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12. Juni 2017

Radfahrende müssen eigentlich belohnt werden

Das schreibt Eva Wolfangel in Spektrum.de. So groß ist nämlich ihr gesellschaftlicher Nutzen. Oder er wäre es, wenn man Radverkehr wirklich fördern würde. 

Auch sie klappert in ihrem Artikel  die Fakten ab, die auch ich hier immer wieder nenne, von den Unfallzahlen und -gründen bis zu den wirtschaftlichen Aspekten. Der Autoverkehr kostet die Volkswirtschaft 15 Cent pro Kilometer, der Radverkehr bringt der Gesellschaft einen Gewinn von 16 Cent pro Kilometer. Das haben die Forscher Stefan Gössling (Uni Lund) und Andy Chol (Uni Queensland) errechnet.

"Wer gewisse Regeln ignoriert, erhöht die eigene Sicherheit", stellt der Dresdner Verkehrswissenschaftler Randelhoff dem entgegen.
Denn so schlecht ist in den meisten deutschen Städten die Radinfrastruktur: gefährlich die Kreuzungen, todesgefährlich die Abbieger. Es sind gerade die minimalistisch angelegten Radwege, die Radfahrende in Gefahr bringen.

Sicherer Kreisverkehr, Niederlande
Foto: Christian Müller
Es gibt eine Klasse von Radfahrern, die deshalb Radwege ignorieren und unerschrocken auf der Fahrbahn radeln. Die fahren überall und immer, egal, wie die Infrastruktur aussieht. Die Frage ist aber, wie man die Menschen aufs Fahrrad bekommt, die sich dies nicht trauen, die stressfreier und aggressionsfreier unterwegs sein wollen. In Deutschland erhöht sich der Anteil des Radverkehrs an den zurückgelegten Wegen derzeit nicht, weil sich bei der Radinfrastruktur praktisch nichts tut. Es genügt nämlich nicht, hier und dort Radwege und Radstreifen anzulegen, die an Ampelmasten enden oder über Fußgängerüberwege winkeln. Man braucht sichere Kreuzungslösungen, sichere Kreisverkehre, sichere Radwege.

Risiko: Rechtsabbieger (Karlsruhe)
"Wir brauchen eine Infrastruktur von 8 bis 80, die immer sicher ist, die Fehler verzeiht und die attraktiv ist", sagt Radelhoff in dem Spektrumartikel. In den USA haben protected Lines, also breite Radwege, die von den Autofahrbahnen getrennt sind, den Radverkehr deutlich gesteigert. Aber in deutschen Städten, allemal in Stuttgart, fällt es der Politik schwer, eine von zwei (oder drei) Fahrspuren in eine geschützte Radfahrbahn umzuwandeln. Dabei ist es gar nicht so, dass die Kapazität einer Straße sinken muss, wenn man eine Spur wegnimmt. Ein Versuch in Karlsruhe hat gezeigt, dass Autofahrer auf so einer reduzierten Straße zur Hauptverkehrszeit nur 12 Sekunden langsamer waren als vorher. Außerhalb des Hauptverkehrs, also ca. 20 Stunden am Tag, gibt es keinerlei Beeinträchtigung. Umgekehrt gilt: Wer Straßen baut oder verbreitert, erzeugt Autoverkehr, der auf diesem Straßen erneut im Stau steht.

Der Autoverkehr nimmt nämlich nur zu, wenn man ihm immer mehr Straßen anbietet. Gibt es sie nicht, nimmt er nicht zu (siehe dazu auch Rudolf Pfleiderers Überlegungen.) Gäbe es mehr sichere Radwege, nähme der Radverkehr zu. Gibt es sie nicht, nimmt er nicht zu.

Genau jetzt haben Städte, auch Stuttgart, die Chance, einen ausgewogenen Verkehrsmix zu organisieren. Denn die Verschmutzung unserer Atemluf und der Lärm durch Autos plagen alle Städter/innen. Viele würden gerne das Fahrrad nehmen, auch in Stuttgart, trauen sich aber nicht, weil sie vom Auto aus nur Autos sehen, die Radfahrenden keinen Raum geben. Städte können sich enorme Kosten für Lärmschutz und Luftreinhaltemaßnahmen, aber auch Sozialkosten und Gesundheitskosten (Krankheitstage) sparen, wenn sie in eine Radinfrastruktur investieren würden, die Radfahrenden Sicherheit gibt. Jeder Radler ist ein Autofahrer weniger auf der Straße. Eigentlich müsste jeder Autofahrer dem Radler Danke sagen, den er vor sich oder neben sich hat.

Übrigens hat in Stuttgart der Radverkehr sichtbar zugenommen. Auch spürbar. Der Autoverkehr aber auch. Und wenn man die Straßen für den Autoverkehr nicht etwas zurücknimmt - zugunsten des Radverkehrs und des Öffentlichen Nahverkehrs (Busspuren) - dann wird der Autoverkehr immer gleich bleiben. Denn was der Radverkehr ihm an Autos wegnimmt, kommt sofort wieder dazu, weil Autofahrer eben immer noch wunderbar schnell durch Stuttgart fahren können. Mit grüner Welle praktisch Stoppfrei vom Heslacher Tunnel bis nach Cannstatt. Auf teils sechsspurigen Bahnen. Im Stau steht man nur während ein paar Stunden morgens und spätnachmittags. Man kann also sagen: mehr Radverkehr ermöglicht es mehr Menschen, die bislang nicht mit dem Auto kamen, mit dem Auto nach Stuttgart hineinzufahren. Auch dafür könnten die Autofahrenden den Radfahrenden mal Dankeschön sagen.





2 Kommentare:

  1. Heute Morgen hat im Stuttgarter Westen ein Dienstwagen aus Frankfurt meinem Sohn auf seinem Weg zur Grundschule noch schnell die Vorfahrt genommen. Es ist eine unübersichtliche rechts-vor-links-Kreuzung an einer Grünanlage mit Spielstraße.

    Das passiert regelmäßig.
    Die Stadt positioniert sich hier eindeutig:
    Kinder sollen nicht mit dem Rad fahren.

    Das ist vermutlich nur eine andere Form der Belohnung.

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    1. Lieber Anonymus, ich verstehe deinen Ärger mehr als genug. Autos dominieren in Stuttgart und machen Schulwege per Fahrrad für Kinder gefährlich. Aber es ist nicht die Stadt, die sich hier positioniert, es ist nicht die Stadt, die meint, Kinder sollten nicht Fahrradfahren. Der Gemeinderat entscheidet über gravierende Maßnahmen, die den Autoverkehr betreffen, und im Gemeinderat gibt es keine sichere Mehrheit für energische Radfördermaßnahmen, schon gar nicht aufkosten des Radverkehrs. Das muss die Stadtbevölkerung von den unwilligen Parteien lautstark fordern. Die Polizei, die hier den fahrenden Verkehr kontrollieren müsste, ist die Landespolizei. Die Frage, die wir uns alle mal ganz ehrlich beantworten müssen, ist schon die: Wie viel Polizei wollen wir auf unseren Straßen haben, wie viel Polizeibeamte im Land und in der Stadt wollen wir mit unseren Steuern bezahlen? Und wie sauer sind wir, wenn die Polizei dann uns selbst bei einem Verkehrsvergehen erwischt und mit einem Bußgeld belegt?

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