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20. August 2023

Ein Kodex für Radfahrende?

Für Alltagsradler:innen gibt es keinen Kodex. Wenn es so was gibt, dann im Radrennsport oder für in Vereinen organisierte Mountainbiker:innen. Oder er wird mal kurz von einem Radverleiher erstellt. 

Die Kodexe, die ich gesehen habe, mischen munter Eigenschutz-Aspekte wie Helme und Tagfahrlicht mit dem Verhalten auf der Straße oder Fahrradbeherrschung und mit Vorfahrtsregeln. Manchmal denke ich mir, es wäre doch auch für uns Alltagsradler:innen gut, wenn wir uns auf einen Kodex verständigen würden, den wir untereinander hochhalten. 

Und das ist das, was mir am Wichtigsten erscheint: 

Wir radeln vorhersehbar. Wir zeigen Richtungswechsel an, bremsen nicht ohne Rückblick und zeigen allen vor und hinter uns unsere Fahrlinie an, die möglichst gerade ist. Wir weichen einander jeweils nach rechts aus. 

Wir machen uns sichtbar. Bei Dunkelheit haben wir eine gute Beleuchtung (die nicht blendet), bei Tag radeln wir so, dass wir für andere Verkehrsteilnehmenden im Verkehrsraum so sichtbar sind, wie es die Radinfrastruktur zulässt. (Manche Radwege entziehen uns ja dem Blick von Autofahrenden.)

Wir verzeihen. Genauso, wie wir selber Fahrfehler begehen, auf die andere Rücksicht nehmen müssen, begehen sie auch andere, die in Autos oder auf Fahrrädern sitzen oder zu Fuß gehen. Niemand ist perfekt. 

Wir radeln einfühlsam. Wir verstehen, dass unser Verhalten Fußgänger:innen stresst. Wir fahren nicht schnell und eng an ihnen vorbei, wir klingeln sie auf freigegebenen Gehwegen nicht weg, wir bedanken uns, wenn sie uns Raum geben. 

Wir versetzen uns in andere hinein. Wir fahren an Fußgänger:innen, insbesondere an Kindern, aufmerksam, mit Abstand und langsam vorbei. Weil wir im normalen Tempo drei bis fünf Mal so schnell fahren wie Fußgänger:innen gehen, erleben sie uns fast immer als "rasende Radler:innen". 

Wir tun auch mal langsam. Wir radeln mit der Situation angepasster Geschwindigkeit und nicht überall so schnell wie wir können. Wir bremsen lieber mal, statt uns irgendwo noch durchzudrängeln. 

Wir radeln nicht auf Gehwegen, die nicht freigegeben sind. Wir möchten ja auch nicht, das Autos auf Radwegen fahren. 

Wir riskieren nicht mutwillig unser Leben im Straßenverkehr. Denn wir denken an unser Familien und Freund:innen, denen wir sonst viel Leid bescheren. 

Vielleicht habe ihr Blogleser:innen auch noch Ideen. Ich bin gespannt. 



10 Kommentare:

  1. "Wir sind freundlich".

    Auf meinem täglichen Weg zur Arbeit fahre ich durch ein Industriegebiet, in dem es teilweise eng zugeht. Da ich beruflich aus der Logistik komme, gebe ich gerne LKWS Vorrang oder warte, wenn sie mir an einer Engstelle entgegenkommen.

    Sie machen ihren Job. Die 5 Sekunden tun mir nicht weh.

    Die Jungs honorieren das fast ausnahmslos mit einem "Danke" oder "Daumen hoch".

    Man sollte m.M.n. mit der Einstellung fahren "ICH bin für das Ansehen aller Radfahrer mitverantwortlich".

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  2. Ich halte mich weitgehend an den "Kodex" von Bernd Sluka:
    http://bernd.sluka.de/Radfahren/10Gebote.html

    Soweit mir bekannt ist der schon über 20 Jahre alt...

