Seiten

11. Januar 2025

Sind die Subventionen des Autoverkehrs eigentlich verfassungskonform?

Ein Blogleser hat sich und mir die Frage gestellt, ob es überhaupt verfassungskonform ist, wenn ein Verkehrsträger derart massiv subventioniert wird wie bei uns das Auto. 

Wo steht im Grundgesetz genau geschrieben, fragt er, dass das Auto offiziell Verkehrsträger Nummer 1 ist und deshalb überall Vorrang hat? Nämlich was Finanzierung, Bezuschussung, Wegebau und Toleranz für seine soziale und gesundheitliche Schädlichkeit betrifft. Das Jobcenter bezahlt den Führerschein für Leute, die eine Anstellung in Aussicht haben haben, für die sie Führerschein brauchen, aber nicht selber bezahlen können. Immer wieder reden (auch grüne) Politiker davon, dass Azubis einen Zuschuss bekommen müssten, weil der Führerschein mit 4000 so teuer geworden sei. 

Wer finanziert dem Azubi die 4000 Euro für das E-Rad? Könnte der Azubi deshalb vor dem Verfassungsgericht auf Gleichbehandlung klagen? Zumal er weniger Platz auf der Straße braucht und Radwege kaum etwas kosten, verglichen mit Autostraßen, er keine Parkplätze belegt, keinen Lärm macht, nicht die Umwelt belastet und für Menschen zu Fuß ein viel geringeres Unfallrisiko darstellt.

Wir neigen in Deutschland dazu, das sehr Teure staatlich zu unterstützen, das ziemlich Kostengünstige aber nicht. Wir fantasieren von Atomkraftwerken, die sich niemals ohne Subventionen (die wir mit unseren Steuern alle bezahlen) rechnen, und wehren uns gegen billige und schnell auf- und abbaubare Windräder und Solarplatten neben Autobahnen, um nur ein Beispiel zu nennen. Für den Autoverkehr gilt das auch. 

Die offenen und versteckten Kosten des Autoverkehrs, den Autofahrende nicht selbst bezahlen, sondern wir alle, die wir Steuern zahlen, hat der VCD hier zusammengestellt. Es geht ja nicht nur um Straßenbau. Das meiste Geld braucht eine Stadt für den Bau und Unterhalt von Autoabstellplätzen und für die Straßenreinigung, Straßenbeleuchtung und Straßenentwässerung (die allerdings auch Radfahrende und Fußgänger:innen zugute kommen). Außerdem erfordert ein reger und schneller Autoverkehr Mehraufwendungen für die Feuerwehr, die Polizei, die Wirtschaftsförderung, die Grünflächenämter und städtische Bauhöfe. Nur 15 bis 45 Prozent seien, so der VCD, durch Einnahmen gedeckt, jeder Bürger und und jede Bürgerin finanziert die städtischen Ausgaben für den Autoverkehr mit jährlich 150 Euro. (Da nur die Hälfte erwebgstätig ist und Steuern zahlt, verdoppelt sich das für den einzelnen Steuerzahler.) Hinzu kommen Subventionen wie das Dienstwagenprivileg (das jährlich zwischen 3 und 5,5 Milliarden Euro kostet), aber nur weniger als zehn Prozent der Bevölkerung zugute kommt. Die Pendlerpauschale ist übrigens keine Subvention, sondern eine steuerrechtliche Angelegenheit, die vom Bundesverfassungsgericht sogar gefordert wird. Der Staat müsse Leuten die Fahrtkosten zur Arbeit wenigstens teilweise erstatten, weil sie nichts dafür können, dass sie weit weg wohnen oder es keine öffentlichen Verkehrsmittel gibt. Dennoch fördert der Staat gerade mit Pendlerpauschale, Dieselprivileg und Dienstwagenprivileg den CO2-Ausstoß aktiv mit großen Geldsummen. 

