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13. August 2021

Können Schilder lügen?

Die Gemeinden Herrsching und Schondorf am Ammersee haben ein neues Schild erfunden.  Es heißt Miteinanderweg und zeigt von links nach rechts einen Hund, einen alten Mann mit Rollator, eine Mutter mit Kind und ein Fahrrad. 

Darunter steht: Bitte Rücksicht nehmen! Da der Hund auf mich als Radlerin keine Rückicht nehmen kann, das Kind auch nicht und der Alte mit dem Rollator genug anderes zu tun hat, bin vermutlich auf dem Schild nur ich und mit mir andere Radfahrende gemeint. Ich vermute, es hat viele Beschwerden über so genannte rasende Radler gegeben. Und da hat sich einer diesen Appell ausgedacht. Doch: So fühlt man Absicht, und man ist verstimmt (Goethe). Denn die einzige Zielgruppe, an die die Bitte sich richtet, sind die Radfahrenden. Das Schild meint nicht, was es zu sagen behauptet, es lügt. 

Und noch etwas verstimmt mich: Wir sehen einen Hund und Menschen und daneben ein Fahrrad ohne Mensch. Das macht mich stutzen. Das Fahrrad ist hier das Element, das sich von allen anderen unterscheidet. Hund, Kind, Mann und Frau bilden eine Gruppe, das Fahrrad steht dem gegenüber. Als feindliches Element? Ausgegrenzt? Abartig? Unmenschlich? Natürlich kann man argumentieren, das Fahrrad stehe ja auf allen Verkehrszeichen für den Radfahrenden, so auch hier, und mehr Platz wäre auf dem Schild ja auch nicht gewesen. Dennoch stehen sich hier nun ein Fahrzeug und Menschen gegenüber. So als wäre der Radfahrer kein Mensch, der auch blutet, wenn er stürzt, und darum gar nicht stürzen will, also aufpasst. Die geheime Botschaft des Schilds ist: Radfahrer gegen Menschen - Radfahrer muss endlich mal Rücksicht nehmen lernen. 

Tatsächlich kann auf so einem Wald- oder Geländeweg nur der Radfahrer um Rücksicht gebeten werden, alle anderen nicht. Wie schon gesagt, der Hund scheidet schon mal aus, das Kind auch. Klar können wir Wandergruppen daran erinnern, der Radlergruppe Platz zu machen. Aber meinen wir wirklich, die Spaziergänger:innen sollten auf so einem Weg wie die Enten hintereinander gehen, damit die Radler:innen mitten durch fahren können? Bestimmt nicht. Es widerspräche den Grundregeln im Mischverkehr, in dem immer der Mensch im schwereren Fahrzeug (oder überhaupt Fahrzeug) auf diejenigen Rücksicht nehmen muss, die langsamer unterwegs sind, auf Behinderte und Kinder sowieso. So ein Schild, das gewissermaßen Selbstverständliches anmahnt, zeigt mir und allen anderen: Oh, hier hat es aber wohl ordentlich Krach zwischen Spaziergänger:inenn und Radfahrenden gegeben. 

Jetzt finet die CSU, dass das Schild auch für Waldwege in der Region taugen würde. Der Antrag ist lakonisch und endet mit: "Einer Begründung bedarf es wohl nicht." So selbstverständlich scheint es, dass Radfahrende auf für sie ausgewiesenen Routen (der Antrag zeigt ein Foto vom Schild mit Radroutenpfeil) irgendwie ... nun ja ... daran erinnert werden müssen, dass sie Menschen sind? Es ist sicher nicht als selbstverständlich gedacht, dass hier Fußgänger:innen mehr Rücksicht auf Radfahrende nehmen sollten. Sondern es scheint ausgemacht, dass die Bösen hier die Radfahrenden sind, die man disziplinieren müsse. Wohlgemerkt, ich bin nicht der Meinung, man müsse Fußgänger, Kinder, Hunde und Alte auf Waldwegen disziplinieren, ganz im Gegenteil. Aber die Bitte, die hier eigentlich nur einem Element gilt, ist als Bitte an alle getarnt, und darüber sind sich im Grunde alle (mehr oder minder grinsend) einig. Als Radlerin merke ich das und bin verstimmt.  

