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11. Juni 2023

Hier werden wir ein Problem bekommen

In Hedelfingen soll im Zuge des Ausbaus der Radinfrastruktur der Haurpradroute 2 zwischen Wangen und Hedelfingen auch die Einmündung der Heiligenwiesen auf die Hedelfinger Straße verändert werden. 

Und wieder hat niemand daran gedacht, dass Radfahrende nicht immer nur geradeaus fahren oder rechts abbiegen wollen. Wer künftig aus Hedelfingen kommend mit dem Fahrrad bei Lidl einkaufen will (einen riesigen Autoparkplatz gibt es dort), muss zurück einen Umweg fahren. Denn die Autofahrer sollen künftig nicht mehr aus den Heiligenwiesen nach links über die Stadtbahnschienen hinweg Richtung Hedelfinger Platz abbiegen. Sie müssen rechts abbiegen und bis zu einem neu gebauten U-Turn fahren, der sie über die Gleise und auf die Gegenfahrbahn Richtung Hedelfinger Platz bringt. Hilft sicher der Abwicklung des Auto- und Bahnverkehrs. Aber es schadet der Bequemlichkeit des Radfahrens.

Oben, künftig gesperrte Linkssfahrt,
links unten der Fußgängerüberweg,
rechts unten die Ausfahrt des U-Turns r.H.Pl.
 
Denn auch die Radfahrenden müssen nun nach rechts abbiegen und die rund 170 Meter zunächst mit den Autos auf der Fahrbahn fahren, auf der Radpiktogramme sein werden. Dann beginnt ein sogenannter Schutzstreifen. Dann öffnet sich links die U-Turn-Abbiegespur, und die Radfahrenden müssen nun vom Schutzstreifen runter, durch die links an ihnen vorbei fahrenden Autos durch und ebenfalls auf diesen Linksabbiegestreifen rüber, dort zwischen Autos warten, die je nach Gegenverkehr sukzessive auf die Zurückfahrspur einbiegen, was auch die Radfahrenden tun müssen, wobei die den Radfahrstreifen ansteuern müssen, der sie zum Hedelfinger Platz zurück bringt   (siehe Plan unten). Das ist ein Umweg von 340 Metern für Menschen, die mit Muskelkraft fahren. Einen Z-Übergang für Fußgänger:innen gibt es jetzt schon und wird es weiterhin auf der nördlichen Seite der Heiligenwiesen geben. Den kann man aber auf dem Fahrrad nicht ansteuern, denn man fährt ja auf der Fahrbahn. 

Und kompliziert ist es auch noch, es erfordert Radfahrroutine. Da sehe ich jetzt nicht die 12-Jährige radeln, die schnell mal was im Supermarkt hat kaufen wollte; und für die Sicherheit einer Radinfrastruktur ist immer die Frage entscheidend: Würde ich als Mutter oder Vater da meine Kinder radeln lassen?  

Was also wird passieren? Radfahrende, die beim Lidl einkaufen waren, werden den linksseitigen Gehweg zum Hedelfinger Platz fahren. Nicht erlaubt und viel zu schmal für eine Freigabe. Aber eine schlechte Radinfrastruktur mit sinnlosem Umweg und dann noch im Mischverkehr mit Autos und Spurwechseln fördert das regelwidrige Verhalten, das kann man gar nicht verhindern. Die Folge: Fußänger:innen ärgern sich über Radfahrer:innen auf dem Gehweg. 

Eine Radfahrspur mit Radampel, die ausschließlich Radfahrenden dass Linksabbiegen aus den Heiligenwiesen über die Schienen auf die Hedelfinger Straße Richtung Hedelfinger Platz erlauben würde und könnte, ist nicht geplant (siehe Gemeinderatsdrucksache 234/2023 Anlage 2 und Foto vom Plan). Im Stuttgarter Westen gibt es mindestens eine solche beampelte Gleisüberfahrt nur für Radfahrende (Johannesstraße Querung Schlossstraße), die den Autofahrenden verboten ist. Allerdings fährt so auch der Bus. Allein für Radfahrende macht man so was eher nicht. Man will ja auch nicht, dass die Leute mit Rädern (Lastenrädern oder Rädern mit Anhänger) statt mit dem Auto einkaufen fahren, oder? Und wenn, dann sollen sie wie die Autofahrenden auch, gefälligst Umwege radeln und das im Mischverkehr mit sich stauenden Autos. So geht schlechte Radpolitik. 