Dass der Staat jeden Besitzer eines Autos massiv unterstützt, hat sogar das Handelsblatt festgestellt. Demzufolge liegt die staatliche Übernahme der Kosten, die ein Auto verursacht, bei drei untersuchten Automodellen bei zwischen 4600 und 5200 Euro pro Jahr. Der Autoverkehr bringt einer Kommune dabei keine unmittelbaren Einnahmen, er kostet nach Berechnungen des Kasseler Verkehrswissenschaftlers Prof. Carsten Sommer, die Allgemeinheit in einer Großstatt aber das Dreifache des Öffentlichen Personennahverkehrs, der immerhin Einnahmen erzeugt. Und der Radverkehr bekommt die geringsten öffentlichen Zuschüsse. Sommer hat ein Tool entwickelt, mit dem Gemeinden die Kosten für ihre Verkehrsmittel ausrechnen können, eine Transparenz, die allerdings viele Städte gar nicht wollen. 

Von diesen umwelt- und klimaschädlichen Subventionen (ca. 70 Milliarden Euro jährlich) für den Autoverkehr profitieren übrigens vor allem die einkommensstarken Haushalte, also eine Minderheit. Gleichzeitig wird das Benzin, das die Masse nutzt, am höchsten besteuert. 

Wenn ich mir das so anschaue, dann bräuchte es tatsächlich eine Klage vor dem Bundesverfassungsgericht auf Gleichbehandlung der Nutzer:innen von Fahrrad, ÖPNV und der zu Fuß Gehenden mit den Autonutzenden. Wobei der finanzielle Aspekt - also die Gerechtigkeit bei den Subventionen - noch das einfachste Thema wäre. Schwieriger wird es, wenn man Klage gegen die als selbstverständlich angenommene Dominanz des Autos im öffentlichen Raum führen und Rechte auf Platz und bequemes Vorankommen im öffentlichen Raum einklagen wollte. 





7 Kommentare:

  1. Zunächst einmal Danke für die Zahlen und Daten, sowie den Artikel.

    Aber nun zum Sorry, es ist lleider eben das System welches verantwortlich ist nicht die Einstellung der Unter & Mittelschicht, denn Kapitalismus bzw. das aktuell daraus resultierende System die Plutokratie basiert nun mal auf Wirtschaftswachstum was so viel heißt wie, "sparen bedeutet Untergang".

    Den ohne Wirtschaftswachstum leben wir bald in einem Entwicklungsland, schlicht weil wir insgesamt nicht mehr Konkurrenzfähig sind. Und wenn ich vom System rede meine ich nicht die populistischen Marionetten in der Politik sondern Ihre Unterstützer das 1% unserer Bevölkerung.

    Sich als Firma oder einzelne Person diesem Kartell aus Manipulation, Angst und Korruption zu entziehen ist vielleicht maximal als Selbstversorger möglich, aber dann ist die Frage wer bezahlt die Rechnungen, den Zeit für einen Job ist dann nicht mehr und davon zu leben wohl eher Utopie.

    Zwar zerstört man ein Konstrukt am besten von seinem Fundamente aus, bedeutet aber auch deren Komplette Zerstörung. Solange die gleichen Elitären Clans sich an den Spitzen diese Welt in ihrem kognitiven Diarrhö Suhlen dürfen, wird sich an dem System selbst nach seiner Zerstörung nichts ändern, maximal mal das Bühnenbild neu angepasst.

    Ist traurig aber primitiv formuliert, funktioniert unser Wirtschaftssystem eben genau so., aber nochmal ein dickes Sorry aber das Thema triggert mich immer ein wenig. 😉

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Was ich noch vergessen habe,..

      Wie sieht das perfekte Geschäftsmodell aus?

      Erst ein unfehlbares unglaublich bequemes Produkt zu Kreieren wie das Automobil, dies bis in die Superlative als unfehlbar zu potenzieren, und mit dem verdienten Geld, in diesen Fall z.B. in die Pharmalobby und Medizin zu investieren, um die negativen folgen abzumildern. Ein absoluter Selbstläufer

      Leider funktioniert das überall so in ähnlicher Form erst die Schädigung durch ein Produkt und im Anschluss die imaginäre Heilung. Ist natürlich beides Utopie
      Zerstörung bedeutet Leider Kapital, und an der Zerstörung unserer Lebensgrundlagen wird die Macht der Eliten bis in das unermessliche steigen.

