Im Mai habe ich kritisch über eine neue Radverkehrsanlage mit Kreisverkehr in Wangen im Allgäu geschrieben. Jetzt hat sich dort ein für den Radfahrer tödlicher Zusammenstoß mit einem Lkw ereignet.
Wie die Schwäbische Zeitung berichtet, war am vergangenen Donnerstag um halb acht ein Mann mit seinem Pedelec auf dem Kreisel unterwegs, als ein Lastwagenfahrer nach rechts aus dem Kreisverkehr hinausfahren wollte. Er sah den Radfahrer nicht und überfuhr in. Die Schwäbische Zeitung beschäftigt sich vor allem mit den Gaffern, die sich den Ort anschauten und stellt zum Schluss die Frage, wie gefährlich Kreisverkehre für Radfahrende eigentlich sind. Die Polizei antwortet, sie seien genauso sicher oder eben gefährlich wie alle Kreuzungen, wo Autofahrer abbiegen und man solle "mittig im Kreisverkehr" radeln, damit die Autofahrenden einen immer vor sich haben und niemals rechts neben sich. So könne er nicht überholt werden und sei für alle Verkehrsteilnehmenden besser zu erkennen. Wir sind also wieder mal gehalten, selbst für unsere Sicherheit zu sorgen.
In diesen neuen Kreisverkehren werden Radfahrende in einem regelrechten Slalom vom Radweg kurz vorher auf die Fahrbahn geführt und der Radfahrstreifen endet kurz vor der Einfahrt in den Kreisverkehr. So haben zwar Radfahrende eine gute Chance, sich vor dem nachfolgenden Auto einzuordnen und in der Mitte der Fahrbahn zu fahren, aber offenbar tun das nicht alle, sie bleiben am Rand und fahren am Rand um den Kreisverkehr herum. Führt man den Radverkehr außen um den Kreisverkehr herum, wie das im Kreisverkehr Eislingen raumgreifend gemacht wird, verringert sich das Risiko, von abbiegenden Autofahrenden nicht gesehen, nicht beachtet und angefahren zu werden, auch nicht.
In Kreisverkehren werden Autofahrende den Radfahrenden sehr gefährlich. Menschen auf Fahrräderm werden einer Untersuchung der GDV zufolge doppelt so häufig von Autofahrenden verletzt wie an Kreuzungen mit Ampeln und ein Drittel öfter als an Kreuzungen ohne Ampeln. In Wangen im Allgäu befinden sich die Kreisverkehre auf der viel befahrenen Bundestraße Richtung Ravensburg. Die Radinfrastruktur wurde an den Rand geklemmt und wechselt zwischen Fahrbahn, Radweg und Radstreifen. Für mich ist sie ein Beispiel, wie man es nicht machen soll. Radfahrende müssen extrem routiniert sein und zweimal höchst wachsam durch Kreisverkehre radeln, auf denen auch noch viel los ist. Dies war und ist keine radfahrfreundliche Infrastruktur.
Das mit dem mittig fahren funktioniert auch nicht immer. Mich hat demletzt so ein Spezialist dann rechts im Kreisverkehr überholt und ich bin mit ihm dann fast beim Ausfahren mit seiner Fahrertür kollidiert, weil ich 1. nicht damit gerechnet habe, dass jemand im Kreisverkehr rechts überholt und 2. ich eben nur links einen Spiegel habe. Ich habe ihn dann an der roten Ampel auf sein Überholen angesprochen, entsprechend aufgebracht, und habe von dem Kerl nur einen dummen Kommentar in einem arroganten gönnerhaften Ton geerntet.
AntwortenLöschenDas Problem ist nicht nur die Infrastruktur, sondern vor allem der Charakter der hinter dem Steuer sitzt. Und da sind so einige eigentlich nicht für den motorisierten Verkehr geeignet.
