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17. Juni 2024

Erfolgreicher Radentscheid in Göttingen

Es ist das erste Mal, dass Bürger:innen einer deutschen Stadt erfolgreich eine Verbesserung für den Radverkehr per Referendum durchgesetzt haben. 

Wie die taz berichtet stimmten 54 Prozent der Göttinger:innen für den "Radentscheid 1". Der viel weitergehende "Radentscheid 2" erhielt dagegen 55 Prozent Nein-Stimmen. Damit muss die Stadt jetzt den Radverkehr priorisieren, und zwar gegen über dem Autoverkehr und dem ÖPNV. Es soll Fahrradstraßen ohne Durchgangsverkehr von Autos geben, geschützte Radstreifen auf wichtigen Abschnitten, Kreuzungen fahrradsicher gestaltet und Ampeln rad- und fußgängerfrendlicher geschaltet werden. Radabstellanlagen sollen überdacht werden. Der "Radentscheid 2" enthielt konkrete Einzelmaßnahmen wie den Umbau einer Umgehungsstraße, den Abbau von Parkplätzen und Einbahnstraßenregelungen auf großen Straßen. Erzwungen hat die Klima-Initiative "Göttingen Zero" diese Abstimmung am 9. Juni per Bürgerbegehren, bei dem in kurzer Zeit mehr als die notwendigen Stimmen zusammengekommen waren. 

Und das gegen den massiven Widerstand aus der Politik und Verwaltung.

Weshalb das Ergebnis auch etwas überraschend ist. Sowohl die Spitze der Stadtverwaltung als auch die Gemeinderatskoalition aus SPD, CDU und FDP hatten, unterstützt vom Handwerk und Einzelhandel den Radentscheid, massivst abgelehnt und dabei, wenn man der taz glauben will, auch fragwürdige Kostenrechnungen aufgemacht. 

Es geht also. Deutsche Städte können sich für mehr Radverkehr entscheiden. Allerdings, wie mir scheint, nur dann, wenn aus der Vorlage nicht allzu deutlich hervorgeht, dass der Autoverkehr Fahrbahnen und Parkplätze hergeben muss und insgesamt verringert werden soll. Denn eine solche Vorlage (diesmal der Stadtverwaltung) ist in Marburg gescheitert. Die irrationale deutsche Angst, das Auto zu verlieren, ist derzeit noch unüberwindbar. Und auch in Göttingen wird es gigantische Kämpfe im Gemeinderat geben, wenn es um die konkrete Planung und den Bau von Radstreifen, Radwegen und Kreuzungen und um veränderte Ampelschaltungen geht, vor allem, wenn dafür Parkplätze wegfallen. Ich wünsche allen Fahrradinitiativen in Göttingen viel Kraft und einen langen Atem. 

12 Kommentare:

  1. Na dann viel Erfolg, bevor auch da in 5 oder 10 Jahren die AfD regiert.

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  2. Jörg
    Schon komisch in Stuttgart und anderswo konnte man den Bürgerentscheid schon mit Rechtsanwälten klein halten. Mal sei eine Forderung zu konkret mal sei die Forderung zu schwammig und unkonkret. So schön ist unser Anti Bürgerentscheid Rechts- und Politiksystem nicht. Mit so richtiger Demokratie hat das nicht viel zu tun. Volksvertreter werden von der Lobby leichter eingefangen als das ganze Volk.

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  3. Wir haben ja bereits überall in Deutschland erlebt, wie die etablierten Parteien solche Bürgerentscheide in der Umsetzung erfolgreich boykottieren und torpedieren sobald es irgendeine Änderung bzgl. Parkplätzen oder Verkehrsführung geben soll. Ich drücke den Initiatoren viel Erfolg, hab aber wenig Hoffnung auf eine zügige Umsetzung.

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  4. Selbst wenn, wohlwollend betrachtet, alles umgesetzt wird, muss es auch noch so umgesetzt werden, dass es hinterher besser ist als vorher - sonst bringt das ja auch nicht. Nur allzu oft denke ich, nicht nur hier in Stuttgart, dass man besser erst gar nicht angefangen hätte, "Fahrradinfrastruktur" zu bauen. Vor 30 Jahren bin ich auch nicht schlechter voran gekommen als heute.

