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6. März 2020

Poller gegen die Anarchie des Autoverkehrs

Poller und Sperren auf Straßen, die nur Radfahrende durchlassen, nennt man auch modale Filter.

Sie sind derzeit das einzige Mittel, Autofahrer/innen vom illegalen Befahren einer Straße abzuhalten und Radstrecken vom Durchgangsverkehr zu entlasten. 

Einen modalen Filter kennen die meisten von uns gut, denn er befindet sich auf der Hautpradroute 1. Es ist die Sperre in der Tübinger Straße, die mittlerweile mithilfe vieler Poller auch auf den angrenzenden Gehewegen sehr wirkungsvoll verhindert, dass Autofahrende bei der Feinstraße durchfahren. Ein weiterer Filter steht in der Vogelsangstraße.
Mitten auf der Fahrbahn stehen zwei Pfosten mit Reflektoren. Die Radler, die dort langfahren, wissen das, ortsunkundige könnten ins Schlingern kommen, wenn sie die Poller zu spät sehen. Sie brauchen eigentlich eine Bodenmarkierung, die auf sie zu führt und sie kennzeichnet. Solche Pfosten kann man auch diagonal über eine Kreuzung ziehen (Diagonalsperren), sodass Autofahrende nur rechts abbiegen, Radfahrende aber geradeaus fahren können. Das beruhigt ein Wohn-Viertel noch mehr und macht Radfahrenden Mut, die Fahrbahn zu nehmen. (Die Müllabfuhr und Einsatzfahrzeuge können die Sperren öffnen.)
 
Solche Sperren braucht es aber nur, weil Autofahrende sich nicht an die Regeln halten und sich nicht nach den Verkehrszeichen richten, die ihnen eine Einfahrt in eine Straße verbieten. Sie scheinen das derzeit einzige Mittel gegen die Anarchie des Autoverkehrs zu sein. Autofahrende sind mit keinem anderen Mittel aus den Wohngebieten oder Anliegerstraßen herauszuahlten.

Neben Pollern gibt es auch noch Schranken. So wie diese hier auf der Abraham-Wolf-Straße, die verhindern soll, dass Autofahrer/innen den Schleichweg zwischen Kaltental und Sonnenberg nehmen. Immerhin ist die Lücke auf der Seite, auf der die Bergabradler/innen kommen. Bergauf ist man ja langsamer unterwegs und hat mehr Gelegenheit die Schranke zu erkennen und zu begutachten. Gegen die Sonne ist das allerdings auch schon eine Herausforderung, denn der Durchgang ist schmal. An der Wilhelmstraße wo die Heusteigstraßean Wochenden durch zwei Schranken verschlossen wird, ist der Abstand zwischen den beiden Schrankenenden tatsächlich so eng, dass ich mein Rad mithilfe einer kleinen Kurve kurz davor kippen muss, um mit dem Lenker durchzukommen, ohne anzustoßen. 

Schicker finde ich versenkbare Poller, denn sie sind breiter und deutlicher sichtbar, und sie können für Rettungsdienste und Feuerwehr oder andere Berechtigte per Funkchip versenkt werden, wenn eine Durchfahrt nötig ist. Wir kennen sie derzeit in Stuttgart beisher nur als Terrorsperren. An der Hirschstraße, wo am Pierre-Pflimlin-Platz die Fußgängerzone beginnt, sind die Poller relativ neu. Hier können jetzt nicht mehr mal eben so Lieferanten in die Fußgängerzone fahren.

Sperren für Autofahrende sind nicht gut für Radfahrende. Denn wie alles, was auf einer Fahrbahn oder Radstrecke herumsteht, kann es bei ungünstigem Licht übersehen werden. Gegen die Poller auf den Fußgänger- und Rad-Brücken am Pragsattel sind schon Leute gefahren und mit dem Rad gestürtzt. Hier führt stellenweise die  an sich löbliche Bodenmarkierung böse in die Irre. Besonders der zweite oder dritte einer radfahrenden Gruppe kann auch an einem normal gekennzeichneten Poller stürzen, weil die vor ihm fahrenden Radler ihn verdecken.

Machen wir uns also nichts vor: Poller und Schranken sind Hindernisse. Aber sie sind leider in der aggressiven Autoverkehrswelt, in der wir leben, das einzige Mittel, den Autoverkehr einzudämmen und zu lenken.


