Seiten

18. August 2023

So ticken die Leut - Radgeschichten

Wenn man Rad fährt erlebt und sieht man mehr als wenn man im Auto sitzt. Vor allem sieht man, was Autofahrende so alles machen, wundert sich aber auch über Radfahrende. 

Hier einfach so ein paar Geschichten. 

Ich radle am Sonntag eine enge Straße runter, wo nur rechts geparkt werden kann. Ein Auto mit Anhänger stößt rückwärts von links aus einer Hauseinfahrt, ein Mann winkt ihn raus. Er dreht sich um und sieht mich. Aber statt nun dem Fahrer zu bedeuten, dass er anhält, winkt er ihn weiter raus, genau vor mich. Ich halte an und sage: "Das ist aber nicht nett." Er pampt zurück, winkt den Fahrer weiter. Ich sehe, dass der Anhänger gleich gegen ein geparktes Auto stoßen wird und sage noch mal. "Nett ist das aber nicht." Auto und Anhänge halten an, die beiden Männer motzen mich an: "Dann fahren Sie halt." Leider ist der Durchgang zwischen Anhänger und geparkten Auto zu eng. Ich sage: "Da komme ich nicht durch." Der Einweiser stellt sich vor mich hin und sagt: "Das ist mir egal, wie Sie das machen." Ich lächle und warte. Der Fahrer sagt: "Fahren Sie halt." Ich sage: "Es ist zu eng, da komme ich nicht durch. Sie stoßen auch gleich gegen das Auto." Er schreit: "Ich stoße nicht gegen das Auto, fahren Sie." Ich bleibe stehen, was soll ich auch sonst tun. Da fährt er einen halben Meter vor, und ich kann vorbei und bedanke mich. Die schimpfen mir Idiontin hinterher. 

Ich fahre auf der Hauptstraße (Neue Weinsteige) vor einem Auto vorbei, das aus der Nebenstraße kommt. Der Fahrer biegt hinter mir ein und überholt mich mit Riesengetöse bergab zur Olgastraße, obgleich es eine Abfahrt ist und ich schnell sein werde. Die Ampel, auf die wir zuhalten, wird rot. Da der Autofahrer unter keinen Umständen mich wieder vor sich haben will, fährt er bei Rot über die Ampel. 

Ich radle durch die Neckarstraße. Vor mir Autos. Ein Autofahrer hupt leidenschafltich, weil vor ihm ein anderer Fahrer an der Ladenzeile mit dem Auto vorwärts einparkt. Die Ampel vorn ist grün. Endlich kann der Autofahrer weiter, und dann macht er über den Platz an der Hackstraße einen U-Turn nach links über alle Sperrflächen und über die Gleise hinweg. Weil er dafür abbremsen muss, muss auch ich abbremsen. 

Fußgänger:innen gehen auf dem Radweg bei der Planatariumumleitung im Schlossgarten. Ich klingle. Zwei Radler:innen fahren langsam hoch, eine Fußgängerin schlenkert nach links. Ich bimle, weil ich vorbeifahren möchte. Ein Radler - sehr schnell - überholt mich dabei auch noch von hinten und schreit mir zu: "Sie könnten ruhig etwas weniger aggressiv klingeln." Hm ja. 

Auf dem Radwegteil des Ferdinand-Leitner-Stegs sind viele Fußgänger:innen unterwegs. Drei kommen in breiter Front von oben runter. Ich muss anhalten und sage: "Gehen Sie doch drüben, das hier ist ein Radweg." Ein junger Mann baut sich vor mir auf und sagt: "Wollen Sie mir jetzt verbieten, hier zu gehen." Ich sage: "Na ja, hier fahren viele Radler, die bremsen Sie alle aus." In der Tat kommen drei weitere von unten an und bremsen alle und fluchen, weil alles verstopft ist. Die Fußgänger weichen auf den anderen Brückenteil aus und ein Radler pampt mich an: "Hier ist es zu eng." Hm ja. 

