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21. September 2024

StVO-widrig: Stella-Roller müssen auf dem Gehweg parken?

Ein Stella-Roller auf dem Gehweg. Verboten? Nein, das muss jetzt so. Dafür ist das Abstellen am rechten Fahrbahnrand in Stuttgart nun verboten. 

Das widerspricht allerdings der Straßenverkehrsordnung. Kraftfahrzeuge, dazu gehören auch Mopeds und Motorräder (übrigens auch E-Scooter), dürfen nicht auf Gehwegen geparkt werden. Grundsätzlich muss am rechten Fahrbahnrand oder auf entsprechenden Parkflächen geparkt werden. Es sei denn zusätzliche Verkehrszeichen regeln das anders. Bis Anfang September galt das auch in Stuttgart und damit auch für die Sharing-Mopeds Stella der Stadtwerke Stuttgart, die inzwischen nicht mehr blau, sondern rot sind. Auf der Internetseite lasen wir noch im August: "Auf allen Bürgersteigen, Fuß-/Geh- und Radwegen gilt ein ABSOLUTES Fahr- und Parkverbot für unsere stella-Elektro-Mopeds. Achte bitte darauf, das stella-Elektro-Moped immer so zu parken, dass keine anderen Personen durch das Elektro-Moped behindert oder gar gefährdet werden." 

Jetzt haben Stella-Mitglieder eine E-Mail erhalten, in der sie darauf hingewiesen werden, dass sie ihre Mopeds unter Androhung von Strafe bei Zuwiderhandlung auf dem Gehweg abzustellen haben (natürlich so, dass Rollstühle und Kinderwagen noch vorbeikommen). Auf der Internetseite heißt es jetzt: "Stella-Roller müssen ab September auf Gehwegen abgestellt werden, Fahrbahnparkplätze sind verboten." 

Ich staune. Wer hat das denn verboten? Das Amt für öffentliche Ordnung?  Und vor allem: Auf welcher rechtlichen Grundlage werden Nutzer:innen bestraft, wenn sie den Roller StVO-konform am Straßenrand abstellen? 

Das ist ein Paradigmenwechsel zum Nachteil der Menschen, die zu Fuß gehen.

In einem Bericht der Stuttgarter Nachrichten über illegal auf Gehwegen abgestellte Stella-Roller (damals noch blau) bekräftigte 2022 die Stadt Stuttgart noch, die E-Roller sollten am besten auf einem ausgewiesenen Motorrad- oder Motorrollerstellplatz abgestellt werden, können aber auch auf allen ausgewiesenen öffentlichen Parkplätzen kostenfrei abgestellt werden.“ So sah es auch 2020 die Cannstatter Zeitung: "Der Gehweg ist kein Parkplatz." 

bislang illegal
Die Verkehrsregel, dass Roller, Mopeds und Motorräder nicht auf Gehwege gestellt werden dürfen, gilt aber noch in Deutschland. Die Versichererseite Ergo schreibt: "Sie dürfen und müssen nach den gleichen Regeln parken wie Autos auch. Im Klartext bedeutet dies, dass Sie den Roller nur auf den gekennzeichneten Flächen abstellen dürfen. Oder Sie parken Ihr Motorrad am Straßenrand, wenn dort kein Parkverbot besteht. Auch wenn der Roller schmal ist und wenig Platz wegnimmt. Auf dem Bürgersteig dürfen Sie dennoch nicht parken. In manchen Gemeinden wird zwar ein Auge zugedrückt. Darauf verlassen sollten Sie sich aber nicht. Und spätestens wenn Sie Fußgänger behindern, ist Schluss mit dem Verständnis."