    Das meiste, was problematisch auf der Straße stattfindet, lässt sich mittels "Fahre nach außen offensiv, aber innerlich defensiv." entschärfen.

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  3. mir begegnen hier in der schönen #stadtmg auf dem zufkünftigen radschnellweg herzlich wenig gleichgesinnte auf gut 5km strecke. die handvoll die da unterwegs ist, grüße ich grundsätzlich. einige grüßen freudig zurück, die mit der warnweste, helm und spiegel am lenker meistens nicht. das sind die, die gerade uMGestiegen sind bzw. vom auto aufs rad gekommene, die machen weiter wie bisher. grund genug sich für breite und geschützte radverkehrsanlagen einzusetzen, damit ich auch weiterhin unfallfrei fahren kann.

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  4. Gefällt mir gut. Die Richtung ist doch eine ganz andere als bei Sluka (eigene Sicherheit). „Wir radeln einfühlsam“ und „Wir versetzen uns in andere hinein“ ist aber *sehr* ähnlich – und hat noch einmal ein Echo in „Wir radeln nicht auf Gehwegen, die nicht freigegeben sind“. Dies ist wiederum schon durch die Verkehrsregeln geklärt, ich bin nicht sicher, ob das in einen Kodex gehört. (Es wird ja nicht die einzige Verkehrsregel sein, die es zu beachten gilt ;-) Dafür vermisse ich noch einen Punkt, der irgendwie „helfen“ heißt und vielleicht das meint, was auch Stefan1531 meint: Wenn ich hier auf dem Land zum Einkaufen radle und Fernradler beim Kartenstudium sehe, halte ich an; ist meistens auch ganz nett.

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  5. *Wir machen Pausen, wenn es nötig ist und achten auf uns selbst und andere*

    Körperlich: Ich habe schon zu oft die Erfahrung gemacht, dass Menschen sich zu oft mitreisen oder nicht auf ihren Körper achten. Mir selbst ist vor einigen Jahren während des Fahrradfahrens schwarz vor Augen geworden und bin quasi auf dem Fahrrad zusammen gebrochen. Dieses Phänomen kann ungeachtet von Alter, Geschlecht oder sportlichkeit jede Person treffen, insbesondere in einer Stadt wie Stuttgart mit seinen vielen Anstiegen und dem Wetter, dass wir gerade jetzt haben.

    Psychisch: Auch wenn das Fahrrad ein relativ sicheres Fortbewegungsmittel ist, kommen einem gefährliche Situationen insbesondere aufgrund der fehlenden Knautschzone besonders nahe. Dazu kommen evtl. die einen oder anderen Erlebnisse, die man machen musste.
    Ich persönliche habe eine starke Wut entwickelt auf Menschen, die so mit ihren Autos fahren, dass ich selbst als Insasse eines anderen PKWs nur geringe Überlebenschancen hätte, wenn es zu einem Unfall kommen würde in der Stadt. Ich schaffe es nicht, bei solchen Leuten ruhig zu bleiben, selbst wenn es quasi auf der anderen Straßenseite statt gefunden hat. In diesen Momenten muss ich absteigen und inne halten. Die Polizei habe ich auch schon mal dazu gezogen. Diese Menschen haben für mich das gleiche Level wie Mörder oder Vergewaltiger.
    Ich arbeite aber an mir jeden Tag, dass das besser wird, und es wurde auch schon um einiges besser.

    Bitte ignoriert nicht die Signale, die der Körper einen schickt, achtet auf euch selber und schaut auch auf andere Verkehrsteilnehmer, ob bei denen alles in Ordnung ist. Im Ernstfall könnt ihr auch Leben retten (außerdem ist es gesetzl. vorgeschrieben, Erste Hilfe zu leisten so gut man kann).
    Nötigt niemanden zum weiter fahren und lasst euch, so schwer das auch manchmal ist, nicht nötigen.

