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29. November 2021

Wenn die Autotür plötzlich vor dem Radfahrer aufgeht ...

Immer noch sehe ich viele auch sichtlich erfahrene Radfahrer:innen arg dicht entlang geparkter Autos entlang radeln. 

Wenn jetzt einer, der in einem geparkten Fahrzeug sitzt, die Tür aufmacht, dann haut er den Radler oder die Radlerin vom Sattel. Nur selten kann man noch bremsen oder gar ausweichen. Dooring-Unfälle sind nicht selten und ungeheuer gefährlich, sie führen meist zu gravierenden Verletzungen und zuweilen enden sie sogar tödlich. Schuld ist immer der Mensch, der aus dem Auto aussteigt, denn, so steht es in der StVO § 1: „Wer ein- oder aussteigt, muss sich so verhalten, dass eine Gefährdung anderer am Verkehr Teilnehmenden ausgeschlossen ist.“ 

Oft sind die Bedingungen schuld daran, dass wir zu dicht an geparkten Autos entlang radeln:

Hinter einem lässt einer den Motor heulen, weil er eigentlich überholen will, und wir wollen nett sein und fahren ganz rechts. Noch gravierender und kaum zu vermeiden: Ein Auto kommt einem in einer engen beidseitig zugeparkten Straße entgegen, und wir kommen nur aneinander vorbei, wenn ich mit dem Fahrrad dichter an den geparkten Autos entlang fahre und mich damit in die Dooring-Zone begebe. Ich muss auf das entgegenkommende Auto achten (wird der Fahrer mir Platz lassen, fährt er womöglich viel zu schnell) und zugleich unbedingt auf die geparkten Autos schauen (steigt da gleich einer aus, sitzt da noch einer drin und daddelt auf dem Handy?). Geht es auch noch bergab, muss ich erheblich bremsen, und trotzdem würde es mich erwischen, wenn jetzt einer die Autotür aufstößt, so schnell kann ich gar nicht bremsen. 

Wer aus einem Auto aussteigt, muss sich also wirklich und ernsthaft umschauen, ob sich ein Radfahrer nähert, und zwar sowohl auf der Fahrer- wie auf der Beifahrerseite, denn manche Radwege verlaufen auch auf dem Gehweg genau durch die Doringzone. Und es gibt keine Entschuldigung, wenn man dabei eine Radfahrerin zu Fall bringt, keine. Aufpassen müssen die, die in Autos fahren. Nur wer in eine bereits seit längerem offen stehende Seitentür rasselt, weil er oder sie gerade nicht aufgepasst hat, bekommt eine Mitschuld zugesprochen. 

Quelle
Allerdings können Radfahrende sehr viel tun, um nicht in eine sich plötzlich öffnende Autotür zu fahren. Sie müssen unbedingt mit mindestens einem Meter Abstand zu den Autos fahren. Auch wenn etliche Autotüren breiter als 1 Meter sind (manche fast 2 Meter), so liegt die tatsächliche Öffnungsbreite bei knapp 80 Zentimetern. Und um auch das Knie vor der Türkante zu schützen, sollte unser Radler-Abstand deshalb  1 Meter sein. 

Notfalls, so der Ratschlag auf der Seite atp-Autoteile, müsse man eben sogar vom Radstreifen runter und auf der Fahrbahn radeln. Die Autofahrerseite hat natürlich wenig Ahnung, wie schwierig es für uns Radfahrende beispielsweise auf der Böblinger Straße in Kaltental oder auf der Neckarstraße ist, uns von den geparkten Autos den Meter Abstand auf dem Schutzstreifen zu erkämpfen. Sie beschäftigt sich aber ausführlich mit den Momenten, durch die Autoinsass:innen in die Gefahr geraten, die Autotür unachtsam aufzustoßen: Ablenkung durchs Handy oder einen Streit, laute Musik oder inneren Stress. Autofahrende sollten immer, wenn sie aussteigen wollen, innehalten und sich wirklich umdrehen, am besten, in dem sie mit dem der Tür abgewandten Arm über den Körper zum Türgriff greifen, denn dabei dreh sich der Oberkörper automatisch ebenfalls und man schaut nach hinten (holländischer Griff). 

