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8. März 2020

Ist die Gablenberger Hauptstraße zu retten?

In der Innenstadt nimmt der Radverkehr sichtbar zu. Radelt man in den Außenbezirken, ist man ziemlich allein unter Autos.

Radstreifen oder Schutzstreifen fehlen meist, von Radwegen wollen wir nicht mal träumen. An einem Samstagnachmittag im Winter ist in der Viertelstunde, die ich an der Gablenberger Hauptstraße beim Schmalzmarkt stand, tatsächlich kein einziger Radler von irgendwoher gekommen und vorbeigefahren, außer einem einzigen jungen Downhiller, der regelwidrig auf dem Gehweg fuhr. Auf der Fahrbahn fuhren nur Autos und Busse. Auf den Gehwegen war auch kaum ein Mensch unterwegs.

Die vielen Fußgänger/innen ballten sich um die Bushaltestellen. Die Ladenzeile ist auf einer Seite zugeparkt, auf der anderen Seite nicht, auch wenn auf dem Foto gerade ein Auto mit Warnblinklicht auf dem Gehweg parkt.
Rechts sieht man die Klingenstraße abzweigen. Sie ist Einbahnstraße bergab bis zur Teichstraße, auch wenn hier (Bild oben in der Collage) gerade ein Motorradfahrer herauskommt und nach links auf die Hauptsraße abbiegen will. Er hatte auf dem Gehwegdreick geparkt, das von allerlei Gerät zugestellt ist. Die Klingenstraße ist bergauf auch nicht für Radfahrende freigegeben. Es können also keine aus ihr heraus kommen. Vermutlich erachtet man das als zu gefährlich, weil Autofahrende auch gerne ziemlich zügig von der Hauptraße aus nach links in sie einbiegen, während die Fußgängerampel rot (Collage mittleres Bild) ist. Oder niemand hat in Gablenberg jemals an Radfahrende gedacht. Man sieht ja auch keine.
 
Für Radfahrstreifen ist offensichtlich kein Platz, solange auf der Ostseite der Hauptstraße die Autos dicht an dicht parken. Gäbe es hier Radstreifen, dann würden bald deutlich mehr Menschen mit Fahrrädern fahren. Schließlich sind die Einkaufswege für Einwohner/innen im Ortsteil kurz und gut geignet für Fahrräder. Die Fahrbahn ist 9 Meter breit. Weil sich hier Busse begegnen, muss sie mindestens 6,50 m breit sein. Bleiben noch 2,50 für Radstreifen. Einer von 1,25 Meter Breite ist nach unseren heutigen Standards zu schmal, weil die Autos ja auch noch knapp überholen. Was also tun? Das Problem scheint unlösbar.

Hoffen wir dennoch auf die Sanierung.
Schon 2012 hat der Gemeindrat (UTA) beschlossen, die Gablenberger Hauptstraße zu einem verkehrsberuhigten Bereich mit Tempo 20 zu machen, damit das Ladensterben aufhört. Ist noch nicht passiert.
 
Seit 2014 ist Gablenberg aber nun Sanierungsgebiet, und die Hauptstraße ein zentrales Projekt. Hier soll ein Ausgleich zwischen Verkehr (gemeint ist vermutlich Autoverkehr), Parken, Einkaufen und Freiräumen entstehen, der Schmalzmarkt (wo die Bushaltestellen sind) soll attraktiv umgestaltet werden. Dafür stehen 2,5 Millionen Euro bereit. Eingesetzt wurden sie noch nicht. Es sieht immer noch ganz grauslig aus.
Im Bürgerhaushalt forderte 2015 einer, dass man nur noch Busse durch die Gablenberger Haupstraße durchfahren und sie für den Individualverkehr sperren sollte.

Im November 2017 wurden die Preisträger eines Wettbewerbs für die Gablenberger Hauptstraße bekanntgegeben. Gewonnen hat ihn das Büro Scala Architekten aus Stuttgart. Sie wollen die Gablenberger Hauptstraße "vom Transitraum zum Ort" umgestalten, mit Bäumen, einer Reduzierung von Stellplätzen und vielerlei Dingen, die die Aufenthaltsqualität steigern sollen. Die Fahrbahn aber müsse wegen des Busses 6,5 Meter breit bleiben. Der Radverkehr soll auf ihr geführt werden. An den Geschäften soll es Radabstellanlagen geben. Es soll aber gleichzeitig immer noch zwischen Baumstandorten auch Kurzzeitparkplätze geben (damit ist der Parksuchverkehr gewiss). Immerhin am Schmalmarkt soll dann nur 30 km/h gefahren werden dürfen. Und so sieht der Plan in groß aus.