Durchfahrtverbotsschilder werden von vielen Autofahrenden nicht mehr beachtet.
Das ist bei allen für den Kraftverkehr gesperrten Ortsrand- und Feldwegen der Fall. Da wird durchgedieselt ohne Ende. Ein signifikantes Beispiel ist die Alte Weinsteige. Hier stauen sich zur Hauptverkehrszeit die Autos rauf und runter, weil sie nicht aneinander vorbei kommen. Und alle sind zwischen 15 und 19 Uhr verbotenerweise unterwegs, die Runterfahrer immer. In anderthalb Stunden zählt man hier am Nachmittag rund hundert Autos, die dort nicht fahren dürften. Da herrscht regelrechte Anarchie.

Die Schranke benutzt man nicht mehr, nachdem sie immer wieder krumm gefahren wurde. Außerdem ist ihre Lücke zu schmal für Taxis geworden.  Autofahrende konnten sich zudem ebenso wie die Taxifahrer daran vorbeiquetschen.

Hier wären versenkbare Poller an der Wilhelmshöhe extrem nützlich. Die Feuerwehr und Müllabfuhr, wenn es sein muss auch die Taxis, kommen mit RFID-Chips noch durch, Radfahrende ebenso (leider auch Moped- und Motorradfahrende), aber keine Privatkraftwagen. Das Probem: Man muss eine Wendemöglichkeit zu beiden Seiten des Pollers schaffen, weil Autofahrende ja trotz aller Warn-, Hinweis- oder Verbotschilder eben doch reinfahren bis zur physischen Sperre. Wer von oben runter kommt, wendet auf der Einfahrt des Restaurants Wielandshöhe. Das Foto ziegt, dass man von unten kommend nur wenden kann, wenn man über die Gleise (hier ist eine Grundstückseinfahrt) rangiert. Die Anwohner wissen, dass sie auf die Zahnradbahn achten müssen. Wendende Autofahrer im illegalen Durchfahrtstress und Ärger über die Vereitelung ihrer Absicht registrieren das womöglich nicht. Das mag zu Notbremsungen der Zahnradbahn oder zu Kollisionen führen.

Dennoch brauchen wir hier und anderswo (beispielsweise in der autofreien Eberhardstraße) dringend Lösungen, die das illegale Durchfahren von Autos verhindern. Die Polizei kann gar nicht so oft vor Ort sein und kontrollieren, weil es so viele Orte sind, wo sie sehr oft und eigentlich über viele Stunden sein müsste.

12 Kommentare:

  1. Diese dringend gebrauchten Lösungen gibt es. Technisch können KFZ eigenständig erkennen, wo sie sind, ob sie zu dicht auffahren, angefahren wurden und sogar per Überwachungskamera Beweise sichern.
    Das kann ohne Probleme und unmittelbar auch für einen wirksamen Schutz gegen Verkehrsübertretungen eingesetzt werden. die Autos lassen sich einfach nicht in Verbotszonen einfahren, sie stoppen beim Rechtsabbiegen und bremsen in der 30er Zone.

    Wo, wenn nicht am Technologiestandort Stuttgart?
    Wer, wenn nicht eine grüngeführte Stadtverwaltung in einem grüngeführten Bundesland?
    Wann, wenn nicht jetzt?

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    1. Das ist nicht als lokale Insellösung umsetzbar. Aber Geofencing könnte analog zu Ecall oder ESP in Neufahrzeugen pflicht werden.

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  2. Die Abraham-Wolf-Straße ist aber auch ein spezieller Fall, jeden dritten Tag sieht man dort Autofahrer, die die Schranke hochklappen, durchfahren, und dann wieder runterklappen. Hier keinen Vorsatz zu unterstellen ist naiv. Einmal hing schon ein Schloss an der Schranke, was aber schnell geknackt wurde.

    Ich habe dort aber auch schon zwei Mal die Polizei stehen sehen, ob die aber nur verwarnt haben oder Vorsatz (Verdoppelung der Strafe) unterstellt haben, weiß ich nicht. Versenkbare Poller scheinen wirklich die einzige Lösung zu sein...

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  3. Wer Schilder aufstellt, muss auch für deren Einhaltung sorgen. Wer Recht von Unrecht nicht unterscheiden kann, muss lernen.

    Es ist schon recht merkwürdig, da wird über Missstände in der Stadt ausführlich berichtet und alle denken sich was dabei und es passiert ... nichts.

