Seiten

16. Februar 2024

In Deutschland hat jedes Auto 2,5 Parkplätze

Reden wir mal über Parkplätze. Mehr als 160 Millionen Autoabstellplätze (privat und öffentlich) gibt es der DU zufolge in Deutschland. 70 Prozent davon befinden sich am Straßenrand. 

Das Umweltbundesamt gibt die Zahl der zugelassenen Pkw mit 48,8 Millionen an. Rund 67 Millionen Fahrzeuge gibt es insgesamt, darunter 8 Millionen Kfz-Anhänger. 

Das sind statistisch gesehen 2,5 Parkplätze pro Fahrzeug. Tatsächlich braucht jedes Privatauto (aber auch der Dienstwagen oder das Handwerksfahrzeug) theoretisch drei Parkplätze, damit seine Nutzung überhaupt möglich ist, einen in Wohnortnähe, einen am Arbeitsplatz und eine virtuelle Parkmöglichkeit für alles weitere: am Supermarkt, beim Theater oder in der Nähe des Fitnessstudios. In ländlichen Regionen gibt es augenscheinlich deutlich mehr, vielleicht 3 oder 3,5 Parkplätze pro Auto, in dicht bebauten Städten vielleicht etwas weniger. 

In Stuttgart sind rund 350.000 Fahrzeuge und darunter 301.400 Pkw zugelassen. 

Legt man die Zahl 2,5 zu 1 zugrunde, dann dürften wir rund 875.000 Park- oder Stellplätze in Stuttgart haben (private, öffentliche, Parkhäuser, Tiefgaragen). Das scheint mir deshalb plausibel, weil man deutlich sieht, dass tagsüber Parkplätze in Wohngebieten frei werden und frei bleiben, während nachts in Gewerbegebieten und bei Supermärkten die Parkflächen (draußen und in Tiefgaragen) großflächig leer stehen. Und weil Autofahrende in der Innenstadt immer Parkplätze finden, ohne dass die Parkhäuser ausgelastet wären, und weil die großen Parkplätze bei Supermärkten auch nie voll sind. Ja, in Wohngbieten wird es nachts am Straßenrand vielerorts krisenhaft voll, aber das liegt auch daran, dass viele nicht ihre Garagen nutzen. An etlichen Stellen gibt es in Stuttgart außerdem immer mehr Parkplätze als gebraucht werden. Natürlich braucht man nie die 2,5 bis 3 Parkplätze zur selben Zeit, aber weil viele Menschen tagsüber in die Stadt fahren und viele nachts in ihre Wohngebiete (und zwischendurch einkaufen), muss man so viele vorhalten, damit theoretisch alle ihren Platz bekommen. Wir haben also in jedem Fall einen Überschuss an Parkplätzen. 

Rund 260.000 Menschen fahren zur Arbeit von außen nach Stuttgart hinein, rund 100.000 fahren raus. Die fahren nicht alle mit dem Auto. Die Stadt geht davon aus, dass 60 Prozent mit dem Auto fahren (und zwar allein). Die Auspendler:innen haben ihren dritten Parkplatz unter der Woche außerhalb von Stuttgart, die rund 156.000 Einpendler:innen finden hier ihren dritten. Zählen wir die grob summarisch dazu und ziehen davon grob summarisch die Auspendler:innen ab, dann landen wir rein rechnerisch bei gut 900.000 Autoabstellflächen (versiegelt, asphaltiert, in Gebäuden und am Straßenrand). 

Selbst wenn wir von 2 Parkplätzen pro Fahrzeug ausgehen, sind das immer noch über 600.000. Ein Standardparkplatz ist 2,5 Meter breit und etwa 5 Meter lang, belegt also eine Fläche von 12,5 Quadratmetern (das entspricht der Durchschnittsgröße eines deutschen Kinderzimmers). Befinden sie sich auf einem Parkplatz etwa vor einem Supermarkt oder in einem Parkhaus, braucht man noch Flächen für Zufahrt und zum Rangieren und damit etwa 20 Quadratmeter pro Autoabstellfläche. Für die rund 50.000 Lkw und Anhänger sind  Parkplätze noch viel größer. 