Es wäre hilfreich, wenn die Infrastruktur sicher und geschützt geplant werden würde, vor allem, wenn neu gebaut wird. Aber wenn man z.B. den ADFC an der "Planung beteiligt", der dann seine Kommentare abgibt zur Verbesserung der Infrastruktur und sich dann nicht eine einzige Änderung in die Planung einfliesst, dann weiss man doch schon wieder, was für ein Autoplaner da am Werk ist. Hier in Mannheim passiert. Jetzt haben wir eine sauenge 90°-Einmündung vom Radschnellweg in die Fahrradstrasse, zwar mit Vorfahrt, aber ständiger Vorfahrtsmissachtung von den KFZ. Totaler Murks, vom ADCFC schon im Vorfeld moniert und nicht geändert worden. Durch solch eine Ignoranz der Planer kann es nicht besser werden.
Karin
Ich staune auch, was Autofahrende so alles anstellen, nur um an mir Radlerin vorbeizukommen, als ob es auf die paar Sekunden ankäme. Sie machen sich nicht klar, wie gefährlich sie mir werden, und dass sie selber schlecht damit leben können werden, wenn sie einen Menschen im Straßenverkehr getötet oder schwer verletzt haben, weil sie selber einen Fehler gemacht haben. Andererseits sehe ich auch immer noch viel zu viele Radfahrende am Rand durch die Kreisverkehre fahren. Die Tipps erreichen ja vor allem die nicht, die kurze Strecken im Alltag radeln und sich nicht mit den Regeln beschäftigen. Mein Blog erreicht sie nicht.
AntwortenLöschenHallo Christine,
LöschenIch scheitere schon bei meinen Kindern. Die fahren dort wo sie sie wohl fühlen, auch wenn die subjektiv empfundene Sicherheit trügerisch ist. Ich bin schon froh, dass ich meinen Kleinsten inzwischen auch so weit habe, dass er nicht immer auf dem Gehweg fahren will, wenn kein explizit ausgewiesener Radweg da ist.
Kreisverkehr mitten auf der Fahrbahn: keine Chance.
Für langsamere oder unsichere Radfahrer kenne ich keine gute Lösung bei Kreisverkehren, entweder man fährt im Mischverkehr und wird so oft von KFZ bedrängt, dass einem die Lust daran vergeht, oder es gibt die tollen Radwege außen rum, bei denen man an jeder Einfahrt und jeder Ausfahrt ein Mini Vorfahrt Achten hat. Damit kann so eine Runde um den Kreisverkehr im Berufsverkehr schon mal sehr lange dauern.
Kreisverkehre sind ein schönes Beispiel für eine Verkehrsplanung bei der an den KFZ Verkehr (mehr Durchsatz von allen Einfahrten als bei ungeregelten Kreuzungen) und die Kosten (billiger als eine LZA) gedacht wird, aber leider nicht an Radfahrer. Leider wird es mit CSU oder FDP Verkehrsministern niemals ein Straßenverkehrsgesetz geben, das vorschreibt, dass bei jeder Baumaßnahme alle Verkehrsarten betrachtet werden müssen.
D.h wir müssen weiterhin damit leben, das der Ausbau einer Strecke dazu führen kann, dass die nach dem Umbau für Radfahrer sehr gefährlich wird.
Meine Erachtens wäre es wichtig, dass die Strassen nur einspurig sind, auch die Kreisverkehre. Wenn die Fahrbahnen zu breit sind, sehen alle eine Möglichkeit "doch noch vorbeizukommen" egal ob links oder rechts. Und ja, ich bin der Meinung, dass niur eine Änderung der Kultur auf den Strassen, nämlich der Vorrang des Menschen vor Maschinen, eine Lösung ist. Zu groß sind die infrastrukturellen Mängel und fehlenden Teile, sowie zu viele Punkte auf denen diese dann aufeinandertreffen.
AntwortenLöschenDas sind alles, immer, Systemfragen!
