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4. Mai 2024

Fußball-EM in Stuttgart contra Radverkehr

Die UEFA-Euro beginnt am 14. Juni und dauert vier Wochen. In Stuttgart finden fünf Spiele und dauerhafte Fanmeilen mit öffentlichem Fernsehgucken statt. Aber für den Radverkehr auf der Hauptradroute 1 gibt es es nur eine schlechte Umleitung. 

Die Strecke ist im Schlossgarten zwischen Landtag und Neckartor während der EM meistens gesperrt. Die Stadt hat durch eine AG Mobilität ein Konzept entwickelt und schlägt Umleitungsrouten vor. Und zwar über die Urbanstraße und den Kernerplatz, also bergauf, bergab und über sperrige Ampelanlagen. Daran, uns Radfahrenden entlang der B14 eine gerade und ebene Strecken zu geben, denkt man nicht. Das wurde auch am Freitag, dem 3. Mai, im Gemeinderatsausschuss WA/STA von den Behörden abgelehnt. Unsere Hoffnung, dass man die Neckarstraße für Autos sperren und entlang der B14 Pop-up-Radwege einreichten würde, haben sich natürlich zerschlagen. Ob die Sperrung nun immer gilt oder nur zu bestimmten Zeiten oder an bestimmten Tagen, habe ich noch nicht herausgefunden. Hier die Einzelheiten: 

Vom 13.6. bis zum 16.7. 24 wird ein sogenannter Sicherheitsbereich zwischen Schloss, Oper und Ferdindand-Leitner-Steg (einschließlich) abgesperrt und damit die Hauptradroute 1 komplett unterbrochen. Bis zum 6.7. ist die HRR1sogar zwischen Neckartor und Landtag gesperrt. 

Der Radverkehr wird zum einen über die Ampelanlage zur Ulrichstraße abgewickelt. Die ist für die Menge an Radfahrenden, die auf der Hauptradroute 1 unterwegs sind, aber nicht ausgelegt. (Da geht es jetzt schon zur Hauptverkehrszeit sehr eng zu, auch wenn die Ampelschaltung verbessert wurde.) Radfahrende, die vom Charlottenplatz her kommen, sollen an der Fußgänger-Radampel über die B14 und dann Richtung Urbahnstraße hoch fahren. Andere kommen auf der Umleitung runter und hier an. Da sehe ich zwei schwerwiegende Problematiken: 

1. Wenn alle Radfahrenden anhalten und queren sollen, wo auch viele Fußgänger:innen herumstehen und über die Straße gehen, dann reicht der Platz nicht, weder aufseiten der Oper, noch auf den schmalen Verkehrsinseln, falls nicht alle in einem Zug rüber kommen, und es werden nicht alle in einem Zug rüberkommen. 

2. Man kommt auf der Landesbibliotheksseite auf dem Gehweg an. Einen geregelten Übergang auf die Ulrichstraße gibt es nicht.Viel zu viele radeln dann den linksseitigen Gehweg hoch, die anderen fahren vom Gehweg runter auf die rechte Fahrbahnseite, und das in der Kurve, die Autofahrende, die vom Charlottenplatz kommen, hier zum Einbiegen in die Ulrichstraße nicht unbedingt langsam nehmen.

Das ist wirklich nicht ungefährlich. Wir haben einen massiven Kreuzungsverkehr von Rad und Auto in einer Kurve. Da die Umleitung auch die Ulrichstarße runterwärts ausgeschildert ist, kommen auch deutlich mehr Radfahrende an der Fußgänger- und Radüberweg an und es gibt auf enger Fläche viel Begegnungsverkehr. 