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    1. Hallo Steffen, stimmt! Heute wird uns jede noch so verwinkelte, umwegige, mit Fußgängern bevölkerte Infrastuktur als Verbesserung verkauft. Mitten auf der Fahrbahn fährt es sich am sichersten und besten.
      Thomas

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    2. Ich hatte neulich im Schwarzwald die Situation, dass am außerorts rechten Fahrbahnrand der B28 ein Radstreifen markiert war (gestrichelte Linie). Kurz vor einer Kreuzung war rechts eine Bushaltestelle, vor der man natürlich von der Fahrbahn auf den Gehweg geführt wurde (verpflichtend), damit man durch die Wartendenden brettert (außerorts bergab fährt man ja normal nicht langsam. Am Ende der der Haltestelle wurde der Gehweg aprupt so schmal wie ein Fahrrad, dann wurde man nach links über die B28 geschickt (dort war eine Verkehrsinsel in der Mitte der Straße). Dahinter ging es auf einem Gehweg weiter, der sofort die Straße überquerte, die hier in die B28 mündete (war ja wie gesagt an einer Kreuzung).

      Hinter der Verkehrsinsel gab es eine Linksabbiegespur. Abgesehen davon, dass ich mich nicht auskannte und naiv dachte, es gäbe jetzt wieder einen guten Radweg irgendwo rechts neben der Straße, darf man da ja gar nicht auf der Straße weiter fahren und die Linksabbiegespur benutzen und so im Schwung auf den nun linksseitigen Radweg fahren.

      Ich dachte ich wäre in Stuttgart. Aber der Mist ist auch noch flächendeckend...

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    3. Lieber Steffen, das sehe ich nicht so. Ich kenne Leute, die in den 80er Jahren in Stuttgart Rad gefahren sind, und das war Wildwest und das haben nur die Mutigesten und Jüngeren gemacht. Der Radverkehr ist in Stuttgart stark gestiegen, nicht nur dank Pedelecs, sondern auch, weil es mehr sichtbare Radinfrastruktur gibt. Fahrbahnradeln ist nicht die bessere Alternative, zumindest für die meisten Leute nicht, die Rad fahren wollen.

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    4. Ich fahre seit den 90er Jahren in Stuttgart mit dem Rad umher und erlebe keine großartige Verbesserung.

      Natürlich, es wurde viel gebaut und an einigen Stellen ist es besser, dafür ist es an anderen Stellen schlechter (Murx). Das gleicht sich unterm Strich aus. So viel, wie die letzten Jahre für Radfahrer gemacht wurde und so viel Geld, wie ausgegeben wurde, das sollte man eigentlich eine deutliche Verbesserung spüren!

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  5. Ich hab mir das jetzt mal

    https://radentscheid-goe.de/#/#downloads

    zu Gemüte geführt, und muss sagen, dass ich da nahezu nichts gefunden habe, was ansatzweise geeignet wäre die weiteren Anstiege des MIV zu begrenzen, geschweige denn sowas wie eine 'ökologische Verkehrswende' anzustoßen oder voranzutreiben.
    Wie überall bei den 'Radentscheiden' hat sich die 'dogmatische' lets-go-dutch Fraktion mit 'Radverkehr möglichst überall vom kfz-Verkehr trennen' und 'Fahrradstraßen nur echt ohne Autoverkehr' durchgesetzt.
    Optimistisch gesehen kann so vielleicht mit viel Glück das weitere Wachstum des MIV innerhalb(!) der Kernstädte reduziert werden, aber nach Abzug der Rebound- und Backfireeffekte mit Blick auf die längeren MIV-Fahrten (Stadt-Umland usw) bleibt für Klima und Umwelt unterm Strich mal wieder nichts übrig.
    Dass mit der gerade vollzogenen weitgehenden Universalisierung des Trends zum Aufbau einer erweiterten 'zweiten Straßeninfrastruktur' aka Radwegenetz die Flächenversiegelung zusätzlich ansteigt, der Autoverkehr zusätzlich beschleunigt wird, die MIV-Kapazität gerade auf den langen Strecken erhöht wird, scheint derweil wohl eher unterm Teppich bleiben zu sollen.
    Die Probleme, die der Autoverkehr ökologisch anrichtet, werden mit sowas nicht gelöst, sondern nur für einige Gruppen auf Kosten weiterer Eingriffe in die Natur nach dem Motto 'Aus den Augen aus dem Sinn' für den Vollzug der eigenen individuellen Mobilitätsbedarfe abgemildert. Typisch auch, dass die Bedarfe des ÖPNV (DAS inklusive Verkehrsmittel für alle) kaum eine Rolle spielten, ja die ÖPV Zuständigen noch nicht mal im Vorfeld überhaupt auch nur kontaktiert worden sind.
    Also wie so oft:
    Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass
    Alfons Krückmann

