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15. November 2021

Die beneidenswerte Leichtigkeit des Radfahrens

Radler:innen halten sich für Gutmenschen und glauben deshalb, sie müssten sich an keine Regeln halten, höre ich immer wieder. 

Fühlen wir uns wirklich als Gutmenschen und brettern darum über Rot? Unsere Gefühle beim Radfahren sind doch eher andere: Leichte Unsicherheit, Vorsicht, Wachsamkeit, manchmal Todesschrecken, aber auch Vergnügen, unterwegs zu sein, und Spaß an der Bewegung, am Wetter, an den Gerüchen. Und immer wieder, wenn ich durch Stuttgart radle, denke ich: "Musste das jetzt sein?", "Du hast mich doch gesehen!", "O Gott, wenn ich jetzt bei Grün losgeradelt wäre, hätte der mich erwischt.", "Hilfe, das war knapp!"

Auf den Radwegen fährt die Erinnerung an grässliche Unfälle mit, die anderen das Leben gekostet haben, weil ein Autofahrer oder eine Fahrerin sie beim Abbiegen nicht sehen wollte und nicht gesehen hat. Oder an den eigenen Unfall, den man an dieser Stelle gehabt hat. Auf den Radwegen kann ich vor Abbiegeunfällen nie ganz sicher sein. ich weiß nie wirklich, ob der Autofahrer auch stehen bleibt, wenn ich komme und Vorrang habe. Auf den Fahrbahnen werde ich von ungeduldigen Autofahrenden bedrängt und knapp überholt. Manchmal fühlt sich das an, als wolle mich ein Mensch mit seinem Autos spüren lassen, dass ich ihn störe. Ich radle nicht mit Angst, aber immer mal wieder radelt die Angst mit mir. 

dichtes Auffahren. Muss das sein?
Ich scheine ein Störfaktor im gesamten Straßenverkehr zu sein.
Autofahrende mögen mich nicht, Fußgänger:innen mögen mich auch nicht. Aber ich kann doch nichts dafür, dass die Stadt meine Radroute wieder mal auf einen Gehweg oder durch den Park gelegt hat. Das, wo ihr da geht, das ist unsere Hauptradroute 1. Ich muss hier radeln. Und wenn sich alles auf schmalen Verkehrsinseln an Fußgängerfurten drängelt, ist das auch nicht meine Schuld. Für den Autoverkehr hätte man schon längst so eine viel befahrene Kreuzung verbessert, damit der Verkehr leichter abfließt, für mich als Radfahrerin macht man das nicht. 

Das ist frustrierend. Ich erlebe, dass jeder Meter Radstreifen oder Radweg heiß umkämpft ist. Vier Spuren für Autos (zwei Parkplatzspuren, zwei Fahrspuren), und nicht eine Parkplatzspur kann man für einen Radstreifen wegnehmen? Niemand will uns Radfahrende haben. Fahrradstraßen lösen bei Anwohner:innen mehr Angst aus als eine Hauptverkehrsstraße vor ihrer Haustür. Sofort reden alle von "rasenden Radlern" und "Lebensgefahr". Wir Radfahrende sind die, die der in seine Autogemütlichkeit verliebten Stadtgesellschaft die Parkplätze und Fahrspuren klaut und direkte Verbindungen kappt. Uns hält man vor, dass man nun mit dem Auto einen Kilometer Umweg fahren müsse und wir schuld seien an dem zusätzlichen CO2-Ausstoß. Dann denke ich: Denen ist ja wirklich jedes Argument recht, Hauptsache, der Radverkehr bekommt den kleinen Finger nicht, sonst nimmt er die ganze Hand. Ich bin umgeben von einer aufgeregten Gesellschaft, die ihre Abneigung und Skandalisierung auf den Radverkehr konzentriert, statt auf den Autoverkehr, der für unsere Gesundheit und unser Leben sehr viel gefährlicher ist. 