In der Schweiz gibt es rund zwei Parkplätze für jedes der 4,4 Millionen gemeldeten Autos. Und das scheint auch zu gehen. Da nimmt man dann halt eher die Bahn, wenn man nach Zürich reinfährt. Und dennoch stehen, wie mir ein Verkehrsexperte sagte, in Zürich immer noch etwa 88 Prozent des Straßenraums den fahrenden und abgestellten Autos zur Verfügung. Dies dürfte bei uns in Stuttgart nicht viel anders sein.

In einer zufällig ausgewählten und ausgemessenen Wohnstraße im Westen stehen auf 600 Quadratmetern Fahrbahnfläche etwa 30 Autos, die 375 Quadratmeter Fläche belegen, also 62 Prozent, zählt man die Gehwege als Verkehrsfläche dazu, dann stehen sie auf 932 Quadratmetern Straßenfläche und belegen 40 Prozent der öffentlichen Fläche. 304 Quadratmeter dieser Straße gehören außerdem dem fahrenden Autoverkehr. Fahrende und stehende Autos belegen 73 Prozent des Straßenraums in so einem dicht bebauten Wohngebiet. Das ist in Gebieten mit Parkhäusern oder großen Parkplätzen oder an breiten viel befahrenen Straßen prozentual noch viel mehr (dort allerdings ohne Parkplätze). Es ist vermutlich nicht ganz verkehrt, wenn man davon ausgeht, dass vierzig Prozent der Verkehrsfläche (einschließlich Gehwegen) fürs Abstellen von Autos vorgehalten wird. 

Der Bürgerarrat Klima - ein Gremium aus 61 Leuten, die den Durchschnitt der Stuttgarter Bevölkerung abbildeten - hat sich trotz sehr disparater Standpunkte darauf verständigt, dass in Stuttgart jährlich 5 Prozent der Parkplätze in Baumbeete oder Aufenthaltsflächen umgestaltet werden sollen. Dafür waren 53,33 Prozent, dafür mir Zweifeln waren 20 Prozent (womit das Quorum für Zustimmung von zwei Dritteln überschritten war, 26,67 waren dagegen. Dabei geht es nicht um die Parkplätze in Parkhäusern oder Tiefgaragen, sondern um die am Straßenrand. Nach Angaben der Stadtverwaltung in der Antwort auf den Vorschlag des Bürgerrats (Drucksache 958/2023, Anlage) wird an 1000 km des 1.400 km langen Straßennetzes von Stuttgart geparkt. Man müsste also in den ersten Jahren 50 km Parklätze entfernen. Sind es dann weniger Parkplätze verringern sich auch die 5 Prozent davon. Das ginge vielleicht noch, aber sie müssen dann auch schnell mit Bäumen, Radwegen, Aufenthaltsqualität und so weiter aufgefüllt werden. Und das schafft die Stadt nicht. 

In der Innenstadt haben wir rund 120 erlaubte Straßenrandparkplätze und rund 11.000 Stellplätze in Parkhäusern, die auch an einem Samstag nicht alle voll sind. Diese 120 Parkplätze (ausgenommen Behindertenparkplätze) könnte man wirklich beseitigen, ohne dass Knappheit entsteht. Wenn alle wüssten, dass sie ins nächste Parkhaus fahren müssen, weil es am Straßenrand im Innenstadtkern keine Parkplätze mehr gibt, würde auch der Parkplatzsuchverkehr aufhören, der in der Innenstadt 30 Prozent der Herumfahrerei ausmacht. (Und der Lieferverkehr hätte zuverlässig Stellplätze zum ausladen.) 

Wie ungeheuer viel Platz frei wird, wenn man davon ausgeht, dass der Autoverkehr - wie etwa in Hamburg - stetig abnimmt, analysiert wunderbar dieser taz-Artikel. Bei 13 Prozent weniger Autoverkehr bis zum Jahr 2030 würde Hamburg 2.705.000 Quadratmeter (mehr als die Fläche des Vatikans und von Monaco) gewinnen für Grün und für den Wohnungsbau, davon 204.200 Quadratmeter allein bei den Parkplätzen, 643.000 Quadratmeter bei rückgebauten Fahrspuren, 49.000 Quadratmeter, weil Parkhäuser überflüssig werden und 12.361 Quadratkilometer weil man weniger Tankstellen braucht. 

