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20. November 2020

Auf der linken Fahrspur radeln

Man sieht es selten, dass ein Radfahrer die Nerven hat, auf einer zweispurigen Straße die linke Spur zu nehmen, weil er später links abbiegen will.

Diesen hier habe ich vom Beifahrersitz eines Autos auf der Oberen Weinsteige beobachet. Er fährt ein Pedelec und geht auf dem Anstieg zum Albplatz aus dem Sattel, um zu beschleunigen. Die Autos fahren nicht schneller als er, die Ampeln werden gerade grün. 

Hinter ihm fährt jetzt ein Auto. Noch immer schwimmt der Radler im allgemeinen Tempo mit, die Autos sind nicht schneller als er, man sieht aber schon, dass der Autofahrer unbedingt vorbei will. Auf der Kreuzung überholt er den Radler dann rechts und startet durch. Er muss alledings an der nächsten Ampel sorfort wieder anhalten, weil rot ist, während der Radler auf seiner  Linksabbiegespur ebenfalls ankommt und auf Grün wartet. Er möchte auf die Albstraße abbiegen. 

Hinter ihm hupt ein Autofahrer, aber nicht aus Zorn, sondern weil er den Radler erkannt hat und ihn grüßt.

Man kann nur so radeln, wenn man von der Löffelstraße nach links in die Albstraße abbeigen will. Sonst muss man über den Gehweg und Fußgängerampeln winkeln.

Ich frage mich aber, ab wann darf ich mich als Radfahrer:in auf die linke Fahrspur einordnen? Dieser Radler hier tut das etwa 300 Meter vor Beginn der eigentlichen Linksabbiegespur. Grundsätzlich gilt ein Rechtsfahrbgebot (für Autofahrer:innen und Radfahrer:innen), das aber innerorts aufgehoben ist, wenn es zwei parallele Richtungsspuren gibt, insbesondere, wenn sie am Ende in verschiedene Richtungen führen. 

In allen Texten zum direkten Linksabbiegen heißt es, dass die Radfahrenden sich "rechtzeitig" links einordnen sollen. Radelt man die Neue Weinsteige, die Obere Weinsteige und die Löffelstraße auf der rechten Fahrspur bis zur letzten Ampel vor der angesteuerten Linksabbiegespur, dann müsste man das auf 60 Metern schaffen: also Arm rausstrecken, gucken und über zwei Fahrspuren hinüber auf die Linksabbiegespur kommen, während die Autofahrer bei grünen Ampeln auf zwei Fahrspuren Richtung Schnellstraße beschleunigen. Es ist reine Glücksache, ob man das auf 60 Metern schafft. Es ist also klug, sich mit dem Rad genau dann auf die linke Spur zu begeben, wenn der Autoverkehr es gerade zulässt und sich eine Lücke ergibt.

Streckt ein Radfahrer den Arm raus, um sich auf die linke Spur einzuordnen, hat er Vorrang und darf vom nachfolgenen Autofahrer nicht mehr überholt werden. Das habe ich hier gelesen. Der Passus in der StVO lautet: "(7) Wer seine Absicht, nach links abzubiegen, ankündigt und sich eingeordnet hat, ist rechts zu überholen." Ich lese daraus alledings nicht, dass das Armrausstrecken allein reicht, um den nachfolgenden Autoverkehr zu bremsen. In keinem Fall darf man einfach rüberziehen und davon ausgehen, dass der Autofahrer einen reinlässt. Nach meiner Erfahrung tun die meisten Autofahrer allerdings sofort langsam, wenn ich den Arm rausstrecke, um anzuzeigen, dass ich die Fahrspur wechsle. Da ich dabei aber auch rolle, so wie der Autoverkehr, brauche ich zum Einordnen in der Regel (vor allem, wenn viel los ist) schon auch mal hundert Meter.

11 Kommentare:

  1. @ Christine Lehmann Habe Dir im letzten Artikel eine Frage gestellt. Überlesen? M. Schneider

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    1. Lieber M., ja, ich habe die Frage eher als Generalkritik als als Frage gelesen und dir jetzt im vorigen Post eine Antwort geschrieben. :-)

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  2. Warum stellst du diese, absolut berechtigte Frage nicht den verantwortlichen CDU und FW Stadträten. Die zusammen mit Teilen der SPD sind für diese Radinfra verantwortlich. Die musst du überzeugen. Man muss sich dort übrigens nicht, auch wenn es von der Straßenverkehrsbehörde so gewünscht wird, sich gegen den Bordstein drängen lassen. Man kann ich auch mittig fahren. Aber das alles ist hier offtopic.
    Linksabbiegen und fahren auf der linken von zwei Spuren übe ich seit Jahren täglich am Wilhelmsplatz in Cannstatt unter der Eisenbahnbrücke Richtung Neckar. Geradeaus hat die Strassenverkehrsbehörde Radfahren verboten also muss man vor der Brücke lunks abbiegen. Spannend ist das wenn, wie mir schon mehrmals passiert, dann wegen Bauarbeiten links abbiegen verboten ist und man dann mit Rad sich irgendwie unter Drohungen und Beschimpfungen der Bauarbeiter durch die Baustelle drängelt. Im Tiefbauamt arbeiten wohl auch nur Autofahrer mit Doppelkennzeichen.