Uns mag keine:r, stelle ich fest. Nicht einmal andere Radfahrende mögen Radfahrende. Wie oft trumpft einer mir gegenüber mit einer Kritik auf "Radler halten sich ja an keine Regeln" mit dem Zusatz: "Ich fahre selber Fahrrad!" Ja, wenn nicht einmal wir selbst uns mögen ... Sind wir also doch nur die verbitterten Ökogutmenschen, die nicht einmal sich selbst mögen und von anderen nicht gemocht werden können, weil wir mit jedem Pedaltritt demonstrieren: Die Autos müssen weg, fahrt gefälligst Fahrrad und nicht Auto? Moralisieren löst Abwehr und Ablehnung aus. Die kriegen wir Radfahrenden zu spüren. Wobei man uns eben unterstellt, dass wir Rad fahren, weil wir Umweltstreber:innen wären. Aus Kopenhagen weiß man aber, dass es nicht so ist, dass die wenigsten aus Umweltgründen radeln, die allermeisten aber, weil sie es gut finden, bequemer und schöner als Autofahren. 

Wie fühlen sich eigentlich Menschen, die hören und spüren, dass sie zu einer Minderheit gehören, die niemand so richtig mag? Kommen da wirklich Überlegenheitsgefühle auf? Trotz vielleicht. Was greift ihr mich (uns Radfahrenden) eigentlich ständig an? Warum sind wir die Bösen im Straßenverkehr? 

Warum ist es so wichtig, dass diese heitere und harmlose Art der Fortbewegung, möglichst keinen Raum in unseren Städten bekommt? Klar, ihr wollt keinen Stress, wenn ihr eure Autos vor dem Haus parkt, und ihr wollt nicht im Stau stehen oder langsamer fahren müssen, weil ihr hinter einem Radler hängt. Das will ich auch nicht, deshalb fahre ich Fahrrad. Es ist bequemer, ich kann meine Termine stressfrei ansteuern, ich kann fast überall mein Fahrrad abstellen, ich bin immer pünktlich, weil ich nicht im Stau stehe, und es macht auch noch mehr Spaß, sich auf einem Fahrrad durch eine Stadt zu bewegen. Denn man bewegt sich, das macht einen klaren Kopf und gute Gefühle. Ich freue mich, wenn ich nicht ein einem dumpfen Auto sitze und mich Staus unterwerfen muss. Ich fühle mich auf dem Fahrrad freier. Ärgert euch das Vergnügen, das ich habe? Oder liegt es daran, dass sich viele Autofahrenden (nicht alle) einfach nicht gut fühlen, wenn sie im Auto sitzen und wieder mal nichts dazu beigetragen haben, dass das Klima nicht kippt? Ja, beim Radfahren ist auch das Gefühl angenehm, dass ich in diesem Moment der Stadt und ihren Einwohner:innen am wenigsten schade. Aber das ist für die meisten Radfahrenden gar nicht der Grund.