AntwortenLöschenDas heißt, wir kommen mit Klein- und Kleinstveränderungen nie auf einen grünen Zweig !
George Monbiot sagt es erst heute wieder, zwar in einem anderen Zusammenhang, aber das tut keinen Abbruch, "Der Plural von schrittweiser Veränderung ist nicht Systemänderung, der Plural von schrittweiser Veränderung ist Scheitern." ("The plural of incremental change is not system change. The plural of incremental change is failure.")
Es geht nur über gesamtstaatliches Handeln, es muss eine Veränderung der politischen Haltung und des politischen Willens und dadurch des Systems in seiner Gänze her, ob nun im Verkehr oder sonstwo, wo unsere Systeme aktuell ganzheitlich versagen, her. Werden wir, die hier posten (wohl in der Mehrzahl Menschen über 40/50), das noch erleben? Wohl kaum.
https://www.theguardian.com/commentisfree/article/2024/aug/28/dear-ministers-i-am-a-climate-crisis-campaigner-nationalise-me-right-now
marmotte27
Löschen"Änderung der Kultur auf den Strassen, nämlich der Vorrang des Menschen vor Maschinen"
AntwortenLöschenJa, das erfasst zwar nicht die Fälle von Augenblicksversagen usw. aber adressiert einen sehr erheblichen Teil des Problems.
Es gibt durchaus eine uneingestandene Komplizenschaft zwischen den automobilen Gewalttätern und der etablierten Autolobby in Politik und Wirtschaft. Ungeachtet aller Rhetorik von 'gegenseitiger Rücksichtnahme' sichert die extrem große Toleranz gegenüber der Kultur der 'Automobilen Gewalt' die Dominanz des MIV auf lange Sicht ab. Auch eine objektive innere Mittäterschaft durch Inkorporation der automobilen Lebensweise und Einstellungsmuster (bloß nicht den Autoverkehr behindern, lieber ganz rechts fahren, Bundes- und Landesstraßen sind was für Autos, etc. etc.), der sich fast niemand (auch nicht die 'überzeugten Radfahrer:innen') entziehen kann, spielt dabei eine, die Hegemonie des MIV stützende, Rolle.
Vielleicht wäre es sinnvoll eine ausreichend vorbereitete möglichst bundesweite Anzeigenkampagne gegen die alltäglich erlebbaren Akte automobiler Gewalt zu starten, wobei die strafwürdigen Akte der Übergriffe - Dashcam gestützt - systematisch angezeigt werden?
Vielleicht geht das auch regional begrenzt?
Da könnten schnell etliche tausend oder hunderttausend Anzeigen zustande kommen, die dann wohl nicht mehr einfach von 'Autopolizei', 'Autostaatsanwaltschaft' und Medien ignoriert werden könnten?
Zudem kann das mithelfen aus der unangenehm ohnmächtigen eigenen unterlegenen Rolle innerhalb des 'Herr - Knecht' Herrschaftsverhältnisses herauszutreten.
Die meisten von uns haben ja zudem beide Verkehrsmittel im alltäglichen Verhaltensrepertoire, so dass sich vielleicht auch das automobile Verhalten der an solchen Aktionen beteiligten 'Auch-Radfahrenden' verbessern würde?
Es bräuchte natürlich eine koordinierte zuverlässige Rechtsberatung mit ausführlicher kampagnenbegleitender und gut zugänglicher FAQ, etc., sowie eine Öffentlichkeitsarbeit, die klar macht, dass es sich nicht um eine bloße Denunziationswelle gegen 'Die Autofahrer' handelt, sondern um eine leider notwendige couragierte ehrenamtliche Bürger:innenbeteiligung gegen Verkehrsgewalt und Rücksichtslosigkeit.
Dass sich damit alle Unfälle (wie zB der oben im Artikel beschriebene) verhindern lassen werden ist natürlich illusorisch, aber es kann dazu beitragen, Wege aus den in der Tat insgesamt nahezu wirkungslosen Placebos der "Klein- und Kleinstveränderungen" heraus zu suchen?