2019 wurde im Bezirksbeirat erneut über die Hauptstraße diskutiert, nachdem ein Linkabbieger Richtung Neue Straße auf dem Zebrastreifen einen siebenjährigen Jungen angefahren hatte (auf dem Foto blickt man die Richtung). Die Linke hatte Tempo 30 gefordert. Allerdings dürfte der Abbieger kaum schneller gewesen sein. Ohnehin stehten die Autos hier sogar an einem späten Samstagnachmittag mehr als dass sie fahren. Man einigte sich aber auf die Forderung nach stationären und mobilen Blitzern. Schadet nie.

Allerdings wäre Tempo 30 auf der Gablenberger Hauptraße ein Gewinn für alle Fußgänger/innen und Radfahrenden (und für die lärmgeplagten Antwohner/innen) Doch die SSB wehrt sich bisher zuverlässig gegen solche Ideen, weil sie der Meinung ist, ihre Busfahrer/innen müssten überall mit mindestens 40 (gilt in der Gablenberger Hauptstraße) entlangbrausen dürfen. Vermutlich fährt der Bus hier allerdings selten so schnell. Und vielleicht knacken wir diese Weigerung der SSB, bei einem Zuschnitt des Straßenverkehrs auf menschliche Bedürfnisse mitzumachen, eines Tages doch noch.

Tempo 30 erscheint mir hier und in anderen dörflichen Ortsdurchfahrten mit Läden und Leben die einzige Lösung.

Die Preisträger des Sanierungskonzepts versprechen Bäume, Parkplätze, Aufenthaltsqualität mit Bänken und Radverkehr auf der Fahrbahn samt Abstellanlagen an Einkaufszielen. Klingt gut, wird aber so leider nicht gehen, wie ich weiter oben schon vorgerechnet habe. Auch Radstreifen brauchen eine Mindestbreite (1,85 m +Abstandshalter zum Autoverkehr, also 2 m). Entweder die Autos, vor allem die parkenden Autos, kommen raus aus dieser Straße oder der Bus oder aber die Fahrräder bleiben draußen. Für alle drei Vekehrsarten nebeinander reicht der Platz nicht. Er reicht nur für einen langsamen Mischverkehr, also für eine Tempo-30-Zone, in der es sich leichter radelt, auch wenn man nicht sehr routiniert ist, in der Autos und Busse den Radverkehr nicht überholen und wo Fußgänger/innen queren können, ohne an Ampeln warten zu müssen. Je mehr Menschen zu Fuß und auf Fahrrädern dann unterwegs sind, desto größer wird die Chance, dass die Gablenberger Hauptstraße in eine Flanier- und Fahrradstraße umgewidmet und umgestaltet wird. Dem Handel würde das gut tun. Man müsste es aber wollen. Auch die Gablenberger/innen selbst.

Mein Vorschlag: Gablenberger Haupstraße Pkw-frei machen und zur Flaniermeile umgestalten. (Wilde Fotomontage)

12 Kommentare:

  1. Wie ich in meinem letzten Kommentar schon sagte, die breite Mehrheit will absolut keine Infragestellung des motorisierten Indiviualverkehrs, selbst an Orten, wo er so offensichtlich keinen Sinn hat. Das ist aber Grundvoraussetzung einer echten Verkehrswende.

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  2. Deshalb ist es auch so mühsam, in Gang zu kommen mit solchen Projekten. Und am besten probiert man es dort, wo eher Bereitschaft besteht, auch mal ein autofreies Viertel zu genießen. Die Mobilitätswende, die wir uns gerade einzuleiten bemühen, geht halt sofort und auf Basis der Vernunft. Am Anfang ist es bei so einer Wende noch unendlich mühsam, später wird es dann leichter.