Die Gründe fürs Radfahren sind vielfältig:
  • Es ist schneller. Auf Strecken unter 5 km komme ich in der Stadt fast immer schneller an, als ein Mensch im Auto, selbst dann, wenn kaum Autoverkehr herrscht. 
  • Es hält mich gesünder. Tägliche leichte Bewegung ist gut für Körper und Geist. Und weil man mit dem Fahrrad mit geringer Mühe Geschwindigkeit erzeugen kann, hellt sich unsere Stimmung auf. 
  • Es ist billiger. Autos kosten mindestens 300 Euro im Monat (die Anschaffung nicht mitgerechnet), das Abo für die Stadtbahn in Stuttgart kostet rund 800 Euro im Jahr. Ein Fahrrad dürfte uns höchstens 10 Euro im Monat kosten, und ein billiges kriegt man für 500 Euro. Aber selbst ein teures rechnet sich über die Jahre, vor allem, wenn man sich kein Auto mehr anschafft. 
  • Man lernt die Stadt gut kennen. Man radelt ja nicht abgeschirmt und kommt mit dem schmalen Fahrzeug in jeden Winkel einer Stadt. Man kann überall schnell anhalten, wenn man im Vorbeiradeln etwas sieht. 
  • Es ist gut für die Umwelt.
  • Es ist gut für Autofahrende. Denn wenn alle, die bei uns Rad fahren, ins Auto umsteigen würden, ginge in der Stadt gar nichts mehr. Umgekehrt steht jeder Radler schon mal nicht im Autostau. Je mehr Menschen radeln, desto weniger Probleme haben Menschen, die Auto fahren müssen. Nimmt man auf Autostraße eine Fahrspur für Radfahrende weg, dann bremst das den Autoverkehr nicht, sondern beschleunigt ihn sogar, Zu dieser Erkenntnis ist sogar der ADAC gekommen. 
  • Es ist gut für den lokalen Handel. Radfahrende kommen weiter rum als Fußgänger:innen und entdecken mehr Läden, in die sie spontan hineinschauen können, weil sie nie Parkplatz suchen müssen. Sie haben oft auch Geld und geben es gerne aus. 
  • Man kann schön angeben. Erstens weil man ein cooles Rad fährt, zweitens weil Autofahrende uns für Held:innen halten, wenn wir erfrischt nach einer Regenfahrt ankommen. Was, bei dem Wetter fährst du Fahrrad? 
  • Es ermöglicht ungeahnte Abenteuer. Mit dem Fahrrad suchen wir uns oft selbst unsere Wege, sei es in der schlechten Infrastruktur einer Stadt oder bei einer Radtour oder Radreise über Land. Jeder Weg wird zum kleinen Abenteuer, das wir bestehen und von dem wir erzählen können. 
  • Es macht Spaß. Es ist wie ein Kurzurlaub vor und nach der Arbeit. Die meisten Radfahrenden kommen in einer besseren Stimmung an als sie losgefahren sind. 
Mit was für Gefühlen radeln wir also eigentlich durch unsere Städte? Von Schreckmomenten und Zorn abgesehen, doch meistens mit Vergnügen, mit Neugierde, mit Freude an Begegnungen und kurzen Wortwechseln, also mit guten Gefühlen. Kann es sein, dass Autofahrende in ihren Kabinen uns beneiden um unsere Freiheit und unser Lebensvergnügen? Darum, dass wir unsere Mobilität nicht dem trägen und schwerfälligen Auto unterordnen, unser Leben nicht auf Parkplatzsuche, Werkstatttermine, Reifenwechsel und Tankfüllungen ausrichten? Sind sie neidisch auf unsere Leichtigkeit? Dann gäbe es seine schöne Lösung: Steigt doch mal selbst aufs Fahrrad und lernt eure Stadt besser kennen. 



17 Kommentare:

  1. Du beschreibst ziemlich gut die Gefühlslage. Natürlich spüren nicht alle Radfahrer das gleiche. Bei mir mischen Verwunderung, Frust und Ärger mit, dass ich als pendelnder Radfahrer nicht hofiert werde, ja nicht einmal gleich behandelt werde wie pendelnde Autofahrer trotz meines Beitrags zur Entlastung von Umwelt, überlasteter S-Bahn und zähfließendem Kfz-Verkehr.

    Schneller bin ich nicht. Gemessene 36 Minuten "hinzus" Autofahrt im Berufsverkehr mit ein bisschen Stau und Stop-and-go, der immer noch schneller fließt als die Schrittgeschwindigkeit, die ich auf freigegebenen Gehwegen fahren dürfte, gegenüber 70-80 Minuten mit dem Rad (+10 Minuten Duschen und Umziehen). Auf dem Rückweg 49 Minuten wegen Verkehrschaos und Umleitung in Stuttgart nach Unfall. D.h., trotz aller Widrigkeiten bin ich mit dem Auto noch viel schneller und habe es bequemer als mit dem Rad. Nicht angehupt geworden, nicht angebrüllt geworden, weil ich (regeltreu) auf der Straße gefahren bin, keine Angst vor Stürzen auf glitschigem, nassen, teils angefrorenem Laub, keine akrobatischen Einlagen durch Umlaufsperren, keine Ampelpfosten mitten auf "meiner" Fahrbahn, insgesamt nur 2 Bordsteine statt geschätzt 30, keine Stunde mit höchster Anspannung und Konzentration - ein Traum.

