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19. Februar 2022

Deutscher Fahrradpreis geht wieder nach Stuttgart


Das Stuttgarter Projekt OpenBikeSensor hat einen von zwei ersten Preisen des Deutschen Fahrradpreises in der Sparte Kommunikation gewonnen. 

Der andere erste Preis ging an das Projekt SimRa: Sicherheit im Radverkehr. Das sind beides Projekte, die commutitybasierte Datenerhebungen machen. SimRa, das ich auch gelegentlich nutze, sammelt beim Radfahren Daten über kritische Situationen, plötzliche Bremsmanöver oder Ausweichschlenker, die man nach der Fahrt beschreiben kann. Der OpenBikeSensor - ein Stuttgarter Verein mit Sitz in der Liststraße - misst Überholabstände der Autofahrenden zum Fahrrad.

Mit  Abstandsmessgeräten von Kesselnetz hat die Stuttgarter Zeitung mit 100 Radfahrenden, Daten von Stellen gesammelt, wo Radfahrende zu eng überholt werden. Am eklatantesten ist das Problem auf der Böblinger Straße, der Kaltentaler Abfahrt, wo die Polizei auch regelmäßig steht und Autofahrer erwischt. Aber auch in anderen Straßen verführt die Infrastruktur Autofahrende dazu, Radfahrende zu eng zu überholen. 1,50 wird grundsätzlich eher selten eingehalten, die meisten fahren mit unter 1,20 an Radfahrenden vorbei, einige auch extrem eng. Radfahrende mit Abstandssensoren haben deutlich gemacht, dass es diverse Straßen in Stuttgart gibt, wo der Überholabstand meistens nicht eingehalten wird, sehr schön aufgelistet von der Stuttgarter Zeitung in diesem Artikel. Ähnliche Projekte laufen auch in anderen Städten

Es kommt allerdings darauf an, dass die Polizei eine Handhabe erhält, Autofahrende bei engen Überholvorgängen zu erwischen. Bislang hat die Polizei in Baden-Württemberg die Fahrbahn ausgemessen und markiert, Videoaufnahmen von Überholvorgängen gemacht und die Autofahrenden dann rausgewunken. Das ist aufwändig, erfordert mehrere Beamt:innen und kann nur hin und wieder gemacht werden. Andere rechtssichere Methoden wären wünschenswert. Die Stadt Stuttgart hat sich für ein eigenes Forschungsprojekt der Arbeitsgemeinschaft fahrrad- und fußgängerfreundlicher Kommunen beworben und den Zuschlag auch bekommen. Das Ordnungsamt wird sich nun mit OpenBikeSensor und Kesselbox treffen und ein Forschungsprojekt auf die Beine stellen. Ich denke, es muss auch geklärt werden, wie man davon wegkommt, dass Radfahrende mit ihren Abstandsmessgeräten sozusagen gleichzeitig Opfer und Polizei sind. Radler:innen können ja keine Autofahrende für gefährliches Fahren haftbar machen. Das muss die Polizei tun. Daten, wo zu eng überholt wird, helfen immerhin zu entscheiden, wo die Polizei sich hinstellt und kontrolliert. Abstandsmessgeräte an den Rädern der Polizeistaffel wären auch eine Möglichkeit. Schon 2018 ist die Salzburger Polizei mal selber mit Abstandsmessern geradelt. Die durchschlagende Lösung war das aber nicht. 

Es ist jedenfalls gut, wenn die Polizei Überholabstände überprüfen kann und überprüft (und auch Bußgelder ausstellt). Auch die Stuttgarter Kampagne zum Überholabstand läuft wieder. Ich vermute aber, dass nur bauliche Maßnahmen helfen, denn ganz allgemein ist die Regeltreue im Straßenverkehr ziemlich gering, und nur physische Hinternisse halten die gefährliche Minderheit von Autofahrenden davon ab, dort zu fahren, wo sie nicht fahren dürfen. Ampeln oder Verkehrszeichen tun es eher nicht. 


Übrigens: 2016 hat mein Blog "Radfahren in Stuttgart" beim Deutschen Fahrradpreis den 2. Platz in der Sparte Kommunikation belegt (obere Bildhälfte). Und 2007 gewann die Stadt Stuttgart den 1. Preis mit der Aktion: Stuttgarter Schülerbefragung Fahr Rad zur Schule (untere Bildhälfte). 

13 Kommentare:

  1. Das Problem bei der Abstandsmessung ( wie bei allen anderen Messungen zur Überwachung) ist, das da der Fahrer einwandfrei identifiziert werden muss.
    Entweder muß man damit den Fahrer ( mit entsprechendem Personalaufwand) nach der Messung sofort aus dem Verkehr ziehen oder es müssen Aufnahmen gemacht werden, auf denen der Fahrer von vorne erkennbar ist.