Das Schild spiegelt ein tiefes gesellschaftliches Misstrauen gegenüber Radfahrenden wider. Fußgänger:innen nämlich neigen dazu, das Tempo von Radfahrenden gewaltig zu überschätzen. Sie mögen Radfahrende nicht. Sie stören (was ich gut verstehen kann). Sie sind zu leise, sie kommen zu schnell von hinten, man hat sie nicht gesehen. Und sie erscheinen vielen Fußgänger:innen als blicklose Raser, die alles umnieten, was ihnen in den Weg kommt, obgleich gerade Radfahrende genau das nicht tun. Denn wenn sie mit jemandem kollidieren, stürzen sie selber. Sie sind eben keine Autofahrer:innen, die jemanden tot fahren können, ohne selbst auch nur verletzt zu werden. Doch es gibt ablehnend gestimmte Fußgänger:innen, die genau das zu glauben scheinen. Und selbst Radfahrende neigen dazu, sich über anderer Radfahrende auf Wald- und Feldwegen zu beschweren, weil die anderen ihnen zu schnell fahren (oder weil sie selber gerade mal zu Fuß unterwegs sind). Als Fußgängerin erlebe ich auch so manchen Radler als zu schnell oder als einen, der mich zu knapp überholt. Da können wir schon etwas mehr Rücksicht nehmen, auch wenn die Gefahr von uns anders eingeschätzt wird als vom Fußgänger. Aber auch Fußgänger:innen könnten gedanklich akzeptieren lernen, dass gerade Radfahrende viel aufmerksamer sind als Autofahrende oder Menschen zu Fuß, dass sie alles vor sich sehr genau sehen und dass alles tun, um einen Zusammenstoß zu vermeiden. Wenn ich als Radlerin schon mein Tempo drossle, meine Augen auf das Kind gerichtet habe und bremsbereit bin, ist es nicht nötig, dass die Mutter über den Weg springt, um ihr Kind zu retten. 

Ich bin ja der Meinung, dass man Radfahrende und Fußgänger:innen trennen sollte, und dass an diesen übervölkerterten Wochenenden mit Menschenmassen an Uferwegen, Radfahrende in der Tat stören. Sie sind genervt, weil Fußgänger:innen zu fünft nebeneinander gehen und sie nicht hören, und Fußgänger:innen fühlen sich genervt durch das Gebimmel und knappe Überholmanöver. Aber auch Radfahrende, allemal beim Familienfahrradausflug, wollen schöne Strecken radeln. Andere würden lieber eine Alternativstrecke angeboten bekommen. Ob die dort existiert, weiß ich nicht. Aber es lohnt sich sicher, Radfahrenden bequeme Alternativen zu überlaufenen Strecken anzubieten. Sie auf eine viel befahrene Parallelstraße zu schicken, vor allem, wenn die keine Radinfrastruktur hat, ist keine Lösung.


24 Kommentare:

  1. Ich habe solche Schilder auf dem Rheinradweg vor zwei Tagen auch gesehen, an uwei verschiedenen Stellen zwischen Mainz ubd Rüdesheim.
    Ob sie exakt genauso ausgesehen haben, weiß ich nicht mehr.
    Ich habe in dem Moment nicht viel drüber nachgedacht, mir aber auf der (inzwischen wegen eines gebrochenen Rahmens vorzeitig bendeten) Fahrt angesichts der zusammengestückelten, oft sehr schmalen, auf allen möglichen Untergründen durch alle möglichen Umgebungen (oft sehr schön, aber in und um die Städte oft auch gar nicht) führenden, schlecht ausgeschilderten internationalen Radroute oft gedacht, welchen geringen Stellenwert Radfahren doch hat.

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    1. Beim Nachdenken drüber wrinnere ich mich, die Schilder die ich gesehen habe, waren quadratisch und hatten nicht diesen Verkehrsschild-Charakter. Aber die Botschaft war dieselbe.

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  2. Einzelne Kritikpunkte kann ich nachvollziehen, Deinen Gesamttenor aber nicht.

    Er spiegelt Deine persönliche, im Blog immer wieder bekräftigte Grundeinstellung wider, dass Fußgänger grundsätzlich keine Rücksicht nehmen müssen. Nur vor dieser Grundeinstellung richtet sich das Schild einseitig an ("gegen") Radfahrer.

    Das Schild kann man aber (weitgehend) neutral und an alle gerichtet sehen.

    Halbwegs nachvollziehbar ist aus meiner Sicht die Darstellung des Fahrrades ohne Radfahrer. Da könnte der Mensch darauf abgebildet werden.