    Was gleich ist wie beim Autofahren: ich fühle mich fast die ganze Zeit ausgebremst, obwohl ich mit über Geschwindigkeitsbegrenzungen hinwegsetze. Freigegebener Gehweg -ich bremse von 28-40 auf 20-25 km/h runter, dürfte aber eigentlich nur 5-20 km/h fahren. Auf der Fahrbahn stehe ich im Auto-Stau oder ich überhole im Motorrad-Modus, so lange kein Gegenverkehr kommt (trotzdem nicht ganz ungefährlich).

    Immer die Überlegung, halte ich mich an die Verkehrsregeln und nutze die Radfahranlagen, die mich in höchste Gefahr bringen (z.B. im dooring-Bereich), verzichte ich auf meine Vorfahrt und fahr nicht schnell auf dem Radfahrstreifen am stockenden Autoverkehr vorbei aus Angst vor abbiegenden Autofahrern im Blindflug (ohne Schulterblick und ohne Blick in den Rückspiegel), die mich nicht einmal warnen, indem sie den Blinker setzen. Volle Konzentration, wo der Wirtschaftsweg und der Neckardamm-Weg unter dem Matsch-Laub verlaufen.

    Andererseits, Licht, Luft, Wolken, Eichhörnchen, Graureiher, Windböen, die dunkle, rauhe Flächen auf dem Wasser machen und die Bäume rascheln lassen. Gelegentliche gute Gespräche mit Zufallsbekanntschaften, andere Radpendler auf der gleichen Strecke. Körperliche Anstrengung, ich betätige mich gemäßigt sportlich. Das gleicht vieles wieder aus.

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  2. Allein schon, dass es über das Radfahren so viel zu schreiben gibt, zeigt doch schon, wie groß das Problem (nicht in erster Linie unseres, aber eben das der Gesellschaft mit uns, und deshalb doch in letzter Konsequenz unseres) ist.
    Dabei sollte Radfahren, weil es in vielen Fällen das ideale Verkehrsmittel ist, schlicht so normal und einfach sein, dass es kein Wort darüber zu verlieren gibt. Oder wie es der Niederländer Stein van Oosteren (in "Pourquoi pas le vélo ?") sagt: Ich quatsche doch auch nicht davon, wie ich gestern mit einem Messer Gemüse geschnitten habe."

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    1. Das finde ich auch. Es ist seltsam, dass wir Radfahrenden das Radfahren so oft verteidigen müssen, uns überhaupt verteidigen müssen. Etwas, wenn Leute sofort anfange, mit von Radlern zu erzählen, die auf Gehwegen oder bei Rot gefahren sind, wenn ich sage, dass ich mit dem Fahrrad gekommen bin. Wir werden eben wie eine Minderheit behandelt, die sich beständig erklären muss, auch rechtfertigen, auch falsche Vorurteile wiederlegen und so weiter.

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    2. Mir sagte ein Kollege, als ich mich mal wieder über ruppige Autofahrer beschwerte: "Warum fährst du nicht einfach mit dem Auto?"

      Ein Chef sagte: "Die Radfahrer denken nicht an die armen Autofahrer, wenn sie einfach so irgendwo lang fahren."

      Manchmal denke ich nur: verkehrte Welt...

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  3. Ich verstehe nicht warum man Radfahrern unterstellt, sie wären ökologische Gutmenschen, die sich nicht an Regeln halten würden. Wo kommt diese Aussage denn her? Wer hat den Schwachsinn in die Welt gesetzt? Ich halte mich weder für einen ökologischen Gutmenschen noch will ich gegen Regeln verstossen. Das ist aber gerade mit dem Rad äußerst schwierig. Und wenn man sich an die STVO hält, dann wird man von den "nicht so ökologischen Nichtgutmenschen in ihren Autos gemaßregelt". Ich frage mich immer, woher diese Leute das Recht hernehmen, andere mit ihrem Gefährt nach irgendwelchen Mythenregeln zu gefährden. Ich lasse mir trotzdem das Radfahren nicht vermiesen. Ich habe schon so viele tolle Läden beim kleine Umwege fahren entdeckt. Da wäre ich mit dem Auto nie vorbeigekommen.
    Ich fahre eigentlich für mehr Bewegung mit dem Rad, also nutze ich es so häufig es geht.
    Karin

