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13. Juni 2024

Radweg oder Radstreifen - beide habe ihre Nachteile

Autofahrende fragen sich selten, wie sich eine Straße anfühlt, die sie fahren müssen, sie sitzen sicher in ihrer gepanzerten Kabine.

Auch Radfahrende machen sich nicht immer bewusst, mit welchen Gefühlen sie die Straßen entlang fahren, auf Radwegen oder Radstreifen, auf Schlagloch-Nebenstraßen oder durch Kreisverkehre. Aber bei allen dürfte auf einer Radfahrt der Puls einmal oder mehrmals ziemlich hoch gehen. Autofahrende machen sich oftmals nicht klar, was sie bei Radfahrenden auslösen, wenn sie ihnen plötzlich zu nahe kommen. Und weder Radfahrstreifen noch Radweg schützen mich vor Nahtoderfahrungen. Ein Beispiel: 

Der Radfahrstreifen: Eigentlich, so dachte ich auf meiner Radfahrt von Untertürkheim nach Obertürkheim auf der Augsburger Straße, auf der sich der Autoverkehr in Grenzen hält, fährt es sich doch ganz angenehm auf dem Radstreifen. Er ist zwar etwas schmal, aber ich kann Abstand zu den parkenden Autos halten, ohne ganz links auf dem weißen Begrenzungsstreifen radeln zu müssen. Das dachte ich allerdings nur solange, bis ein Auto irre knapp links an mir vorbeiwischte. Der Fahrer hatte - wie viele Autofahrende - den weißen Streifen als seinen rechten Begrenzunsstreifen und den 1,5-Meter-Überholabstand deshalb für unnötig gehalten. Viele Autofahrende ahnen nicht, welche Schreckmomente sie Radfahrenden mit so was bescheren, sie glauben, der Strennstreifen mache das Überholen sicher, nicht nur für sie, sondern auch für mich. 

Okay. War jetzt keine Überraschung. Der Radstreifen ist zu schmal. Aueßrdem hört er (wie bei uns in Deutschland üblich) auch vor jedem Kreisverkehr auf, und ich musste mich in den Mischverkehr mit den Autos begeben. Auch Mist.

Der Radweg: Zurück ging es von Obertürkheim Richtung Karl-Benz-Platz in Untertürkheim auf einem gemeinsamen Geh- und Radweg fern der Fahrbahn. Der war anfangs wegen des holprigen und schlechten Pflasters eher lästig (ich wünschte mich auf die glatte Fahrbahn zurück), doch dann kam der frisch asphaltierte Teil und da radelte es sich wirklich angenehm. Um die Kreisverkehre wurde ich konfliktfrei herum geleitet. Fußgänger:innen waren praktisch keine unterwegs. So ein Radweg ist doch viel angenehmer als so ein Radfahrstreifen, dachte ich. Aber nur solange, bis bei den Garagen der Ansiedlung bei der Kleinen Weinakademie ein Transporter plötzlich rückwärts auf den Radweg fuhr (wenn auch langsam), genau in dem Moment, als ich hinter ihm vorbeiradelte. Nur mein lauter Schrei zwang ihn zum Bremsen. Sonst hätte er mich umgebügelt. Für den Fahrer im Manöverstress war ich auf dem Fahrrad mal wieder viel zu schnell da gewesen. Sind halt auch Scheiße, solche Radwege!

Es gibt ja viele, die radeln die Strecke täglich und können mir ihre Geschichten erzählen, und sicher noch krassere. Ich erzähle das hier nur, weil es ein Beispiel dafür ist, dass ich und andere - egal, wo ich radle, ob auf Radfahrstreifen, Radwegen oder auf der Fahrbahn in Nebenstraßen - immer irgendwas erlebe, was mir einen Schrecken einjagt, weil Autofahrende mir mit ihrem Panzer viel zu nahe kommen, ohne dass ich das vorhersehen kann. Gar keine Radinfrastruktur ist allerdings auch keine zukunftsweisende Alternative. Das reine Fahrbahnradeln lieben nur wenige, viele schreckt es ab. Sicherheit für Radfahrende entsteht aber eben nicht allein durch weiße Linien auf der Fahrbahn, rote Farbe oder durch von der Fahrbahn abgesetzte Radwege. Sie hängt entscheidend davon ab, wie fern Autofahrende gehalten werden und wie selten sie Radwege kreuzen müssen. Und sie hängt davon ab, ob Autofahrende nach uns schauen, bevor sie einen Radweg oder eine Radspur kreuzen. Und das tun etliche eben nicht. 