    Wem ein Amt gegeben ist, sei! auch Verstand gegeben. Untätigkeit herrscht in dieser Stadt normal zu sein. Um mich an die Worte des ersten Kommentator anzuschließen es passiert zu wenig, alle beklagen sich darüber, und man meint, es sei ein gottgegebener Zustand der hinzunehmen ist.

    Meine Frage an die Verantwotlichen in der Stadt: Warum tut ihr nichts?

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    1. Naja, bei mir vor der Haustür verteilt das Ordnungsamt inzwischen regelmäßig Zettel. Zugeparkt ist trotzdem täglich. Strafmaße in Deutschland sind lächerlich, ein frisiertes Pedelec in Frankreich in Verkehr zu bringen kostet z.B. 30.000€ und ein Jahr hinter Gittern.

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  4. Derartig (berechtigt) kritische Beiträge mißfallen Christine Lehmann. Dann folgt Zensur und sie wird persönlich. Ulrike

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  5. Liebe Christine, ich kenne das Problem nur zu gut. Auch die Wirtschaftswege westlich parallel zur Nord Süd Straße richtung Synergiepark sind gerne genommen. Und bei Problemen auf der Autobahn bietet sich die Verbindung von Böblingen/ Sindelfingen über den Radschnellweg zur Musberger Brücke ggf. inklusive Benutzung der dortigen Behelfsausfahrt von der BAB an. Danke, dass du das Problem klar benennst.

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  6. Wir haben in Deutschland viel zu viel Autos und Autoverkehr und täglich wird durch die Milliardenausgaben der Politik hierfür noch mehr geschaffen.
    Solange die Politik selbst in grünen Städten und Ländern nur Lippenbekenntnisse etwa zum Radverkehr abgibt, in Wirklichkeit aber der Autoindustrie hörig ist, wird sich das nicht ändern. Es muss zuerst eine grundsätzlich Infragestellung des Autos als das Standardfortbewegungsmittel, zumindest in den Städten so wie in den Niederlanden, geben, bevor überhaupt irgendeine Maßnahme wirklich Erfolg haben kann. Das braucht politischen Willen, den gibt es im Autoland Deutschland, im Autobundesland BW, in der Autostadt Stuttgart nicht. Nicht wirklich.

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  7. Ralph Gutschmidt7. März 2020 um 15:22

    Aber es hält sich das Vorurteil: Radfahrer halten sich nicht an die Verkehrsregeln.

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  8. Leider ist das keine Lösung für sofort, denn es gibt keine gesetzliche Regelung dazu, die vom Bund kommt, und die Diskussion darüber, wo wir uns ununterbrochen überwachen lassen wollen, wenn wir im Auto sitzen, oder ob das Auto Entscheidungen treffen darf, auf die der Mensch keinen Einfluss hat, ist noch nicht geführt. Man bedenke nur, wie unendlich schwierig es ist, verpflichtende Abbiegeassisten für Lkw einzuführen. Je komplexer die technischen Lösungen (und fast alles lässt sich technisch lösen), desto geringer die Chance auf Verwirklichung, denke ich. Ich habe aber insgeheim auch schon über etwas so einfaches nachgedacht, wie Blitzer an Straßen, in die Autos nicht reinfahren dürfen (aber beispielsweise noch Busse oder Taxis). Aber auch das ist politisch derzeit kaum hinzukriegen.

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  9. Alexander Müller8. März 2020 um 21:50

    Wieso eigentlich immer versenkbare Poller? Meines Wissens nach gefällt diese Lösungen verschiedenen Ämtern nicht (sonst hätten wir davon viel mehr), da zu störanfällig und wartungsintensiv.

    Ist denn eine elektrische Schranke nicht einfacher? Das wäre auch leicht umsetzbare Maßnahme in zum Beispiel der Amstetter Straße in Hedelfingen.

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  10. ... der Wille der Stadt und der Behörden, etwas ändern zu wollen, was dem pkw-Verkehr beeinträchtigt, ist meiner Erfahrung nach einfach nicht gegeben. Seit Jahren versuche ich für die Amstetter Straße in Hedelfingen, welche mittlerweile gefühlt zu einer Durchfahrtstraße geworden ist, aber zunehmend auch vermehrt von Radfahren genutzt wird, eine Schranken- oder Polleranlage wie in Uhlbach durchzusetzen.
    Der Schutz der Anwohner vor Lärm und Verkehr, die Förderung von Radverkehr, ist in den Stuttgarter Vororten / Randbezirken ein Fremdwort. Traurig ... aber leider wahr!

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