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  4. Jörg
    Seit langer Zeit bin ich Fahrradpendler. Meine Steuern werden nicht in meine Wege investiert, sie fließen in wesentlichen in Richtung Autoverkehr. Ich fühle mich tatsächlich um Geld und Raum betrogen. Über den Bundesverkehrswegeplan werden Fernstraßen, wie der Rosensteintunnel und der Pragtunnel finanziert. Finanzmittel für Radfahrer gibt es dort nicht, die fahren ja nicht auf Fernstraßen.
    Der Guerilla Modus wird ernst verschwinden, wenn Anlagen und Regeln für Normalradfahrer passen. Ich will nur in Ruhe radfahren, ins Geschäft, zum Laden und sonst wohin. Das Recht nehme ich mir, so wie ich es von den Kollegen die schon im Ruhestand sind gelernt habe.
    Regelverletzungen gehören zum Menschen. Regelverletzungen sind je nach benutztem Werkzeug zu beurteilen. Ein Auto ist eine Waffe, ein Fahrrad ist nicht annähernd so tödlich. Da sollte die Gefährdung der anderen Menschen mit in die Beurteilung von Regelverstößen einfließen.
    Was leitet man aus Regelverstößen ab? Radfahrer bei Rot gefahren - jetzt gibt es keinen Radweg. Menschen mit so einer moralischen Unreife darf man nichts geben.
    Hunderte Autofahrer geblitzt - eine Autospur mehr, auf jeden Fall an der Stelle Radfahren verbieten.

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  5. Ich fürchte bei dieser Aufzählung wurde der wichtigste Teilaspekt des Ganzen vergessen:

    Wer Rad fährt hat besseren Sex.

    Und ich spreche nicht von den regelmäßig zitierten Dauererektionen durch langes Sattelsitzen. Die gibt's sind aber eher unangenehm.
    Nein, es ist ja schon gleich erkennbar:
    Wer ein dickes, röhrendes Auto braucht, hat ganz offensichtlich tiefer sitzende Probleme.

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    1. Das interessuert dich als Mann besonders, gell? Aber ich habe darüber auch schon geschrieben, nur nicht so verächtlich dabei über Autofahrende.

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  6. Vorab: auch ich fahre nicht Rad um als Gutmensch toll dazustehen, sondern weil ich eben will. Umgekehrt schon eher, fahre ich nicht Auto um nicht schlecht dazustehen (vor mir, zumBeispiel :) ).

    Diese billigen Anfeindungen, dass irgendeine Gruppe sich angeblich als "besser" sieht (Gutmenschen! etc.) um sofort mit den schönsten Unterstellungen (Kampfradler!, etc.) weitermachen zu können, sehen füur mich immer so aus, dass die betreffende Person sich innerlich vor Schmerzen windet wegen der Schere im Kopf.

    Niemand will gern demonstriert bekommen, dass Verhalten mit weniger Kolateralschäden auch nur möglich ist.

    Nicht umsonst schwappt zum Beispiel der Klimabewegung (vor allem auch einzelnen Bekannten aus der Bewegung) ein unglaublicher Hass entgegen.

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    1. Ja, komisch, dieser Hass immer auf Leute, die etwas Grundlegendes im Leben anders machen als man selbst. Ich vermute, Menschen regieren mit Ablehnung und Hass immer dann, wenn sie sich kritisiert sehen und insgeheim wissen, dass ihr Verhalten nicht sonderlich sozial und umweltgerecht ist. Und davon handelt dieser Artikel. Es wäre schöner, wenn es anders wäre.

