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26. Mai 2024

Hupen und Rotlichtverstoß - Wut im Straßenverkehr

Was empfinden Autofahrende an Radfahrenden als besonders aggressiv und was Radfahrende an Autofahrenden? 

Diese Frage hat man sich an der TU Dresden gestellt. Eingeladen waren 30 Radfahrer:innen und 30 Autofahrer:innen, jeweils etwas mehr Frauen als Männer zwischen 19 und 64 Jahren. Unter den Autofahrenden fuhr gut die Hälfte auch gelegentlich Fahrrad, unter den Radfahrenden fuhr nur ein Sechstel gelegentlich Auto. Betrachtet wurden - wie man hier nachlesen kann - ein Dutzend Situationen, dann konzentrierte man sich auf zwei, nämlich "Radfahrer:in wird von Autofahrer:in zu dicht überholt" bzw. "Autofahrer:in kann Radfahrer:in nicht überholen" und "Radler:in fährt auf Radweg, rechtsabbiegender Autofahrer versperrt den Radweg" bzw. "Autofahrer will rechts abbiegen, Radfahrer:in kommt schnell auf dem Radweg." 

Interessanterweise empfanden Autofahrende es generell als besonders aggressiv (3,9 von 5 Aggressionspunkten), wenn Radfahrende über eine rote Ampel fahren, wenn kein Querverkehr kommt. Was eigentlich den Menschen im Auto gar nicht tangiert, er steht ja nur und guckt zu. Radfahrende empfanden es als besonders aggressiv, wenn sie von Autofahrenden angehupt werden (4,3 von 5 Punkten). 

Die beiden näher betrachteten Situationen - Abbiegekonflikt und Auto kann Fahrrad nicht überholen - scheint bei den meisten Autofahrenden keine sonderlichen Aggressionen auszulösen, während gleichzeitig Radfahrende Angst kriegen und Aggression wahrnehmen. Der Abbiegekonflikt wurde von Autofahrenden nicht als besonders aggressiv erlebt (1,9), von Radfahrenden aber sehr wohl (3,7 von 5 Negativpunkten). Und noch weniger aggressiv erlebten es die beteiligten Autofahrenden, wenn sie eine:n Radfahrer:in nicht oder nur eng überholen konnten (1,5), wohingegen Radfahrende das zu enge Überholen durchaus als Aggression erlebten (3,1). Mit anderen Worten, viele Autofahrenden wissen gar nicht, wie beängstigend und bedrängend es für Radfahrende ist, eng überholt zu werden, sie fühlen gar nichts dabei. 

Die Überholsituation löste bei knapp der Hälfte der Autofahrenden Ärger und Ungeduld aus (die Hälfte sagte, sie bleibe hinter dem Radler, die anderen überholten, auch wenn es zu knapp wurde, fuhren dicht auf und hupten), während etwas mehr als die Hälfte der Radfahrenden Angst empfand und knapp die Hälfte dabei auch Ärger und Wut. Sie gaben an, dass sie gestikulieren und versuchen, die Spur zu halten. Einige würden auch gerne Anzeige erstatten. Ein kleiner Teil weicht auf den Gehweg aus, etwas mehr radeln weiter links auf der Fahrbahn. Die meisten Autofahrenden (24 der 30) erwarteten, dass der Radfahrer weiter rechts fährt oder auf den Gehweg ausweicht, damit sie vorbeikommen. Die meisten Radfahrenden (21) erwarteten von den Autofahrenden, dass sie mit 1,5 Metern Abstand überholen oder sonst halt warten. Als Lösung des Konflikts schlagen beide Partien vor: mehr Radwege bauen. 

Die Abbiegesituation (Autofahrer biegt nach rechts über einen Geradeausradweg ab) löste nur bei wenigen Autofahrenden Ärger oder Wut aus, nur 2 dachten nach einem Beinaheunfall an das Risiko. Bei der Hälfte der Radfahrenden allerdings, die bremsen müssen, löste die Situation Ärger und Wut aus, und 9 dachten an das Risiko. Die Hälfte der Autofahrenden (16) gaben an, den Schulterblick zu machen und aufmerksamer zu sein (7), noch mehr, nämlich 22 Radfahrende, gaben an, extra nach abbiegenden Autos zu schauen, den Blickkontakt mit dem Fahrer zu suchen (7) und bremsbereit zu fahren (13). Etwa die Hälfte Gruppenmitglieder erwarteten von den jeweils anderen, dass sie sich gezielt umgucken. Die Lösung, die beide vorschlugen: Radwege deutlich kennzeichnen (Hinweisschilder) und getrennte Ampelschaltungen für Radfahrende und Autofahrende. 