Noch schlimmer sieht es mit der Ampelanlage am Neckartor aus. Hier entfalten jetzt schon Radfahrende viel Kreativität, weil die Ampelanlage unmöglich ist. Aber es fahren dort nur sehr wenige. Radfahrende, die aus Cannstatt oder Stuttgart Nord kommen und durch den Schlossgarten gefahren sind, stoßen aber nun zur EM am Neckartor drei Wochen lang auf eine Sperrung und müssen sich nach links wenden, über die Ampelanlage am Neckartor ganz rüber auf die andere Seite der Neckarstraße fahren und dann die sehr steile Kernerstraße zum Kernerplatz hochradeln. Ich sehe hier vier schwerwiegende Problematiken: 

1. Um mit dem Rad über die Cannstatter- und Neckarstraße zu kommen, braucht man einen gesamten Umlauf für Autos, also minutenlang. Alle Ampeln, an denen man ankommt, sind rot, die Grünphasen sind kurz. Man wartet an drei Radlerampeln (die übrigens nicht mit dem Fußverkehr zusammen geschaltet sind, Fußgänger gehen, während Radfahrende warten) auf sehr kleinen Aufstellplätzen.

2. Auf der anderen Seite der Neckarstraße muss man  dann auf dem Gehweg um den U-Bahnabgang herum nach rechts zur Kernerstraße kurven und landet an einer Fußgängerampel. Wenn man nach links die Kernerstraße hochfahren will, muss man hier auf Fußgängergrün warten (es gibt einen Drücker, der sehr weitab der Fahrlinie links steht) und dann auf die Kernerstraße einschwenken. Etliche werden da sicherlich auf dem Gehweg hochradeln. 

3. Zugleich gibts es reichlich Begegnungsverkehr. Denn es kommen von oben vermutlich deutlich mehr Radfahrende herab als sonst, denn die Umleitungsbeschilderung weist sie am Kernerplatz die Kernerstraße runter zum Schlossgarten. Auf der Gehwegstrecke und auf den Überquerungsfurten über die Neckarstraße und die Cannstatter Straße und auf allen Verkehrsinseln begegnen sich viele Radfahrende. Dafür ist die Anlage nach meiner Einschätzung nicht ausgelegt. Viele werden außerdem auf dem parallelen Fußgängerüberweg radeln, der eher und länger Grün hat als der Radverkehr.   

4. Die Kernerstraße ist die steilste Straße zum Kernerplatz. Leute mit Pedelecs werden die Fahrt nicht genießen, aber auch nicht verfluchen. Leute, die üblicherweise mit ihren Normalrädern pendeln und auf die ebene Strecke durch den Schlossgarten eingestellt sind, werden fluchen, das Radfahren sein lassen oder im besten Fall eine völlig andere Strecke für sich entdecken und wählen. 

Wer sich auskennt, wird stadtauswärts - wenn es mit dem Ziel zusammenpasst - vermutlich am Kernerplatz die Urbanstraße Richtung Neckarstraße weiterreadeln. Hier stehen zunächst viele Senkrechtparker, die Fahrbahn ist schmal, teils Einbahnstraße, die Begegnung mit Autos ist eng (der Asphalt übrigens sehr schlecht und holprig). Ob das bei einem vermehrten Radler:innen-Aufkommen immer konfliktfrei abgeht, wage ich zu bezweifeln. Man kommt dann unten am Stöckach raus und fädelt sich auf die Neckarstraße. Ist die aber im abendlichen Berufsverkehr verstopft, stehen Radfahrende im Autostau an den drei hintereinander geschalteten Ampeln zur Hackstraße und müssen mehrere Grünphasen abwarten. Die meisten, denen das heute passiert - und da radeln derzeit eher wenige - weichen über den Gehweg aus (verboten), das werden dann ziemlich viele machen. Denn Radfahren, dann aber im Autostau stehen, ist etwas, was mit dem Radfahren unvereinbar ist.

Positiv zu vermerken: Man hat an Radstrecken zu neuen Radabstellanlagen am Stadion gedacht. Es soll auch Aufladestellen für E-Räder geben. Auf der Hauptradroute 1 im Schlossgarten allerdings kommt man dann nicht mehr hin und zurück ohne erhebliche Unbequemlichkeiten, ohne viele Ampelhalts und ohne Steilstrecken. Oder man kennt sich sehr gut in Stuttgart aus und radelt auf Umwegen ganz andere Strecken. 

Auch der Autoverkehr muss wohl hin und wieder Einschränkungen hinnehmen, aber im Großen und Ganzen rollt er über die B14, flach und mit grüner Welle. 