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    1. ...autofreies Viertel- hab ich das richtig gelesen??? fangt doch mal mit dem Stadtteil -West an...ich wäre dabei...ich denke erste Versuche müssen zeitlich befristet gemacht werden, damit überhaupt mal zu Erleben kommt was die Reduzierung des Autoverkehres für die Menschen und ihren Lebensbereich bedeutet...leider fehlen mir persönlich fast überall die Möglichkeit sicher Fahrrad zu fahren...fast alle Straßen sind nach wie vor für den Autoverkehr reserviert...so lange sich daran nichts ändert,wird keine nachhaltige Wende zu erwarten sein...Im Zweifelsfall ist ja immer die Frage zu stellen: Würden Sie ihr Kind hier alleine mit dem Fahrad fahren lassen? Nur wenn diese Frage positiv beantwortet werden kann, werden sich die Menschen an Alternativen zum Auto beteiligen...

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    2. Sehe ich auch so. Und von Pilotprojekten autofreier Viertel sind wir vielleicht noch ein oder zwei Jahre entfernt. Es müsste sich mal ein Bezirksbeirat dazu äußern und das wünschen.

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  3. Autofreie Viertel? Fangen wir erst mal an, das Parken auf Gehwegen zu beenden.

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    1. Oder die Geschwindigkeitsübetretungen, oder die Rotlichtverstöße. Oder den fehlenden Seitenabstand etc. ad infinitum.
      All das kommt von der totalen Normalisierung es Autoverkehrs und seinen ungeheuren Ausmaßen. Kein Rumdoktern an irgendwelchen Einzelproblemen wird irgendwas bringen, nur eine grunsdsätzliche Infragestellung und radikale Konsequenzen daraus

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  4. Thomas Albrecht9. März 2020 um 00:59

    Einmal im Jahr findet die "Lange Ost-Nacht" statt, da wird der Traum vorübergehend zur Wirklichkeit! Viel interessanter im Alltag wäre es, den Schleichweg aus Wangen in die Klingenstrasse zu sperren, der nervt wirklich

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  5. Die Gablenberger Hauptstraße ist die schlimmste Einkaufsstraße die ich kenne. Die Gehwege sind teilweise extrem schmal und gleichzeitig rasen Autos und Busse an einem vorbei. Gemütliches Schlendern ist hier nicht möglich. Eigentlich will man nur seinen Einkauf erledigen und dann möglichst schnell wieder weg. Das ist verschenktes Potential, denn die Gegend ist eigentlich sehr schön und beherbergt ein paar wirklich tolle Läden. Wäre die Verkehrssituation nicht so katastrophal würde ich dort sicher öfter einkaufen. So aber gehe ich dort nur hin wenn ich unbedingt muss.
    Danke, dass Du auf dieses Problem aufmerksam machst!

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    1. Ja, ich glaube auch, dass dieses kleine Zentrum Ost sehr gewinnen würde, wenn man die Autos da raushält und die Fahrbahn anders pflastert (der Bus will ja noch durch) und nirgendwo mehr jemanden parken lässt. Allerdings ist der Übergang schwierig. Aber überall, wo sowas gemacht hat, war erst der Protest gigantisch, und nach Ende der Probephase wollte man das so behalten.

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  6. Dieser Kommentar wurde vom Autor entfernt.

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  7. PKW-frei würde helfen, aber es braucht braucht alternative Wege für den Verkehr aus Neuer Straße und Aspergstr., und die sehe ich nirgends. Und die Busse? Gablenberg ist einfach sehr, sehr eng, ganz besonders im unteren Teil. Da ich meine Basis Ecke Ostend/Talstraße habe ist das eine wichtige Transitstrecke hoch in den Wald, und bergauf weiche ich immer auf die Klingenstraße /Bergstraße aus, bergab auch meist. Wäre noch besser, wenn diese Straßen für Radverkehr in beiden Richtungen frei wären, aber auch hier: sehr eng alles. Gablenberg ist halt ein Dorf.

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  8. Jörg
    Wie schon mal erwähnt bin ich eine Zeit lang durch den Osten gependelt. Der Gablenbergerhauptstraße bin ich über die Bergstraße (beide Richtungen) ausgewichen (Pfadpfindermodus).
    Was hat mich aus der "Hauptstraße" getrieben?
    Bergab: Die "geschwind" Parker am Bäcker. Die Situation an der Kreuzung Talstraße. Am sichersten war es noch über den Rechtsabbieger auf die Mittelinsel der Fußgänger zu fahren. Ich bleibe doch nicht ohne Auto mitten auf der Straße stehen!
    Bergauf: Klasssich, du bist langsam wirst nicht ernst genommen. Bedränkt, geschnitten Ein- und Ausparker sind in dem Abschnitt übel. Das Linksabbiegen in die Neue Straße ist auch kein Spaß.

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