Diese Zweifeldampel am Eingang in die Eberhardstraße habe ich noch nie beachtet. Viele andere Radfahrende auch nicht, bis die Polizei anfing, Rotlichtverstöße zu ahnden. Zu Unrecht, wie die Stuttgarter Zeitung ausführlich erzählt.
Auch auf Twitter und auf Facebook wurde das heftig diskutiert, weil eine betroffene Radlerin sofort die Radcommunity fragte und auch sofort Hilfe bekam. Es stellte sich heraus, dass die Interpretation der Situation schwierig ist, so schwierig, dass zwei junge Polizist:innen (in Zivil) hier Radler:innen filmten (wer hat das eigentlich angeordnet?) und einer weiterer sie in der Eberhardstraße anhielt und die Personalien für einen Bußgeldbescheid aufnahm. Ein Rotlichtverstoß kostet 180 Euro und einen Punkt in Flensburg. Diese Bußgeldbescheide dürfen nun so nicht zugestellt werden, und wenn sie doch kommen, sollte man ihnen widersprechen.
Wenn nicht einmal die Verkehrspolizei die Signale an einer Radinfrastruktur richtig deuten kann, stimmt etwas grundsätzlich nicht. Und welch seltsame Gier, endlich mal Radler:innen bei Rotlichtverstößen dranzukriegen!
Es bedurfte der Fachleute des ADFC und Verkehrsexperten, um klarzustellen, dass diese Ampel für den Autoverkehr gedacht ist, der von der Tübinger Straße her kommt und auf das Rot am Fußgängerüberweg der Torstraße zufährt. Da steht dann halt links auch noch eine Ampel, damit die Autofahrenden schon mal sehen, dass ihre Ampel hinter der Biegung des Baustellenzauns rechts rot ist. Sie steht zwar unmittelbar an der Fußgängerfurt, aber sie ist so gedreht, dass sie so wirkt, als gelte sie für geradeaus fahrende Radler:innen. Radfahrende, die von der Tübinger Straße her kommen und dem Verlauf der Eberhardstraße folgen und in die Fahrradstraße wollen, brauchen sie dennoch nicht zu beachten. Eine Ampel muss an der Haltelinie oder kurz danach stehen. Autoampeln stehen stehen nicht auf der anderen Seite der Fahrbahn. Das ist aber besonders für Radfahrende missverständlich, weil wir, wenn wir Fußgängerfurten benutzen müssen, ja auch mit Ampeln (Fußgängerampeln) konfrontiert sind, die jenseits der zu überquerenden Fahrbahn stehen. Da sind unsere Rotlicht!-Halt!-Reflexe ganz andere als die von Autofahrenden. Es gibt auch Ampeln, die hinter einer Einmündung stehen (in Stuttgart auf der Böheimstraße, Ecke Adlerstraße), aber das kapiert man eigentlich. Man soll eine Einmündung nicht blockieren (hier die Regel dazu).Es gib eine Stelle in Stuttgart, wo eine Zweifeld-Ampel oder Schwarzampel jenseits der Fahrbahn steht, nämlich wenn man aus der Reinsburgstraße die Paulinenstraße quert und in die Marienstraße einfahren will. Sie hat allerdings ein Radzeichen und eine Haltelinie. Da sie so hoch hängt, übersieht man sie aber, wenn man mit dem Fahrrad bei Grün gefahren ist und nun auf Fußgänger:innen achtet. Ohnehin möchte man lieber nicht quer auf der Fahrbahn der Paulinenstraße stehen bleiben, wo gleich Autos kommen können. (Weiß man ja nicht, wie deren Ampeln geschaltet sind).