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    1. Zitat: "Dass mit der gerade vollzogenen weitgehenden Universalisierung des Trends zum Aufbau einer erweiterten 'zweiten Straßeninfrastruktur' aka Radwegenetz die Flächenversiegelung zusätzlich ansteigt"

      Das ist pauschal Unsinn, dass das nicht den Tatsachen entspricht kann man leicht in den Niederlanden sehen. Wenn dem Autoverkehr die überproportionale Flächennutzung weggenommen wird, was längst überfällig ist, und der anderen Verkehrsteilnehmern zugestanden wird, kommt es nicht zu zusätzlicher Flächenversiegelung. Dass zusätzlich der ÖPNV dramatisch verbessert werden muss, um eine weitere Alternative zum Individualverkehr zu schaffen ist eine Binsenweisheit, aber das Geld möchten Kommunen, Länder und Bund eben auch nicht in die Hand nehmen. Wird vermutlich auch nicht besser werden, solange ein Vasall der Autoindustrie im Bundesverkehrsministerium sitzt.

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    2. So sehe ich das auch. In Städten wie Stuttgart kann man kaum irgendwo eine separierte Radinfrastruktur hinlegen, die muss auf die vorhandenen Fahrbahnen, was bedeutet, dass der MIV Platz weggenommen kriegt. Deshalb gibt es ja auch diese gigantischen Kämpfe in den politischen Gremien. Und falls einmal für den Radverkehr ein Stück Weg über Land versiegelt wird, dann sollten wir bedenken, welche Unmengen für Autos versiegelt wurden und immer noch werden, damit Autofahren bequem ist. Da dürfen wir Radfahrenden auch mal eine glatte Wegstrecke kriegen, auf der wir angstfrei radeln können, finde ich.

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    3. Es geht aber doch gar nicht um "einmal ein Stück Weg", sondern um die Tendenz den Radverkehr nach und nach auf allen Bundes- Landes- und Kreisstraßen auf zusätzlich gebauten separaten Wegen zu führen.

      Ich hatte das hier vor knapp 2 Wochen in einem Kommentar schonmal grob abgeschätzt:
      "Wir reden dabei, abzüglich der Autobahnen, von ca. 215.000 Straßenkilometern des überörtlichen Verkehrs.
      Halbwegs sicher nutzbare Kapazitäten für den Radverkehr brauchen im Zweirichtungsverkehr Breiten ab 3 Meter. Macht pi x Daumen eine zusätzliche Versiegelungsfläche von 60.000 Hektar (ca. das zehnfache der zur Zeit verbrochenen jährlichen Bodenversiegelung), plus die durch die Autobahnisierungseffekte induzierten Folgen der zusätzlich induzierten MIV-Fahrleistung.
      Wie und womit soll denn das kompensiert werden?
      Versiegelte Flächen sind nicht einfach durch Entsiegelung wieder instand zu setze, das dauert lange bis sich die Böden erholen.
      Sehr lange sogar."
      Das ist m.E. mitnichten eine geringfügige Versiegelung, zumal nicht davon auszugehen ist, dass dabei der Autoverkehr auf den ökologisch relevanten Fahrten reduziert wird.
      Es steht dem ökologischen Nachteil der kommenden zusätzlichen Versiegelung also noch nicht mal ein kompensierender ökologischer Vorteil gegenüber.
      Alfons Krückmann

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