist der Verlust der Fahrradstraße vorhergesagt, aber nun halt doch eine Überraschung. Vor allem aber ist die Alternative, der Radweg Holzstraße keine Verbesserung, sondern eher ein schlechter Witz. Radfahren durch die City bleibt ein Hindernislauf, wie das Video unten auch wieder zeigt.

Vor gut einem Jahr hatte ich verstanden, es werde für uns Radfahrende eine Verbesserung geben.  Die Münzstraße vom Markt zum Karlsplatz wird zu einer Fußgängerzone mit Fahrradfreigabe umgebaut. Und dafür wird der Radweg auf der Holzstraße zwischen Breuninger und der B14 breit und schön werden und gegen Aufparker geschützt sein. Denn, um ihn gut zu machen, könne man von der zweispurigen Fahrbahn eine wegnehmen. So ist das aber nicht umgesetzt worden.

Die Fahrradstraße ist nun weg, auch wenn die Schilder noch etwas uneindeutig sind und den Abschnitt, wenn man vom Rathaus kommt  für Radler als gar nichts ausweisen (außer, das sie gegen eine für sie freigegebene Einbahnstraße radeln). Es gibt zwar einen Absatz und eienn Pflasterwechsel, aber das Schild Fußgängerzone mit Radfreigabe fehlt. Kommt man von oben, vom Karlsplatz, sieht man jedoch an der Beschilderung, dass man in eine Fußgängerzone mit Radfreigabe hineinfährt (Foto oben).

Ich finde, dass die Münzstraße auch früher schon als Fahrradstraße von Fußgängern beherrscht war, die nicht gemerkt haben, dass sie auf einer Fahrradstraße spazieren. Das hat Ärger und Geschrei und Gebimmel provoziert. Insofern finde ich die jetzige Regelung besser. Fußgänger haben Vorrang, Radler kurven friedlich durch sie hindurch. Geht. Geht vielleicht nur an einem Samstag nicht, wenn viel Volk unterwegs ist.

Dafür hat man den Radweg Holzstraße. Den bin ich früher schon lieber gefahren. Er war vor der Baustelle schnurgerade, aber nur rund zwei Meter breit (eng für einen Zweirichtungsradweg), wurde von Fußgängern oft nicht erkannt und war oft von Autos ganz oder halb zugestellt, die dort senkrecht drauf zu parken durften. Diese Parkplätze sind weg, auch respektieren die Fußgänger den Radweg, weil sie sehr viel Fläche entlang der Gebäude haben.

Doch der Radweg erweist sich jetzt als kümmerlich, zudem noch verschwenkt (nicht mit Kurven, sondern mit Ecken) ,hoppelig wegen des Pflasterwechsel und eng, stellenweise nur 1,60 Meter breit. Und das als Zweirichtungsradweg. Und als Teil der Hauptradroute 1 durch Stuttgart! Aupßerdem kreuzen ihn eine Tiefgarageneinfahrt und zwei Straßeneinmündungen. Er hat deshalb zwei Blutstreifenabschnitte (Siehe Video unten). Bei der Dorotheenstaßenausfahrt stehen die Autos auf dem Radstreifen, wenn sie in die Holzstraße einbiegen wollen, und bremsen alles aus. Radler weichen über die Fußgängerbereiche aus.

Wie ich in den wenigen Tagen beobachten und auch im Video festhalten konnte, dienen diese Einfahrten Autofahrern auch als Auffahrt zum Abstellen von Fahrzeugen auf dem Radweg. Jetzt sind es noch Baufahrzeuge oder Fahrzeuge von Baustellenleuten, aber diese Möglichkeit wird bald von anderen Autofahrern, Lieferanten und Postautos (natürlich auch Motorradfahrern) entdeckt werden. Die Holzstraße, von der man gut eine Spur hätte wegnehmen können (da fährt nich viel Verkehr), hat die alte Breite zurückbekommen, was in dem kurzen Beobachtungszeitrum bereits zwei Autofahrer dazu genutzt haben, auf der rechten Spur zu halten und auf eine einkaufende Ehefrau zu warten. Hier das Video, gedreht am Donnerstag gegen 13 Uhr (ergänzt am Freitagabend um Schilderdetails).



Das heißt: Wir haben eine Fahrradstraße verloren - übrigens die einzige hier in Stuttgart, auf der keine Autos fahren durften (aber natürlich Taxis und der City-Tourismusbus gefahren sind), und dafür keine gute Alternative gewonnen. Die alten Mängel bleiben erhalten, neue kommen dazu. Noch immer ist das auf ihn Einbiegen nur regelwidrig über eine durchgezogene Linie möglich. Und noch immer ist die Ampelanlage am Charlottenplatz dreizügig, und man wartet drei Mal bei Rot, bis man drüben ist. Und das auf der Hauptradroute 1. Wobei (worauf mich ein Kommentator aufmerksam gemacht hat) bei der Ampel eine der Verkehrsinseln viel zu schmal für ein Rad mit Anhänger ist.

Neu ist, dass man drei Einfahrten kreuzt und zudem Ecken fahren muss. Solche Autoeinfahrten sind das, was Radwege generell gefährlich für Radfahrende macht. Zudem stoppt ein Großlaster, der Breuninger beliefert, den gesamten Radverkehr, wie radelnde Kolleg/innen berichten und mit Fotos dokumentiert haben.

