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22. November 2020

Wochenende zwischen Wald und Reben

In diesen Zeiten sind alle draußen, wenn das Wetter schön und Wochenende ist: Menschen zu Fuß, Menschen auf Fahrrädern. 

Mehr denn je müssen wir Radfahrenden freundliche Gefühle für Fußgänger:innen entwickeln, im Schlossgarten, auf breiten Wegen durch die Weinberge, im Wald. Wir können Familien, die zusammen unterwegs sind, nicht immer zwingen, im Gänsemarsch hintereinander zu gehen, nur weil wir schnell mit dem Rad bergab sausen wollen.

Wer gemeinsam spazieren geht (als Ehepaar oder zwei Freundinnen) will sich meistens unterhalten, und deshalb geht man nebeneinander. Ich habe dafür größtes Verständnis, und wenn ich eh freizeitmäßig mit dem Fahrrad unterwegs bin, dann habe ich es ja auch nicht eilig. Wenn ich merke, dass mit mir tausend andere die Idee hatten, raus zu gehen, zu Fuß oder mit dem Fahrrad, dann muss ich mich halt darauf einstellen, dass ich in Kolonne unterwegs bin. Und an schönen Wochenenden kann man davon ausgehen, dass alle das gleiche machen: nämlich raus gehen.

Ich verstehe auch sehr gut, dass junge Männer (manchmal auch junge Frauen) gern sportlich im Wald unterwegs sind. Die Vereine sind geschlossen, Bewegung fehlt, also aufs Rad und durch den Wald geturnt. Im Grunde müsste sich ja niemand darüber aufregen, dass Mountain-Biker auch auf schmalen Pfaden unterwegs sind, wenn wir uns alle darauf verlassen könnten, dass Radfahrende die Menschen zu Fuß nicht in Bedrängnis bringen oder in Schreck versetzen durch schnelles und enges Vorbeifahren. Ich bemerkte aber leider, wenn ich (wie hier) im Heslacher Wald spaziergen gehe, dass die Mountain-Biker:innen doch teils etwas rabaiat zu Gange sind. Die hier auf dem Foto waren zu zweit unterwegs. Einer ist gleich erst mal in den Wald abgestürzt, denn der Pfad ist wirklich schmal.

Mal ganz abgesehen davon, dass sie verbotene Wege radeln. Bei uns gilt ja die 2-Meter-Regel, also Waldwege dürfen nur dann mit dem Rad befahren werden, wenn sie breiter sind als zwei Meter. Die interessanten schmalen Pfade über Wurzeln und Steine dürfen nicht befahren werden. Und gerade Wochenenden sind am wenigsten geeeignet es trotzdem zu tun, denn dann sind alle mit Kind und Kegel unterwegs und die Konflikte eskalieren.

Leider steht dieses Schild am Sophienestift an der falschen Stelle. Ich erfahre, dass ich geradeaus auf der Leonberger Straße auf die Schnellstraße kommen würde, es also nicht mit dem Fahrrad weitergeht. Das gelbe Schild zeigt nach rechts. Da könnte ich auf die Idee kommen, ich solle den schmalen Waldpfad hinunter (was die beiden Radler auch gemacht haben). Tatsächlich aber muss ich hier richtig nach rechts durch den Parkplatz durch und einen breiteren Waldweg nehmen. Wer sich auskennt, weiß es, die anderen nicht. Vielleicht sollte man für Radfahrende hier wirklich besser beschildern.

Ich plädiere aber auch an uns alle: Wir müssen es gemeinsam hinkriegen und aufeinander Rücksicht nehmen. Wer schneller ist, muss langsamer tun, wenn er auf Fußgänger:innen stößt. Und wenn Fußgänger:innen beiseite treten, dann können wir uns bedanken. Das schafft eine freundlichere Stimmung, die wir in diesen Zeiten, finde ich, dringend brauchen. Was wir, denke ich, nicht mehr brauchen, ist hemmungsloses Schimpfen aufeinander. 



4 Kommentare:

  1. Jörg
    "Die interessanten schmalen Pfade über Wurzeln und Steine dürfen nicht befahren werden." Es gibt den §37 im Waldgesetz. Denn kann man anwenden, muss man aber nicht. Wenn man ihn anwenden würde dürfen die Wege legal befahren werden. Alternativ stellt man Polizisten in den Wald und bezahlt Leute zum Trail zurück bauen. Danach wird der Weg wieder gebaut und eingefahren. Das Spiel läuft z.B. an der Dischinger Burg so. BW ist das einzige Bundesland mit der 2m-Regel, die niemand recht durchsetzen kann.
    Für den Alltag wollen wir eine Trennung Rad vom Fußverkehr, also kein Fußweg Rad frei. Da ist es verständlich das einige Leute das auch auf Freizeitwegen haben wollen. Die Trails sind meist so angelegt/eingefahren, dass da keiner läuft. Solche Wege könnte man einfach mit §37 legalisieren.
    Die Strecken könnten im Bereich der Hauptwege zu gelassen werden. Aktuell wird in entlegene für das Wild sensible Gebiete ausgewichen. Das ist keine gute Entwicklung.
    Städte wie Oberstenfeld, Heilbronn, Karlsruhe, Feiburg und andere machen das Stuttgart vor, wie legale Trailnetze aussehen können.
    Die Stadt schreibt es gibt 700 km legale Radstrecken im Stuttgarter Wald (geschotterte gebaute breite Wege). Das ist wahrscheinlich mehr als wir und die Forstwirtschaft brauchen. Da könnte man sicher einige Wege wegreißen und renaturieren um dafür an passender Stelle Trennungen zu schaffen.

