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2. Dezember 2024

Die Risiken des Radelns zu mehreren


Ich vermute, vielen ist die Situation bekannt, wenn sie öfter zu zweit oder zu mehreren radeln. Der erste kommt noch rüber, man selber nicht mehr. Als zweiter sollte man unbedingt fähig sein, schnell anzuhalten. 

Wenn Ehepaare zusammen Rad fahren, eskalieren die Konflikte, er bringt sie beinahe um, sie bringt ihn zur Weißglut. Ich habe bereits langatmig darüber geschrieben, Tipps gibt auch BikeX, erwähnt aber die heikelste Situation nicht, die einen von zwei Radfahrenden das Leben kosten kann. 

Zum Beispiel: Man nähert sich einer Straße, auf der viele Autos fahren, die überquert werden muss. Eine:r, oft er , fährt vorne und schätzt den Verkehr ab, sieht schon im Heranrollen die Lücke im Autoverkehr, tritt in die Pedale und fährt rüber. Sie kommt an, würde ihm gerne folgen, tritt schon an, erkennt aber: Das reicht für mich nicht mehr, greift in die Bremsen, stoppt, springt womöglich noch mit beiden Füßen auf den Boden, um die Vollbremsung abzufangen, und wäre beinahe gestürzt, während das Auto an ihrem Vorderrad vorbeirast. Hui, das war knapp! Da steht sie nun, muss sich sortieren, wieder aufsteigen und auf ihre Lücke im Verkehr warten. Die muss etwas größer sein, weil sie ja aus dem Stand antreten muss. Währenddessen steht er auf der anderen Seite und guckt spazieren und ist etwas genervt, weil er wieder mal auf seine Frau warten muss. Ob ihm wohl klar ist, dass er beinahe seine Frau verloren hätte (oder nun im Krankenhaus besuchen müsste?). 

Genau das wäre einmal fast passiert, als der Mann bei Radlerampel-Rot am Rosensteinbunker aus Ungeduld über die Straße fuhr und sie ihm folgte. Dabei wäre sie beinahe von einer Straßenbahn überfahren worden, weil es ihr enorm schwer fiel, zu bremsen, so dringend wollte sie ihrem Mann hinterher. Und so ist es unlängst in einer Gruppe von drei Jugendlichen passiert. Bei einer Bergabfahrt (dass es Pedelecs waren, ist bergab unerheblich), fuhr der erste über eine Landstraße auf die andere Seite, dem zweiten reichte es nicht mehr, er stieß mit einem Auto zusammen und wurde schwer verletzt. 

Sich mental blitzschnell vom Voranfahrenden zu lösen, ist sehr schwierig. Aber never ever darf man dem Vorausradler vertrauen, denn die meisten denken nur für sich und für ihre Fahrradlänge. Kommt man an eine gefährliche Stelle müssen alle, die dem ersten folgen wollen, von Vertrauen auf Misstrauen umschalten. 

Besser wäre es natürlich, wenn der Erste stets für seine Nachfolgenden mitdenkt, und bei routinierten Gruppenradelnden dürfte das auch der Fall sein, denn sie haben die Situation durchdacht. Auch beim Radeln im Familienverband (Vater, Kinder, Mutter) klappt das, denn man ist langsam unterwegs und auf die Kinder konzentriert. Ehepaare oder Paare denken jedoch vor der gemeinsamen kleinen Radtour eher selten darüber nach, wie sie sich verhalten wollen, wenn sie an gefährliche Querstraßen kommen, und was sie dann voneinander erwarten. Die hinterherradelnde Person hat die Verantwortung für Wegefindung und Entscheidungen wahrscheinlich gern an die vorausfahrende Person abgegeben. Die vorausradelnde Person erwartet jedoch, dass die nachfolgende ihre Entscheidungen für sich selbst trifft, denn sie ist ja erwachsen. 

Also redet, bevor ihr zu mehreren radelt, darüber, wie ihr Fahrbahnen überquert, dass ihr bei gelb gewordenen Ampeln nicht noch durchfahrt und die andern euch bei Rot folgen müssten, wenn sie nicht anhalten, oder wie ihr durch Kreisverkehre radelt und wie ihr anhaltet (Hand hoch, an den Rand fahren). 


