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25. Juni 2024

EM-Stadt Stuttgart suspendiert den Radverkehr

Klar, große Veranstaltungen bringen Behinderungen mit sich. Ausnahmesituationen sind Ausnahmesituationen. Wenn wir mal nicht wie gewohnt mit dem Rad oder Auto irgendwo durchkommen, können wir das mit Fassung tragen. 

Aber das Fahrrad und die vielen tausend Radfahrenden dermaßen zu ignorieren, wie das in Stuttgart geschieht, ist schon bestürzend. Der Stadtkern ist für Radfahrende gesperrt, die Hauptradroute 1 unterbrochen, und es stehen eindeutig falsche Verkehrszeichen herum, die das Radfahren auch dort verbieten, wo es stattfinden muss. An den Radverkehr hat man nicht ernsthaft gedacht. 

"Die Ganze Stadt ein Stadion", heißt es stolz auf der Seite der Stadt Stuttgart. Dann werden die Einschränkungen für den Autoverkehr erklärt. Auch die Stuttgarter Zeitung interessiert sich (hinter der Bezahlschranke) beim Stichwort "Verkehrskonzept" nur für Leute, die in Autos fahren und ihr Auto abstellen wollen. Das der Radverkehr zum Verkehr gehört, weiß sie nicht. Das wissen anscheinend auch die Behörden nicht, die die Sperren einrichten und Verkehrszeichen aufhängen lassen. 

So ist beispielsweise flugs die Fahrradstraße Eberhardstraße zwischen 10:30 Uhr und und 1:30 Uhr nicht nur für den motorisieren Verkehr gesperrt (was sie immer ist), sondern - wie die Schilderkombination zeigt - auf einmal auch für den Radverkehr. Nur E-Scooter haben hier noch eine Ausnahmegenehmigung. Das weiße Schild mit rotem Kreis bedeutet nämlich Durchfahrtverbot für alle, auch Radfahrende. Das kann ja aber nicht sein, sagt sich die Radfahrerin in Stuttgart, und fährt. Wie sollte es auch anders gehen, das ist die Hauptradroute 1. Eine Alternative gibt es hier nicht. 

Einen ähnlichen Unsinn haben die Verkehrsbehörden an der Lautenschlagerstraße gemacht. Nicht an Radfahrende gedacht, und darum unter das Einfahrtverboten-Schild Richtung Stadtmitte keine Radfreigabe gehängt. Das ist aber vom Hauptbahnhof her die einzige Route Richtung Stadtmitte und Westen, die wir radeln können. Kann also nicht sein, denkt sich die Radlerin, und fährt durch, übrigens hinter einem Mercedesfahrer. 

Die stellenweise augenscheinlich falschen Verkehrszeichen, die den Radverkehr verbieten, wo er nicht anders radeln kann, scheinen mir Ausdruck einer gewissen Gleichgültigkeit der Ordnungsbehörden dem Radverkehr in Stuttgart gegenüber. An ihn muss man nicht denken, wenn man Einfahrt- und Durchfahrtsverbote aufhängt. Das Blöde: Als Radfahrerin muss ich mir jedesmal überlegen, ob das nun so gemeint oder aber ein Versehen ist. Kein Wunder, dass Verkehrsteilnehmer:innen auf dem Fahrrad so oft Verkehrszeichen ignorieren. Das ist zwar auch bei augenscheinlich falsch aufgehängten Schildern verboten, aber die Stadt erwartet doch von mir nicht wirklich, dass ich mein Fahrrad durch die Fahrradstraße schiebe? 

Dass die City eingezäunt und praktisch jede Zufahrt in den Innenstadtbereich mit Durchfahrtsverboten oder als reine Fußgängerzonen ausgeschildert ist ... okay. Ist ja halt Ausnahmesituation. Vielfach stehen Sicherheitsleute dort, die sich vor allem darum kümmern, dass die Autofahrenden die Sperren nicht missachten. Radfahrende, die trotz des Durchfahrtverbotsschilds durchfahren, werden jedenfalls tagsüber bei mäßigem Fußverkehr nicht angehalten. Sie scheinen ohne Bedeutung zu sein. Auch mal ein Vorteil, wenn man in den Augen des Sicherheitspersonals "nur Radfahrer:in" ist und eben nicht um "Verkehr" gehört. 

