Seiten

29. Juli 2024

Schiefe Mobilitäts-Bilder im Fernsehen

In unseren Fernsehserien kommen unverhältnismäßig viele Autos und Autofahrten vor. Zuweilen werden sie regelrecht inszeniert. 

Fahrrad fährt nur der schrullige Kommissar oder Privatdetektiv, und wenn es ernst wird, steigt er ins Auto um. Mit Stadtbahnen oder Bussen fährt kaum jemand. E-Scooter kommen gar nicht vor. 

Die Verkehrswelt, die beispielsweise im "Tatort" dargestellt wird, ist aus dem vorigen Jahrhundert, benzinreich und vom Auto dominiert. Das hat eine Studie über "Mobilität in den Medien" ergeben, die vom Umweltbundesamt in Auftrag gegeben und 2021 teilweise veröffentlicht wurde. Die Autor:innen haben Veröffentlichungen über Mobilität ausgewertert und bei diversen Fernsehserien die in Fimszenen dargestellte Mobiltät ausgezählt. Je jünger die Zielgruppe, so ein Ergebnis, desto eher werden umweltfreundliche Arten der Fortbewegung gezeigt, Radfahren und zu Fuß Gehen.

Quelle: Mobilität in den Medien
Bei den Filmschaffenden, so ein Ergebnis, gibt es durchaus ein Bewusstsein für das Manko, aber die Budgets erhöhen sich nicht, und, so die Erklärung, weil im Öffentlich-Rechtlichen Produkt-Placement verboten ist und Automarken nicht gezeigt werden dürfen, haben angeblich E-Auto-Hersteller kein Interesse, dem Dreh kostenlose Fahrzeuge zur Verfügung zu stellen. (Man könnte aber auch mal statt eines Autos an einer Tankstelle eines an einer E-Ladestation zeigen.) 

Das Autofahren ist in jedem Fall ungeheuer präsent, sowohl in Pilcher-Schnulzen als auch in Krimiserien (siehe auch mein Artikel über Nudging). Man sieht Paare im offenen Auto auf ungepflasterten Wegen durch Weinberge fahren (was realiter nie erlaubt wäre), das Auto wird gleich an der Steilküste auf die Wiese gestellt, ganze Szenen spielen sich rund um ein Auto herum ab, das an der Stelle im realen Leben nie stehen würde. In den Drehbüchern werden Ortswechsel sehr oft durch Einsteigen in ein Auto und Aussteigen aus einem Auto gerahmt. (Wobei es auch solche surreale Kuriositäten gibt, wie, dass die Leute bei heruntergelassenem Seitenfenster starten oder ankommen, damit man die Person am Steuer sieht.) Dass es auch etwas anders geht, zeigt die Serie "Rosenheim Cops", wo etwas mehr als sonst zu Fuß gegangen wird. 

Alle Formate - so das Resümee - eint, dass der Pkw das am meisten gezeigte Fortbewegungsmittel ist. Im Hinblick auf nachhaltige Fortbewegungsmittel ist das zu Fuß Gehen, gefolgt vom Fahrrad am häufigsten zu sehen. ÖPNV und Mikro- und Elektromobilität kommen gar nicht vor. Übrigens fällt vermutlich nicht nur mir auf, wie oft in Fernsehfilmen Autos auf der falschen Straßenseite oder auf dem Gehweg oder in Fußgängerzonen abgestellt werden (abgesehen davon, dass es immer Parkplätze gibt, immer vor der Tür des Ziels.) 