Die Stadt Stuttgart zeigt Radfahrenden wieder einmal die kalte Schulter: den Radler:innen die weiten Umwege über Steilstrecken mit langen Wartezeiten an Ampelanlagen, dem Autoverkehr die grüne Welle und ebene Geradeaus-Strecken. Und dazu ein achselzuckendes Lächeln. Wobei ich nicht so tun will, als wäre die heutige Führung der Hauptradroute 1 durch den Oberen Schlossgarten zwischen Landtag und Oper eine, die den Radverkehr ernst nimmt, denn dort ist Schrittgeschwindigkeit angeordnet, an die man sich über 800 Meter nicht halten kann, weshalb alle Radfahrenden gezwungen sind, in der Illegalität zu fahren. 


11 Kommentare:

  1. Was bedeutet dieser Sicherheitsbereich um Schlossplatz, Oper, etc? Ist das dann komplett abgesperrt mit Gittern, oder kommt man da ev. trotzdem durch, eventuell wenn man das Rad schiebt?
    Schon etwas krass, dass ein so riesiger Bereich mitten in der Stadt (exklusiv?) dem Fussball gegeben wird und der Öffentlichkeit weggenommen wird.

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    1. Also hier gibts vom SWR ein Beitrag zum Sicherheitsbereich: https://www.swr.de/swraktuell/baden-wuerttemberg/stuttgart/verkehrs-und-sicherheits-konzept-stuttgart-em-fussball-europameisterschaft-uefa-innenstadt-100.html
      Da steht "Sicherheitsbereich, der abhängig von den Spieltagen und Public-Viewing-Veranstaltungen begrenzt befahrbar sein wird".
      Etwas unkar was das nun für die Radfahrenden bedeuten, offenbar kommt man da wohl doch durch zumindest wenn kein Spiel ist?

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    2. Ich bin gespannt, ob man durchkommt.

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  2. In Cannstatt ist die HRR hinter dem Bahnhof vorbei komplett gesperrt, ohne Umleitung. sofern ich das richtig verstanden habe.
    Weiß jemand, ob man auf der B14 die Unterführungen radeln darf oder muss man oben drüber?

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    1. Auf der B14 darf man radeln, sie ist nicht als Kraftfahrstraße ausgewiesen (das ist sie erst ab Neckartor stadtauswärts. Allerdings verstehen das weder die Autofahrenden noch die Polizei. Es kommt immer wieder vor, dass Radfahrende, die auf der B14 fahren, von der Polizei angehalten auf die Radwege verwiesen werden.

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    2. Bin schon die B14 von Marienplatz bis Neckartor gefahren, als noch nicht überall Baustelle war. Wenn man es eilig hat mal ok ;) Die Anstiege z.b. am Charlotteplatz sind nervig.

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  3. Jörg
    So ist Stuttgart die beiden Autobahnen. Heilbronner Straße und Konrad Adenauer Straße bleiben dem Auto vorbehalten. Danke dafür.

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  4. Ich hatte meiner Frau die Karte mir der Umleitung gezeigt. Ihre spontane Aussage war: Da kann ich doch einfach die B14 zwischen Urbanstraße und Neckartor fahren und mir das ganze hoch und runter sparen.

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    1. Das kann man. ich glaube, ich habe die Nerven dazu nicht. Früher bin ich auf den Außenspuren der B14 geradelt, vor allem vom Neckartor zum Charlottenplatz, aber seit den Baustellen tue ich das nicht mehr, weil Autofahrende etwas desorientiert sind und dabei Radfahrende leicht übersehen. Aber wenn wir viele wären ...

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    2. Dann lass uns viele werden. Ich freue mich auf die einspurige Unterführung am Gebhard Müller Platz. Dann eher mittig fahren und überholen ist auch kein Thema mehr... Ist Richtung Marienplatz bestimmt richtig lustig. Da gibt es erst am Breuninger eine Ausfahrt. Also 2 mal ohne Warten unter den großen Kreuzungen durch... Vergesst nicht das Licht einzuschalten...

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  5. Die Stadt hasst halt Radfahrer und zeigt es einmal mehr. Und Brot und Spiele (Fußball) hat nun mal höchste Priorität...

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