Die Stadt Stuttgart ist nun also entschlossen, nicht nur "ein Auge zuzudrücken", sondern zwingt zum Verstoß gegen die StVO. Es geht auch nicht mehr darum, dass man das Roller-Parken auf Gehwegen duldet, sondern darum, dass man das Roller-Parken am Straßenrand bestraft. Auf welcher rechtlichen Grundlage eigentlich? 

bislang illegal

 Kurios: Im Jahr 2020 konnte das vom Bundesverkehrsministerium in Erwägung gezogene Parkverbot für Fahrräder am Fahrbahnrand abgewendet werden, Räder müssen also nicht auf Gehwegen abgestellt werden. Sie werden es meist, sie sind auch deutlich schmaler als Kleinkrafträder. Während man Fahrräder am Straßenrand abstellen kann (beispielsweise breite Lastenräder), soll es für in Stuttgart für E-Roller ein Parkverbot am Fahrbahnrand geben? Wirklich? Noch mal: Auf welcher rechtlichen Grundlage? 

neuerdings legal und Pflicht
Der Hintergrund dieser Anordnung (von Stella oder vom Amt?) ist Recherchen der Grünen in Stuttgart Süd zufolge, dass die Stella-Roller, die auf kostenpflichtige Parkplätze gestellt werden, nicht wie Sharing-Autos einfach von der Parkgebühr befreit sind, und zwar allein deshalb nicht, weil sie keine Windschutzscheibe haben, hinter der man sie als gebührenfreie Sharing-Fahrzeuge kennzeichnen kann. Es gibt seit 2017 ein Carsharing-Gesetz, das Bevorrechtigungen für Sharing-Fahrzeuge regelt. Dort steht unter "§ 4 Kennzeichnung", dass Bevorrechtigungen nur für die Fahrzeuge gewährt werden dürfen, die mit einer deutlich sichtbaren Kennzeichnung als Carsharing-Fahrzeuge versehen sind. Was auch für Sharing-Mopeds gelten könnte (das Kennzeichen könnte man ja aufs Gerät kleben). In § 39 Absatz 11 der StVO steht präziser: "Carsharing-Fahrzeuge sind Fahrzeuge .... in denen die Plakette deutlich sichtbar auf der Innenseite der Windschutzscheibe anzubringen ist. (mit Dienstsiegel)." 

Wir sehen wieder einmal, dass der Gesetzgeber unter "Fahrzeugen" prinzipiell nur Autos versteht, denn das Wort steht in diesen Gesetzestexten synonym für "Carsharing-Fahrzeuge",("Car" = engl.: "Auto"), und sich Sharing-Mopeds nicht vorstellen konnte und kann und auch nicht will. Ich kann nur hoffen, dass das Landesverkehrs- oder Justizministerium hier schnellsten Klarheit schafft, damit die Stella-Roller wieder runter kommen von den Gehwegen. 

Nachtrag (2. Okt.): Das Amt für öffentliche Ordnung stellt klar, dass eine solche Anordnung nicht von ihm kam. Das habe sich Stella selber ausgedacht. Parkverstöße - also das Abstellen der Stella-Mopeds auf Gehwegen - würden im Rahmen der Verkehrsüberwachung "nach pflichtgemäßem Ermessen" verfolgt. 

Nachtrag (14. November): Das Thema wurde inzwischen zwischen Ordnungsamt und Anbieter geklärt. Die Hinweise auf der Stella-Internetseite sind nun wieder im Einklang mit der StVO. Da heißt es: "Auf allen Bürgersteigen, Fuß-/Geh- und Radwegen gilt für unsere stella-E-Mopeds ein ABSOLUTES Fahr- und Parkverbot." Mir bleibt schleierhaft, wieso der Anbieter die Abstell-Regeln so eigenmächtig für sich und seine Fahrzeuge ändern konnte.


18 Kommentare:

  1. Aber man muss doch auch einmal an die Autofahrer denken - der wertvolle Parkraum!
    Thomas

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  2. Wenn diese Anordnung tatsächlich vom Amt kommen sollte dann hoffe ich doch, dass dagegen jemand klagt und der/die verantwortliche Person eine Abmahnung bekommt.