Und das führt zu der Frage der Verantwortung der Medien im Diskurs über unseren Straßenverkehr, egal ob es die Sicherheit der nicht-Autofahrenden oder Klimaaspekte betrifft. Filmschaffende räumen ein, dass sie mit ihren Bildern Normen vorgehen und auch andere vorgeben könnten. Medien beeinflussen, wenn auch auf komplexe Weise. Die Autor:innen haben eine umfangreiche Metastudie zur Verhandlung von Mobilität in Veröffentlichungen gemacht. In den Studien über die Bildsprache in den Medien wurde deutlich, dass vor allem das private Auto als "normales" Verkehrsmittel stilisiert und mit positiven Gefühlen verbunden wird. In der Literatur über Verkehrssicherheit- und Verkehrsunsicherheit ging es hauptsächlich um Verkehrserziehungsinstanzen (soziale Medien) und darum, wie der Straßenverkehr sicherer gestaltet werden kann. Die Studien, die sich mit Verkehrspolitik befassten, zeigen, dass die Medien als "Echokammer" des verkehrspolitischen Widerstreits fungieren, aber auch als politisch aktive Akteure verkehrspolitische Entscheidungen beeinflussen. Je größer die verkehrspolitischen Projekte sind, um die es geht, desto stärker werden sie im Lauf der Verhandlung von der Autolobby vereinnahmt. Einige Studien (und damit sind wir wieder bei der Frage der Verantwortung der Medien) stellen heraus, dass die Kulturindustrie über Film, Buch oder Musik eine politische Botschaft transportiert und dabei in der Regel den vom Auto dominierten Status Quo reproduziert. Kritik an dieser eingespielten Vorliebe in unseren öffentlichen Diskursen gibt es aber auch in Veröffentlichungen über Alternativen zum privaten Pkw. Fazit der Autor:innen: "Es wurde deutlich, dass (....) ein in den Medien vorhandenes Muster zu erkennen ist, dass einerseits die Persistzenz privater Automobilität als vorherrschendes Verkehrssystem und Verkehrsmittel reproduziert, anderseits aber auch erste Risse in dieser Dominanten durch mediale Vermittlung von Alternativen (Multimodalität, Fahrrad, Sharing, Elektromobilität) naheliegend scheinen." 

Das private Auto erscheint jedenfalls in der Medienbildsprache symbolisch und emotional aufgeladen, es wird nicht nur selbstverständlich benutzt, sondern wird in Filmen, Fernsehen oder Musikvideos auch mit Heldentum verbunden. Es gibt zwar auch Storylines mit Radfahrenden oder Fußgänger:innen in positiven Rollen, aber keine Studie hat bislang untersucht, ob die Vorbildcharakter haben, emotionalisierend wirken oder Zuschauende in ihrer Alltagsmobilität beeinflussen. 


13 Kommentare:

  1. Im Film wird aber auch transportiert, was passiert, wenn das Blechle mal nicht mehr will. Die erwähnten Rosenheim-Cops hatten das auchmal in der Nebenhandlung. Der Kommissar saß in einm Dorf fest, weil sein Auto nicht mehr ging, ÖPNV gabs nicht. Der Kommissar fiel quasi komplett aus in den Ermittlungen.
    Wie oft gabs auch schon Szenen, in denen jemand in der "Bushaltestelle" saß und jemand vorbeikam un erklärt hat,. dass da schon seit Jahren kein Bus mehr fährt. Das Problem ÖPNV und ländlicher Raum kommt häufiger vor als man denkt, oder auch das Thema "letzter Bus am Tag" und nicht nur in Serien auch in Spielfilmen. Gerade "letzter Bus" wird gerne genommen für Heinlaufen im Dunkeln mit Entführung, Mord oder auch Unfall auf der dunklen Landstrasse. Ich glaube das Thema wird aber von den Zuschauern nicht als solches erkannt. Auch Fahrraddiebstahl kommt immer gerne, gerade in Münster, vor. Autos werden im Vergleich eher weniger gestohlen, kam aber auch schon vor.
    Die Verfolgungsjagd im Auto wird einfach als spektakulärer empfunden als die Verfolgung zu Fuss durch den ÖPNV (gabs auch schon, war auch spannend).
    Es braucht auch im Film Zeit für Veränderung. Bedenke, wie lange im Film noch gequalmt wurde. Die Zigarette ist mittlerweile weitestgehend verschwunden. Wer zu den "Guten" zählt, wird meistens auf Rauchen oder Rauchverbot angesprochen, qualmen tun hauptsächlich die "Bösen". Hier hat sich auch viel entwickelt. Beim Auto brauchts halt noch, aber die Ansätze sind schon sichtbar.
    Karin

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Hallo Karin,
      sehe ich ähnlich. Hat das Rauchen in letzter Zeit nicht wieder zugenommen? Auch bei den "Guten"? Vielleicht täusche ich mich.
      Auf was man sich immer verlassen kann: Die Motorradfahrer sind die Bösen. Idealiter auf einer alten Enduro mit zu lautem Auspuff.
      Thomas

      Löschen
    2. Darum geht es zwar nicht, aber statt geraucht wird in TV-Filmen Alkohol getrunken, was das Zeug hält. Kein Sonnenuntergang ohne ein Glas Wein, ständig stoßen sie an. Alkohol als Entspannungssymbol. Auch schräg. Das mit den Bushaltestellen und dem ÖV auf dem Land ist ja tatsächlich auch eine Bestätigung, dass es ohne Auto nicht geht. Wenn schwierig, dann leider kein Auto zur Verfügung. Abgesehen von Autopannen, die ein Ankommen mal schwierig machen sollen.