Höchste Zeit, vor allem jetzt, da uns allen klar ist, dass jedes Fahrrad, das anstelle eines Autos für Alltagswege benutzt wird, uns hilft (gegen Klimaüberhitzung und viel zu viele Autos in der Stadt), die Planung noch mal zu überdenken und eine Durchfahrt für den Radverkehr zu planen und zu bauen. 

Übrigens wird es für Radfahrende, die vom Hedelfinger Platz kommen auch auf der Fahrbahn ziemlich ungemütlich. Es gibt zwar ein Stück Radstreifen, der aber wird kurz vor der Heiligenwiesen beendet, die Autos schwenken nach rechts vor und hinter die Radler:innen, dann schwenkt alles nach links und es kann von einer einzigen gemeinsamen Fahrspur, auf der auch die Radler:innen sind, geradeaus gefahren oder nacht rechts zum Lidl abgebogen werden. Auch diese Strecke möchten Eltern ihre 12-Jährige sicherlich nicht zum Einkaufen schicken. (Sieht man rechts auf dem Plan oben.) 

Diese ganze Anlage der HRR2 ist eine abschreckendes Beispiel für einen elend schlechten Kompromiss. 



8 Kommentare:

  1. "radfahrer absteigen"
    heißt das zugehörige schild.
    wenn man annähme, dass man uns nicht haben möchte, würde ein schuh draus.
    karl g. fahr

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  2. Gibt es eigentlich keinen Planer in Deutschland, der in der Lage ist, eine Infrastruktur zu entwerfen, die allen Verkehrsteilnehmern gerecht ist? Wenn wir wirklich keinen haben, dann sollten wir schleunigst welche entsprechend qualifizieren.
    Karin

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    1. Für's Klima wäre das fatal.
      Ökologisch verantwortbare Planung müsste längst angefangen haben der expansiven Metastasierung des Autoverkehrs 'nicht(!) mehr gerecht' zu werden.

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    2. Sorry, Namensnennung vergessen:
      Alfons Krückmann