Die Unterbrechung der Hauptradroute 1 zwischen Landtag und Neckartor und die steile und zeitraubende Umleitung (dazu die Stellungnahme des ADFC)) ist der Stuttgarter Zeitung übrigens selbstverständlich keine Erwähnung wert. Sind ja nur rund vier- bis sechstausend Radfahrende täglich, die davon betroffen sind. Auch der Stadt ist der Radverkehr nur vier Zeilen wert, detaillierte Infos zur Umleitungsstrecke gibt es nicht. Informationen zu den Radabstellanlagen, die in Stadionnähe, aber auch an anderen Stellen eingerichtet wurden, findet man auch nicht. Dabei gibt es überall auch kleine BikeSitter-Parkhäuschen (gerne auch an Straßen, die "versehentlich" für den Radverkehr gesperrt wurden). 

Die ruppige Unterbrechung einer viel beradelten Hauptradroute 1 zeigt auch, was passiert, wenn man wichtige Hauptverkehrsrouten sperrt: der Verkehr verpufft, was stets auch für den Autoverkehr gilt. Ich habe in den letzten Wochen auf der als Umleitung für die Hauptradroute 1 ausgewiesenen Strecke zwischen Neckartor, Kernerplatz, Urban- und Übergang Ulrichstraße, nicht so viel mehr Radfahrende getroffen, wie es sein müssten, wenn alle von der Hauptradroute 1 diese Umleitung nehmen würden. Und ich radle diese Strecke drei- bis viermal die Woche. Wo sind die Radler:innen geblieben? Entweder sie radeln derzeit gar nicht mehr oder weiträumig anders oder aber sie radeln tagsüber durch die gesperrten Gebiete im Schlossgarten und an der Oper. Da habe ich doch etliche gesehen. Die Posten an den Sperren interessiert das nicht. Einige habe ich auch gesehen, die von Cannstatt her kommend, am Neckartor den Umleitungsanweisungen nach links folgten. Eine landete ratlos an der Bordsteinkante zur B14 unter dem Gehweg-Rad-frei-Schild. Sie war nicht auf die Idee gekommen, dass sie über die Ampel am Neckartor praktisch in Gegenrichtung radeln muss, um zum Kernerplatz hoch zu kommen. 

Uns fiel dann auf, dass man ja auch kurzerhand vor dem Innenministerium diesen freigegebenen Gehweg entlang radeln kann. Auch wenn er eine irre enge Passage hat, man kommt durch. Und obwohl hinter der Ampelanlage am Gepard-Müller-Platz keine Radfreigabe mehr am Gehsteig hängt, steht da ein gelbes Umleitungsschild für Fahrräder, das auf diese Route verweist. Also doch erlaubt, wieder mal Schild vergessen? Das kennt man ja. Und so radeln wir dann halt genau die Strecke an der Oper entlang, die das Ordnungsamt uns als Ausweichstrecke während der Außengastro an der Oper (die es dieses Jahr auch wieder gibt) mit Riesenaufwand verboten hat, weil es Gefahren für Radfahrende an Einfahrt zur Theateranlieferung sah. Gefahren gibt es da nach wie vor nicht.

Stuttgart kann den Radverkehr mal für vier Wochen ausradieren. Als ob er nichts wert wäre. In der Eberhardstraße wurden  kurzerhand die Radbügel als Abstellplätze für E-Scooter ausgewiesen. Die stehen da nun herum, warten auf Kundschaft, die nicht kommt, und blockieren derweil die Abstellmöglichkeiten für die zahlreichen Radfahrenden, die sie sonst tagsüber füllen. Alternativen werden uns nicht angeboten. Während Autofahrende immer noch Tausende Stellplätze in Parkhäusern haben, haben Radfahrende gar nichts, wenn man ihnen die Straßenrandstellplätze streicht. 

