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14. Mai 2024

Verkehrszeichen-Blindheit

Wenige Fußgänger:innen schauen auf Verkehrszeichen. Und wenn sie sie sehen, dann verstehen nicht alle sie richtig. 

Immer wieder laufen Leute auf dem Radwegteil des Ferdinand-Leitner-Stegs. Dabei gibt es, wenn man vom Planetarium her kommt, viele ziemlich eindeutige Hinweise, dass dieser linke Aufgang nur für die Radfahrenden ist und der rechte Aufgang (den man auf dem Foto nicht sieht) den Fußgänger:innen vorbehalten ist. Es stehen Barrieren im Weg, und es steht ein Schild mit einem Fußgänger im roten Kreis dort. Ein Mann, den ich auf halber Höhe ansprach, erklärte mir dann aber: Er dürfe hier laufen, da stehe doch ein Schild mit Fußgängerzeichen. Er hatte das Verbotsschild als Fußgängerzonenschild missverstanden.

Das Gehen auf Radwegen ist nicht erlaubt, genauso wenig wie das Spazieren auf Fahrbahnen. Aber Menschen zu Fuß gehen überall, wo keine Autos fahren und sind weitgehend blind für Verkehrszeichen. Allemal in Parks rechnen sie nicht damit. Sie gucken auch nicht hoch, wo die Verkehrzeichen hängen, sondern eher runter auf den Boden. Vielen ist nicht bekannt, dass der Schlossgarten in weitesten Teilen ein gemischter Geh-/Radweg ist. Und sie ärgern sich, wenn sie Umwege laufen müssen. Und über Radfahrende sowieso. Das Gehen auf diesem Radweg des Ferdinand-Leitner-Stegs ist nicht unkritisch für beide Verkehrsarten. Bergab sind die Radfahrenden schnell. Bergauf bedeuten Fußgänge:innen, die ihnen den Weg versperren, dass Radfahrende bremsen, sogar anhalten und dann am Berg wieder anfahren müssen, was vor allem mit Normalrädern ein Akt ist.  

In Umgekehrter Richtung sind die Zeichen auf dem Boden und das Schild zwar auch eindeutig, aber auch das beziehen nicht alle Fußgänger:innen auf sich.Vor allem die nicht, die hier nicht ständig unterwegs sind. 

Weil nicht-Autofahrende im Grunde nicht auf Schilder achten, sind Strecken in Parks, die als reine Radwege ausgewiesen sind, nicht erfolgreich, es sei denn, sie stellen für Fußgänger:innen einen Umweg dar. Deshalb funktioniert der Radweg zwischen Neckartor und dem nächsten Steg über die Cannstatter Straße, er liegt abseits der Spazierwege. Aber die Separation funktioniert nicht so gut auf dem Ferdinand-Leitner-Steg zwischen Oper und Schlossgarten. 

Deshalb sollte man es sich gut überlegen, ob man wirklich im Schlossgarten einen reinen Radweg anlegen und Radfahrende von Fußgänger:innen separieren will. Der Radweg dürfte jedenfalls nicht so geführt werden, dass er für Fußgänger:innen der attraktiverer Gehweg ist. Sinnvoller ist es tatsächlich, dass der Schlossgarten fast überall ein gemischter Geh- und Radweg ist. Das wirkt zwar chaotisch und ist für beide Verkehrsarten manchmal lästig, aber es funktioniert ohne Wut und Geschrei. Übrigens gibt es einige Spaziergeänger:innen im Schlossgarten, die glauben, die Strecke in der Platanenallee sei der Radweg und Radfahrende gelegentlich anpampen, sie sollten dort fahren. Es gibt auch viele Radfahrende, die die Regeln und Verkehrszeichen für den Radverkehr nicht so genau kennen, Fußgänger:innen sind sie allerdings noch viel weniger vertraut.  Genauso wenig, wie dem Fußgänger auf dem Radweg auf dem Ferdinand-Leitner-Steg das Verkehrszeichen vertraut war, dass das Zufußgehen auf einer Fläche verbietet. Er wird daheim oder unter Freund:innen erzählen, dass die Radler sich ja ein keine Regeln halten und in der Fußgängerzone radeln. 