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  3. danke fuer den artikel. als lieferfahrer habe ich mein fahrrad nur kurz zur abholung am strassenrand geparkt (tagsueber, trotzdem mit beleuchtun) und habe gesehen, wie das fahrzeug vor mir mein fahrrad touchiert hat. gluecklicherweise ist es nicht umgefallen und es gab keinen schade. dennoch parke ich deswegen ungern am fahrbahnrand, weil mein fahrrad schlichtweg uebersehen werden kann von den sperrigen parkenden pkws.

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  4. Ich hoffe ebenfalls, dass jemand gegen diese Anweisung vorgeht. Wieso stellt sich die Stadt über geltende Regeln/Ordnungen?

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  5. die es können wollen uns nicht.
    die uns wollen können es nicht.

    aber im zweifel sind ja eh fremde und arme an allem schuld.

    karl g. fahr

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    1. Immer schön ausformuliert und trotzdem polemisch.
      Aber hey! Diesmal wenigstens nicht in Romanform.

      Grüßle Maria

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  6. Als Fußgänger, Radler, ÖPNV- und Sharing-Nutzer lässt mich diese neue Regelung einigermaßen sprachlos zurück. Naja nicht ganz. Siehe: https://www.linkedin.com/posts/reinhard-otter-4622511_carsharing-parkingday-carsharing-activity-7242900909830066176-J7VJ?utm_source=share&utm_medium=member_ios

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  7. Eine Stadt kann nchit einfach die bundesweit geltende STVO außer Kraft setzen. Das ist rechtlich nicht möglich und ein Strafzettel ist dann obsolet.
    Wollen wir wieder zur Kleinstaaterei zurück, wo in jedem Kaff auch eine eigen Uhrzeit gilt?
    Karin

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  8. ... schon vor über 20 Jahren haben nette Autofahrer mein ordnungsgemäß abgestelltes Motorrad umgeworfen (mit Zettel dran, dass es ja einen Parkplatz blocjkert hat)
    Ich weiß nicht, ob die versucht haben das Krad mit eingelegtem Lenkerschloss zu schieben und gescheitert sind, oder ob umwerfen das eigentliche Ziel war.
    Auf alle Fälle war der eigene Anspruch auf einen Parkplatz im öffentlichen Raum so wichtig, dass man das Eigentum anderer beschädigen darf.

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  9. "Jetzt haben Stella-Mitglieder eine E-Mail erhalten, in der.... " Von wem haben die Stella-Mitglieder denn diese E-Mail erhalten? Vom Amt für öffentliche Ordnung, oder von Stella? Und wie lautet diese Mail denn genau (Text!)? Bitte prüft doch erstmal alles genau, bevor hier auf "jemanden" losgegangen wird. Vielleicht hat auch nur Stella selbst aus irgendeinem Hinweis die Folgerung gezogen, dass man alle Mitglieder in einer bestimmten Art und Weise instruieren müsse, um künftigen Ärger zu vermeiden? "Natürlich" will ich nicht ausschließen, dass das AföO (mal wieder) seltsame Kapriolen schlägt, was auch keine absolute Überraschung wäre.... Aber erst sollte man mal klären, wer was geschrieben hat. Dann gibt es immer noch genügend Raum für Aufregung, falls nötig.

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    1. Nein, so ist das nicht. Stella ist nicht von selber auf die Idee gekommen, die StVO außer Kraft zu setzen. Die Strafzettel wegen auf der Fahrbahn geparkter Stella-Roller, die die EnBW bereits zugeschickt bekommen hat, hat sie auch an die jeweiligen Fahrer:innen nicht weitergeleitet, wie ich gehört habe. Man wartet eine Klärung ab.