    Andererseits könntest Du das Fahrrad wie den Hund als "optionales Zubehör" erkennen.
    Dann ist die Aussage:

    a) Liebe Menschen, nehmt Rücksicht aufeinander, wenn ihr einen Hund führt (indem ihr ihn an der kurzen Leine führt, nicht an Leuten schnuppern lasst, nicht anderen hinterherrennen lasst und ihn nicht Leute ankläffen lasst, nicht auf den Weg kacken lasst, keine Leine quer über den Weg spannt, denn das erschreckt und (ver)stört und behindert andere Menschen.

    b) Liebe Menschen, nehmt Rücksicht aufeinander, indem ihr als Radfahrer klingelt, um andere Menschen zu warnen, dass sie gleich von einem schnelleren Menschen überholt werden. Oder: Klingelt als Radfahrer bitte nicht, denn das erschreckt andere Menschen und sie fühlen sich genötigt, zur Seite zu springen. Liebe Rad fahrende Menschen, fahrt nicht eng an anderen Menschen vorbei, sondern in einem Mindestabstand, wie ihn die Verwaltungsvorschriften als euren Verkehrsraum (1m Breite) und den Verkehrsraum von Fußgängern vorsehen. Oder ihr haltet euch sogar an Abstände, wie sie in einzelnen Gerichtsurteilen genannt sind (für die aber die Planer die Wege nicht anlegen - siehe Verwaltungsvorschriften). Und überholt langsam und wie in der StVO und in Gerichtsurteilen festgelegt, nicht zu langsam (da steht was von 20 km/h schneller soll man beim Überholen sein). Und, liebe Radfahrer, fahrt rechts und hintereinander wie die Enten.

    So gesehen fehlt auf dem Schild der Politiker und der Planer und der Verkehrsbehörden-Mitarbeiter, die für einen Weg sorgen, der Rücksichtnahme, d.h. keine gegenseitige Behinderung zulässt.

    c) Liebe zu Fuß gehende Menschen, lauft rechts und im Gänsemarsch, denn es gibt hier schnellere Verkehrsteilnehmer, die euch überholen können sollen, ohne dass sie euch den Überholwunsch erst per Klingel oder Zuruf kundtun müssen und darum betteln müssen, dass ihr Platz macht. Liebe walkende Fußgänger, spießt mit euren Stecken keine Radfahrer auf und steckt sie den Radfahrern nicht in die Speichen. Haltet sie senkrecht nach unten, wenn ihr euch umdreht. Liebe Fußgänger, seid euch bewußt, dass ihr auf einem gemeinsamen Rad- und Gehweg lauft, und erschreckt nicht, wenn dann "völlig unerwartet und urplötzlich" ein Radfahrer da ist. Liebe schnelle Fußgänger auf Inline-Skatern, überholt langsam fahrende, unsichere Radfahrer mit viel Seitenabstand. Liebe langsame Inlineskater, ermöglicht Joggern und Radfahern das Überholen. Liebe Fußgänger, haltet euch rechts und hört auf den Verkehr drumherum und verzichtet auf eure Kopfhörer. Liebe Fußgänger, wenn ihr Haken schlagt, schaut euch um, damit ihr niemanden umschmeißt. Liebe Fußgänger, wenn ihr stehen bleibt, um euch zu unterhalten, stellt euch an den Rand. Euer Gespräch mag interessant sein, dennoch wollen andere vorbeilaufen oder vorbeifahren.