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  2. Au ja, ein Forschungsprojekt. Das ideale Deckmäntelchen für's Nichtstun.

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    1. Das würde ich in diesem Fall nicht sagen: Denn der Hintergrund ist der Wille, Autofahrende dingfest zu machen, die zu knapp überholen, und die Suche nach einer Methode, dies rechtssicher tun zu können. Außerdem steht das Interesse dahinter, herauszufinden, wo die kritischen Stellen sind, wo notorisch zu eng überholt wird. Die Kaltentaler Abfahrt soll ja deshalb auch entschärft werden und einen Pop-Up-Radstreifen (also einen schnell hingelegten) bekommen, ein Ergebnis dieser Abstandsmessugnen und diverser Polizeikontrollen.

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    2. Autofahrende dingfest machen: Anzeigen per Kameraaufnahmen von Radfahrern zulassen, Halterhaftung und verpflichtende Verfolgung durch die Polizei.

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    3. Ich finde auch, dass die StVO an diversen Punkten reformiert, also geändert werden müsste. Und eine Halterhaftung gibt es durchaus. Aber es ist kompliziert. https://www.ergo.de/de/rechtsportal/verkehrsrecht/verkehrsunfall-abwicklung/haftungsvoraussetzungen

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    4. Und: https://www.bussgeldkatalog.org/halterhaftung/

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    5. Im Zweifel wird immer für den Autofahrer entschieden, oder aus fadenscheinigsten Gründen nicht verfolgt. Bzw. sogar der anzeigende Radfahrer verfolgt wegen angeblicher Verstöße gegen den Datenschutz!

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    6. ich sehe zum thema halterhaftung eine langfrisitg angelegte studie zur grundsätzlichen juristischen bewertung erforderlich...äh, sorry, den hat marmotte ja schon oben gemacht.

      am ende muss die belangung eines gefährders so einfach sein, wie den suv mit subventionierten sprit vollzutanken.

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  3. Herzlichen Glückwunsch an die OBS Macher aus Stuttgart und deutschlandweit. Mit eurem Engagement tragt Ihr wesentlich zur Verkehrssicherheit dabei und verhindert mit Fakten, dass das Thema Abstand klammheimlich beerdigt wird. Vertraut weiterhin auf eure eigene Kraft und die der Community. Dies hat euch so weit gebracht. Nehmt euch in acht vor allzu heftigen Umarmungen und "Einbindung" in Verwaltungsprozesse. Das kann schnell zu "Luftnot" führen. Sind es doch die gleichen Protagonisten in der Verwaltung welche euch "umarmen" wollen die 2007 den Preis bekamen, die Radverkehrspolitik der letzten Jahre in verantwortlicher Position begleiteten und heute an Eltern Briefe schicken, dass man keine sicheren Schulradwege kennen würde, aber ein Projekt (!) aufgesetzt hätte, welches noch mehrere Jahre in Anspruch nähme und man bitte Verständnis dafür aufbringen solle, nicht jedem Kind einen sicheren Radschulweg anbieten zu können. 15 Jahre nach Erhalt des Preises! Von Projekt zu Projekt. Euch von Herzen viel Erfolg, Spaß und Kette rechts.

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  4. Ich bin nach 35 Jahren, als ÖPNV- und Bahnfahrer, aufs Auto umgestiegen, weil das politisch gewollt ist.

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    1. Von mir nicht, und von vielen anderen auch nicht. Du könntest es ja auch mal mit dem Radfahren probieren.

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  5. Hallo Christine,
    zunächst: Ich teile die große Freude der Community, dass das offene, zivilgesellschaftliche Forschungsprojekt OpenBikeSensor gemeinsam mit SimRa den Deutschen Fahrradpreis 2022 in der Kategorie Service/Kommunikation gewann. Großes Lob an alle Ehrenamtlichen, die sich seit vielen Jahren mit so viel Herzblut und Umsetzungsstärke einbringen.
    Dein Artikel scheint mir an einer Stelle missverständlich. Die Stuttgarter Zeitung hat mit Sensoren des Kesselnetz – nicht mit Überholabstandsmessern des OpenBikeSensor – Überholabstände gemessen. Vom Projekt OpenBikeSensor kam die Visualisierung, die von der StZ genutzt wurde, um die Ergebnisse aufzuzeigen. Damit zeigt sich auch der Vorteil von Open Citizen Science und dem Open Source-Ansatz des OpenBikeSensor: Das alles ist möglich und kann zivilgesellschaftlichen wie öffentlichen oder im Fall der StZ unternehmerischen Vorhaben von Nutzen sein. Für mich ist das eines der brilliantesten Dinge am OpenBikeSensor, dass uns das gelungen ist.
    Viele Grüße,
    Franziska

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    1. Danke für den Hinweis. Das habe ich in der Tat ziemlich schludrig formuliert.

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