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  10. Ich kenne das anders: E-Tretroller dürfen/müssen auf dem Gehweg parken. Siehe
    https://www.juraforum.de/news/rechtslage-fuer-e-scooter-in-deutschland_248381
    Wo darf man Elektroroller abstellen bzw. parken?
    https://www.anwalt.de/rechtstipps/e-scooter-die-wichtigsten-regelungen-194793.html
    Wo dürfen E-Scooter geparkt werden?
    https://www.advocard.de/streitlotse/verkehr-und-mobilitaet/e-scooter-fahren-die-wichtigsten-verkehrsregeln/
    Überall dort, wo Fahrräder stehen dürfen, dürfen normalerweise auch E-Scooter abgestellt werden.
    https://www.gesetze-im-internet.de/ekfv/BJNR075610019.html
    § 11 Allgemeine Verhaltensregeln – (5) Für das Abstellen von Elektrokleinstfahrzeugen gelten die für Fahrräder geltenden Parkvorschriften entsprechend.
    https://www.bussgeldkatalog.org/fahrrad-parken/ u.v.a.m.

    Wie ist Deine Auslegung der StVO begründet?

    Viele Grüße

    Rainer

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    1. In jeder deiner Quellen steht, dass Scooter am Straßenrand abgestellt werden dürfen.
      Hannes

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    2. Es geht oben um Roller, nicht um E-Tretroller. Und was die letzteren angeht: In wirklich jeder deiner Quellen steht, dass E-Tretroller am Straßenrand stehen dürfen (daher, diese dürfen aber müssen *nicht * auf dem Gehweg parken).
      Hannes

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  11. Die Bezirksregierung muss einschreiten, ist die schon informiert worden?

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    1. Auf der stadtpolitischen Ebene sind alle informiert. Du meinst vermutlich den Bezirksbeirat. Der kann da nicht einscheiten, er ist ein beratendes Gremium, aber der Gemeinderat muss tätig werden.

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  12. Zweiräder sind eigentlich schon immer -inoffiziell- von Parkregelungen ausgenommen, da -wie du schreibst- Zweiräder nicht über eine Windschutzscheibe verfügen, hinter der man einen Parkschein Diebstahlsicher verwahren könnte. Daher habe ich auch noch nie erlebt, dass ein Zweiradfahrer einen Parkschein lösen musste oder für das Stehen im Parkverbot belangt wird. Das nun ausgerechnet der kleine formale Akt der "Kennzeichnung von Sharingfahrzeugen" den Stellas zum Verhängnis wird und diese nun vorsätzlich gegen die StVO geparkt werden sollen, weil man sonst andere Regeln -nämlich die der Parkraumbewirtschaftung- missachten müsste, ist einfach nur absurd, aber gleichzeitig klingt es für Stuttgart schon wieder plausibel, weil Verkehr=Auto, sonst nix.

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  13. Vor allem als Eltern wenn man mit Kindern unterwegs ist, die auf dem Gehweg fahren müssen (Bis 8J und dürfen bis 10J) mit Tretroller oder Fahrrad, sind Hindernisse wie Mülltonnen, Roller usw. besonders problematisch, mein Sohn ist schon mal an einer Tonne hängen geblieben und gestürzt. In unserer Gemeinde ist das aber für Mülltonnnen am Tag der Leerung legal, die auf den Gehweg zu stellen.
    Auch auf dem Gehweg parkende KFZ sind sehr gefährlich, ihr wisst das eh, da hatte ich auch schon brenzliche Situationen und Auseinandersetzungen mit KFZ Führenden...
    Wenn dann auch noch behördlich weitere Hindernisse angeordnet werden - gute Nacht :-(
    Durch die (zumindest bei uns) zunehmend häufiger als Drittfahrzeug angeschafften Campingvans und Wohnmobile wird die Parksituation noch schlimmer. Das Abstellen von Privaten KFZ im öffentlichen Raum müsste einfach viel teuer werden und die Einhaltung der "Parkordnung" streng kontrolliert. Aber unsere Gemeinde macht da auch nach Hinweisen gar nichts. Regelmäßig parken im Halteverbot von dem Kindergarten - egal.
    Sorry, das war jetzt etwas ausschweifend, aber das Thema ärgert mich so, vor allem weil es eher schlechter als besser wird..

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