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18. März 2020

Warum wir auf die Hauptstraßen wollen

So titel der Radentscheid Frankfurt. Immer, wenn es um Radstreifen entlang von Haupstraßen geht, hören wir: Da will doch keiner radeln, viel besser ist die Route durch Nebenstraßen.

Nicht nur die Gegner/innen von Radinfrastrukturen auf unseren Autostraßen argumentieren so, sondern auch etliche Radfahrende selber, die sich für ihre Wege eine schlaue Parallelstrecke durchs Grün oder durch Wohnstraßen erarbeitet haben. Aber wenn ich in einen Stadtteil komme, wo ich mich nicht auskenne, dann radle ich auf den Hauptstraßen. Da weiß ich wenigstens immer, wo ich bin. Auch wenn es manchmal unangenehm wird, weil die Autofahrenden mit mir als Radlerin nicht umgehen können.

Und das ist der Punkt: Autofahrende müssen daran gewöhnt werden, dass Radfahrende überall unterwegs sind. Und wenn wir tatsächlich Menschen dazu bewegen wollen, aufs Fahrrad umzusteigen, dann müssen sie auch überall, wo sie hinwollen, eine sichere und bequeme Infrastruktur vorfinden. Wirklich überall!

Hauptstraßen heißen nicht ohne Grund so. Sie wurden angelegt, um wichtige Orte und um Stadtteile miteinander zu verbinden. Sie sind meist der direkte Weg und haben eine mäßige Steigung. Sie sind leicht zu finden und man kann ihnen leicht folgen. An Hauptstraßen liegen wichtige Ziele: Krankenhäuser, Theater, Geschäfte, Restaurants, Ämter, Polizeidienststellen, Museen, Bahnhöfe.

Parallelrouten dagegen führen abseits der Ziele oft über Umwege und kommen irgendwo raus, wo einige hinradeln wollen, viele aber nicht. Sie sind schwer zu finden, es ist schwieriger, ihnen zu folgen, sie müssen ausgeschildert werden. Nur wer sich gut auskennt, findet sich im Gewirr von Nebenstraßen zurecht und auf ihnen zum Ziel. Gerade Menschen, die anfangen Fahrrad zu fahren, sind verloren, wenn sie ihre Wege immer abseits der Hauptstraßen suchen müssen, die sie vom Autofahren gut kennen. Wer Radfahrende über Parallelrouten schickt, der nimmt auch den Gewerbetreibenden und Händlern wichtige Kund/innen weg.

Deshalb müssen alle Hauptstraßen von gut ausgebauten Radfahrestreifen mit Schutz vor dem Autoverkehr oder von baulich getrennten Radwegen begleitet werden, und von diesen Radwegen müssen Radfahrende wie Autofahrende, gut und angstfrei nach überallhin abbiegen können, auch nach links.

So wie Autofahrende erwarten, dass sie in allen Straßen eine ausreichend breite Fahrspur vorfinden, müssen auch Radfahrende erwarten dürfen, dass sie auf allen Straßen ausreichend Platz für sich und ihr sicheres Vorankommen vorfinden.

Und Radfahrende müssen gesehen werden, auch und gerade von den Autofahrenden, die im Stau stehen. Sie dürfen ruhig sehen, dass Radler/innen an ihnen vorbei rollen. Sie müssen erkennen, dass Radverkehr möglich ist, dass sie auf dem Fahrrad schneller vorankommen und bereits viele Menschen mit dem Fahrrad unterwegs sind. Schicken wir die Radler/innen durch Parks und Wohngebiete, dann glauben die meisten Autofahrenden, in ihrer Stadt (in Stuttgart) würde kaum jemand Radfahren, und man könne hier auch gar nicht Rad fahren.

Für die Menschen, die an Hauptstraßen wohnen, wird das Leben auch besser, wenn mehr Fahrräder und weniger Autos an ihren Türen und Fenstern vorbeifahren. Es wird ruhiger, mehr Menschen sind zu Fuß unterwegs und der örtliche Handel und die Restaurantbesitzer gewinnen mehr Kund/innen.

Ohnehin führt kein Weg daran vorbei, die Innenstädte vom privaten Autoverkehr zu befreien. Der Ausbau des Radverkehrs an Haupstraßen trägt viel dazu bei, die Alternativen zum Pkw sichtbar zu machen und zu fördern.



5 Kommentare:

  1. Jörg
    Das man an jeder Hauptstraße gut Radfahren können sollte ist unbestritten. Nur sehe ich keinen Grund die Neben- oder Parallelrouten nicht zu pflegen oder gar auf zu geben. Warum ein "oder" wenn es dass schöne Wort "und" gibt. Es gilt die Devise: Es darf nirgends für Radfahrer schlechter werden. Es darf/muss überall besser werden.