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    1. Im Idealfall denken alle so wie du. Aber stell dir mal vor, drei Radler werden von einer Fußgängergruppe, die die ganze Breite einnimmt, zum Bremsen gezwungen, sie klingeln. Die Fußgänger schimpfen:"Rücksicht" und die Radler schreien: "Ihr müsst auch Rücksicht nehmen." Das wird die Situation nicht bereinigen, sondern eskalieren, denn die jeweils physisch schwächeren, weil langsameren Verkehrsteilnehmer:innen nehmen für sich immer das Recht in Anspruch, vor den Schnelleren geschützt zu werden, das machen wir Radfahrende dem Autoverkehr gegenüber auch so. Stell dir vor, ein Autofahrer pflaumt dich an, du solltest auf der Immenhofer Straße Rücksicht auf ihn nehmen, indem du an den Rand fährst (oder anhältst), um ihn vorbeizulassen. Das Schild hinwiederum erlaubt es uns Radfahrenden gewissermaßen Rücksicht einzufordern von Menschen mit Kindern, die sollen die Kinder gefälligst am Rand halten, und die Leute mit Hunden, sie sollen die Leine nicht quer über den Weg spannen, wir können also die Leute beschimpfen (als rücksichtslos), die ohnehin schon in einer schwierigeren (und schwächeren) Position sind, weil sie auf ein Kind aufpassen und dessen Bewegungen kontrollieren müssen und weil sie die Bewegungen eines Hundes kontrollieren müssen, und diejenigen, die einen Rollator schieben. Die Wandergruppe hingegen ist auf dem Schild gar nicht drauf. Kurzum, sogenannte schwächere Verkehrsteilnehmer:innen zur Rücksicht auf stärkere (schnellere) aufzufordern lässt sich nur schwer mit unserem Verständnis von Schutzwürdigkeit in Einklang bringen, was wir als Radfahrende ja täglich emotional durchexerzieren. Tatsächlich meine ich auch, dass zu Fuß gehende Menschen auf Spazierwegen auf denen auch Rad gefahren werden darf, von uns Radfahrenden verlangen dürfen, dass wir auf sie extreme Rücksicht nehmen. Es kann doch nicht sein, dass die Menschen zu Fuß überall im öffentlichen Raum beiseitespringen müssen, wenn Leute auf zwei Rädern oder mit vier Rädern ankommen. Sie wollen doch stressfrei unterwegs sein und sollen es auch dürfen, finde ich.

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    2. Schreien und schimpfen hilft nicht, das eskaliert. Ich will nicht beschimpft und bedroht werden, also schimpfe ich auch nicht. Auch wenn ich mich eigentlich ärgere, ich bitte freundlich (oder frage, wo sie mich vorbeilassen wollen oder weise freundlich darauf hin, wenn ein Fußgänger auf (nicht gemischtem) Radweg läuft, dass er sich dann bitte wenigstens seitlich hält). Dann bedanke ich mich inzwischen grundsätzlich beim Vorbeifahren, wenn irgendwie reagiert wurde. Die meisten reagieren mit einem Lächeln. Was will man mehr, ich will ja keinen zusätzlichen Stress. Bei mir schwingt nebenbei die Hoffnung mit, dass sich Rücksichtnahme eher einstellt, wenn man freundlich-höflich miteinander umgeht.

      Schutzwürdigkeit und Rücksichtnahme sind zwei Aspekte. Die sollten wir nicht vermischen. Ich fahre als schwächerer Radfahrer auf einer Straße auch nicht links, um Autofahrer auszubremsen oder zu blockieren, sondern (mit angemessenem Randabstand) rechts. Und in einer Radfahrergruppe fahre ich auch nicht zu fünft auf der ganzen Straßenbreite nebeneinander. Das ist mein Beitrag zur Rücksichtnahme auf die stärkeren/schnelleren Verkehrsteilnehmer.

      Genau das Verhalten erwarte ich in Analogie auch von Fußgängern gegenüber Radfahrern und finde, das ist nicht zu viel verlangt.

      Auf vielen Straßen bleibt dann die Möglichkeit mit vorgeschriebenem Mindestabstand zu überholen. Einhalten des seitlichen Sicherheitsabstands ist der Beitrag des gefährlicheren Verkehrsteilnehmers zur Rücksichtnahme und zum Schutz. Wenn's nicht reicht, wird eben hinterhergezuckelt. Im Idealfall verständigt man sich, z.B. winke ich auch mal ein Auto auf einem schmalen Wirtschaftsweg vorbei. Dann sind beide zufrieden.

      Vieles hängt an der Bewertung der Situation. Die eine sieht einen "Spazierweg, auf dem auch Rad gefahren werden darf", die andere wertet die gleiche Stelle als einen "Forstweg, der auch ausgeschilderte Radroute ist und auf dem auch Spaziergänger laufen dürfen" und die dritte einen "ausgeschilderten Radschnellweg, den die Behörden fahrlässig streckenweise für Fußgänger freigegeben haben". Schon laufen die Erwartungen an den Grad der Rücksichtnahme auseinander abhängig davon, wer den anderen als geduldeten Gast sieht.

