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23. Juni 2024

Polizei verunsichert Radfahrerin massiv

Radlerin Ruth hatte den Charlottenplatz von der Planie her kommend über die Fußgänger-Radfurten überquert und fuhr an dieser Ampel auf die Charlottenstraße. 

Sie radelte dann auf der Abbiegespur hoch Richtung Kreuzung Olgastraße. Kurz davor wollte sie eigentlich dann auf dem Geradeausspur wechseln. Auf dieser Geradeausspur wurde sie aber von drei Polizeibussen überholt. Aus dem offen Fenster schrie einer der Polizisten ihr zu: "Radfahren hier verboten!" Radlerin Ruth war so verunsichert, dass sie an der Ecke Olgastraße auf den Gehweg fuhr, der ebenfalls  ab da nicht für den Radverkehr freigegeben ist. Das ist ihr normaler Nachhauseweg, und sie wusste, sie darf nicht nur, sie muss auf der Fahrbahn radeln. Wie hätte sie auch sonst mit dem Fahrrad die Charlotten- und dann die Hohenheimer Straße hochkommen sollen? Dennoch dachte sie ständig darüber nach und erzählte mir die Geschichte. Was, wenn diese Polizisten sie angehalten und in Erklärungsnot gebracht hätten? 

Unsere gemeinsam erarbeitete Erklärung lautete: Diese Polizisten waren vermutlich von auswärts (im Zuge der EM in Stuttgart eingesetzt) und kannten die Örtlichkeiten nicht. Sie hatten vermutlich - von der Planie kommend - am Ampelmasten,das Radfahrverbotschild gesehen, aber nach dem Überqueren des Charlottenplatzes die kleine Radlerabfahrt auf die Fahrbahn nicht. Anderseits mussten sie die gar nicht gesehen haben, um zu wissen, dass Anordnungen vor einer Kreuzung nach der Kreuzung wiederholt werden müssen oder eben nicht mehr gelten. Womöglich mochten sie auch grundsätzlich keine Radfahrenden auf Fahrbahnen. Polizisten - versuchte ich Ruth zu beruhigen - machen Fehler, sie wissen vieles nicht, was den Radverkehr betrifft, sie irren sich bei Strafmaßnahmen auch immer wieder granatenmäßig. Beispiele habe ich genug: 

Es kommt auch recht häufig vor, dass Polizeibeamt:innen meinen, auf der B14 oder auf der Paulinenstraße (B27) dürfe man nicht radeln, weil das eine Bundesstraße sei, oder warum auch immer, Radfahrende hätten gefälligst den Gehweg zu nehmen. Konflikterprobte Radfahrer wehren sich dann, zuweilen kommt es zu einer Anzeige, die dann im Sand verläuft, manchmal aber auch nicht. Andere dürften sich verunsichern lassen. Tatsächlich ist in der Stadt Stuttgart das Radfahren nur auf den Fahrbahnen verboten, wo das runde Schild mit rotem Rand und Fahrrad darin aufgehängt ist (z.b. linkssabbiegen über den Charlottenplatz) oder wo das viereckige blaue Schild mit dem Pkw-Zeichen für Kraftfahrstraße steht (ab Neckartor die Cannstatter Straße und an unseren langen Tunnels). 

Dieses Anherrschen von Radfahrenden aus dem offenen Fenster einer Kabine, finde ich persönlich ein Unding. Es ist ein Rausgucken und Herabgucken, das sich keine Zeit für Kommunikation nimmt. Um so übler fällt es auf, wenn die Polizeibeamt:innen dann auch noch schlichtweg Unrecht haben. Das festigt nicht gerade das ohnehin nicht sonderlich große Vertrauen, das wir Radfahrenden in die Kompetenz der Polizei in Sachen Radverkehr haben. Ganz schlecht. 

18 Kommentare:

  1. die regeln sind so gemacht, dass am ende die starken belohnt werden.

    dazu gehören weder radfahrende noch ordnungskräfte.

    dass bei der polizei nicht nur die hellsten kerzen unterwegs sind, zeigt wiederum, dass sich auch dort der normale bevölkerungsquerschnitt wiederfindet.

    was nicht ganz schlecht ist.

    karl g. fahr

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  2. Marc Uwe Kling: „Schon mal darüber nachgedacht, dass es von ‚uninformiert‘ kein langer Weg zu uniformiert ist?“

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  3. Ist mir auch schon mal passiert. Nachts um 1 auf einem provisorisch von der Straße abgetrennten Radweg, in beide Richtungen befahrbar. Niemand außer mir war unterwegs, nur ein Polizeiauto, das mich per Außenlautsprecher "belehrte", dass ich in die falsche Richtung fahren würde.

    Da gibts doch den wunderbaren Spruch: "Wenn man keine Ahnung hat, einfach mal die F****** halten".

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  4. Zu dem 2. Foto mit dem "Verbot für Radfahrer" zwischen den Ampeln.

    Für welchen Fahrstreifen würde das Schild dann (nach § 39 Abs. 2 Satz 4 StVO) gelten?