Wie gesagt, ist halt eine Riesenaufgabe für die Stadt, diese Menschenmassen (vor allem zu Fuß) zu organisieren, die an Spieltagen die Innenstadt füllen. Fehler kommen vor. Aber während der Autoverkehr tagsüber auf seinen Verkehrsachsen rollt und rollt, sieht sich der Radverkehr seiner wichtigsten Verkehrsachsen beraubt.  


19 Kommentare:

  1. Es ist nicht Unfähigkeit, sondern Vorsatz.
    Thomas

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  2. was kann man schon von einem grünen Landesvater erwarten, dem eine S-Klasse zu klein ist und sich mit dem Hubschrauber zum Wandertag fliegen lässt. Der Stadt Stuttgart und auch Waiblingen sind Radfahrer ziemlich egal und z.T. auch unerwünscht.

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  3. Jörg
    Ich habe die Stadt jetzt wirklich gemieden. Und bin dort wo man Radfahrer auch nicht mag gefahren, im Wald außen rum. Ein Grundproblem bleibt einfach Straßen wie die Konrad-Adenauer-Straße mitten in der Stadt mit 8 + x Fahrspuren zu belegen und dabei Rad- und Fußverkehr aus zu schließen.
    Hier möchte man die autogerechte Stadt noch konservieren. Wie lange müssen wir uns das noch ertragen?

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  4. Dass es auf dem umgebauten Cannstatter Bahnhofsvorplatz nicht einen einzigen Fahrradabstellplatz gibt, ist dabei auch nicht mehr verwunderlich!

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  5. die es können, wollen uns nicht,
    die uns wollen, können es nicht.

    dem russen wird's egal sein.

    #keinerechtekeinepflichten

    karl g. fahr

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  6. Einfach durchschlängeln, die Security und Polizei scheint es nicht zu stören, wenn wir mit Fahrrad durch die Sperrzone fahren, auch vor Oper geht es eigentlich ganz gut...halt illegal, aber gibt leider keine zumutbare Altrrnative

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    1. Genauso sehe ich das auch. Kommt das Motto nicht von den alt 68er? Ist aber immer noch gut: Legal, Illegal, Scheißegal!!
      In diesem Sinne, Atem sparen, Andreas

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  7. Daher: wir brauchen echte Demos und keine rungelutschten CMs.

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    1. Jörg
      Du kannst gerne etwas machen. Hilft es andere Aktionen zu kritisieren? Aktionen an denen sich hunderte Treffen und Spaß haben.

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  8. Für echte Rad-Demos mit konkreten politischen Forderungen bin ich auch.

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  9. ... abgesehen von der schlechten Beschilderung, ist auch zu erwähnen, dass Absperrgitter und Barrieren oft nur verzögert oder nach den Veranstaltungen gar nicht weggeräumt werden. Diese und letzte Woche habe ich auf dem Teilstück HRR1 auf Höhe des Innenminiusteriums bereits zweimal die Absperrung (um 8:30 Uhr) weggestellt, da diese trotz nicht strattfindender Veranstaltung den kompletten Radverkehr behindert und gefährdet haben. Ich finde das unverantwortlich und führle mich nach dem durch die Stadt Stuttgart geförderten und propagierten "Stadtradeln" als Radfahrer echt veräppelt.
    Grüße Jahn

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  10. Der Fachkräftemangel ist halt auch in den Behörden und den beauftragten "Fachfirmen" angekommen. Willkommen bei den "Nichtmitdenkens", "Nichtskönnens" und "Interessiertnichts".
    Karin