Deshalb müsste die Radinfrastruktur uns Radfahrenden den Panzer ersetzen, den Autofahrende um sich herum haben. Davon sind wir in deutschen Städten weit entfernt. Und es ist auch nicht möglich, immer zu vermeiden, dass der Autoverkehr die Radverkehrswege kreuzt. Leider sind wir auch noch weit davon entfernt, dass Autofahrenden immer bewusst ist, was ihre eiligen Manöver bei uns Radfahrenden auslösen und auch anrichten können. 

4 Kommentare:

  1. Irgendwie fällt in diesem Artikel der Begriff 'Panzer' auf. Ich selbst finde es auch unverantwortlich von vielen Autobesitzern nur auf sich zu schauen. Ja, als Autofahrer hat man in so einem Fahrzeug mehr Übersicht, mehr Blech -> mehr Sicherheit bei Unfall, ... aber nur solange bis alle aufgerüstet haben. Leider wachsen die Fahrzeuge oftmals auch in die Breite, was den schwachen Verkehrsteilnehmern Platz wegnimmt -> auch auf dem Gehweg.

    Ich persönlich nutze eher den Begriff 'fahrende Wohnzimmer', womit sich das mehr auf die Abschottung zur Umgebung beziehe. Man bekommt halt die Umwelt nicht mehr wirklich mit. 'Panzer' bezieht sich halt mehr auf die Ignoranz gegenüber den anderen Verkehrsteilnehmern denen dadurch insbesondere der Überblick genommen wird.

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    1. Lieber Joachim, es ist wohl beides, eine fahrendes Wohnzimmer und ein Panzer nach außen. In den heutigen großen Autos ist der der Rundumblick gegenüber den früheren Pkw durchaus eingeschränkt. Wer in einem SUV sitzt, kann beispielsweise ein Kind direkt vor dem Kühler nicht sehen, schon gar nicht eines, das hinter dem Auto vorbeiläuft oder vorbeiradelt. Und Kameraassistenten haben die wenigstens, am ehesten noch Elektroautos. Und wenn die Fahrenden dann noch wohnzimmermäßig auf Smartphones und Bildschirme im Fahrzeug konzentriert sind, dann sehen sie gar nichts mehr.

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  2. Zu erwähnen wäre aber auch, dass die PR um diese 'Panzer' oder 'Wohnzimmer' zwar eine gewisse Aura von 'Hochsicherheitsbereich' aufbauen konnte, aber das ändert nichts daran, dass zB die meisten Verkehrsunfalltoten, vor allem auch die meisten Kinder in diesen 'Panzern' ums Leben kommen, nicht mit dem Rad.
    Werden die Schwerverletzten dazugerechnet, dann ist das Autofahren trotz Knautschzonen, Gurten, Airbags immer noch eine hochgefährliche Angelegenheit.
    Und werden die gesundheitlichen Folgen von passivem Sitzen vs. aktiver Bewegung einbezogen, dann ist das Autofahren um Größenordnungen gefährlicher als das Radfahren, vom tatsächlich sehr sicheren Schienenverkehr mal ganz zu schweigen.
    Der intensiv gepflegte Mythos des 'sicheren Autos' vs. unsicherer Fahrräder ist im Kern immer auch:
    Produkt des Marketings der Autoindustrie!
    Alfons Krückmann

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  3. Der hier beschriebene gemeinsame Geh- und Radweg von Obertürkheim Richtung Untertürkheim wird gerne von Radfahrern Richtung Obertürkheim genutzt. Erlaubt ist das meiner Meinung nur eingeschränkt (Radfahrer frei) zwischen Großglockner und Strümpfelbacher Straße in Untertürkheim.
    Angenehm ist dann hier das Radfahren nicht immer.

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