Kürzlich kam es sogar auf dem Behelfssteg über den Tiefbahnhof zu einem Zusammenstoß, wo die Bahnen von Fußgänger:innen und Radfahrenden deutlich durch eine weiße Bodenlinie getrennt sind. Unfallversursachende waren die Fußgänger - besonders einer, der plötzlich erst in die eine, dann in die andere Richtung auswich. Und dann haben sie sich noch unerlaubt vom Unfallort entfernt und verletzten Radfahrer liegen gelassen. Auf diesem Steg, auf dem viele radeln und viele gehen, ist für mich als Radfahrende nie ganz sicher, ob ein Fußgänger nicht die Kurve an der Ecke abkürzt. Und manche sehen die Trennlinie nicht oder haben nach einer Weile vergessen, was sie bedeutet, wenn sie über den Zaun in die Baustelle gucken wollen. Für Zufußgehende existieren außerhalb von Fahrbahnen, auf denen Autos fahren, eigentlich keine Verkehrsregeln. Oder sie nehmen Radfahrende nicht sonderlich ernst. Was ich ihnen nicht verdenken kann: Irgendwo muss man ja auch entspannt flanieren können. Die räumliche Nähe von Fußgänger:innen und Radfahrenden ist immer riskant. 

Auch Radfahrende sind weitgehend verkehrszeichenblind. Das sieht man an der Hofener Straße in Cannstatt, wenn sie sonn- und feiertags für den Autoverkehr gesperrt wird, damit Radfahrende die Fahrbahn benutzen, damit die vielen Fußgänger:innen in Ruhe auf dem Gehweg spazieren können. Viele wissen, dass die Fahrbahn sonntags frei ist und radeln da auch sehr gerne und in großer Zahl. Radfahrende, die das nicht wissen, biegen wie gewohnt auf den Gehweg ein, obgleich ein Schild ihnen sagt, dass sie an Sonn- und Feiertagen die Fahrbahn benutzen müssen. Das Schild hängt natürlich ziemlich hoch und Radfahrende gucken eher nach schräg unten, zumal sie an dieser Ecke auch aufpassen müssen, ob ihnen was entgegen kommt. Radfahrende, die hier zum ersten mal radeln neigen auch dazu, den Gehweg zu nehmen, weil sie die Sperre der Fahrbahn nicht auf Anhieb verstehen. Autofahrenden wird hier sehr deutlich gemacht, dass sie nicht weiterfahren dürfen, mit einer Schranke an der die Schilder hängen: Verboten für den Kraftverkehr. Manche umfahren die Schranke trotzdem. Sie sind nicht verkehrzeichenblind, sondern entschlossen, Verkehrsregeln nicht zu beachten. 

Übrigens radeln auch immer wieder Radfahrende auf den als reine Fußgängerzonen ausgewiesenen Wegen im Schlossgarten. (Oder durch den fürs Radfahren absolut verbotenen Killesbergpark.) Im ersteren Fall sehen sie vermutlich die Schilder nicht, im Fall des Killesbergparks sind sie nicht zu übersehen. Sie werden vom größten Teil, der da radelt, missachtet. 

Viele Radfahrende sind übrigens mit der Mentalität von Fußgänger:innen unterwegs, sie glauben, sie würden sich nicht groß von Menschen zu Fuß unterscheiden, weshalb Verkehrszeichen und Vekehrsregeln nur auf der Fahrbahn gelten, aber bereits auf dem Gehweg nicht mehr (der ja eigentlich verboten ist). Auch unter einigen Radfahrenden fehlt der Respekt für die Verkehrsflächen, die ausschließlich Fußgänger:innen vorbehalten sind. Genauso wie manche Autofahrende Radwege nicht respektieren und darauf halten, parken oder fahren. 

In einer wuseligen Stadt scheint der Respekt vor den Verkehrsflächen von Fußgänger:innen und Radfahrenden ohnehin grundsätzlich gering. Groß ist er nur vor denen, auf denen die Autos rollen. Niemand spaziert auf der B14. Radfahrende dürfen da übrigens radeln, tun es aber nur äußerst selten. Also drängen sich alle auf den nicht von Autos befahrenden Wegen: im Schlossgarten und auf Gehwegen (mal für Radler:innen erlaubt, mal nicht). Ich denke: Gäbe es mehr geschützte Flächen für den Radverkehr und weniger Mischverkehr mit Fußgänger:innen, würden sich alle Seiten besser daran gewöhnen, in ihren jeweiligen Bereichen zu bleiben. 

15 Kommentare:

  1. "Die räumliche Nähe von Fußgänger:innen und Radfahrenden ist immer riskant."

    Das stimmt so eigentlich nicht, die räumliche Nähe von Fußgängern und Radfahrern ist trotz der beschriebenen Unannehmlichkeiten recht ungefährlich. Ich finde immer keine Zahlen, aber im Vereinigten Königreich werden jedes Jahrviel mehr Fußgänger von Autos auf Fußwegen (!) getötet als von Radfahrern, durchschnittlich 50 bis 60 gegen ein oder zwei.
    Das soll jetzt kein Plädoyer für gemischten Rad/Fußverkehr sein, aber das Narrativ vom gefährlichen Radler müssen wir ja nicht auch noch verstärken.

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    1. Ich finde immer keine Zahlen für Deutschland...