      Gruß Fee

      Löschen
    2. Es ist aber nicht so, dass andere Produkte nicht ebenfalls Wohlstand bringen könnten. Deutschland - beispielsweise Baden-Württemberg - hat mehrere komplette Niedergänge von Produktionszweigen erlebt (Schuhindustrie, Textilindustrie, Uhrenindustrie, Waagenindustrie, Schmuckindustrie) und ist dabei nicht schwächer, sondern stärker geworden. Es geht ja auch gar nicht um alles oder nichts (Auto oder keines), sondern darum, dass beispielsweise anderen Mobilitätsarten mehr Raum gegeben wird, dass sie weniger behindert werden. dass überhaupt das Neue mit weniger Misstruen und weniger Untergangsfantasien betrachtet werden. Das 20. Jahrhundert bekommen wir nicht zurück, und je schneller wir uns darauf einstellen, dass wir auch die Grundlagen unserer Wirtschaft verändern und erneuern können, desto eher haben wir auf dem Weltmarkt noch eine Chance.

      Löschen
    3. Hi Christine,

      ich gebe dir Dir Prinzipiell zwar schon recht, man kann auch anders Wirtschaftskraft generieren aber letztendlich bedeutet das dennoch an deren menge gemessene Produktion und Konsum, ob nun der Konsum bei uns und die Produktion in Bangladesch oder dergleichen stattfindet, macht vom Klima und Umweltschutz erst mal keinen Unterschied. Wir verdrängen nur die Auswirkungen Vorort, und setzen so auf Desolate Umweltschutzbestimmungen in Drittländern. Und als Fortschritt betitteln wir oft nur das Rad neu zu erfinden und alte Ideen unter neuem Deckmantel zu verkaufen.

      z.B. Batterie Elektrofahrzeuge waren vor dem 2 Weltkrieg bereits stark verbreitet, waren aber nicht Kriegs tauglich. Die Solarzelle geht auf ende der 1890 Jahre zurück,..
      Gibt unendlich beispiele Letzendlich geht es nur um Konsum im neuem Mantel verpackt, nicht um Haltbarkeit nicht um effizient nicht um Umweltgerechte Standards,...

      Ob ich nun eine Bank bin die in der Dritten Welt Spekuliert wirkt sich eben nur auf deren Einkommen aus, was bei uns zu einer besseren Wirtschaftsleitung führt. Aber die 99% sehen davon praktisch fast nichts.

      Würde ich einen Pulli jetzt Vorort produzieren wäre dieser bestimmt 5-10 mal Teurer, und man müsste die gewinne der Bank aber auf viele kleine verteilen, schon allein um sich einheimische Produkte leisten zu können. Perfekt hört sich jetzt super an, produziert aber schon allein durch die vermutlich höhere Haltbarkeit nur ein Bruchteil an Wirtschaftsleitung., dazu kommt der Transport und damit die Rohstoffe die verbraucht werden,.. auch wieder Wirtschaftsleistung.

      Aber die Dritte Welt hört ja nicht schlagartig auf zu Produzieren, und hier käuft man plötzlich nur noch einheimische Waren.

      Ich hoffe Du verstehst worauf ich hinaus will, will ich etwas ändern heißt das Weltweit die Wirtschaft umzubauen, dazu reicht es nicht dies nur bei uns zu tun, und schon gar nicht dem Rest der Welt seinen Anteil vorzuenthalten. Das System presst dich ob Du willst oder nicht über Umwege in seine Abhängigkeit, das kannst nicht ändern solange die Einstellung des 1% unser aller verhalten beeinflusst, und oft auch noch überaus inkompetentes verhalten als Gesellschaftsfähig darstellt.

      Wir müssen endlich mal lernen die Schuldigen für diese miesere zu benennen und denen ihre Existenz zu untergraben, und ja diese zeigen immer mit dem Finger auf andere, aber das zeigt eben auch das Sie vornehmlich unter uns sind.

      Hier mal ein guter Artikel von gestern.
      https://www.tagesschau.de/wissen/klima/klimakrise-superreich-budget-oxfam-100.html

      Alles in allem fahren wir die Strategie einer Elite, welche im schnitt eine immer älter wird, welche seit über 100 Jahren Nachweislich zur Zerstörung unsere Umwelt führen wird.

      Wohlstand ist zwar bequem, aber eben auch ein Garant für Zerstörung.