      Ach ja, als radfahrender Mann im Lycra-Trikot steht man übrigens sehr in der Defensive in einem Konflikt mit einer älteren Dame mit Hund. Wenn ich freundlich klingele und mir die Dame dann erst recht mittig den Weg blockiert, dann brauchst Du nicht auf Mitgefühl oder Unterstützung von anderen zu warten. Dem Vorurteil, dass Du offensichtlich der Aggressor sein musst, bist Du hilflos ausgeliefert.

      Mal sehen, ob eine hier mitlesende Frau Mitleid mit eingeschüchterten Rennradfahrern äußert. ;-)

      Gruppen von Menschen sind ein Spezialfall. Die sind nach meiner Erfahrung quasi immer unaufmerksam (ignorant und ungewollt rücksichtslos). Egal welches Alter, egal, welches Verkehrsmittel: Rad fahrende Schülergruppe, wandernde Rentnergruppe, Gemeinderäte-Troß bei der Verkehrsschau, Radsportler im RTF-Pulk. Da habe ich mich selbst schon ertappt und über mich geärgert. Fingerzeig auf andere sollte man sich sparen.

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  3. Was mich an dem Schild tatsächlich stört, ist, dass auf dem Schild kein Auto(fahrer) abgebildet ist. Da steckt eine gewisse Message drin: Alle Nicht-Autofahrer, für euch haben wir nur eine enge, unterdimensionierte Infrastruktur zur Verfügung gestellt. Kommt doch damit bitte klar.

    Warum habe ich noch nie ein vergleichbares Schild auf einer Kraftfahrstraße oder Autobahn gesehen, wo Autofahrer gleichberechtigt um Rücksichtnahme gebeten werden, wenn dort Fußgänger oder Radfahrer auftauchen? Warum steht dagegen ein "Nehmt Rücksicht aufeinander, auch auf alle, die hier eigentlich gar nichts zu suchen haben"-Schild am Radschnellweg in Böblingen? Das soll wohl heißen, selbst exklusive Radwege sind so etwas wie "shared space". Kann man so sehen, dann aber bitte gleiches Recht bzw. Pflicht für alle, auch für Autofahrer. Ob das der CSU-Politiker (oder die Grünen-Politikerin) für gleichermaßen selbstverständlich halten würde, so ein Schild an einer Vorbehaltsstraße aufzustellen?

    Deinem letzten Punkt, Christine, stimme ich voll zu. Halte Dich bitte auch daran, indem Du in den politischen Gremien nicht dafür plädierst, Radverkehr aus den Parkanlagen zu verbannen oder vom Neckardamm in den dooring-Bereich und über Kfz-Kreuzungen zu verlagern.

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    1. Man wird den Schlossgarten und die Neckardämme nicht für Radfahrende sperren können, das würde überhaupt nicht funktionieren. Aber um Alternativstrecken für diejenigen, die vor allem am Wochenende schneller vorankommen wollen, muss man sich schon kümmern. Ich fahre oft am Wochenende in Cannstatt nicht auf dem Neckardamm, sondern durch die parallelen Straßen unten (übrigens nicht in der Dooringzone) und finde das bequemer und weniger stressig als den Slalom um Fußgänger:innen.

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    2. Oh, ich glaube, Du hast mich krass missverstanden. Ich wollte im Gegenteil einen Neckardamm und einen Hauptweg durch den Schlossgarten als (Alltags-)Hauptradroute bestehen lassen und entsprechend für Fußgänger sperren. Das hatte ich schon mehrfach geäußert.

      Dass am Wochenende der Erholungscharakter der Parkanlagen für die Massen an Fußgängern und Radfahrern im Schlender-/Spaziergang-Modus im Vordergrund stehen soll und deshalb zusätzlich eine parallele (und gleichermaßen sichere) Schnellroute für Radfahrer benötigt wird, ist auch für mich unstrittig. Schließlich müssen Moch-Autofahrer ja motiviert werden umzusteigen, indem offensichtlich wird, dass man mit dem Rad schneller, stressfreier und mindestens genau so sicher durch die Stadt kommt wie mit dem Pkw.