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    1. Das Radfahrverbote hängt über der Geradeausspur und gilt damit auch für die Spuren links, würde ich sagen. Aber wir haben schon öfter darüber diskutiert, dass Radfahrverbotschilder auch gerne mal alleine links stehen, weil da zufällig Platz ist. Bis zu dem Verbotschild, also bis zur Haltelinie darf man übrigens radeln (muss man sogar, denn der Gehweg ist nicht freigegeben), und da vorn darf man dann über einen abgesenkten Bordstein auf den Gehweg hochfahren, um die Kreuzung mit den Fußgänger:innen zusammen (dreizügige Ampelanlage) zu überqueren. Danach geht es dann, wie ganz oben gezeigt wieder auf die Fahrbahn.

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    2. Streng gelten Verkehrsverbote für die gesamte Straße (nicht nur die Fahrbahn oder Fahrstreifen). Das ist wahrscheinlich (?) hier nicht so gemeint, sondern so nach Gefühl angeordnet.

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  5. Torsten K. aus DA24. Juni 2024 um 01:32

    Wenn wir über Verkehrsregeln diskutieren, sollten wir uns bemühen, korrekt zu formulieren:
    Ein Fahrrad ist ein einspuriges Fahrzeug, ein PKW ist ein zweispuriges Fahrzeug. (Ein Trike hat drei Spuren, eine Isetta sogar vier; https://www.zwischengas.com/de/bilder/blog2016/2016-10/BMW-Isetta-300-1959.jpg) Alle fahren auf FahrSTREIFEN.

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  6. Bei einem Rad-/Pkw-Unfall in der KK-Straße wurde von der Polizei dem Radfahrer die Schuld gegeben, da er verbotswidrig auf dem Gehweg gefahren wäre; es war falsch, da der Gehweg zwischen Kleemann- und Mercedesstrasse mit „Rad frei“ ausgeschildert ist. Meiner Bitte, dies doch zu korrigieren, kam die Polizei nicht nach!

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    1. Auf Gehwegen mit Zusatz "Rad frei" sind Radfahrende eigentlich immer die "Dummen". Bei Kollisionen mit Zufußgehenden oder Autofahrenden kann die Polizei im Zweifel davon ausgehen, daß sie sich nicht an die dort vorgeschriebene "Schrittgewindigkeit" (je nach Urteil 6 - 10 km/h) gehalten haben.
      Ihre Logik heißt dann: Sonst hätte der Unfall ja vermieden werden können. Daher sind diese "Angebote" für mich grundsätzlich No Go, und ich nutze die Straße.
      Wolfgang

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    2. Die Jugend wird in Stuttgart beinahe grundsätzlich zu ihren Schulen oder Sportstätten auf freigegebenen Gehwegen geführt, und ich vermute, die Eltern wollen auch gar nicht, dass die sich zwischen den unachtsamen Autofahrenden auf der Fahrbahn tummeln. Ich sehe das so wie du, auf freigegebenen Gehwegen sind Radfahrende immer die "schuligen", aber Fahrbahn radeln ist halt nichts für alle, sondern nur was für Unerschrockene, und die machen nur 1 bis 3 Prozent der Radfahrenden aus.

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    3. Liebe Christine, wie kommst du auf 1 - 3 Prozent?
      Thomas

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    4. Siehe hier: https://dasfahrradblog.blogspot.com/2019/04/wie-kriegen-wir-die-anstlichen-aufs.html?m=1

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    5. die 1-3 % sind die, welche (auch) auf 4-spurigen Straßen mit einem Limit von 50 km/h fahren und dies "very comfortable" finden; und dann gibt es die vielen, welche ebenfalls dort fahren und es nur ein bissle comfortable finden.
      Und wie du seinerzeit geschrieben hast: Tempo 30 ändert ganz viel. Da werden fast alle Straßen zur sicheren Radfahrinfrastruktur.

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    6. Sicher sind auch Tempo-30-Zonen nicht, aber sicherer, das stimmt. In diesen Nebenstraßen - zugeparkt bis auf den letzten Zentimeter und deshalb mit engen Fahrbahnen - fühlen sich auch sehr viele Radfahrende überhaupt nicht wohl. Drängelnde oder zu schnell entgegenkommende und zu eng überholende Autofahrende erzeugen auch hier nicht unerheblichen Stress. Die meisten Autofahrenden sind nett und friedlich, aber es reichen ja die paar Prozent, die hupen und mit dem Auto strafen.

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  7. Hier im Umkreis Bremen gibt es die "reformierte" Variante von "Gehweg mit Fahrrad frei", wahrscheinlich nachdem zu viele Autofahrer "austickten" und um die Polizei vom Vorwurf der Strafvereitelung im Amt bei viel zu vielen unverfolgten Nötigungen und Verstössen gegen §315 StGB zu entlasten: zusätzliche Fahrbahnmarkierungen (mit Fahrradpiktogramm, zum Teil mit "Sharrow") die Autofahrern klarmachen sollen dass Fahrradfahrer ein Recht darauf haben die Fahrbahn zu nutzen auch wenn der Gehweg "frei" ist.

    In Kiel gibt es in der nördlichen Kiellinie was ähnliches seit der Radweg neben der Promenade nur noch in einer Richtung freigegeben ist (war als Zweirichtungsweg nicht RASt konform), Schilder mit "Radfahrer MÜSSEN die Fahrbahn benutzen" in Fahrtrichtung Süden, gerichtet an die Autofahrer um sie von Straftaten abzuhalten...

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    1. Das gibt es bei uns auch. Zumindest die Polizei würde klarmachen, dass Radfahrende im Recht sind. Autofahrende beeindruckt es nicht sehr.

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