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    1. Im Grunde ist es wie im Punkt "Wir riskieren nicht mutwillig unser Leben im Straßenverkehr", aber bis vor ein paar Jahren hätte ich es noch nicht mit diesem Punkt verknüpft in meinem jugendlichem Gehirn.

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  6. Den Kodex würde ich mir auch für Autofahrer wünschen. Alles was oben für Radfahrer steht, gilt genauso für Autos.
    Was ich noch dazu stezen würde wäre: Wir fahren auf das Fahren/den Vekehr konzentriert. Das Handydaddeln hat nnämlich auch das Radfahren erreicht und es gibt nichts, was so ablenkt wie Handy. Bitte im Verkehr ganz ohne Handy bewegen, bitte auf den Verkehr konzentrieren.
    Karin

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  7. Jörg
    Es ist sehr schwer alle mit zu nehmen. Je nach Typ reicht die Kritik an einem der Punkte um alles für sich beiseite zu wischen.
    Es wird schwierig gegenüber Fussgängerninnen. Gerade bei den Regeln gegenüber anderen Menschen sei es im Auto oder anders, muss ich eine Abgrenzung ziehen. Wenn sich jemand ungehörig benimmt, gilt der Kodex nicht in diesem Einzelfall. Oder man ergänzt eine Eskaltionsregel, die z.B. Kraftausdrücke verbietet.
    Die Gehweg Regel von Bernd Sluka ist für Stuttgart nicht haltbar. Das Gehwege tabu sind, bedeutet, dass ich allen Schwachsinn und alle Gemeinheiten der Ämter akzeptiere. Bei vielen Baustellen sehe ich es nicht ein. Das Fahrverbot vor der Wilhelma habe ich jahrelang missachtet. Dem Blumengießer der Wilhelma der mich aufhalten wollte, habe ich Feuer gegeben (werktags um 7:30 Uhr). Bernd S definiert seine StVO selber "fahre nicht auf Radwegen".
    Bei einer Beschränkung auf höheren Ziele Rücksichtnahme und gemeinsam geht es besser kann ich mit gehen.
    Unsere Straßengesetzgebung kann ich nicht einen Kodex erheben. Die Gesetze sind viel zu autozentriert, die Umsetzung dieser missachtet viel zu häufig meine Gesundheit und mein Interesse umwelt- und stadtverträglich zügig voran zu kommen.

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    1. Ich will ja nicht bestreiten, dass es Verkehrsführungen oder Regelungen gibt, wo man sich fragt: Was will uns der Künstler damit sagen? Das ist aber noch lange keine Rechtfertigung dafür, gegen die Vorgaben der StVO zu verstoßen und andere Verkehrsteilnehmer zu gefährden.

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    2. 1.) Die Polizei lässt in einigen Fällen Anzeigen wegen Beleidigung fallen, insbesondere wenn ein Unfall oder Gewalt mit Spiel waren.
      2.) Gerade wenn ich merke, ich kann mich selbst nicht mehr beherschen und könnte z.B. Kraftausdrücke verwenden, ist es glaube ich an der Zeit, eine Pause zu machen. Ich bin da in der Vergangenheit auch nicht immer ein Engel gewesen, aber mit der Zeit kann man das lernen.
      3.) Ich glaube man kann den anderen Verkehrsteilnehmer:innen hinterher rufen, was man möchte, die werden sich dadurch nicht ändern. Selbst die Polizei hat schon Probleme mit respektlosen Personen, dabei sind es gerade die, die Sanktionen aussprechen können. Also warum sollten andere Personen gerade uns respektieren, wenn sie teils vorsätzlich Regeln brechen?
      Lösungen, um das Problem anzugehen wären meiner Ansicht nach sich politisch zu engagieren und auf die Probleme in sachlicher Runde aufmerksam zu machen, die es gibt. Im Grunde das, was hier auf diesem Blog passiert, bei Gemeinderatswahlen oder auf der Critical Mass.

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