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3. Oktober 2024

Es wird unfassbar teuer, wenn wir unsere Mobilität nicht ändern

Je länger wir mit der Verkehrswende warten und Entscheidungen zugunsten von Fahrrad, Bus und Bahn und Fußverkehr verschieben, desto teurer wird es für uns. 

Wir geraten schnell in Kosten von 9,7 Billionen Euro, die wir aufbringen müssen, wenn wir nicht zügig anfangen, im Verkehrssektor klimaneutral zu werden. Das schreiben die Welt und das Handeslblatt unter Berufung auf Berechnungen von Agora Verkehrswende. "Der Preis bemisst sich entweder in Geld oder in Treibhausgasen, mit all den damit verbundenen Risiken" (Überschwemmungen, Stürme, Trockenheit, gesundheitliche Folgen großer Hitze, soziale Verwerfungen, Kriege etc.), heißt es. Wenn wir bei der aktuellen Verkehrswendepolitik (samt Planungen) bleiben, verfehlen wir dass Klimaziel für 2030 und 2045 (0 Emission). Würden wir ab 2030 deutlich ambitioniertere Maßnahmen treffen, um bis 2045 Klimaneutralität zu erreichen, dann würde das teurer, als wenn wir im kommenden Jahr anfangen würden. Natürlich sind wir nicht allein auf der Welt, die anderen Länder müssen auch mitmachen. Allerdings, wenn wir sagen, die anderen sollen anfangen, erst dann machen wir auch was, dann wird das auch für uns in Deutschland halt sehr teuer. Und in Paris hat man bereits angefangen. 

Die Berechnungen (weiter so, schneller oder sehr schnell) gehen von einer gleichbleibenden Mobilität aus. Ob wir die Reduktion des CO2-Ausstoßes schaffen oder nicht, hängt davon ab, wie schnell der Verkehr vom Auto auf Busse, Bahnen und vor allem das Fahrrad verlagert wird. Ersetzen wir nur fossile Verbrennungsmotoren durch andere Antriebe, hauptsächlich Elektro, dann gelingt uns das nicht.

Vor allem für Pendler:innen braucht die Politik einen Plan, damit sie künftig klimafreundlich zur Arbeit kommen können. Sie bei steigenden Energiepreisen immer nur finanziell zu entlasten, ist kein Plan. Wie Forschen und Wissen berichtet, sagen die Autor:innen der Agora-Studie, die Autoprivilegien müssten deutlich reduziert werden: "Nur wenn die Pendelnden für die tatsächlichen Kosten für Autobesitz und Autonutzung aufkommen müssen, wird der Umstieg auf alternative Verkehrsmittel in Erwägung gezogen." Die Fahrt zur Arbeit mit Bus, Bahn oder Fahrrad muss im Gegenzug deutlich attraktiver gemacht werden. Gleichzeitig muss nicht nur das Radverkehrsnetz, sondern vor allem das Nahverkehrsnetz massiv ausgebaut werden. Entscheidend ist eine Tür-zu-Tür-Mobilität, wobei man dabei nicht den Fußmarsch zur Haltestelle versteht, sondern, dass man zur Arbeit laufen kann oder mit dem Fahrrad oder Quartiersbussen zum nächsten Bahnknotenpunkt fährt.

Hinzu kommt, dass Europa, aber auch Deutschland auf alte und komplizierte Technologien setzt, beispielsweise den Verbrenner, statt auf neue und zukfunfstweisende, einfache und künftig für die Verbraucher:innen billigere Technologien. Der Spiegel hat dazu einen Artikel veröffentlicht, der lesenswert ist. Woanders, in den USA und in China (oder in Städten wie Paris), ist die Transformation längst im Gange und bei uns jubeln die Konservativen, dass das E-Auto sich gerade schlecht verkauft. So geht wirtschaftlicher Untergang. 

8 Kommentare:

  1. Ich sehe hier in Deutschland das Dienstwagenprivileg als zentrales Hindernis für die Verkehrswende. Durch die Nutzungsflatrate fahren die Leute ungehemmt mit ihrem Dienstwagen in der Gegend herum.
    Neulich erzählte mir eine Bekannte, dass ihr Sohn den ihm vom Arbeitgeber gerne ausgeschlagen hätte (um die 1% zu sparen), das aber nicht durfte. Wie kann so etwas sein?
    Dienstwägen sind meistens auch Ikonen für Platz in der Unternehmenshierarchie. Kein Wunder, dass es so gut wie kleine Dienstwägen aus der Kompaktklasse und gar als Kleinwagen gibt.
    Und jetzt hat unser grüner Wirtschaftsminister sogar noch das Limit auf 95.000 € hoch gesetzt, bis zu dem Elektroautos als Dienstwagen subventioniert werden
    Ich verstehe wirklich nicht wie die grüne Politik überhaupt mit dieser extremen Schizophrenie leben kann. Für mich macht das die grüne Klimapolitik komplett unglaubwürdig - so wie es aktuell bei den Wahlergebnissen aussieht, bin ich zum Glück nicht er einzige...