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    3. Hier ist übrigens das Schild am Radschnellweg auf dem dritten Foto abgebildet, das ich angesprochen habe:
      https://dasfahrradblog.blogspot.com/2019/06/radschnellverbindung-boblingen.html

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  4. Das erste, was ich beim Lesen gedacht habe war, dass er mich an eine (Gedicht-)Interpretation aus derm Deutschunterricht erinnert hat.
    So viele Gedanken hätte ich mir über das Schild nicht gemacht. Wenn mir das Schild begegnet wäre, hätte ich gedacht, ah, da hat mal einer eine Botschaft an alle geschickt, gegenseitig aufeinander acht zu geben. (Also Hunde anleinen, Kinder ermahnen und auf sie aufpassen, Radfahrer durchlassen, Radfahrer nicht so rasen, Alte nicht stur sein und über andere schimpfen.) Also eine einseitige Gängelung der Radfahrer habe ich da nicht reininterpretiert, sondern einfach nur, gebt aufeinander acht, der Weg ist für alle. (schild einfach nur nett gemeint)
    Karin

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    1. Meine Interpretation kann ja überempfindlich sein, Karin, aber gerade die versteckten Botschaften sind ja die Botschaften, die - weil unbewusst und unreflektiert - am nachhaltigsten wirken. Du findest vielleicht Gedichtinterpretationen nicht nützlich für dich, aber an sich sind genaue Textanalysen (oder Botschaftsanalysen, wenn sie bildlich sind) ziemlich nützlich, um herauszufinden, welche Nebenbotschafte oder auch der expliziten Botschaft widersprechenden Botschaften noch so ausgesandt werden. Politiksprech ist voll solcher Nebenbotschaften. Und mir hat es hier doch auch Spaß gemacht, herauszufinden, welche Signale so ein Schild gibt, und ich fand sie nicht so ausgewogen. Zum Beispiel fehlen die von Holger erwähnte Stöcketräger (Walker) oder Personengruppen. Es sind eigentlich nur die andern zu sehen, die nicht-normalen Spaziergänger:innen, Behinderter, Hund, Mutter mit Kind, Fahrrad. Jede Auswahl ist immer auch eine Ausgrenzung, und jedes Zeichen, hat eine Bedeutung im realen Kontext unseres Lebens und impliziert auch Gefühle (positive oder negative) und gewichtet. Natürlich ist es schiwerig auf einem Schild die ganze Diversität von Wochenendpublikum auf und mit Geräten abzubilden, aber vielleicht wäre es besser gewesen, es bei einem Text zu belassen und die Zeichen wegzulassen, die ja auch erst durch den Text eine Bedeutung bekommen.

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    2. Interpretationen sind so eine Sache, weil man nie weiß, ob der Autor/Schildergestalter sich tatsächlich das gedacht hat, was hineininterpretiert wurde. Ich habe "Gedichtinterpretation" nicht negativ gemeint. Aber vielleicht wollte der Gestalter wirklich nur das vordergründig sichtbare (nehmt Rücksicht) und hat keine verstecketen absichten (Rüpelradler). Für mich stehen die Symbole auch eher für ganze Gruppen (Fußgänger (wie beim Gehwegschild), Tierhalter (Fußgänger mit Hund gibts ja nicht), Gehbehinderte und halt Radfahrer (wie beim Radwegschild). Wenn Autos fehlen, sind sie vermutlich schon von vorneheraus auf dem Weg verboten.
      Aber schön, dass man sich so viele Gedanken über ein einziges Schild machen kann.
      Mir wärs im Straßenverkehr schon recht, wenn man die unmissverständlichen Schilder mit klarem Tenor einfach mal sehen und beachten würde. Und wenn man einfach dran denken würde, dass man nicht alleine auf der Welt ist und andere auch vorankommen möchten.
      Karin

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  5. "Fußgänger:innen nämlich neigen dazu, das Tempo von Radfahrenden gewaltig zu überschätzen."
    Das würde ich so allgemein nicht sagen. Schwerhörige und Smombies neigen dazu. Für die bin ich plötzlich da.

    Aufmerksame Menschen dagegen neigen dazu, mein Tempo zu unterschätzen. Wenn ich von weitem klingle oder rufe, machen sie zwar Platz, aber so langsam, dass ich oft bremsen muss.

    In fast allen Fällen, sage ich im vorbeifahren freundlich "Danke!", wenn ich nicht gerade auf völlig verpeilte Fußgänger treffe, wo das unpassend wäre. Wie sehr das hilft, als Mensch und nicht als Kampfradler wahrgenommen zu werden, konnte ich vor langer Zeit bei einer Gruppe älterer Damen erleben, die anscheindend gerade zum Schimpfen angesetzt hatten und deren Gesichtsausdruck sich plötzlich in ein Lächeln verwandelt hat.