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  7. Hallo Christine,

    die Kosten des Radfahrens sind aber meiner Meinung nach höher als 10€ im Monat. Bei meinem Fahrrad liegen sie nach gut 20000km noch bei über 20c/km, ich habe aber auch ein Fahrrad am oberen Ende der Preisskala, und bei Ebikes liegen die Kosten schon allein aufgrund des Akkuverschleißes eher noch höher. Bei einem Fahrrad würde ich von Kosten pro Kilometer von mindestens 5-10c/km ausgehen, wenn man die meiste Wartung selber macht, ansonsten können die auch noch höher ausfallen. Gebrauchte, alte Dreigang-Räder können günstiger sein.

    Bei einer Akkulebensdauer von ca. 20-30000km machen schon alleine die Kosten für einen Akku 2c/km extra aus.

    Wenn man jetzt von regelmäßigen Fahrern von vielleicht 50km/Woche -> 200km/Monat ausgeht, liegen wir hier bei Verschleißkosten/Anschaffungskosten (5-10c/km) bei eher 10-20€/Monat, bei Vielfahrern, die wenig selber machen, sind die Kosten wohl eher bei 50€/Monat anzusiedeln.

    Wenn Du mal eine genaue Aufschlüsselung der Kosten sehen willst, kann ich Dir das mal für mein Fahrrad per Email zukommen lassen.

    Viele Grüße
    Kai

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  8. Ich bin auch ständig mit dem Fahrrad unterwegs. Die hier beschriebenen Erfahrungen kann ich nur sehr eingeschränkt teilen. Zwar wurde ich bereits zweimal am selben Kreisverkehr fast überfahren, allerdings hatten die Autofahrerinnen komplett durch mich hinduchgesehen und sich nach der Vollbremsung entsprechend bei mir entschuldigt.
    Die positiven Erlebnisse mit Autofahrer*innen, wie zum Beispiel freundliches Vorfahrt gewähren lassen, überwiegen bei mir deutlich. Mit Fußgänger*innen hatte ich noch kein einziges negatives Erlebnis.

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    1. bzgl fußgänger:innen. etwas, was mich zunehmend stört, ist das Gefühl, dass ich mich bei einem zu Fuß gehenden bedanken sollte, wenn diese(r) zur Seite geht, wenn ich auf einem geteilten Radweg/Gehweg oder im Wald unterwegs bin. Wenn ich mich nicht explizit bedanke, kriege ich manchmal ein sarkastisches "bitte schön" zugeworfen.

      Mein Problem damit ist, dass die Fußgänger:innen mich oft seit 200m gesehen haben, und erst zur Seite gegangen sind, nachdem ich mich an den Rand gequetscht habe und runter auf Schrittgeschwindigkeit verlangsamt habe. Aber dafür habe ich noch nie einen Dank geerntet.

      Irgendwie kann ich es aber verstehen. Es wäre schön, ein Verkehrsmittel zu haben, wo man völlig hirnlos halt von A nach B kommen kann, und wenn ich zu Fuß unterwegs bin, stört es mich schon, wenn Radfahrer schnell an mich vorbeiflitzen.

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    2. Für mich ist es eine Selbstverständlickeit, dass ich mich bei Fußgängern bedanke, wenn sie für mich auch nur ein bisschen zur Seite gehen. Ebenso ist es für mich eine Selbstverständlichkeit, dass ich ohne Bedingung auf Fußgänger Rücksicht nehme, denn sie sind die schwächsten Verkehrsteilnehmer. Ebenso lasse ich auch mal ein Auto oder Omnibus oder LKW vorbei, wenn ich z.B. in eine größere Lücke einscheren kann. Da fällt mir echt kein Zacken aus der Krone, und meistens bekomme ich ein erfreutes Dankeschön zurück, was mir dann auch wieder den Tag verschönt. Ich habe wirklich viele freundliche Erlebnisse mit anderen Verkehrsteilnehmern.