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  2. Ich binb doch gar nicht gegen Alternativrouten, und ich sage immer bei jeder Gelegenheit: Radfahrenden müssen mehrere Wege zum Ziel angeboten werden (so wie Autofahrenden auch), nicht alle Radfahrenden haben dasselbe Ziel, deshalb spricht nichts dagegen, mehrere Routen auszuweisen. Momentan aber spielen Grünradler selber oft ihre eigene Nebenstrecke gegen die Idee aus, auf der parallelen Hauptstraße einen Radstreifen zu legen und sagen: Da radelt doch keiner. Das war zum Beispiel der große Konflikt bei der Hauptradorute 2 Wangen/Hedelfingen. Nicht nur die Autolobby, auch viele Radfahrenden selbst meinten, die sei nicht nötig, es gebe doch die Nätherstraße. Die aber hat genau den Nachteil, denn solche Grün- und Nebenstrecken oft haben: Sie ist teilweise nicht beleuchtet, teilweise einsam und führt dann durch eine Wohnstraße, in der viele Autofahrende mit Radfahrenden gar nicht richtig umgehen können (ich fahre da regelmäßig) und sie hat mehr Höhenunterschiede als die Hauptstraße (auf der ich auch radle).

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  3. Aus meiner Sicht das Hauptproblem bei Radrouten auf Hauptstraßen sind die Ampeln. Wenn ich auf einer Nebenstraße eine Hauptstraße rechtwinklig quere, habe ich oft einfach nur ein Vorfahrtsschild, idealerweise noch eine Mittelinsel, und dann komme ich zügig rüber. Wenn sich zwei Hauptstraßen kreuzen und das ganze per Ampel geregelt ist, und man Rotphasen von über einer Minute hat, ist das blöd.
    Es sei denn, man hat Radwegeführungen auf einer separaten Ebene. Oder einen Kreisverkehr. Gruß aus Lorch

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  4. ... und wenn man dann mal soweit ist, dass es diese Radwege an Hauptstraßen gibt, dann muss bei Baustellen auch eine entsprechende Beschildung gemacht werden, also eine Umleitung oder besser eine Spur, die auf die Fahrbahn führt. Das ist in Karlsruhe ein großes Problem.

    Da fahren dann Autos 2-3 spurig mit 60++ km/h und es gibt einen roten Radweg, der gerade zugeparkt ist oder eine Baustelle hat. Selbst bei geplanten Baustellen gibt es in der Regel keine Umleitung. Man soll einfach auf die Fahrbahn ausweichen bei Hauptstraßenverkehr und 30 km/h Differenzgeschwindigkeit.

    Lustig auch, wenn es einen getrennten Radweg an der Hauptstraße gibt, und dieser ist blockiert, z.B. für Kabelverlegungsarbeiten. Dann muss man ohne Hilfe auf die Hauptstraße ausweichen (die häufig noch mit "Radfahren verboten" beschildert ist) und wird dann von aufgebrachten AutofahrerInnen beschimpft, angehupt und abgedrängt, die auf den Radweg zeigen und nicht gesehen haben, dass dieser nicht befahrbar ist. Oft dauert es nach einer Baustelle ja auch ein bisschen, bis man wieder auf einen baulich getrennten Radweg zurückwechseln kann.

    Insbesondere mit Lastenrad/Kinderanhänger ist das ein Problem. Durch viele radwegstypische Baustellen kommt man nicht durch und muss auf die Fahrbahn wechseln, wo man auch mehr Platz braucht, die die Autofahrendem einem nicht zugestehen.

    Hatte sogar schon die Situation, dass eine Baustelle einen baulich getrennten Radweg in eine Sackgasse verwandelt hat und ich mit dem Lastenrad weder auf die Fahrbahn kam, noch durch die Baustelle, noch wenden konnte... also bis zur letzten Kreuzung rückwärts schieben...

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  5. "Aus meiner Sicht das Hauptproblem bei Radrouten auf Hauptstraßen sind die Ampeln."

    "Lustig auch, wenn es einen getrennten Radweg an der Hauptstraße gibt, und dieser ist blockiert, z.B. für Kabelverlegungsarbeiten. Dann muss man ohne Hilfe auf die Hauptstraße ausweichen (die häufig noch mit "Radfahren verboten" beschildert ist)"

    Und genau deswegen geht die Förderung des Radverkehrs nur über eine Änderung der gesamten Haltung der gesamten Gesellschaft dem Verkehr gegenüber. Das Verkehrsssytem muss quasi vom Kopf auf die Füße gestellt werden.

    Denn wie C. Lehmann sagt, "ohnehin führt kein Weg daran vorbei, die Innenstädte vom privaten Autoverkehr zu befreien," und ich füge noch hinzu, dass auch auf Landstraßen der Radverkehr dem motorisierten Verkehr mindestens gleichgestellt werden muss. Denn auch dort (und gerade) auf dem Land gilt, dass die Landstraßen auf den besten Trassen geführt wurden (sie wurden ja gebaut, als es noch gar keine Motoren gab und man zu Fuß oder mit Pferdewagen natürlich auf dem direktesten möglichen Weg mit der geringsten Steigung unterwegs sein wollte).

    Und es gibt nichts Ermüdenderes als auf einer Radtour über Land in einem unbekannten Gebiet einer Radroute zu folgen, die in endlosen rechten Winkeln zwischen Feldern und durch Wohngebiete geführt wird, und wo an vielen entscheidenden Stellen die Wegweiser fehlen, schlecht stehen oder ungenau sind. Und wo man natürlich am malerischen Ortskern, wo auch die Bäckerei ist, an der man gerne Halt gemacht hätte, vorbeigeführt wird.

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