Deutlich wird, was bei vielen Autofahrenden ohne große Gefühle abgeht, löst bei Radfahrenden Angst und Wut aus. Und bei Autofahrenden scheinen die größte Wut diejenigen Radfahrenden auszulösen, die es sich herausnehmen, bei Rot über eine Ampel zu fahren, was keine Bedrohung für Autofahrende darstellt. (Ist übrigens riskant für den eigenen Geldbeutel, also schwer verboten, kostet einen Punkt in Flensburg und zwischen 60 und 120 Euro.) Wir ärgern uns doch immer am meisten, wenn sich andere Freiheiten herausnehmen, die wir uns selbst nicht nehmen. Wobei zur Wahrheit gehört, dass sich genauso viele Autofahrende nicht ans Rotlicht halten wie Radfahrende, und die gefährden dadurch Fußgänger:innen und Radfahrende. 

8 Kommentare:

  1. "Unter den Autofahrenden fuhr gut die Hälfte auch gelegentlich Fahrrad, unter den Radfahrenden fuhr NUR ein Sechstel gelegentlich Auto." (Groß- und Kleinschreibung im Zitat von mir geändert)

    Diese Wortwahl manipuliert mMn, wenn auch vielleicht unabsichtlich. Die 1/6 der Radfahrer fahren vielleicht wirklich mit dem Auto, weil sie das Auto gebraucht haben. Aber wer am 1. Mai sein Rad aufpumpt und dann den Neckar entlang fährt, dem wünsche ich einen schönen Tag, aber der Radverkehr im Alltag ist anders. Ich habe ehrlich keine Ahnung, wie viele Autofahrer wirklich gelegentlich mit dem Rad fahren - aber 50+%? Auch wenn das eine kleine, nicht repräsentative, Gruppe war - das fällt mir schwer zu glauben.

    Philipp Krstic

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    1. ergänzend

      Ich muss ehrlich sagen: Ich finde auf der einen Seite einige schwierige Vergleiche. Auf der anderen Seite ist es vermutlich schwer alles möglichst neutral zu formulieren ohne einen falschen Eindruck zu machen. V.a. mit begrenzter Zeit. Wer weiß ob mir das besser gelungen wäre? Vielleicht hätte ich nicht "manipuliert" schreiben sollen. Gleichzeitig möchte ich das alles aber auch nicht unwidersprochen so stehen lassen. Wie gesagt es ist nicht nur 1 ungeschickter Vergleich. Und es macht einen Unterschied, ob man versehentlich verharmlost oder weil man Radfahrer doof findet...

      Philipp Krstic

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  2. Ich finde das Wort "aggressiv" für eine Situation "bei rot über eine Ampel fahren" vollkommen unpassend. Aggressiv ist für mich etwas anderes, nämlich aktiv bedrängen, sowas wie Motoraufheulenlassen oder hupen an Stellen wo kein Platz ist. Aggressiv sind Radfahrer, wenn sie viel zu schnell oder viel zu dicht Fußgänger auf dem Gehweg überholen. Wenn in Konfliktsituationen gespucken, gepöbelt, beleidigt oder man sogar handgreiflich wird (gilt für alle Verkehrsteilnehmer). Ich kenne die Situationen aus beiden Perspektiven. Das Problem ist ein Ausmaß an Regelunkenntnis, das sich nur durch regelmäßigen Nachweis beheben lässt und durch regelmäßige Kontrollen durch unsere Exekutive.
    Ich verhalte mich nicht aggressiv und nich provozierend im Strassenverkehr, weder mit dem Auto noch mit dem Rad, sondern ich fahre nach der STVO. Was dies an Aggressivität verursacht ist nicht zu beschreiben. Der letzte Vorfall fand bei vorgeschriebenen 80 km/h auf der Autobahn statt. Der betroffende LKW stand mit fast im Kofferraum, hat ein Hupkonzert veranstaltet und anschließend mit viel zu hoher Geschwindigkeit überholt, mit entsprechendem Gehupe und Gefuchtel. Nur weil ich mich an die Geschwindigkeitsbegrenzung halten wollte (ich fuhr aber schon 88). Solange solche Leute mit Fahrzeugen auf die Strasse dürfen, wird sich nicht viel ändern, wenn die Kontrolldichte nicht erheblich zunimmt und man immer und überall mit Kontrollen rechnen muss.
    Karin