Alfons Krückmann
Das ist meine Riesen-Lottogewin Idee. Gemeinnützige "Robuste" Rechtsschutzversicherungsgemeinschaft für Radfahrer mit eigenem Rechtsbüro. Kombiniertes TÜV/Fraunhofer o.ä. zertifiziertes Gerät mit 360° Kamera, Radar nach hinten, Ultraschallsonar zur Seite, GPS und KI für die Mitglieder. Am Ende jeder Fahrt (und bei Unfällen) generiert die KI die entsprechenden Anzeigen mit Beweisprotokoll die dann nach Quittung durch den Radhfahrer formal über das Rechtsbüro weitergeleitet werden. Die Anwälte vertreten vor Gericht in Zivilprozessen und als Nebenklage in Strafprozessen und/oder haken bei Anzeigen nach. Über Polizeidienststellen, Staats- und Oberstaatsanwälte wird Buch geführt, schnell wird systemische Strafvereitelung im Amt sichtbar und nachweisbar, in der Folge entsprechende Anzeigen bis zum Justizminister des Bundeslandes und Klagen bei den Bundesgerichten. Analoges Vorgehen zu Richtern und Rechtsbeugung, wenn es zu Prozessen kommt und die bekannten Urteile mit hanebüchenden Begründungen erfolgen. Die Gesellschaft und Politik ändern sich zwar nicht sofort, aber die schlimmsten Richter und Staatsanwälte, die am längsten den status quo aufrechterhalten, werden am Ende vorbestraft und verlieren ihre Pension.
LöschenDas würde sich durch Mitgliedsbeiträge und Kaufpreise oder Leasinggebühren für die Geräte wahrscheinlich nach der Anfangsinvestition (und dem gerichtlichen Durchsetzen der Anerkennung als gemeinnützig) sogar selbst tragen.
Wow, da bin ich dabei!
LöschenHier liegt nicht nur ein "Systemversagen" vor, hier hat eine identifizierbare Einzelperson eine moralische, vielleicht sogar rechtliche, Schuld. Es handelt sich um den/die "fachlich geeignete" Verkehrsplanerin welche verantwortlich abgezeichnet hat. Hier wäre "Naming and Shaming" angebracht um die üblichen psychologischen Abwehrversuche (Schuldübertrag, Abstraktion etc.) zu durchbrechen.
AntwortenLöschenBei dieser "Verkehrsplanung" wurde eine erhöhte Lebensgefahr für Radfahrer bewusst in Kauf genommen. Die Rechtslage (leider NICHT die Verkehrsrechtspraxis) ist da klar, das ist unzulässig. Würde auch den Kernartikeln des Grundgesetzes widersprechen wenn man explizit den "freien Fluss des Autoverkehrs" gegenüber dem Recht auf körperliche Unversehrtheit, wenn auch nur in der statistischen Abstraktion, priorisieren würde. Implizit wird aber "schon immer" so gehandelt, was über die Jahrzehnte Hunderdtausende (!) zusätzliche Verkehrs-Todesopfer und Millionen Schwerverletzte für vernachlässigbaren Wohlstandsgewinn (das vermeintlich schnellere Autofahren) zur Folge hatte. Dass in Deutschland die gelebte Verkehrsrechtspraxis dem Grundgesetz im tiefen Kern widerspricht ist mAn viel mehr ein Anlass für eine "Musterklage" als so manches was DUH und andere so anstrengen und könnte Umwelt und Gesellschaft viel mehr helfen als das viel zitierte "Klimaurteil".
Die Schuldfrage der rechtlichen oder moralischen Einzelperson entscheidet sich also anhand des herrschenden Systems.
LöschenIch glaube nicht, dass ich oder die anderen Poster (s.o.) in unserer Lebenszeit eine enstprechende Verurteilung sehen werden.