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    1. ...ich vergaß, einmal war tatsächlich eine Umleitung ausgeschildert. Geradeaus über die König Karlsbrücke und nach dem Schwanentunnel umdrehen und auf der anderen Seite des Tunnels zurück zur Mercedesstr.:-) Was gilt eigentlich für Radler in diesem Fall? Der ausgeschilderten Umleitung folgen und das Radverbot mißachten oder...ja was eigentlich? Ein Scherz eben, wie so vieles in Stuttgart was das Radfahren anbelangt.

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    2. Das kenne ich auch: Umleitungen werden auf Fahrbahnen höchst selten auch für den Radverkehr ausgeschildert. Es wird langsam etwas besser, weil wir auch immer gleich viel Theater machen, aber die Baufirmen und ihre Leute sind offensichtlich Autofahrer, keine Radfahrer, die können sich gar nicht vorstellen, wie Radler überhaupt fahren und was sie brauchen. Ich empfehle, immer sofort eine Gelbe Karte schreiben.

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    3. Umleitungen werden - wenn sie nicht verbotenerweise ohne Anordnung aufgestellt werden - nicht allein von den Baufirmen geplant, sondern auch vom Amt genehmigt, wenn nicht sogar mitgeplant. Man kann die Schuld hier also nicht allein den Baufirmen zuschieben, die wirtschaftlich zu arbeiten haben und somit den unbezahlten zusätzlichen Aufwand für eine vom Amt offensichtlich nicht benötigte Umleitung gerne vermeiden.

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  3. Die Frage, ab wann du dich als Radfahrerin links einordnen darfst, lässt sich, glaube ich, nicht konkret beantworten. Jede Kreuzung ist anders, der Verkehr ist jedesmal anders und wenn es wirklich soweit kommt, dann entscheidet auch jeder Richter anders.

    Spätestens wenn Pfeile auf der Fahrbahn markiert sind, darfst du dich links einordnen. 300 Meter vorher erscheint mir im allgemeinen zuviel, aber wenn der Radfahrer wie hier im Verkehr mitschwimmen kann, warum nicht.

    Das Rechtsfahrgebot ist innerorts nur für Kraftfahrzeuge unter 3,5t aufgehoben. Für Radfahrer also nicht, auch nicht für normale Pedelecs, nur für E-Bikes, die als Kraftfahrzeuge gelten, also schneller als 25km/h fahren dürfen.

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    1. Aber auch ohne Kraftfahrzeug unter 3,5t darf man vom Rechtsfahrgebot abweichen wo Ampeln den Verkehr regeln, und natürlich beim Überholen. Damit kommt man innerorts schon sehr weit.

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  4. "Streckt ein Radfahrer den Arm raus, um sich auf die linke Spur einzuordnen, hat er Vorrang und darf vom nachfolgenen Autofahrer nicht mehr überholt werden. Das habe ich hier gelesen."

    Die verlinkte Seite verbreitet hier gefährliches Halbwissen, das sieht man sehr schnell wenn man sich den entsprechenden Passus in der StVO anschaut - den hast du ja extra rausgesucht, nur nicht richtig draufgeschaut. Man ist nämlich nur dann rechts zu überholen, wenn man sich auch eingeordnet hat. Und wenn man vor dem Linksabbiegen noch auf die linke Spur wechseln musss hat man sich noch nicht eingeordnet, kann also weiter links überholt werden.

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    1. Es gibt aber auch noch das Kriterium der "unklaren Verkehrslage". Streckst Du den Arm aus, könnte es ja damit zusammenhängen, dass Du Dich links einordnen, links abbiegen oder einfach wenden willst. Wenn Dich ein anderer Fahrzeugführer in dieser Situation überholt oder an Dir vorbeifährt, sollte er mindestens Teilschuld bekommen.

      Zumindest ging es mir so, als ich mit dem Fahrrad an einem Lieferwagen vorbeigefahren bin, der außerorts (Gewerbegebiet, kurz nach dem Ortsschild) gebremst hat und rechts herangefahren ist. Er hat nicht geblinkt, aber urplötzlich gewendet, während ich an ihm vorbeigefahren bin. Bewertung der Polizisten auf dem Revier: "unklare Verkehrslage" - warum sollte der Lieferwagenfahrer denn außerorts bremsen und rechts halten. Teilschuld meinerseits, dass er mich umgenietet hat.

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  5. Noch eine Anmerkung:
    "rechtzeitig" heißt auch "nicht zu spät".
    Zu spät ist zweifelsfrei ab da, wo die Abbiegespur mit durchgezogener Linie von den anderen Fahrstreifen abgetrennt ist. Die darf man bekanntlich mit dem Fahrrad nicht überfahren.

    Die ganze Einfädelei-Aktion mit

    - zur Vorbereitung (falls man nicht sowieso schon auf der Fahrbahn oder auf Radfahrstreifen fährt) den Wechsel vom baulich getrennten Radweg auf den rechten Fahrstreifen der Fahrbahn an der letzten Stelle mit abgesenktem Bordstein vollziehen. Das haben Tiefbauamt und Verkehrsbehörde teilweise mehrere hundert Meter vor der Kreuzung vorgesehen.

    - Ankündigung per Handzeichen

    - Schulterblick, Augenkontakt mit den Autofahrern suchen

    - Erkennen ob ein Autofahrer rücksichtsvoll eine Lücke lässt

    - Spur wechseln

    muss erledigt sein, solange die Abbiegespur von den anderen Fahrstreifen nur mittels gestrichelter Linien markiert ist.

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