9 Kommentare:

  1. ... das ist kein fahrradspezifisches Thema. Das oft nett gemeinte Angebot jemandem den Weg durch vorneweg fahren zu zeigen, führte oft zu ähnlichen Situationen.
    Das ist nur sehr selten geworden weil sozusagen jeder ein Navi hat.
    Was bleibt ist, dass man lernen muss als erster einer Gruppe zu fahren, außer Fahrlehrer die auch KRAD Ausbildung anbieten, hat das halt keiner wirklich gelernt.
    Wir machen das so, dass der hinten fährt, der schneller reagieren kann.
    Als die Kinder kleiner waren, haben wir gelernt, dass der vordere die Verantwortung für die ganze Gruppe hat, und der am Schluss fahrende darauf achtet dass die Kinder nicht folgen wie die Lemminge wenn sich der vorausfahrende Elternteil doch mal verschätzt hat.
    Warum das Ehepaare nicht auf die Reihe bringen ist mir ein Rätsel, es ist nicht so schwer als erster die Lücken für zwei abzuschätzen und als hinterer ist es nicht so schwer für sich selbst mitzudenken.
    Beim Rennradfahren freut man sich wenn man Partner hat mit denen man öfter unterwegs ist, dann klappt es immer besser. Und da kommen so Sachen dazu wie nicht plötzlich wegen einer Kleinigkeit zu bremsen oder sonst was blödes zu machen was zum Sturz führen kann wenn der Hintermann sozusagen keinen Abstand hat. Und der Ehepartner sollte einem ja vertrauter und wichtiger sein als irgendjemand mit dem man mal zufällig seinen Sport macht.
    Daher kann es nur daran liegen, dass sich der vorne Fahrende in keinster Weise seiner Verantwortung bewusst ist, und der / die hintere sich nur noch als Beifahrer versteht. Hier sollten beide lernen, dass man vorne Verantwortung hat und hinten nicht nur Passagier mit Pedalen ist.
    Aber dann sieht man ähnliches auch bei Skitouren oder beim Wandern. Der eine bestimmt wo es lang geht, und das ist meist der, der diesen Sport besser beherrscht, und die anderen schwitzen weil sie überfordert sind. Wenn es nur konditionelle Überforderung ist, dann kann man das noch akzeptieren, wenn aber relative Anfänger an einer Stelle hängen wo sie weder vor noch zurück können, und der eigentliche Begleiter schon viel weiter ist, frag ich mich immer wieso die überhaupt jemals zusammen los gegangen sind. Mir wäre es todespeinlich, wenn meine Frau / Freundin .... nur mit der Hilfe anderer sicher aus einer Gefahrenstelle kommt und ich nur ungeduldig gewartet habe. Ich glaube das ist leider ein Problem, dass weniger mit Radverkehr zu tun hat, als mit dem Drang einiger Männer zu zeigen was sie alles können und nicht zu zeigen wie fürsorglich sie sind.

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  2. So mehr oder weniger ist mir das auch durch den Kopf gegangen.
    Dass Gruppenfahrten ihre eigene Dynamik entwickeln (wenn z.B. einer wo stehenbleibt, dann halten oft andere auch dort an, ob nun die Stelle geeignet ist oder nicht) - und dass ich auch aus diesem Grund ganz gerne allein unterwegs bin - ist klar. Aber dass jemand so völlig die Eigenverantwortung aufgibt, und sich nur noch am Vordermann oder -frau orientier, sodass er in Gefahr gerät, geht dann doch etwas weit. Im Unterschied zu Alpinismus oder oder Skibergsteigen haben das Verhalten im Straßenverkehr nämlich alle mal gelernt (und nur, wenn man davon ausgehen kann, dass alle grundsätzlich wissen was sie tun, kann er auch funktionieren).

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    1. Es haben zwar alle "das Verhalten im Straßenverkehr gelernt", aber aufm Fahrrad haste nunmal zu zweit u.a. dieses Problem, das du zu Fuß und im Auto nicht hast: sich ständig verändernde Abstände zueinander. Lauf mal zu Fuß einer langsameren Freund*in von dir die ganze Zeit zackig vorweg, ich schätze dann passiert an roten Ampeln, die bei dir noch gelb waren, bei vielen Personen dasselbe.
      Tim

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    2. Gerade bei größeren Gruppen (wir sind zu fünft) muss man eben Haltestellen suchen wo alle hinpassen. Auch das kann man lernen und wenn man das erste mal gesehen hat, dass ein Kind dort steht wo noch ein LKW kommen könnte, sollte man das nächste mal besser wählen.
      Ein netter Nebeneffekt wäre, dass Paare und Gruppen mit Kommunikaitonsbedarf nicht einfach Mitten auf dem Radweg stehen

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    3. Ich sehe nicht, inwiefern das in den geschilderten Fällen irgendwelche tieferen Ursachen hätte als eben individuelle Unvorsichtigkeit.

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  3. Den Gruppenzwang im Verkehr gibt es nicht nur bei Radfahrern, auch bei Motorradfahrern ist er oft genug zu beobachten. Bspw. Der Erste überholt, die Folgenden überholen auch obwohl es die Verhältnisse eigentlich nicht mehr hergeben

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  4. Ich muss bekennen, dass ich mich in Christines Artikel klar wiedererkannt habe. Nicht, weil wir zwanghaft die muslimische Reihe fahren, sondern weil ich schon immer für die Navigation zuständig bin.
    Und es ist genau richtig, der Erste muss für die anderen mitdenken, weil sonst das Lemming-Syndrom zu gefährlichen Aktionen führen kann. Das kann übrigens auch im Autopulk zu Gefahren führen, selbst schon erlebt: der Erste bremst noch kurz vor der Ampel stark ab, weil er den Pulk zusammenhalten wollte. Der Folgende hat aus dem gleichen Gedankengang zu viel Speed und zu wenig Abstand und rauscht drauf.
    Alles nicht so einfach.
    Jedenfalls werde ich als Pfadfinder auf den nächsten Touren langsamer tun, denn auf die paar Sekunden an der Kreuzung kommt es wirklich nicht an. Danke für den geistigen Büchsenöffner!

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  5. "Die Risiken des Radelns zu mehren"

    haha. habe mich erst verlesen.
    das ist aber leider das motto so mancher vetkehrsverantwortlichen.

    sigmund g. fahr

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