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24. April 2024

Psycholgie des Radparkens

Wenn es genügen Radbügel am richtigen Ort gibt, stehen die Fahrräder dort. Wenn nicht, stehen sie überall. Bevorzugt unter Dächern oder am Ladeneingang. 

Der Vorteil des Radfahrens ist, dass man keinen Parkplatz suchen muss und auch nicht 100 Meter von einem Parkplatz dorthin laufen muss, wo man hinwill. Dieser Vorteil ist wichtig für eine Mobilität, die mit Muskelkraft bewerkstelligt wird. Radbügel müssen deshalb dort stehen, wo wichtige Ziele (Konsum, Sport, Kultur) sind, aber auch bei Arbeitsplätzen und in Wohngebieten. 

Radfahrende haben außerdem das Bedürfnis, Räder an sicheren Orten abzustellen, wo sie nicht zu einfach geklaut werden können oder Vandalismus anheimfallen. Räder sind keine hermetisch verschlossenen Dosen wie Autos, sondern offene Geräte, von denen man Lichter, Klingeln, Sättel, Vorderreifen, Körbe, Taschen und so weiter klauen kann. Deshalb lässt man sie in der Öffentlichkeit nicht gerne lange alleine. Und da Fahrräder ihren Wetterschutz nicht mitbringen, sucht man sich gern einen geschützten Ort, etwa unter einem Dach. Außerdem müssen sie mit dem Kabelschloss angeschlossen werden können, brauchen also ein Rohr. 

Das ist das eine. Das andere ist, dass man sich manchmal wundert, wo und wie Räder abgestellt werden.  

Man muss sie vielleicht nicht gleich bis genau vor die Tür eines Ladens fahren und dort abstellen, so als gäbe es keine anderen Leute, die dort rein oder raus wollen. Dieses Fahrrad (auf dem Doppelbild oben) ist äußerst gedankenlos vor einem Laden abgestellt worden. Wer rein oder aus will, muss drum herum laufen. Nicht schön. Die anderen beiden stehen vor einer Apotheke, und auch für die hätte ich mir diskretere Plätze vorstellen können. Radbügel in der Nähe gibt es allerdings nicht. Die Räder konnten nicht an einem festen Gegenstand angeschlossen werden. Also gilt: Sie stehen so, dass man sie von drinnen in der Apotheke im Auge behalten kann. 

Denn so will man sein Rad eben nicht wiederfinden: achtlos oder mutwillig umgestoßen, ausgeschlachtet, angefahren, bis aufs Vorderrad geklaut und so weiter. 

Ein bisschen Psychologie ist aber wohl auch dabei, also mehr Gefühl als rationale Überlegung. In der Regel werden in Stuttgart Räder nicht am hellichten Tag innerhalb der zwanzig Minuten geklaut oder beschädigt, die man einkaufen geht. (In Leipzig, so erzählt man mir, allerdings schon, weshalb dort die Pedelecradelnden ihre Akkus meistens mitnehmen, vor allem abends.) Und ein bisschen Bequemlichkeit spielt auch eine Rolle: Warum zwanzig oder fünfzig Meter laufen, wenn man das Rad auch gleich neben der (oder vor der) Tür abstellen kann? Auch manche Autofahrende sind ja so drauf: Sie parken - meistens illegal auf Gehwegen oder im Halteverbot - vor einem Laden, in den sie nur für fünf Minuten reingehen. Und warum sollte die Mentalität von einigen radelnden Menschen eine andere sein? Zumal Fahrräder legal auf Gehwegen und in Fußgängerzonen stehen dürfen, wenn sie niemanden behindern. 

Interessant finde ich die Situation an den Stuttgarter Staatstheatern. Vor dem Landtag gibt es ein ziemlich großes Feld mit Radbügeln. Dort stehen aber mehr E-Scooter als Fahrräder. Die Räder stehen alle auf der anderen Seite des Autoparkplatzes an der Oper. Was damit zu tun haben mag, dass sie den Leuten gehören, die in den Staatstheatern arbeiten, und nicht irgendwelchen Gästen, die in den Landtag oder sonstwohin wollen.

Die Räder sind ans Geländer der Unterführung gekettet und an Masten. An der B14 gibt es Radbügel, die in der Regel alle voll sind. Aber warum stellt man die Räder dann nicht in die Bügel am Landtag? In einem Fall (Foto ganz oben und rechts unten im Dreierbild) leuchtet es sofort ein: Die Räder stehen regengeschützt unter einem Dach. Die Räder am Abgang zur Unterführen stehen allerdings im Regen. Es scheint, als sei die Nähe zur Tür zum Arbeitsplatz wichtig. Sie sind gewissermaßen ideell noch mit mir verbunden, anders, als wenn sie im Radbügelpark jenseits des Parkplatzes stünden. Außerdem stehen hier viele andere Fahrräder. Auch Radfahrende stellen ihre Räder gerne an derselben Stelle ab wie immer. Es könnte also auch eine langjährige Gewohnheit sein. 

