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12. Mai 2017

Sommerstrecken versus Winterrouten?

Der Leserbeirat der Stuttgarter Zeitung, Martin Huttenlocher, fährt wie die Zeitung schreibt, oft mit seinem Pedelec von Botnang nach Fellbach. Was er schildert entspricht Radfahren in Stuttgart.

So richtig durchgängig ist die Radroute nicht. Er fährt schon länger, deshalb kennt er die schönen Strecken, beispielsweise den Weg durch Schrebergärten und Wald parallel zur Feuerbacher Talstraße, auf der es ja keine Radinfrastruktur gibt. Er radelt auch in Cannstatt nicht auf den Radstreifen der Waiblinger Straße nach Fellbach, sondern außen herum, vermutlich auf dem Feldweg parallel zur Nürgberger Straße.

Schöne Strecke, längs durch die Stadt. Herr Huttenlocher kommt mit Sicherheit gut gelaunt und angenehm durchgepustet im Büro und abends wieder zu Hause an.


Kürzer wär's über den Botnanger Sattel, den Westen, Stadtmitte und dann den Schlossgarten und die Waiblinger Straße hoch, aber auch autoreicher und weniger grün. Doch auf Kürze kommt es ihm ja nicht an. Er möchte die schönen Strecken. Deshalb hadert er angesichts der Botnanger Talstraße. "Ich kann leider kein wirkliches Konzept für Radwege erkennen", zitiert ihn die Zeitung (Nr. 88 15.16.17.4,2017).
Der Bericht erweckt den Eindruck, als müssten für Radfahrende nicht die Hauptrouten entlang der Haupverkehrsachsen ausgebaut werden, sondern als müsse man die hübscheren und ruhigeren Parallelstrecken durch Grünanlagen, Schrebergärten und Wälder ausschildern. Die Sommerstrecken also, die Tagfahr-Strecken.

Zugeparkt sollten sie allerdings nicht sein!
Bei Nacht nämlich möchte nicht nur ich, sondern vermutlich auch so mancher Mann nicht mehr durch dunkle Wälder und über stille Felder gelenkt werden. An einem Wintermorgen auch nicht, denn dann ist es nicht nur stockfinster und kalt, sondern auch noch eisglatt oder verschneit. Und ich als Frau möchte mir bereits im Sommer um 23 Uhr  meinen Rückweg aus der Stadt nicht durch abgelegene Wälder und totenstille Schrebergärten suchen müssen. Dann möchte ich - bitte sehr! - ganz dringend an halbwegs belebten Straßen entlang radeln können, und zwar ohne Angst von einem Freitagabendraser auf den Kühler genommen werden. Es geht nicht darum, Schleichwege und Waldwege als Radrouten auszuschildern (wobei Schilder auch dort nicht schaden), sondern darum, die Hauptrouten zwischen den Stadtteilen für sicheres Radfahren auszubauen.

Das Konzept muss also sein: Radwege, mindestens aber Radstreifen entlang der wichtigen und schnellen Verbindungen der Stadtteile anlegen, damit alle, die sich nicht überall gut auskennen, auch den Heimweg (vom Besuch in Botnang, Fellbach, Hedelfingen, Sillenbuch etc.) auf gut ausgeschilderten und halbwegs gut beleuchteten Radrouten antreten können. Die anderen können ja ihre Lieblingsstrecken fahren, gerne auch nachts durch finstere Anlagen. Aber ich möchte das nicht, und mit mir viele weitere Frauen nicht.

Es geht also um zu jeder Tages- und Nachtzeit und auch zu jeder Jahreszeit befahrbare Radrouten. Und genau das ist das Konzept der Stadt Stuttgart. 

Wer sich mit Radförderung beschäftigt, empfiehlt auch deshalb die Radrouten entlang der Hauptverbindungen zwischen den Stadtteilen anzulegen, weil sowohl die Radstreifen selbst, wie auch die Wegweiser für Radrouten dem Autofahrer (der im Stau steht, an dem die Räder vorbeirollen) zeigt, dass er hier selbst auch mit dem Fahrrad fahren könnte und dabei schneller wäre. Fahrräder, Fahrradwege und Fahrradschilder und -wegweiser müssen in der Stadt überall sichtbar sein, damit Menschen ermutigt werden, öfter mal aufs Rad umzusteigen, weil sie sehen, dass es geht, dass es Radwege gibt. Wenn Radler nur durch Wälder und Nebenstraßen wuseln, dann verschwinden sie aus dem Bewusstsein der Autofahrer und damit dem  der Stadt. So war das lange Zeit in Stuttgart. Aber genau das ändert sich gerade und es muss sich ändern. Denn mehr Fahrräder bedeuten weniger Autostau in der Stadt. Wir Radfahrenden helfen euch dabei.