      Löschen
    3. Hallo Zusammen,
      Ich habe letzt ein Gegenbeispiel gesehen. Na ja nicht ganz denn die Serie Alex Rider hat ja Jugendliche als Zielgruppe und der Titelheld ist einfach noch zu jung zum Autofahren. Auch da wird viel mit Autos gefahren aber eben auch mit dem Rad und dann auch gleich auf "Augenhöhe" mit den Kraftfahrzeugen. So gelingt es dem Helden mehrfach Autos quer durch London zu verfolgen, eigentlich ein cooles Statement.
      Bei Krimis muss man wohl anmerken, dass auch so gut wie kein Polizist mit dem Rad unterwegs sein dürfte. Schade ist nur, dass die meisten die Rad fahren irgendwie schrullig sind.

      Löschen
  2. Auch in der Musik / Radio ist das Auto deutlich dominanter als ÖPNV / Fahrrad / Fussgänger. Wieviele Lieder gibt es (und werden im Radio gespielt) über Autos verglichen mit Lieder über die S-Bahn? Im Radio kommen dauernd Meldungen für Autofahrende über Stau / Unfälle. Über die Verspätungen im ÖPNV wird im Radio hingegen wird (fast) nicht informiert. Ich finde es schon etwas nervig, dass alle nicht-Autofahrenden dauernd mit Auto-Verkehrsmeldungen belästigt werden. Es wäre ja technisch möglich, dass die Auto-Verkehrsmeldungen nur in den Autos übertragen werden, oder im Web-Stream könnte man eine Funktion einbauen, wo man die Auto- / ÖPNV- Verkehrsmeldungen ein-/aus-schalten könnte.

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Ich liebe die Auto-Verkehrsmeldungen auf meinem Weg zur Arbeit! Natürlich sitze ich dabei auf dem Sattel meines Fahrrads und nicht eingeschlossen in der Blechdose. So lausche ich den Staumeldungen, amüsiere mich ob dem "Zeitverlust" der Dosenlenkenden und geniesse die frische Luft.

      Löschen
  3. Kapitalismus.
    ÖPNV zerstören, Autos verkaufen.
    Autos all überall in den Medien, in der Werbung ind als product placement direkt in den Programmen (die ja in Wahrheit nur Lückenfüller zwischen den Werbeblöcken sind)
    Irgendjemand meinte mal, was sagt das eigentlich über eine Gesellschaft aus, in der mit die kreativsten Köpfe in der Werbung arbeiten (in Deutschland ist die Werbung oft besonders dämlich, spricht wohl Bände.).

    AntwortenLöschen
  4. Eine Beobachtungen:

    1. Nur Böse fahren e (in Serien wie in Filmen; nicht nur deutsche Produktionen)

    2. In Tatort und Co. wird oft und gerne halb auf Gehwegen geparkt, bekomme ich jedesmal Aggressionen wenn ich das sehe...

    LG Andre

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Auch Mopeds werden gerne auf dem Gehweg abgestellt. Eigentlich alles, was fährt und einen Motor hat. Und so oft, wie die ihre Autos direkt unterm Eingang eines Gerichtsgebäudes abstellen, müssen die jedes Mal in die Fußgängerzone reingefahren sein.

      Löschen
  5. Was vielleicht nur mir auffällt - wenn schon mal im Film Rad gefahren wird, dann gehen die meisten damit um wie Sau. Mit dem Fahrrad wird häufig irgendwo hingehetzt und dann bleibt keine Zeit, das Rad vernünftig abzustellen, sondern es wird einfach hingeschmissen. Das tut mir immer in der Seele weh 😬

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. So ganz stimmt das nicht. Bei Hubert und/ohne Staller stellt der Riedel sein Fahrrad immer ordentlich ab. Palü hat sein Rad auch immer ordentlich abgestellt. Thiel schließt es sogar ab und regt sich jedes Mal tierisch auf, wenn es mal wieder gestohlen wird. Er ermittelt es aber auch immer wieder selbst. Selbst Wilsberg mit seiner alten Mühle stellt sie immer ordentlich ab. Hinschmeißen tun es meistens die "Bösen".
      Karin

      Löschen
  6. Tony Stark (Ironmen) kann faktisch fliegen und fährt trotzdem mit dem Auto. Weil Audi halt keine Flugzeuge baut, die man schön in die Kamera halten kann.

    AntwortenLöschen