Während man sich in diesen dicht besiedelten Wohngebieten im Stuttgarter Westen nicht vorstellen kann, dass jährlich 5 Prozent der Parkplätze in was anderes umgewandelt werden und verschwinden (wobei in den ersten Jahren private Stellplätze in Garagen und Hinterhöfen das auffangen würden), ist das in der Stuttgarter Innenstadt kein Problem, weil es viele Parkhäuser gibt. Der Bürgerrat beharrt übrigens nach Aussagen von Mitgliedern auch nicht auf genau diesen 5 Prozent, sondern will die Entscheidung über die Prozentzahl den Fachleuten überlassen, aber einen sachten Abbau von Stellflächen für Autos zugunsten von Platz für Menschen, den hat er schon vorgeschlagen. 

Der Platz den man für Menschen und Nachbarschaften gewinnt, ist jedenfalls beachtlich. Und das wünschen sich viele. Parkplätze vor der Haustür sind den wenigsten Menschen wirklich wichtig, Grünflächen sind ihnen wichtiger, ein gutes öffentliches Verkehrssystem und - so ergänze ich - eine gute Radinfrastruktur vorausgesetzt. 


14 Kommentare:

  1. Ich habe noch nie verstanden, warum die Stadtplaner nicht viel mehr auf Parkhäuser/Quartiersgaragen etc. setzen. Man könnte so die Autos auf wenig Platz "Stapeln". Denkt man sich ein "Leichtbauparkhaus" aus, könnte man es bei "wird nicht mehr so gebraucht" weder rückbauen oder umnutzen. Man könnte so etwas auch grün gestalten, damit man noch einen zusätzlichen Mehrwert hätte. Jeder muss dann einen Obulus bezahlen und parken auf der Strasse könnte man dann unterbinden. Es wäre einfach nur ein Umdenken notwendig. Das ist so wie, wenn ich mein Auto, egal wann ich nochmal wegfahre, immer in der Garage parke. Wir haben halt momentan noch zu viele Autos, aber übergangsweise könnte man doch auf so etwas setzen.
    Was ich auch nicht verstehe ist, warum Supermarktparkplätze des nachts lieber abgschlossen werden, als als Stellplätze vermietet. Oder alternativ wie in Tübingen, da kostet der Supermarktparkplatz immer Geld, nur wenn man einkaufen geht, bekommt man eine gewisse Zeit gutgeschrieben. Man hat dann doppelten Nutzen.
    Es gäbe da sicherlich mit etwas Nachdenken und gutem Willen auch noch andere Möglichkeiten, die zeitnah umsetzbar wären. (ein besserer ÖPNV wäre zwar immer besser, aber der ist nicht zeitnah umsetzbar)
    Karin

    AntwortenLöschen
  2. Quartiersgaragen brauchen halt auch Platz, sie brauchen Ein- und Ausfahrten, die viel Platz wegnehmen. Immer wieder überlegt man auch in Stuttgart, dass man sie bräuchte, findet aber in dicht bebauten Gebieten diesen Platz dafür gar nicht, es stehen ja überall Häuser und Grünanlagen will man dafür nicht reduzieren. In neuen Quartieren werden sogenannte Mobilitäts-Hubs natürlich geplant, aber auch da ist entscheidend, ob man den künftigen Einwohner:innen einen Platz pro Wohneinheit geben soll oder gar mehr oder eben deutlich weniger, weil man davon ausgeht, dass Car-Sharing betrieben wird und eine gute Stadtbahn-Anbindung vorhanden ist. Diese Hubs nehmen aber eben auch viel Platz ein.