Nicht gut!

Besser ist nur, dass Fußgänger/innen den Radweg nicht so oft betreten wie vorher. Das mag allerdings auch daran liegen, dass mittlerweile viel mehr Radfahrende hier unterwegs sind.


Vom ADFC kam heute Abend auch folgender offener Brief:




11 Kommentare:

  1. Das war doch zu erwarten. Und Nachbesserungen wird es auch nicht geben.

    Martin

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  2. Solange es der Gemeinderat keinen Masterplan verabschiedet, der tatsächlich und wirklich Fahrrad-WEGE verwirklichen will und das auf diesem Weg für ALLE städtischen Verkehrsplanungen als Planungsvorgabe umsetzt, bleibt das Thema Radverkehr ein elendes Klein-Klein.
    Wenn sich der Radverkehrsanteil weiter erhöhen sollte, dann trotz der städtischen Maßnahmen.

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  3. Bei der Querung am Charlottenplatz kommt erschwerend hinzu, dass die erste Haltefläche für Fahrräder mit Anhänger zu kurz ist! Die Planer sollten in Erwägung ziehen, dass das Fahrrad als Autoersatz auch als Transportmittel für sperrige Güter genutzt wird!

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    1. Stimmt. Das kommt ja auch noch dazu. Wobei man mit einem Hänger hinkommt, wenn man die breitere Stelle nimmt. Aber wenn da Leute oder Fahrräder stehen, dann geht das nicht mehr. Danke für den Hinweis.

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  4. Hm. Waren da nicht noch mehr Antworten von Christine?

    Martin

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  5. @anonymMartin und @gebrauchsspur: Ändern wird sich nur etwas, wenn es konsequent eingefordert wird. Und zwar sachlich und fundiert. In der Tübinger Straße hat die regelmäßige Fahrraddemo (Stopschilddemo) etwas gebracht. Mit den Demos wurde auf ein Problem hingewiesen, das sonst ungehört geblieben wäre. Warum also nicht mal an der Holzstraße demonstrieren?
    Die Ausweichroute entlang der Münzstraße halt ich nur für eine (durch regelmäßige Unbenutzbarkeit der Radroute entlang der Holzstraße) eingeübte Ausweichstrecke. Denn wenn man an der Markthalle rauskommt - wie weiter? Entweder quer über den Karlsplatz, und dann die Querung hinter dem neuen Schloss über die Ampel oder entlang der Dorotheenstraße dann doch wieder auf die Hauptradroute 1? Das kann man auch nicht schnell und bequem fahren bzw. ist ein unverhältnismäßiger Umweg. Also meiner Meinung nach ist das einzig Richtige, die Radroute entlang der Holzstraße konsequent einzufordern. Liebe Christine: ich bin dabei!
    Chris

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    1. Hallo Chris,

      Du hast mit einem Punkt Recht. Man muss sanften Druck aufbauen. Allerdings fehlt auch mir die Zeit, für jeden einzelnen Punkt tagelang zu demonstrieren. Das ist doch ein echtes Armutszeugnis, wenn ich das für jede 'Kleinigkeit' oder 'Selbstverständlichkeit' tun muss.

      Der Radverkehr hat durch E-Bikes massiv zugenommen. Warum sieht das in der Stadt nur niemand?

      Der Radweg in der Augsburger/ Gnesener Strasse ist auch sehr gefährlich, Nur mal als Hinweis.

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    2. @Chris. Ich höre, dass sich da Ideen entwickeln.

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    3. Die Münzstr war nicht nur eine Ausweichstrecke für die schlechte Holzstr. Man darf den Wegfall nicht nur unter dem Aspekt der Hauptroute 1 sehen. Durch die S21 Baustelle ist es nicht mehr so einfach aus dem Norden (Heilbronnerstr)auf die Hauptroute 1 Richtung Süden zu kommen. Viele kommen aus der Lautenschlagerstr, Bolzstr., Schloßplatz.Die Münzstr. war trotz Fußgängern die beste Weiterführung Richtung Eberhardstr. Jetzt heißt es also ab Schloßplatz auf der Planie (B27) bis vor zum Charlottenplatz und dann rechts in die Holzstr. Die Dorotheenstr wird wegen den Bauarbeiten am Hotel Silber keine Alternative sein.
      Rainer

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  6. Das sehe ich ganz genauso. Druck braucht es, man muss die Verbesserungen einfordern. Ob der Forderungsweg von Stopschild über längere Haltewege für Räder und fahrradtaugliche Kreuzungen etc.pp. führt, zweifele ich langsam an, weil jede Maßnahme Grabenkämpfe zu verursachen scheint.
    Die Forderungen sollten daher größer werden. Es braucht Kriterien für die Stadtplanung, eine Vision, die etabliert werden muss. Raus aus dem Klein-Klein. Ansonsten wird sich das Ganze viel zu langsam weiter entwickeln.
    Dazu gehört auch, klar und regelmäßig die Gruppen zu benennen, die den Ausbau des Fahrradverkehrs hintertreiben.

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  7. Ich habe einen Ortstermin am Freitagabend 18:30 Uhr geplant. Strecke besichtigen, diskutieren. Ich stehe an der Ecke Holzstraße/Marktstraße.

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