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    1. Hallo Karin,
      Was macht dich so sicher, dass mehr Kontrollen die richtigen treffen wird?
      Ich kann rasende Radler nicht verteidigen. Aber nicht jeder Radfahrer, der nicht nach STVO fährt ist egoistisch oder gefährlich. Manche sind einfach nur Radfahrer. Das ist für viele aber bereits schlimmer als rücksichtslose LKW-Fahrer.
      Und mehr aufklären zu fordern während die Radinfrastruktur immer komplizierter wird ist zumindest widersprüchlich. Die muss vereinfacht und zurückgebaut werden. Dann werden auch weniger Regeln gebrochen. Sowohl von Radfahrern als auch von KfZ-Fahrern.

      Philipp Krstic

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  3. Für die Radfahrenden wäre mehr Einfachheit wirklich gut. Andererseits ist die Autobahn eine sehr einfache Infrastruktur mit wenigen Regeln. Und eine Geschwindigkeitsübertretung ist ein Regelverstoß. Ein ich dich v richtig bestrafenden habe, vermutest du, dass die gelegentlichen Radfahrten der Autfahrer:innen nicht zu vergleichen sind mit den Alltagsggfahrten der Radler:innen. So würde ich das zumindest sehen.

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    1. @CL
      "gelegentlichen Radfahrten der Autfahrer:innen nicht zu vergleichen sind mit den Alltagsggfahrten der Radler:innen. So würde ich das zumindest sehen."
      Ja, richtig verstanden.
      Der Link ist voll mit Hetze gegen Radfahrer. Ja mehr man darin liest, desto übler wird es. Ich werde das jetzt nicht zusammenfassen, aber es kann jeder den Link anklicken und sich eine eigene Meinung bilden. Ich wollte nur einen Hinweis geben und es nicht unwidersprochen stehen lassen.
      Ich bin kein Akademiker und kenne mich nicht aus. Ich kann mir vorstellen, dass man da in einer schwierigen Lage ist. Der Straßenverkehr ist in zumindest 2 Gruppen gespalten. Entweder man verteidigt die aktuelle Situation oder man ist Kampfradler oder Radaktivist oder Ökoirgendwas. Ich habe Verständnis für die schwierige Lage muss es gleichzeitig aber nicht gut finden, wenn man sich klar das andere Lager unterstützt.

      "Andererseits ist die Autobahn eine sehr einfache Infrastruktur mit wenigen Regeln. Und eine Geschwindigkeitsübertretung ist ein Regelverstoß."

      Ich habe nichts gegen härtere Strafen bei Regelverstößen auf Autobahnen. Auch wenn ich selber nur ca. 500km/Jahr Auto fahre und es mich persönlich kaum betrifft.
      Ich sage nur, es ist mutig als Teil einer unbeliebten Minderheit mehr Härte zu fordern. Und ich persönlich finde es im Auto einfacher keine Regeln zu brechen und denke es liegt daran, dass wir von Gleichberechtigung noch weit entfernt sind. Deshalb fordere ich nicht ebenfalls wie Karin mehr Kontrollen. Aber das muss jeder selber wissen.

      Philipp Krstic

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  4. Das Macht- und Gefährdungs-Gefälle tritt deutlich zu Tage. Für die überholende Autofahrerin ist die Radfarerin 74gendwo da draußen weit weg - eine halbe Autobreite, dann der eigene Blechpanzer, dann der Überholabstand. Ihren eigenen Außenspiegel wird sie gar nicht wahrnehmen bzw. nicht mitzählen.

    Für die Radfahrerin ist der Abstand zur Autofahrerin gar nicht relevant. Wenn sie der Außenspiegel streift, ist sie in Lebensgefahr.

    Anders beim Rotlichtverstoß: begeht den eine Radfahrerin, verhält sie sich nicht schüchtern, defensiv kleinlaut und zurückhaltend, sondern stellt sich auf eine Stufe mit der Autofahrerin. Dieser Mißachtung des Auto-Vorfahrt- und Machtmonopols wird (auch ohne jegliche Gefährdung) unwillkürlich als Machtkampf interpretiert.

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  5. Die Studie aus Dresden ist 20 Jahre alt. Sind die Ergebnisse aus der Befragung von damals auch noch heute - in Zeiten von E-bikes und Kampfradlerdebatten - repräsentativ?

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