Wie heikel es ist, wenn wir Radfahrende uns selbst ermahnen, uns so zu verhalten, dass wir die gravierenden Fehler der Autofahrenden ausgleichen, zeigt dieser Beitrag des ADFC Langenhagen, mit dem Titel "Autofahrer austricksen". Er beginnt übrigens mit der Ermahnung an Autofahrende: "Gebt den Radfahrerenden mindestens 1 Meter Platz zu geparkten Autos!", listet die Breite von Autotüren auf und empfiehlt erst am Schluss, sich als Radfahrer:in auch den Meter Abstand zu geparkten Autos zu nehmen. Meine Erfahrung: Wenn dann plötzlich die Tür aufgeht, erschrickt man immer noch bis ins Mark, allein das Knacken einer Autotür, die im letzten Moment doch nicht aufgestoßen wird, weil der Fahrer mich gesehen hat, jagt mir den Puls in die Höhe. 

Wie üblich müssen wir die Fehler der Autofahrenden ausgleichen, im eigenen Interesse, denn es sind unsere Knochen, die kaputt gehen. Und eigentlich sollten Autofahrende vehementer darüber aufgeklärt werden, was ihr Verhalten für andere bedeutet. Das Austricksen kommt zugegeben lustiger und aktiver daher als das: Radfahrer passt auf, denn die Autofahrenden tun es nicht. Es ist ja zu eurem eigenen Schutz, gell! Allerdings ist der Grundsatz, wirklich immer einen Meter Abstand zu abgestellten Autos zu halten, für uns eine gute Übung dafür, dass wir uns auf der Straße den Raum nehmen, den wir zu unserem eigenen Schutz brauchen. Und dazu gehört es, Abstand von geparkten Autos zu halten, egal, ob hinter uns einer vorbei will, der uns mit seiner Drängelei stresst. Denn wenn wir dann auch noch in eine Autotür rasseln, stürzen wir dem Drängler direkt vor den Kühler. 

Schwieriger wird es bei Begegnungen. Hier müssen eigentlich Auto und Fahrrad einen Meter Abstand halten. Die Fahrbahn zwischen den Parkreihen ist aber oft gerade mal dreieinhalb Meter breit. Eigentlich müssten Autofahrende sehr langsam fahren, sogar anhalten, bei einer so engen Begegnung. Ich fahre übrigens, wenn ich ein Auto kommen sehen, das deutlich zu schnell und ziemlich mittig fährt, mal kurz in die Mitte der Fahrbahn. Wenn ich sehe, dass das Auto bremst, fahre ich wieder rechts. Oft registriert der Autofahrer oder die Fahrerin mich erst in diesem Moment, in dem ich nicht mehr eng am Rand radle, sondern scheinbar frontal auf ihn zukomme. Er oder sie merkt erst jetzt, dass er/sie der Begegnung und dem aneinander vorbei Fahren Aufmerksamkeit schenken muss. 



10 Kommentare:

  1. "Allerdings ist der Grundsatz, wirklich immer einen Meter Abstand zu abgestellten Autos zu halten, für uns eine gute Übung dafür, dass wir uns auf der Straße den Raum nehmen, den wir zu unserem eigenen Schutz brauchen."

    Aber selbst für unsereins als sehr selbstbewusste Radler mit jahrzehntelanger Erfahrung und guter Kenntnisse unserer Rechte und der Pflichten der Autofahrer ist dies absolut nicht einfach. Man muss jedesmal wieder seine Nerven stählen, wenn man es wagt, auf seiner Sicherheit und seinem Recht zu bestehen.

    Konsequenz, jede/r der auch nur win bisschen ängstlicher ist, fährt nicht mit dem Rad und der Radverkehrsanteil bleibt wo er ist.