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    1. Ja stimmt schon, ist aber m.E. kein Grund grüne Klimapolitik generell in Frage zu stellen. Das Dilemma bzw. die ökologische Dyfunktionalität besteht ja nur in Bezug auf die reale Politik der Grünen Partei, nicht auf 'grün' bzw. ökologisch ausgerichtete Politik insgesamt, die allerdings derzeit leider keine parlamentarische Vertretung hat, sondern sich bis auf Weiteres auf den außerparlamentarischen Bereich beschränkt.
      Auch die fatale Problem-Verlagerung von klimapolitischen Belangen auf die Verschärfung der 'sozialen Frage' (entfallendes Klimageld, Steuerung über den Preis statt über Ordnungspolitik, etc. etc, etc.) ist ein Irrweg der Grünen Partei, welcher leider die Klimabewegung insgesamt immer weiter zu diskreditieren droht und zudem den gesellschaftlichen Rechtsruck weiter verstärkt.
      Die Perspektiven sehen nicht gut aus, und es ist zu befürchten, dass der Titel des Blogartikels realistisch gesehen umformuliert werden kann in:

      "Es wird unfassbar teuer, weil wir unsere Mobilität nicht ändern"

      Wobei das "unsere" und das immanente "wir" die Ursachen der Entwicklung verdeckt.
      Es ist ja kein kollektives 'Wir', das eine zukunftsgerechte Entwicklung blockiert, sondern es sind sehr handfeste Interessen von Industrie und von renditedurstigen Kapitalbesitzenden, die zusammen mit Medienkonzernen und politischen Chefetagen die Belange der oberen 10% über die Belange der Weltbevölkerung stellen.
      Alfons Krückmann

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  2. Der beste Hebel ist bei den variablen Kosten. Derzeit wird, je nach Studie, jeder gefahrene Autokilometer von der Allgemeinheit mit 20-30 Cent bezuschusst. Gehen wir von einem "Vernunftauto" mit 5 Liter/100km Verbrauch aus sollten daher 4-6 Euro auf jeden Liter raufgeschlagen werden. Leider sind 4-6 Euro nicht realistisch, die Hälfte allerdings schon. Schwieriger wird das mit den Elektroautos, aber da dort ja bei diesen Spritpreisen nicht mehr subventioniert werden müsste kann man die KFZ-Steuer erhöhen. Technisch wären auch "Fiskaltaxameter" möglich. Anwohnerparkausweise müsse so bepreist werden dass gegenüber dem Abstellen auf Privatgrund nicht mehr gespart wird, also 2-4 Euro pro Tag (ca. 60-120 Euro pro Monat).

    NB: ich habe meinem Chef "hart" gesagt dass ich keinen Dienstwagen will. Leider macht die Firma "Jobrad/Businessbike" nicht für S-Pedelecs, unsere Personaler sind zu (denk-) faul für die Bearbeitung der Kfz-Haftpflicht für "bloße Fahrräder". Bezuschusst wird "Jobrad/Businessbike" auch nicht obwohl die Durschnittskosten für einen Mitarbeiterparkplatz je nach Standort pro Jahr 1000-3000 Euro sind.

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    1. Vielleicht sollte dabei zunächst analysiert werden in welcher GEsellschaft wir mittlerweile leben?
      Für Geringverdienende, die eh oft Kleinwagen fahren (wenn auch nicht teure Super-sparmodelle) stellt das eine weitere Verschärfung gesellschaftlicher Ausgrenzung und entzogener Teilhabe dar, während Spritpreisverdopplungen oder Vervierfachungen für vermögende Teil 'unsere' Gesellschaft keinen Grund darstellt auf 3 Tonnen schwere SUV Klimakiller zu 'verzichten'.
      Steuerung über den Preis verkennt in den meisten Fällen die Strutur der gegenwärtigen 'Multikrise'.
      Ungleichheit bzw. ökonomische Ungerechtigkeit stellt zudem schon für sich genommen einen wesentlichen Treiber von Klimakrise und anderen Umweltkrisen dar.
      Sowas funktioniert nur im Rahmen einer 'push&pull'-Politik, die die Tatsache berücksichtigt, dass es eben nicht der ökonomisch ärmere Teil der Bevölkerung ist, der für die eskalierenden Umweltkatastrophen verantwortlich ist, sondern der reichere, der vermögende Teil der Bevölkerung, welcher sinnvollerweise denn auch durch Preissteuerung zu adressieren wäre, was aber bei den allermeisten Vorschlägen systematisch nicht der Fall ist, sondern der gegenteilige Effekt ausgelöst wird.
      Bei Vorliegen einer Multikrise ist es i.d.R. nicht hilfreich mit Scheuklappen nur eine der Krisenherde zu bearbeiten, ohne für die anderen gleichfalls existentiellen Krisenebenen eine Folgenabschätzung mit positivem Ergebnis gemacht zu haben.
      Alfons Krückmann