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  3. Ja, wieder mal ein sehr typisches Beispiel für die gegenwärtige Verkehrspolitik.
    Während für die Reisezeitoptimierung beim MIV Milliarden in die Hand genommen werden um Autobahn um Autobahn zu bauen oder zu erweitern, um eine Umgehungsschnellstraße nach der anderen in die Gegend zu asphaltieren mit dem Ziel einige Sekunden oder Minuten an Reisezeitgewinn als angeblichen 'Nutzen' verbuchen zu können, werden solche Kriterien beim Radverkehr schlicht ignoriert bzw. strukturell nicht angewendet (außer bei RSW).
    Aus der Logik von 'Radverkehr ist Kurzstrecke' heraus betrachtet ist das allerdings auch nicht ganz unlogisch, da auf städtischen Kurzstrecken der Radverkehr ja trotz der Behinderungen durch die 'Radinfrastruktur' seinen Reisezeitvorteil behält (bis ca. 3-5km), und so weiterhin dazu beiträgt die Straßen vom Autostau zu entlasten um in erhöhtem Maße die regionalen/überregionalen Autoverkehre abwickeln zu können.
    Insofern ist auch der Satz:
    "(...) da uns allen klar ist, dass jedes Fahrrad, das anstelle eines Autos für Alltagswege benutzt wird, uns hilft (gegen Klimaüberhitzung (...)"
    nicht ganz richtig, bzw. nicht allgemein gültig.
    Es wird immer klarer, dass der flächensparsam separierte Radverkehr dazu beiträgt (Vorbild Niederlande) die längeren Autofahrten 'flüssig' zu halten und Reisezeitverluste durch städtische Staus und durch die 'Schnittstellenstaus' (Stau / Rückstau an Stadt-Umland Grenzen) des MIV zu minimieren und somit die MIV Erreichbarkeitsradien zusätzlicht auszuweiten.
    So gehen dann Autobahnausbau und 'Radinfrastrukturförderung' Hand in Hand mit der Folge und dem uneingestandenen Ziel verstärkter (nicht verminderter) CO2 Emissionen bei Betrachtung des Gesamtverkehrs.
    Es macht insofern Sinn die beiden Ziele 'liveable City' und 'Klimarettung' klar voneinander zu trennen und diese nicht - wie so häufig - fälschlich in einen Topf zu werfen.
    So sehr der zutreffende Spruch 'Wer Straßen sät wird Verkehr ernten' ins Allgemeingut übergegangen ist, so verwunderlich ist es, dass gleichzeitig die Implikationen von induziertem Verkehr meist unbegriffen bleiben, die 'Transferleistung' also ausbleibt.
    Mehr separierter Radverkehr auf städt. Kurzstrecken kann unter Einbezug der Effekte induzierten Verkehrs durchaus als weiterer 'Klimakiller' wirken, auch wenn das zunächst mal kontraintuitiv erscheinen mag.
    Siehe auch die Datenlage mit stetig steigendem MIV im 'Vorbild' Niederlage.
    Es gälte also den Radverkehr endlich mal so zu gestalten, dass nicht am Ende wieder das Auto als renditeträchiger Gewinner dasteht, wie es zur Zeit ja leider allerorten der Fall ist.
    Alfons Krückmann

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  4. Diese Lösung nutzt keinem, nicht mal dem Autoverkehr (ich sehs jedenfalls nicht). Einziger Vorteil ist, dass man bei der Fahrt Richtung Wangen eine Ampel weniger hat.

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  5. Hallo Christine,
    ... danke dir für den Bericht zu der Situation in Hedelfingen.
    Es wird einmal mehr ersichtlich wie Mängelbehaftet die Planung der HRR2 von Hedelfingen über Wangen in die Stadt ist. Am meisten ärgert es mich aber, das der Mehrwert der neuen HRR2 für Radfahrer gegen Null geht und dann aber immer wieder von Millionen € an Investitionen für die Gestaltung von Fahrradinfrastruktur gesprochen wird. Hier sollte mal in der Presse und auch in der Verwaltung klarer getrennt werden, damit keine Augenwischerei betrieben wird.
    Tatsächlich werden oft nur die Straßen für den PKW- und LKW Verkehr in Stand gesetzt oder Mängel aus vergangenen Epochen beseitigt. Genauso hier, denn das Verbot für Linksabbieger in Richtung Hedelfingen soll den LKW-Verkehr aus dem Gewerbegebiet unterbinden. Leiden müssen darunter nun alle anderen Verkehrsteilnehmer!
    Nebenbei bemerkt sind wir Radfahrer ja Umwege gewohnt, aber zukünftig gefährliche Umwege in Kauf zu nehmen, ist dann ochmal ne andere Sache! Ich bin gespannt was noch passiert ... wenn nur endlich mal der Rest der HRR2 fertig gestellt wird!

    Grüße Jahn

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  6. Liebe Karin, in diesem Fall war die abgefahrene politische Diskussion für das letztlich schlechte Ergebnis verantwortlich. Das Geschrei wegen wegfallender Parkplätze und eine instabile Mehrheit für eine konsequente Radführung war für Umplanungen verantwortlich, und jetzt sehen wir halt, wie schlecht der Kompromiss war. Andererseits ist der Bau noch nicht ganz fertig und ist deshalb noch arg einschüchternd für Radfahrende die dort radeln. Es ist aber durchaus so, dass die moderne Verkehrsplanung noch weit davon entfernt ist, sich in den Ämtern verankert zu haben.

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