    Wir drehen uns endlos im Kreis...

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  2. "Nur wer in eine bereits seit längerem offen stehende Seitentür rasselt, weil er oder sie gerade nicht aufgepasst hat, bekommt eine Mitschuld zugesprochen."

    Das stimmt leider nichtmal. Auch bei plötzlich aufgestossenen Türen kann man auf dem Rad eine Mitschuld bekommen, wenn der Abstand zum Auto nicht ausreichend war. Beispielhaft wird hier über solche Urteile geschrieben:

    https://fahrradfreundliches-griesheim.de/dooring-unfallpraevention-10-gruende-warum-12-meter-abstand-zu-parkenden-autos-fuer-radfahrende-notwendig-sind/

    https://verkehrslexikon.de/Texte/Rspr3352.php

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    1. Ich kenne die Urteile. Aber es muss nicht immer so sein. Gewiss ist nur, dass man als Radler eben nach vorn schauen muss und eine offen stehende Tür nicht übersehen darf.

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    2. Die Gerichtsurteile sind in der Summe völlig widersprüchlich und konfus. Es kann auch schon mal sein, dass ein gegen die minutenlang offen stehende Autotür rasselnder Autofahre keine Schuld bekommt, sondern die Mutter, die durch die geöffnete Tür mit dem Gurt kämpft, um ihr Kind im Kindersitz zu fixieren.

      Der allgemein überwiegende Tenor der Gerichte, der Behörden und der öffentlichen Kommunikation ist, dass fahrende Autofahrer nicht besonders aufmerksam sein müssen und (zu) schnell sein dürfen. Die anderen Verkehrsteilnehmer müssen vorsichtig-langsam-rücksichtsvoll sein, auf alle Vorfahrts- und Vorrangrechte verzichten und tragen die Hauptverantwortung für Unfälle mit Autofahrern.

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  3. Jeder der schonmal fast gedoort wurde, gedoort wurde, jemanden fast oder komplett gedoort hat, weiß um die Gefahr und sollte tunlichst Abstand von parkenden PKW halten. Wer das nicht versteht, dem sollte mal mal die krassen Dooring-Videos aus dem Internet zeigen, wo Leute nicht nur gedoort, sondern anschließend noch fast überfahren wurden. Mir soll das nicht passieren, da müssen alle anderen dann halt mal warten.
    Es besteht aber auch bei den Behörden zu diesem Thema kein Sicherheitsbewusstsein. Hinweise mit entsprechender Begründung bei der Stadt haben eher ein "liegt im Bereich der Phantasie, da noch nie was passiert" hervorgerufen als ein "oh, danke für den Hinweis, das müssen wir uns mal ansehen und neu bewerten".
    Ich schreibe trotzdem weiter an die Stadt.
    Karin

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  4. ich fürchte, das thema wird von der neuen Regierung nicht angegangen werden.
    auch wenn’s jetzt die bewaffneten drohnen gibt, wird weiter mit subventioniertem diesel über die autobahnen gerast, anstatt probleme an der wurzel zu lösen.
    https://www.buergerhaushalt-stuttgart.de/vorschlag/11024

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  5. Es hat sich ein Tippfehler eingeschlichen:
    StVO § 14 und nicht StVO § 1

    BTW:
    Vielen Dank für deine Texte!

    Joachim

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  6. Jörg
    Das schlimme an der Geschichte ist, dass die sichere Linie also die eigentliche Angsthasenlinie von vielen als Kampflinie verstanden wird.
    Das ist noch viel Aufklärung nötig. Sonst wird man als dreister bösartiger Öko Gutmensch deformiert. Man verhält sich nur umsichtig und vorsichtig und kriegt mitunter solche Unterstellungen zu hören und zu lesen.

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  7. zum Thema:

    https://www.der-postillon.com/2017/11/magisches-fahrzeug.html

    Thomas

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