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  2. Ein Hinweis möge erlaubt sein: auch Menschen, die auf das Fahrrad steigen statt Auto zu fahren oder zu Fuß zu gehen oder den ÖPNV zu nutzen, sind soziale Wesen. Auch Radfahrer wollen gerne nebeneinander fahren, um sich unterhalten zu können.

    Dieses Privileg steht nicht nur Fußgängern zu.

    Autofahrer nehmen sogar den Platz für ihren Beifahrer neben sich in Anspruch, wenn sie alleine im Auto sitzen.

    Ich würde auch gerne als Radfahrer dort, wo ich der schwächere Verkehrsteilnehmer bin, das gleiche Privileg wie Fußgänger in Anspruch nehmen: Fahre ich zur Erholung und im Freizeitmodus am Wochenende auf der Fahrbahn, möchte ich selbstverständlich wie alle anderen Verkehrsteilnehmer mich mit meinem Partner:in unterhalten können und Dank dafür ernten, wenn ich einmal rücksichtsvoll dem stärkeren und schnelleren Verkehr Platz mache. Ich möchte auch gerne nur mit geringfügig schnellerer Geschwindigkeit in großem Abstand überholt werden.

    Ich möchte auch auf Wirtschafts- und Waldwegen (die keine exklusiven Wanderwege sind) Platz von entgegenkommenden Fußgängern (und von welchen, die in meiner Richtung laufen) eingeräumt bekommen, ohne dass ich erst klingeln muss, was manche für aggressiv halten.

    Bitte richtig verstehen: ich möchte nicht ausdrücken, dass Radfahrer keine Rücksicht nehmen sollen, weil auf sie keine Rücksicht genommen wird. Ich möchte mich für "gleiches Recht für alle" und "gleiche Pflichen für alle" aussprechen. Der Aspekt "gegenseitige Rücksichtnahme aller Parteien" hättest Du nach meinem Geschmack etwas mehr betonen können.

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    1. Ich denke manchmal, wenn wir imemr auf andere zeigen und sagen, die sollen es so machen, dass es für mich gut ist, dann gewinnen wir nichts. Wir müssen uns selbst richtig verhalten, freundlich, rücksichtsvoll und verständnisvoll für die Bedürfnisse derer, die gerade uns gegenüber die Schwächeren sind, wir müssen erst mal geben, um auch etwas zu erhalten. Wenn wir selbst uns dazu nicht durchringen können, können wir nicht erwarten, dass es die anderen tun. Warum sollten die besser sein als wir selbst. Der Einzige, der an ainer Situation etwas zum Besseren verändern kann, bin ich, weil ich mich selsbt entscheiden kann, das was andere tun, kann ich selten fordernd beeinflussen.

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    2. Unter diesem Aspekt: ja, klar. Über andere schimpfen oder von anderen was einfordern ist viel einfacher als sich an die eigene Nase zu fassen. Mit höflichem und freundlichem, vielleicht auch nachsichtigem Auftreten (und wichtig, nicht nur Auftreten, sondern auch mit der entsprechenden Einstellung) geht es einem selbst besser, und möglicherweise erreicht man im Idealfall sogar so etwas wie Wohlwollen und Verständnis beim Anderen. Klappt nicht immer, gehören halt zwei dazu...

      Das war aber auch nicht der Punkt, auf den ich hinaus wollte, wobei ich denke, dass wir uns im Grunde insgesamt einig sind.

      Niemand ist immer nur Radfahrer oder immer nur Fußgänger oder immer nur Autofahrer oder immer nur Angehöriger sonst irgendeiner Gruppe bzw. gesellschaftlichen Schublade. Und der Charakter einer Person und seine Einstellung zu Gesetzen, ihr Grad an Altruismus und ihre Risikobereitschaft ändern sich logischerweise auch nicht mit der Wahl des Verkehrsmittels für die gerade anstehende Wegstrecke.

      Wenn Du dann noch erfährst, dass ich die Wahl habe unter einigen Paar Schuhen, 2 Autos, einer Buslinie, einer S-Bahn-Linie, dem Regio und 3 Fahrrädern, nimmst Du mir vielleicht ab, dass ich die verschiedenen Perspektiven nur zu gut kenne.

      Unabhängig also davon, zu welchem Fortbewegungsmittel ich mich jeweils gerade entscheide, fällt mir die Besonderheit auf, dass von Radfahrern quer durch die Gesellschaft viel mehr Rücksicht gefordert wird als von allen anderen Verkehrsteilnehmern. Und zwar sowohl dann, wenn man der schwächere Verkehrsteilnehmer ist als auch dann, wenn man der "stärkere", also gefährlichere ist. Als hätte man als Radfahrer einen Heiligenschein.

      Als Fußgänger bei Rot über die Ampel ist akzeptiert, wenn kein Kind zuschaut und kein Auto zu sehen ist. Als Autofahrer bei Kirsch-Gelb noch schnell rüber, da lächeln alle verständnisvoll. Aber wehe, ein Radfahrer wird dabei ertappt, dass er bei Rot durchfährt, das ist dann ein rüpelhafter Kampfradler (und wenn es eine Ampel war, die für ihn gar nicht gilt, so genau kennen die meisten die Ampelregeln nämlich gar nicht).

      Mein Ton Behörden-Vertretern gegenüber ist übrigens wesentlich schärfer und nicht mehr geprägt von den oben aufgeführten Ansprüchen an mich selbst. Das ist eine Reaktion auf nicht gerade einfühlsame Bescheide, mehrfache Ignoranz und Überheblichkeit, Abwimmel-Versuche mit fadenscheinigen Begründungen und falschen Behauptungen. Wenn ich mich verarscht fühle und nicht für voll genommen werde, dann reagiere ich kiebig.

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