Die Radbügel am Landtag sind offensichtlich überhaupt nicht attraktiv. Sie stehen im Wind, sie haben kein Dach, sie sehen kahl und eisern aus, sie sind anonym, es kommen viele Passanten an ihnen vorbei. Keine Ahnung, was hier den Ausschlag für die Abneigung gegen diesen Ort gibt. Einige von euch werden vielleicht eine Erklärung haben und mir mitteilen. 

Manche nehmen ihre Räder aber auch ganz mit rein. Ins Büro zum Beispiel. Die dürften bereits böse Erfahrungen gemacht haben, wenn das Rad acht Stunden draußen steht, und sie lieben ihr Fahrräder. Oder ihnen ist das Abschließen zu umständlich, wenn sie nur an den Bankautomaten wollen, oder es fehlen draußen wieder mal komplett die Radbügel und es kommen noch andere mit Rädern, die sie nicht auf Gehwegen aufreihen wollen, wenn drinnen Platz ist. Da wird im Winter die Batterie auch nicht so kalt und die Räder werden nicht nass, wenn es regnet. 

Und ein bisschen Psychologie ist auch wieder dabei: Man hat das Rad nahe bei sich, man muss sich keine Sorgen machen, man würde es sehen, wenn sich daran ein Fremdling zu schaffen machte. 

Schön ist, wenn eine Kultureinrichtung die warmen und wettergeschützen Radstellplätze gleich unterm Dach anbietet, so wie die Theater Tribüne und Fitz in der Passage am Tagblattturm. Auch wenn die natürlich schnell voll sind, wenn Vorstellung ist. Draußen fallen jedenfalls in weiterem Umkreis keine Fahrradbügel ins Auge. Da muss man sich dann wieder Masten, Geländer oder Regenrohre suchen, um das Rad anzubinden. Und hoffen, dass sich abends niemand an ihnen vergreift. 

Wobei Fahrräder nach wie vor meist nur ein Zwölftel des Platzes zum Parken brauchen wie Autos. Weshalb die Rad-Mobilität platzsparend ist und die Leistungsfähigkeit einer Straße samt ihrer Parkplätze enorm erhöht (es können im Vergleich zu Autos mindestens das Zehnfache an Rädern abgewickelt werden). Und ehe sich hier wieder einige über die Vorteile und Freiheiten, die das Radfahren bedeutet, ärgern und das Wort "Gerechtigkeit" ins Spiel bringen: Für die Bedürfnisse der Autofahrenden, ihre großen Fahrzeuge in Wohngebieten und in der Innenstadt abzustellen, hat die Stadt seit Jahrzehnten Platz im öffentlichen Raum geschaffen und kilometerweit Straßenränder bereitgestellt. Es wurden Parkhäuser gebaut, Firmen stellen Tiefgaragen und riesige Firmenparkplätze bereit. Und das, obgleich jede Autofahrt der Gesellschaft schadet (sie Geld kostet, sie krank macht, den Klimawandel befeuert). Radfahren schadet niemandem, bringt einer Stadt sogar Geld ein, und dennoch haben wir nicht genügend Radbügel, schon gar keine wettergeschützten, und keine durchgängigen Radwege. 

Unser Privileg ist unsere Freiheit, das Privileg der Autofahrenden ist, dass sie die Straßen beherrschen, fahrend und parkend. 


3 Kommentare:

  1. Jörg
    Wir sehen häufig an Tiefgaragen Schilder mit einer Höchstgeschwindigkeit von 10 km/h - OK. Aber warum werden daneben Radfahren und zu Fußgehen verboten? Auf der echten Straße haben wir Mischverkehr auf Parkplätzen laufen Fussgänger kreuz und quer. Ich verstehe nicht was das soll.
    Tiefgaragen sind trocken und häufig videoüberwacht. Da würde ich gerne mein Radl abstellen. Landtag und Oper haben doch Tiefgaragen.

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    1. In manchen Tiefgaragen kann man das, am Rathaus zum Beispiel. An der Wilhelma nicht, da habe ich das aber mal gemacht. Ist halt alles sehr zufällig und wenig durchdacht.

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  2. Ich habe nie verstanden, warum in Stuttgart keine modernen Analysesysteme für die Standortfindung und Bedarfsanalyse eingesetzt werden. In der Verwaltung wurde immer drauf bestanden, möglichst ineffizient und in intensiver Vorabstimmung aller Ämter jeden einzelnen Standort zu besichtigen und zu besprechen, statt einmal den Bedarf in der Bürgerschaft und Industrie und Handel abzufragen und dazu zu beteiligen. Mit einem systematischen vorgehen würde man nicht nur bessere Entscheidungen sondern auch schnellere und personaleffizientere Entscheidungen treffen. Die Stadt Aachen hat sehr vorbildlich vorgemacht, wie es gehen kann.

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