8 Kommentare:

  1. Schon in der ersten Zeile: "Der Leserbeirat der Stuttgarter Zeitung, Martin Huttenlocker, ..."
    Nur so zur Info, der Genannte heißt "Martin Huttenlocher" - wie auch schon mehrfach im Artikelfoto zu sehen ist. ;-)

    Für all jene ohne Archiv der StZ und der Motivation den ursprünglichen Artikel lesen zu wollen, eine (gekürzte) online verfügbare Version ist seit Freitag dem 14. April 2017 unter http://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.stuttgart-per-rad-die-schoensten-routen-sind-ohne-schilder.19626981-91bc-409a-b9da-ef8142ea9fbe.html abrufbar.

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  2. "...außen herum, vermutlich auf dem Feldweg parallel zur Nürgberger Straße. ..."
    Zum einen gibt es diese Straße gar nicht und andererseits wo hat es denn direkt an der Nürnberger Straße Feldwege?
    Die verläuft doch komplett im urbanen Raum, daher sind laut der Routendarstellung ehr die Straßen im Wohngebiet "Im Geiger" gemeint. Damit fallen die entfernteren Feldwege ausgehend vom Krankenhaus Bad Cannstatt auch aus den Optionen.
    Ab Fellbach geht die Nürnberger Straße in die Stuttgarter Straße über und dort gibt - es etwas abgesetzt - durchaus Feldwege.

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    1. Vermutlich fährt er nach der Brücke unter der S-Bahn nach rechts in die Remstalstraße, dann nächste (Badbrunnenstraße) oder übernachste (Im Geiger) links bis Normannenstraße, dort rechts in die Kaiserbacher, und wieder rechts in die Frühlingshalde. Die ist dann Feldweg.

      Die Strecke kenne ich, bin ich auch schon ein-/zweimal gefahren. Inzwischen meide ich Fellbach mit dem Rad, die dortigen Radwege und -streifen sind mir viel zu gefährlich. Dabei bin ich eigentlich einer dieser vielzitierten "fearless and strong". Aber das was in Fellbach gemacht wurde sprengt alles was ich sonst kenne.

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    2. Nicht ganz, er fährt laut Artikel die Kleemannstraße kurz nach der König-Karls-Brücke rechts rein, dann links am Bhf und am Club Cann vorbei, am Carré dann die Deckerstraße hoch. Die weitere Schilderung des Weges sucht man im Artikel vergebens. Ich fahre dann immer nach der Linkskurve die Kienbachstraße hoch, weiter über die Oberschlesische Straße, dann rechts über die Gleise, danach links die Remstalstraße am Elly-Heuss vorbei und schließlich links in die Rommelshausener Straße und dann immer schön geradeaus bis Fellbach.
      Das ist für mich die wesentlich bessere Alternative, entspannt mit dem Rennrad aus Stuttgart rauszukommen, als die Nürnberger Straße zwischen dooring-Zone und Lkws hoch zu keuchen. Schlimmer ist jedoch noch, dass in Fellbach an der Stuttgarter Straße nach der Gärtnerei der Radweg dann abrupt endet und man darauf angewiesen ist, dass einen freundliche und gelassene Autofahrer (Ironie off) kurz den Vortritt lassen. Fellbach ist für Radfahrer wirklich eine Katastrophe!

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    3. Also ich bevorzuge die Waiblinger- und Nürnbergerstr. Soviele LKWs fahren da nicht mehr und zu den parkenden Autos halte ich Abstand (ok, um dann mit wenig Abstand von links überholt zu werden). Guter Asphalt, gleichmäßige Steigung. Von Fellbach nach Stuttgart ist es sogar eine super schnelle Verbindung. Von der Funkerkaserne zum Wilhelmsplatz (Daimlerstr)kann man es laufen lassen. Auf der Alternativroute ist das ein bisschen schwieriger. Komisch finde ich die Aussage des Leserbeirats "...und wenn der bessere Weg ein bisschen länger wäre sei das auch egal. Die Gesundheit geht vor." Wenn das Fahren auf der Waiblingerstr. gesundheitsschädlich ist, dann muss man das ändern! Aber doch nicht "Reservate" für Radler schaffen. Was sollen eigentlich die Menschen tun die an diesen Straßen leben und tagtäglich dort zu Fuß gehen?

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    4. @David: ich meinte die Brücke an der Haltestelle Nürnberger Straße.

      @Olaf: Zu den Reservaten: richtig. Ich stehe dem Radstreifen auf der Waiblinger extrem kritisch gegnüber, er hat einfach zu viele Schwachpunkte. Und ich habe dort einige Jahre gelebt.

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  3. Wozu bedarf es einer sechssputigen Stadtautobahn? Eine Spur zu opfern wäre ein leichtes, dem Frischluftverkehr zu fördern, nein, ihm Anerkennung zu schenken und zu zeigen: Autos ja, Alternativen aber auch. Der Leserbrief spricht mir aus der Seele.

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    1. Niki, ich bin nicht sicher, ob ich dich richtig verstanden habe. Ich plädiere für Radwege entlang der Hauptstraßen und für gut ausgeschilderte Nebenstrecken. Also füt Nacht- und winterroten genauso wie für ausgeschilderte Sommerstrecken. Du auch?

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