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  11. Das durch und durch korrupte Sport-'business' ist halt mittlerweile ein renditeträchtiges Multi-Milliardengeschäft.
    Klar wer da Vorfahrt hat, zumal es für die jeweils Regierenden immer von Vorteil ist, wenn durch den anschwellenden Schwarz-rot-gelben 'Nationalstolz' das 'Wir Deutschen Gefühl' bestärkt wird, und so die ökologische Multikrise und die wachsenden gesellschaftlichen Widersprüche zumindest für einige Wochen in den Hintergrund rücken.
    Zudem ist es weitgehend politisch/wirtschaftlicher Konsens, oder je nach Sichtweise eine Art von hidden agenda, dass der Job des Radverkehrs die kostengünstige Ergänzung des weiter steigenden Autoverkehrs ist, und, von den innenstädtischen Konsumbezirken mal abgesehen, nicht etwa zu dessen Eindämmung führen darf - allen wohlfeilen sonntäglichen Klimaschutzreden zum Trotz.
    Gerade auch bei solchen scheinbaren 'Kleinigkeiten' wie den temporären Verkehrsregelungen bei Großevents lassen sich die wahren Prioritäten gut erkennen.
    Alfons Krückmann

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  12. Stimmt nicht ganz, dass es die StZ nicht interessiert - bin ebenfalls am Thema dran, auch, da ich seit Beginn für die EM-Berichterstattung schon 90 km Kreuz und quer und Umwege und durch Scherbenhaufen geradelt bin. Wir telefonieren!

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    1. Danke, ich kann ja nur den veröffentlichen Teil sehen, nicht die Planung. Ich freue mich auf den Artikel.

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  13. Neben diesen offensichtlichen sinnarmen Barrieren sind die nicht so offensichtlichen Barrieren für die Radies nicht zu unterschätzen. Die haben ja noch zusätzlich den Charme, dass die verunglückten Radies dann als "Selbsverursachter Unfall laufen", weil man ja offensichtlich zu blöd war, das Hindernis zu erkennen. Christine, du hattest kürzlich den dümmsten Radweg Stuttgarts beschrieben. Ich bin mit solchen Bezeichnungen sehr vorsichtig, denn die Radiefeinde sind so erfinderisch, dass solche Titel nur kurz gelten. Andere Anwärter: am Birkenkopf auf der Hauptradroute steht (stand) mitten auf dem Weg ein Gefahrgutschild, was nicht mehr gebraucht wurde, und da hat man es einfach umgebogen und flach auf den Rad/Fußweg gelegt. Nachts da als Radi drüber fahren ist nicht zu empfehlen. In der Liststraße ist der Radweg komplett mit Dornen zugewachsen, und daher werden die Kontakte mit den falsch fahrenden (sprich Geisterfahrer) Autos deutlich körperlicher. Der Stadt (Gelbe Karten) ist das komplett wurscht, sind ja nur die Radies, die angefahren werden.

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  14. Hat jemand schon mal nach nach einer Schriftlichen Anorordnung für das Z.250 gefragt ? Die muss laut BayVGH ( 29.01.2021 – 11 ZB 20.1020) vorhanden sein:
    Leitsätze:
    1. Ordnet die Straßenverkehrsbehörde ein Verkehrszeichen an, trägt sie die materielle Beweislast dafür, dass die Voraussetzungen hierfür erfüllt sind. Es obliegt ihr daher, die zugrundeliegenden Umstände zu ermitteln, zu dokumentieren und aktenkundig zu machen (Bestätigung von VGH München BeckRS 2020, 37592 Rn. 21). (Rn. 24) (redaktioneller Leitsatz)
    ...

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  15. Auf dem obersten Bild sehe ich zwei provisorische Schilder nebeneinander: Links "Kein Motorisierter Verkehr, Elektroroller frei" und rechts "gar keine Fahrzeuge" (jeweils von 10:30 bis 1:30 Uhr). Welches der beiden Schilder gilt denn nun?

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    1. Genau das ist das Problem, das ich auch im Artikel benenne: Das "stärkste" Schild ist das Einfahrt-verboten-Schild für alle Fahrzeuge. Aber das kann da nicht gelten, weil die Fahrradstraße mit dem Rad befahren werden darf und muss, einen anderen Weg gibt es nicht. So sollte man Verkehrszeichen nicht aufstellen. Ich habe es übrigens dem Ordnrungsbürgermeister gesagt, der es sich notiert hat, aber geändert hat sich nichts.

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