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    2. Es gibt Zahlen, ich gehe die mal wieder suchen. Zusammenstöße zwischen Radverkehr und Fußverkehr gibt es durchaus, natürlich ist die Gefahr für Fußgänger:innen geringer. Allerdings sehe ich auch ein Risiko für uns selber, die Radfahrenden, denn meistens stürzt man halt auch selber. Die räumliche Nähe birgt allerdings - und das meinte ich eigentlich - das Risiko, dass Fußgänger:innen auf Radstreifen gehen und Radfahrende auf dem Gehwegteil fahren oder über ihn ausweichen.

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    3. Es gibt diese UDV-Studie zu Zusammenstößen: https://www.udv.de/resource/blob/79324/c290c92fc2f0712187c0dd3167c6fc2e/39-inneroertliche-unfaelle-mit-fg-und-rf-data.pdf

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  2. Es ist eigentlich ganz einfach, Infrastruktur so zu gestalten, dass alle Teilnehmenden im Rad- und Fußverkehr sie richtig und sicher nutzen. Eine Stadtverwaltung, die versucht ihr schlechte Infrastruktur mit Schilderwäldern zu retten, hat keine Ahnung wie Rad- und Fußverkehr funktionieren und scheint nicht verstanden zu haben, dass man nicht einfach alles wie Autoverkehr behandeln darf. Bestenfalls ist das erschreckender Dilettantismus. Vielleicht ist es aber auch der billige Versuch, sich vor der Verantwortung für erwartbare Kollision und Personenschäden zu drücken.

    Bereite, direkte und getrennte Wege für Rad- und Fußverkehr mit eindeutigen visuellen Farbcodes zur intuitiven Unterscheidung wären das mindeste, aber dazu müssten halt mal Ideen für Lösungen entlang der B14 angegangen werden.
    Sollte es an der Stelle jemals knallen, hoffe ich, dass die Verantwortlichen in den Ämtern strafrechtlich betrachtet werden und die Versicherungskosten von der Verwaltung getragen werden.

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    1. Grüße aus Kiel

      Thijs

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    2. "Vielleicht ist es aber auch der billige Versuch, sich vor der Verantwortung für erwartbare Kollision und Personenschäden zu drücken."

      Das ist leider die hauptsächliche Funktion des Schilderwalds und so vieler anderer Regelungen, das Abwälzen von Verantwortung seitens der Politik.

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    3. Ja. Verkehrzeichen braucht eigentlich nur der schnelle Autoverkehr, Fuß- und Radfahrende bräuhten eigentlich keine und könnten über eindeutige räumliche und Bodengestaltung geleitet werden. Viele Verkehrzeichen bedeuten, dass die Streckenführung nicht eindeutig ist.

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    4. Liebe Christine,
      dass Fußgänger+ und Radfahrer+ keine Regeln brauchen, halte ich für Utopie.
      Man muss nur in der Fahrradstraße Eberhardstraße schauen: hier halte ich am Zebrastreifen und werde teils von mehreren Radfahrern+ überholt.
      Mittlerweile warten ja eher die Fußgänger+, ehe sie die Straße queren.

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  3. Antworten
    1. Jörg:
      Vielleicht sind Dänen und Holländer doch intelligenter. Jedenfalls sind da viele Wege getrennt. Meine Beobachtung das es nur wenige sind die sich im Park (Schlossgarten, Ferdinand-Leitner-Steg) nicht an die Regel halten.
      Klar wo die Regeln als doof wahrgenommen und kein Wachtmeister daneben steht wird gemacht wozu man lustig ist. Man frage dazu einfach mal einen Bademeister nach einem schönen Freibadtag. Um ein Beispiel zu wählen wo es keine Autos und Radfahrer gibt.

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  4. Laut den Zahlen des Statistischen Bundesamtes wurden 2021 ( https://www.destatis.de/DE/Themen/Gesellschaft-Umwelt/Verkehrsunfaelle/Publikationen/Downloads-Verkehrsunfaelle/verkehrsunfaelle-jahr-2080700217004.pdf?__blob=publicationFile Seite 103) bei von Radfahren verursachten Unfälle mit Fußgängern 6 Personen getötet, bei Unfällen zwischen Fußgängern und KFZ 248 Tote
    Leider wurde diese Veröffentlichung ab 2022 eingestellt.

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  5. Statt in Infrastruktur wird in Straßenmalerei und Schilder investiert.
    Dann bitte Radetat kürzen und in Bildung investieren.

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    1. Bitte sag mir und uns doch deinen Namen, wenn du eine so generelle Kritik äußerst. Auch Radfahrstreifen sind Straßenmalerei und dennoch eine echte Radinfrastruktur, die meist sehr erfolgreich den Autoverkehr vom Radverkehr trennt. Was du da schreibst, ist mir zu kurz gedacht.

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