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    1. Fußgänger:innen weichen auch Jogger:innen nie schnell genug aus, sie brauchen immer eine Weile, um sich zu orientieren, wo sie jetzt hingehen müssen, um auszuweichen. Die Erfahrung habe ich natürlich auch gemacht. Wenn ein Fußgänger oder eine Fußgängerin auf mich als Radfahrende reagiert, dann muss ich immer bremsen. Denn das Bewegungstempo von Menschen zu Fuß ist immer langsamer als meines. Dennoch sagen Fußgänger:innen immer, die Radfahrenden würden ja rasen, an ihnen vorbei rasen etc. Und dabei überschätzen sie regelmäßig die Geschwindigkeit von Radfahrenden. Das sind, denke ich, zwei Paar Stiefel.

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    2. @ Volker: Ich glaube, es gibt sogar eine Studie (wissenschaftliche Auswertung) im Zusammenhang von Zeugenaussagen, wo Beobachter die Geschwindigkeit von Autos schätzen und die Geschwindigkeit von Fahrrädern schätzen. Dabei werden Radfahrer regelmäßig und statistisch signifikant als schneller eingeschätzt als gleich schnelle Autofahrer. Christine hat vor diesem Hintergrund mit ihrer allgemeinen Aussage Recht.

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    3. "Dabei werden Radfahrer regelmäßig und statistisch signifikant als schneller eingeschätzt als gleich schnelle Autofahrer."

      Glaube ich sofort. Aber was hat das mit meiner Aussage zu tun, dass die Geschwindigkeit von Radfahrern manchmal über- und manchmal unterschätzt wird?

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    4. Das war auf den Part mit dem Überschätzen bezogen.

      Die von Dir beschriebene Situation mit dem Unterschätzen kenne ich auch. Da vermute ich aber, es liegt manchmal nicht an der geschätzten Geschwindigkeit, sondern an der Risikoabschätzung (oder Trägheit) im Bewußtein, dass schon nichts passieren wird, und es nicht nötig ist, sich zu beeilen, weil Du ja bremsen wirst. Schließlich ist ja klar, dass Du sie gesehen hast. Vielleicht auch so eine Art "Dienst nach Vorschrift", weil sie sowieso Radfahrer ausbremsen wollen.

      Beim genauen Nachdenken: kann es sein, dass der Unterschied an der Perspektive liegt?
      - vorbeifahrende Radfahrer von der Seite betrachtet werden überschätzt (passt zum Zeugen-Szenario)
      - frontal sich nähernde Radfahrer werden unterschätzt (schmale Silhouette, deren Größe sich kaum ändert, das gleiche Problem, dem regelmäßig Motorradfahrer zum Opfer fallen)

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    5. Ja, Holger, könnte so sein. Hinzu kommt aber auch meine Erfahrung, dass ich, wenn ich auf einen Zebrastreifen zuradle, aufhöre zu treten und langsamer werde, immer noch für zu schnell gehalten werde und sich manche Fußgänger:innen nicht trauen, den Zebrastreifen zu betreten, bis ich nicht zum Stillstand abgebremst oder sie angesprochen habe. Ist jetzt ein drittes Thema. Aber das Thema, wie wird das Tempo von Radler:innen eingeschätzt, ist schon sehr interessant.

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  6. "Einer Begründung bedarf es wohl nicht."

    Ah wie schön.
    Da spricht ganz der gesunde Menschenverstand.
    Und der ist uns heilig:
    https://www.etm.de/exklusive-interview-bundesverkehrsminister-andreas-scheuer-uebt-kritik-an-dieselfahrverboten/#page-content


    „Wir lösen damit nur Verunsicherung und Proteste bei der Bevölkerung aus, die wir in ihrer Mobilität einschränken“

    Keine weiteren Fragen, Euer Ehren.

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  7. Wobei mir einfällt, wenn ich jetzt all die interessanten Kommentare so betrachte, dass man dieses Schild auch anders interpretieren könnte: Denn die, die nicht vorkommen, die spazieren gehenden Paare oder die Fußgänger:innen ohne Hund, Rollator oder Kind, die könnten das Schild auch so verstehen, dass vor allem sie akzeptieren müssen, dass auch die anderen (Räder, Hunde, Kinder, Behinderte) hier unterwegs sein dürfen und auf sie Rücksicht genommen werden muss. Naja, ich komme noch mal zu dem Schluss, dass reiner Text hier besser gewesen wäre.