      Gruß Fee

      Löschen
    4. Ich fürchte, das führt hier an dieser Stelle zu weit. Ich persönlich neige nicht dazu, vor der gigantischen Unmachbarkeit oder deren Anschein zu kapitulieren. Man muss nicht erst die Welt umbauen, wenn man an einem Ort etwas ändern will. Wir müssen ändern wollen und es dann tun.

      Löschen
    5. Ja wir sollten dringend anfangen zu ändern, aber wir müssen die richtigen dafür verantwortlich machen, anstatt uns gegenseitig eben nur die Köpfe einzuschlagen, und uns selbst die Verantwortung in die Schuhe zu schieben. Selbst Entwicklungen wie die hiesige AFD oder die Republikaner in den Staaten erfordern immer Elitäre Unterstützung, durch Ihre Gelder und öffentlichen Einfluss, und nein die kommt nicht aus Russland oder China, sondern aus unseren eigenen reihen. Der Rechtsruck ist nur die folge eines seit lange geplanten Konfliktes.

      Aber ich bin voll bei Dir, ich habe zwar seit ein Paar Jahren ein Führerschein bin aber seit dem vielleicht 5 Mal gefahren, aktuell traue ich mir das vermutlich nicht mal mehr zu. Den Rest meines Lebens fahre ich Fahrrad oder mit dem ÖPNV, obwohl ich hier in der Tiefsten Provinz weit ab von Metropolen Wohne, und noch nie in einem Flugzeug saß, und noch so vieles mehr,... Eine Förderung habe ich dafür noch nie erhalten, im Gegenteil. Dennoch tue ich es gern, schon allein um meine eigene Gesundheit zu erhalten.

      Aber genau das Zeigt das verzicht eben bis auf der Biologie selbst welche wir gerade ausgiebig zerstören von unseren System bestraft wird. Und da stellt mir immer die Frage kann unser System in unserer Biosphäre überlebensfähig sein? Der Homosapiens hat in 50.000 Jahren seiner Existenz auf diesen Planeten eine künstliche hervorzurufen Epoche ausgelöst welche bereits ⅓ der bekannten Arten ausgelöscht hat, Tendenz steigend.
      Auch wenn diese Form der Darstellung zeigen das unserer (Gesellschaftlicher) Intellekt gemessen an dem gesamten Langfristigen Auswirkungen, welche daraus resultieren nur ein lächerlicher Witz ist.

      Ein Sorry für meine ausgiebige Ausführung, manchmal Triggern mich einfach einzelne Faktoren.

      Gruß Fee

      Löschen
  2. Der Fokus auf das Geld ist nicht grundlegend genug. Viel schlimmer ist dass in der Verkehrsrechts- und -planungspraxis Grundrechte (Leben und körperliche Unversehrtheit) gegen ein "Recht" auf "freien Verkehrsfluss" aufgewogen werden, und zwar jenseits jeder Verhältnismäßigkeit.

    Regelmäßig werden Tote und Schwerverletzte im Verkehr akzeptiert, sogar bis in Details des Strassenbaus und der Verkehsregelung werden vermeidbare Tote und Schwerverletzte akzeptiert, z.B. in der unseligen Opposition zum Regeltempo 30 innenorts, welches erwisenermassen (Einführung in mehreren französichen Kommunen) selbst bei nicht voller Befolgung (also selbst bei 38 km/h Mittelgeschwindigkeit) die Zahl der Verkehrstoten halbiert. Aber auch bei Fahrbahnbreiten und -Aufteilung, Abbiegeradien, Ampelschaltungen etc. werden statistische Tote und Schwerverletzte von vornherein mit akzeptiert um Sekunden (manchmal nur -bruchteile) für Autofahrer zu "sparen" die ein paar Meter weiter meist eh wieder (im Stau) stehen.

    Im Grunde haben wir in der abstrakten Statistik des Verkehrs systemisch den Grundrechtsverstoss den unsere Gesellschaft am Beispiel des gezielten Abschusses einer entführten Passagiermaschine die evtl. für einen Anschlag missbraucht wird rauf und runter diskutiert hat, aber ohne das moralische Dilemma das aus Abwägung von Grundrechten auf beiden Seiten entsteht. Hier sind wir als Gesellschaft schlicht unmoralisch und pflegen unsere geteilte Verkehrssoziopathie.

    AntwortenLöschen