Hofener Straße wie üblich am Sonntag für Autos gesperrt. Die Polizei steht in der Mitte und hält Autofahrende an. Als ich durchradle, ist eben einer vor mir um die Sperre gefahren. Zwei Autos kommen mir entgegen, die von der Polizei angehalten werden. (Obsie Bußgeldbescheide kriege, weiß ich nicht.) Als ich weiterradle kommt ein Mercedes von hinten (der schon an de Polizei vorbei war) und will mich mit röhrendem Motor überholen. Ich habe Angst, dass er die Radler erwischt, die uns entgegenkommen, und winke und rufe: "Langsam! Muss das denn sein?" Er bleibt hinter mir. Als ich abbiege und er mich überholt, schreit die Beifahrerin: "Fick dich, Fotze!" Ich wünsche ihr einen schönen Tag. 

Ich fahre runter zum Rathaus. In der Liststraße stoße ich auf C., die auf dem Weg zum Ostheopathen in der Eberhardstraße ist. Wir radeln zusammen zur Tübinger Straße. Da holt uns B. ein, die ebenfalls in die Innenstadt fährt. Ich frage sie, wie es mit ihrem Fahrrad geht. Ich habe ihr am Donnerstag mit der Kettenabdeckung geholfen. Sie erzählt, die Kette sei rausgesprungen, aber jetzt habe sie es für 200 Euro überholen lassen. Wir radeln schwatzend weiter. Schön. 

Ein Rennradler fährt auf dem Feldweg am Stuttgart-Cannstatter Ruderclub. Ich stehe rechts am Rand. Er flucht: "Ist das hier schrecklich!" Er wird noch mehr fluchen, denn auf dem Gehweg Hofener Straße, auf den er gleich fahren wird, wird gerade von der Stadt der Grünstreifen beschnitten, er ist unbefahrbar. 

Ein kleines Auto steht auf der Aufstellfläche für Radfahrende an der Kolbstraße. Der Fahrer daddelt auf dem Handy. Ich stelle mit neben ihn und schaue ihn an. Er merkt es. Ich deute auf den Boden. Er versteht die Geste nicht und macht das Fenster runter. Ich sage ihm: "Sie stehen auf dem Aufstellplatz für Fahrräder." Er begreift es nicht. "Ihre Haltelinie ist da hinten", sage ich. Er antwortet: "Aber hier ist doch Platz." Meine Fahrradampel wird grün und ich starte. Der Autofahrer auch. Ich mache ein bremsendes Zeichen mit der Hand und rufe: "Stopp! Stopp, Sie haben noch rot." Das verunsichert ihn so, dass er wider bremst und wartet, bis seine Ampel grün wird. 


5 Kommentare:

  1. unser täglich Brot sehr anschaulich beschrieben
    Thomas

    AntwortenLöschen
  2. Ich komme gerade aus Kopenhagen. Ja, Kopenhagen ist kleiner als Stuttgart, auch wenn es wesentlich urbaner (und moderner) wirkt. Und ja, Kopenhagen ist flach. Trotzdem ist es fast nicht zu beschreiben, wie sehr sich das Radfahren dort von dem hier unterscheidet. Und es ist auch nicht einzusehen, warum das so ist! In Kopenhagen setzt kein Fußgänger freiwillig einen Fuß auf den Radweg. Lieferwägen parken auf der Fahrbahn (oder auf dem Fußweg, was nicht okay ist), nie auf dem Radweg. Autofahrende achten auf Radler:innen und die achten auf Fußgänger. Und umgekehrt. Es wird wenig geläutet (fast gar nicht) aber oft über die Schulter geschaut (von allen). Irgendwie läuft es einfach miteinander. Es ist zum heulen schön. Nur der Vergleich zu Stuttgart, der ist nur zum Heulen und nicht schön.

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Leider gibt es in Kopenhagen kaum Bäume, die die Reihe mit parkenden Autos schützt... Die Bäume schützen in Deutschland oft die Reihen mit parkenden Autos. Es wäre aber trotzdem viel gewonnen, wenn die Gehwege und Radwege zwischen den Bäumen breiter wären, dann könnte man da überholen, für mich also kein Grund die Parkplätze zu lassen, aber so leicht wie in Kopenhagen geht es nicht.

      Löschen
  3. Und das Kuriose ist, viele finden es im Ausland schön, genießen die autofreien Viertel oder dass Radfahren, und wenn sie dann wieder daheim sind ...

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Macht der Gewohnheit. An der dann nichts und niemand rütteln darf, so sehr gehört sie zur (oder substiuiert sich für) die eigene Identität.

      Löschen