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  3. Wir bräuchten, mehr denn je, eine positive Vision einer Zukunft ohne fossile Energien, wie es Rob Hopkins schon vor über 15 Jahren erklärt hat.
    Leider wird jede solche Vision, wie ich auch selbst in langen und ermüdenden Diskussionen erfahren habe, von den Verteidigern des Status Quo erbittert bekämpft. Und zwar leider bisher mit Erfolg, wie z.B. auch die letzten Wahlergebnisse zeigen. Man hat es doch tatsächlich geschafft, diejenigen, die (und sei es auch nur ein bisschen) die Zukunftsprobleme anpacken wollen, zum Buhmann zu machen...

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  4. Die Frage ist für wen es teuer wird.
    Die Industriestaaten generell haben heute schon Angst vor einer solidarischen Wirtschafts- und Handelspolitik. Zudem ist Ordnungspolitik extrem unpopulär seit den Zeiten des Neoliberalismus. "Ich lass mir doch nicht verbieten in Urlaub zu fliegen, ein tolles Auto zu kaufen und damit mein Kind in den Kindergarten zu fahren, mein Schnitzel zu essen" usw.
    Unsere Politik ist ein Abbild der Durchschnittsgesellschaft, da wird sich nix ändern, es sei denn jemand redet endlich sehr deutlich Klartext und stellt sich gegen Oligarchen Interessen und Macht Politik für den Großteil der Gesellschaft.
    Das fängt mit einer durch alle Bereiche angemessenen Steuerpolitik an uns hört mit einer sehr aktiven Wohnungspolitik nicht auf.

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  5. Das Dienstwagenprivileg ist sicherlich nicht das primäre Hindernis der Verkehrswende.
    Ich fahre einen Dienstwagen. Hätte ich den nicht, dann hätte ich halt ein eigenes Auto, so wie vor dem Dienstwagen. Mein Problem ist, 1., mein Pensum könnte ich ohne Auto nicht leisten, 2. der Weg mit dem ÖPNV dauert einfach 1,25h mit 2mal umsteigen. Seit Jahren ist diese Fahrtzeit ansteigend, statt dass sie sich durch bessere Linienangebote verkürzt. Ich kontrolliere das regelmäßig. Als nächstes kommt hinzu, dass die Firma für die ich arbeite, an einer Strasse ohne Gehweg und Beleuchtung liegt. D.h. ich muss auf der Fahrbahn laufen, als Frau, im Dunkeln? Wohl kaum. Die Alternativroute, ein Weg hinter den Gärten mit vielen uneinsehbaren Ecken. Als Frau? Wohl kaum.
    Ich könnte mit dem Rad fahren, dauert eine Stunde, auch schon ausprobiert. Über die Landstrasse, mit Radweg und/oder freigegebenen Gehwegen und/oder ohne, aber mit Nahtoderfahrung. Auch nicht erstrebenswert. Eine Alternativroute? Keine Ahnung, ich bin doch kein Pfadfinder. Radroutenplaner kennen Wege, die nochnichteinmal Wege sind, auch schon ausprobiert.
    Die Verkehrswende hängt als allererstes mal an einem attraktiven Nahverkehr, der auch in Querverbindungen nutzbar ist, der besser vernetzt ist und bei dem man nicht immer Umwege fahren muss, bloss weil jemand der Meinung ist, ÖPNV muss immer sternförmig auf den Bahnhof zuführen und eine Vernetzung von Bahn, Tram, Bus und Fahrradmitnahme wird überbewertet.
    Übrigens habt unserer ÖPNV (RNV) zugegeben, dass er 5% mehr Fahrgäste überhaupt nicht verkraften kann. Also braucht es auch mehr Kapazität, dann wird es auch was mit der Verkehrswende. Bessere und mehr Verbindungen bringen auch mehr Fahrgäste. Karlsruhe hat es schon vor über 20 Jahren vorgemacht als sie die Tram auf die Bahnschiene gebracht haben. So geht ÖPNV.
    Karin

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