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  9. "Ich vermute, Menschen regieren mit Ablehnung und Hass immer dann, wenn sie sich kritisiert sehen und insgeheim wissen, dass ihr Verhalten nicht sonderlich sozial und umweltgerecht ist."
    Der Mensch will koste es was es wolle zu einer Gruppe gehören und zwar oft gegen jede Vernunft. Die Anti-Vaxxer-Gruppen sind das beste Beispiel dafür, Hauptsache, man kann sein Selbstbild dadurch stabilisieren.
    Hass auf andere, besonders wenn diese das eigene Selbstbild bedrohen, ist dann das In- und Out-group Phänomen. Und eine der größten In-Groups in unserer Gesellschaft sind nunmal die "Autofahrer", mit allen entsprechenden Phänomenen, die der Artikel und die Kommentare beschreiben.

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  10. Schöner, trauriger Artikel... Ja, so fühle ich mich auch: Keiner mag die Radfahrer. Den Autofahrern sind sie im Weg, die Fußgänger werden von Rasenden Radlern umgefahren. Und immer wieder der Vorwurf, Radfahrer hielten sich an keine Regeln.

    Bei uns hat man einst Straßen für Autos geplant. Und für ein paar Fußgänger, Schüler und Gassi-Geher, ein paar Fußwege eingerichtet. Und dann fiel den Verkehrsplanern ein, dass es noch Radfahrer gibt. Ach ja, die paar Radfahrer, muss man wohl gedacht haben. Eine aussterbende Spezies, Hartz-IV-Empfänger und andere Loser, schließlich ist das Auto das Maß der Dinge ist. Also schlagen wir sie mal den Autofahrern zu, mal den Fußgängern. Mal dürfen sie links, mal sollen sie rechts fahren, mal sowohl auf dem Fußweg ("Fahrrad frei") oder auf der Straße.

    Was machen wir Radfahrer? Bei so viel Freiheit suche ich mir den für mich gerade passendsten Weg: Will ich schnell voran kommen, nehme ich die Straße. Wahrscheinlich denkt dann jeder Autofahrer: Warum fährt der Radfahrer auf der Straße, wo doch ein schöner Radweg da ist (Schild "Fahrrad frei" - klingt für mich immer wie "lösungsmittelfrei"). Wenn ich gemütlich auf dem Gehweg mit "Fahrrad frei" fahre, störe ich die Fußgänger, die mit Recht sagen, dass das kein Radweg sei.

    Wenn ich sowohl auf der Straße als auch auf dem Fußweg fahren darf - klar schlingere ich dann um die roten Ampeln herum. Ich darf das ja.

    Wenn ich mit dem Rad losfahre, bin ich bin ich eigentlich schon vorher wütend: Es gibt keine Radinfrastruktur. Die Fahrradstraßen sind vor lauter Autos nicht als solche erkennbar, und Radfahrer sind dort nur lästige Störer, die man mit laut aufheulendem Motor überholen kann. Es fühlt sich an, als ob Autofahrer mir immer aufs neue zeigen wollten: "Du gehörst nicht hier her". Jeden Tag überlege ich, welches Übel ich heute in Kauf nehmen möchte, um mit dem Rad zur Arbeit zu kommen.

    Die fehlende Radinfrastruktur führt bei uns im Rheinland dazu, dass nur wenige Radfahrer gibt. Das macht mich traurig und wütend zugleich, vor allem wenn ich sehe, dass gerade wieder neue Autobahnbrücken über den Rhein geplant und wahrscheinlich in Rekordgeschwindigkeit realisiert werden, während Radwege weiterhin als "unökologisch" weil seltene Eidechse und zu teuer oder so blockiert werden. Bei so wenigen Radfahrern werden auch keine Radwege gebraucht. Besser man baut die Straßen aus!

    Ich warte auf den Tag, wo man das Radfahren "zur Sicherheit der Radfahrer" verboten wird.

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    1. Beim letzten Satz hake ich ein: mit dem Argument "Sicherheit" begründen leider viele Verkehrsplaner immer noch Bettelampeln, Umlaufgitter, (Tast)Kanten, Poller etc. Leider ...

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