    AntwortenLöschen
  3. Ich sehe derzeit in weiten Bereichen, dass das Pferd von hinten aufgezäumt wird. Im Nachbarqurtier (Mannheim, Franklin) hat man 0,8 Stellplätze pro Wohneinheit geplant. Man setzt dort auf Car-Sharing, Bus, Stadtbahn etc. Leider hat man versäumt, das zuerst zu bauen. In dem Quartier lebten schon hunderet von Menschen, da kam erst eine Buslinie (Linieführung und sonstige Anbindung fragwürdig) Jetzt wohnen da 5000 Menschen und jetzt wurde die Stadtbahnlinie eröffnet (leider nur in eine Fahrtrichtung (Mannheim) zunutzen, für andere Richtungen muss ein Riesenumweg im ÖPNV in Kauf genommen werden). Nahversorgung gibt es, glaube ich, seit ungefähr 3000 Einwohnern, aber auch nur weil es massive Forderungen danach gab. Jetzt besteht das Problem, dass alle Autos nutzen und der Platz nicht reicht. Die ersten zeihen schon weider weg, weil ihre Freunde nicht hinkommen, oder wenn sie da sind keinen Parkplatz finden.
    Wenn man schon solche Konzepte fährt, muss die Infrastruktur (Bus, Strassenbahn, Car sharing, Supermarkt, Schule, etc.) gleich zuanfang mitkommen und nicht hintennach, wenn sich alle privat um eine Mobilitätslösung kümmern mussten. Den Vorwurf muss ich den Planern machen. Ein Haus, dessen Stromanschluss drei Jahre nach dem Einzug installiert wird, kauft doch auch keiner. Aber auf Mobilität soll man jahrelang warten, aber bloss kein Auto nutzen.
    Karin

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Korrekt! Deshalb rühmt sich Wien auch zu Recht, dass die Tram schon ins neue Wohnquartier fährt, ehe die ersten Bewohner einziehen.

      Löschen
  4. Quartiersgaragen brauchen ja ein Grundstück, was in der Regel durch Umlegung erst zusammengelegt werden muss, was schnell mal 10 Jahre dauern kann. Des weiteren kostet eben ein ebenerdiger Stellplatz nur 5 bis max, 10 TD€ eine Garagenplatz aber ab 30 TD€ aufwärts, je nach Grundstück. Thomas

    AntwortenLöschen
  5. Jörg
    Wir haben an vielem Überschuss, denn sonst können wir nicht so leben wie wir wollen.
    Wie viele Schuhe hat eine Person in D? Wie viele Stühle stehen in einem 2 Personen Haushalt? Wie viele Sitze gibt es in Bussen und Bahnen?
    Warum ist das in Ordnung und beim Auto nicht?

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. scheinst ein besonders heller Zeitgenosse zu sein!

      Löschen
    2. Das Niveau hier sinkt schon seit geraumer Zeit.

      Löschen
    3. Jörg, das kannst du ja nur ironisch gemeint haben. Gell. Schuhe und Stühle stehen im privaten Raum, Autos stehen im öffentlichen Raum, Stühle und Schuhe sind klein, Autos sind groß und brauchen viel Platz.

      Löschen
    4. Wuff… ;-) Gruß Frank

      Löschen
    5. Jörg
      Das mit dem privatem Raum ist der Unterschied.
      Viele Mitmenschen sehen Parkplatzbeschränkungen als Eingriff in ihre Angelegenheiten.
      Wie z. B. Wenn ich maximal 3 Stühle im 2 Personen Haushalt haben darf. Und man mich auf Stuhl Sharing verweist Oder nur so abzaehltes Geschirr wie in einer Ferienwohnung.

      Löschen
  6. Bitte noch die Zahl 2.7050.000 Quadratmeter zu 2.750.000 Quadratmeter verbessern.

    AntwortenLöschen
  7. Danke für die Zusammenstellung! Da wäre viel Potential für Verbesserung.

    Passend dazu heute noch ein Artikel in der StZ (Paywall) über ein Stuttgarter Startup, das Parkplätze von Einkaufszentren besser auslasten will, vor allem nachts.
    Den Zentren geht es allerdings derzeit meist eher darum, Falschparker zu identifizieren.
    Ob die Nutzung sagen wir mal Mo-Sa 20-8 Uhr für viele so praktisch ist sei dahingestellt. Wenn es zu einer besseren Auslastung und Verlagerung weg von öffentlichen Straßen führt wäre es ja schon ein Erfolg
    https://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.start-up-in-stuttgart-wie-parkplaetze-besser-genutzt-werden-koennen.c60ac4fa-b9e7-4e39-8eb8-a5acc5070c02.html

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Den Artikel habe ich auch gelesen. In Kirchheim unter Teck gibt es bereits so eine Tiefgarage, wo die Nummernschilder gelesen werden. Ist allerdings ziemlich umständlich, um da wieder rauszukommen, weil man sein Nummernschild am Automaten eingeben muss. Da stehen dann große Schilder, dass man sein Kennzeichen parat haben muss, weil das viele eben nicht im Kopf haben.

      Löschen