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    1. Stimmt, ist auch eine plausible Lesart: "Bitte nehmt alle (auch) auf die Rücksicht, die da abgebildet sind!".

      Krass, ein Schild mit einer Abbildung, das jede(r) intuitiv interpretiert und sich sicher ist, dass es eine eindeutige Aussage enthält, ist so uneindeutig, dass komplett widersprüchliche Aussagen herausgelesen werden können.

      Aber, Christine, auch Kommunikation mit Sprache, geschrieben wie gesprochen, ist hochgradig mehrdeutig schon auf der direkten logischen Ebene. Von den subtilen Konnotationen und Implikationen spreche ich noch nicht einmal. Sicher kennst Du aus dem Linguistik-Studium den Satz "Time flies like an eagle" mit seinen 10 oder mehr semantischen Bedeutungen. Oder - dichter am Thema - denke nur an unsere Diskussionen zum Zusatzschild "Radfahrer absteigen".

      Wie Karin schon geschrieben hat: unterstellen wir die beste Absicht, das auszudrücken, was wir uns alle wünschen - einen rücksichtsvollen und respektvollen Umgang miteinander.

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    2. Gut gemeint, ist aber noch lange nicht gut. Und was hier mitschwingt, und was ich auch so interpretiert habe, ist unser alltägliches Empfinden darüber, wer mehr Rücksicht zu nehmen hat, das sehr weit verbreitet ist: Der masse- und tempomäßig Störkere auf den Schwächeren. Von Rollator-Nutzer:innen werden wir doch nie Rücksicht auf uns Radfahrenden erwarten. Das wäre unfair, die haben genug damit zu tun, sich auf den Beinen zu halten.

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    3. Doch, auch von Fußgängern mit Rollator und von welchen mit Rollstuhl erwarte ich (als schnellerer Fußgänger, als Radfahrer, als Autofahrer), dass sie nicht auf dem Mittelstreifen einer Straße laufen und ich hoffe, dass sie so viel Rücksicht nehmen, seitlich auf dem Gehweg ihre Pause einzulegen, statt mitten drauf.

      Andererseits klar: Normalerweise spreche ich Fußgänger an, die auf dem für sie verbotenen "Arm" des Ferdinand-Leitner-Stegs spazieren, und weise darauf hin, dass der Gehweg "da drüben" ist. Bei erkennbar Gehbehinderten, bei Leuten mit Rollator, Rollstuhl oder Blindenstock verkneife ich mir das. Ihnen den Umweg zuzumuten, empfände ich nicht nur als unfair, sondern als asozial.

      Themenwechsel: Als "normaler" Radfahrer rege ich mich ja schon auf, wenn Bordsteinkanten nicht komplett abgesenkt sind. Die Steigerung ist aber: Für Rollstuhlfahrer und Rollator-Schieber sind Borsteinkanten eine richtig fiese Hürde. Wer mal jemanden mit schmerzender Wirbelsäule im Rollstuhl geschoben hat, weiß, welche Umwege unsere Infrastruktur mit halbherzig abgesenkten Borsteinkanten an Fußgängerampeln, Fußgängerfurten und Radfurten ausgerechnet denen aufzwingt, deren Mobilität sowieso schon extrem eingeschränkt ist und schon bei optimal angelegten und perfekt gepflegten Wegen viel Mühe bereitet. Und wer die schlampige Baustellenabsicherung von Baugruben mit ein bisschen Flatterband aus Perspektive eines Blinden "anschaut", beginnt zu ahnen, warum Blinde eine geringere Lebenserwartung haben als sehende Menschen.

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  8. Ich bin Radlerin, Autofahrerin und Fußgängerin. Stelle tagtäglich fest, dass Mischwege nicht funktionieren. Politik will mehr E-Mobilität. Also fahren immer mehr auch mit dem E-Bike zur Arbeit (ich auch in Stuttgart !!!!). Kurzum gibt es viel zu wenig gut und breit ausgebaute übersichtliche Fahrrad-Trassen !!! Ich beobachte Rücksichtslosigkeit auf allen Seiten. Muss aber sagen, dass die "Radrennfahrer" auf engen Wegen und durch Baustellen mir am meisten Angst bereiten. Ich hoffe, dass gerade Stuttgart und die angrenzenden Städte nun endlich sichere Lösungen finden!

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