Wie gesagt, ich habe diese Ampel an der Torstraße nie auf mich bezogen, vermutlich habe ich sie meistens gar nicht gesehen, und wenn sie rot war und ich schon fuhr, habe ich nicht erkennen können, auf welche Stelle meines Fahrwegs sie sich bezieht, und bin weitergeradelt. Zebrastreifen haben ja keine Ampeln (und wir radeln hier auf einen zu) und von rechts darf kein Autoverkehr einbiegen und kommen, weil der für die Fahrradstraße verboten ist. Aber es gibt eben viele Radfahrende, die sich fragen, was das Rotlicht bedeutet und ob sie gemeint sind. Und nicht alle lesen Zeitung (auch nicht alle lesen mein Blog) und bleiben mit der Frage allein. Dass Verkehrsexpert:innen, die gewohnt sind, die winzigen Details von Anordnungen sofort zu erkennen, meinen, das sei doch hier alles völlig eindeutig, hat vermutlich ein bisschen was mit Betriebsblindheit zu tun. Schließlich nähern wir uns solchen Situationen rollend und müssen dann in aller Eile durchdenken, was wir da sehen, während wir zugleich auf den Verkehr achten. Und diese Details wie "Haltelinie?", "steht zwar rechts von mir, aber ...", "ist leicht verdreht und zeigt nicht genau in meine Richtung" oder "steht auf der anderen Seite der Fahrbahn an einem Zebrastreifen, kann also nicht dafür gedacht sein", fallen einem ja auch nicht gleich ein, wenn man nicht abends immer wieder fleißig in der StVO herumliest. Und so stehen dann immer wieder Radfahrende auf der Abbiegespur und gucken auf diese Ampel, während sie links und rechts von anderen Radfahrenden überholt werden. Denn gerade dann, wenn die Fußgängerampeln für Autofahrende (aus der und in die Steinstraße) Rot zeigen, können wir die Turmstraße ungefährdet queren.
Autofahrende dagegen denken über diese Ampel gar nicht nach. Sie beziehen sie auf sich, auf wen denn auch sonst, und egal, ob sie kapieren, was sie meint, sie sehen sich, wenn sie in die Torstraße Richtung Wilhelmsplatz fahren, gleich den anderen roten Ampeln am Fußgängerüberweg gegenüber und halten an. Die Straßenwelt ist eben nicht für uns Radler:innen, sondern nur für den Autoverkehr möglichst eindeutig organisiert. Darauf sind dann auch die Polizist:innen reingefallen, die mit Autofahreraugen gucken, rote Ampeln dann sofort auf Radfahrende beziehen und jetzt endlich mal reiche Beute unter Rotlichtfahrer:innen machen wollten.
Diese Kreuzung ist eh absolut verkorkst. Da hat der Autoverkehr in und aus der Steinstraße von und zu den Parkhäusern Vorrang, sogar der Bus muss halten, wenn er vom Rotebühlplatz kommt. Würde man hier Vorrang für die Radfahrenden auf ihrer Hauptradroute 1 einrichten, müssten die Autos warten (was viele Autofahrende ohnehin tun, weil sie die Kreuzung auch nicht durchschauen). Alllerdings müsste auch der Bus den Radfahrenden Vorrang gewähren, der vom Wilhelmsplatz kommt und zum Rotebühlplatz fäbrt Eine Busrichtung muss also immer auf den Querverkehr achten. Wobei der Bus, der Richtung Wilhelmsplatz nur den Verkehr von links aus der Steinstraße beachten muss und nicht den Radverkehr der in die und aus der Fahrradstraße quert. Anders herum wäre das der Fall. Das mag der eigentliche Grund sein, warum die Verkehrsbehörde die Vorfahrt nicht den Radfahrenden gibt. Denn dieser Radverkehr auf einer Vorrangspur wäre dicht und im Zweifelsfall nur schwer zu queren. Insofern bleibt das Ganze unlösbar. Wobei ich nach wie vor der Meinung bin, dass wir Radfahrenden imstande wären, eine Vorrangspur nur für den Bus zu erkennen und zu beachten. Wir sind ja komplizierte Regelungen gewöhnt.
Hier meine Artikel dazu:
Die langsamste Ampel Stuttgarts ist weg
Narri-Narro- Die Rosenmontagskreuzung
Die verrückteste Kreuzung Stuttgarts
Alles neu gemalt am Tragblattturm
Für mich wichtig: Wer hat den aufwändigen Einsatz denn nun angeordnet? Hat da irgendein mittelwichtiges mittelhohes Tier (mwd) schlecht geschlafen und entsprechende Laune gehabt? Das Ganze hat einen Haufen Geld gekostet, war durch nichts begründet und hat teure Beamte davon abgehalten, wichtige Dinge zu tun! In der freien Wirtschaft .... ach, egal :-(
AntwortenLöschenIch war zu diesem Moment zufälligerweise Zeuge der Aktion und habe das Spektakel vom Standesamt aus ein paar Minuten beobachtet. Ich habe mich wirklich gewundert, warum die Polizei in der Eberhardstraße die Radfahrer auf Höhe des dm-Marktes 'rauswinken'. Dort standen dann um die Ecke zwei Polizeitransporter und mindestens weiter 4 Polizisten. Ein Riesenaufwand also.
AntwortenLöschenMittlerweile hat die Ampel linksseitig eine "Scheuklappe" erhalten und wurde n.m.E. auch ein klein wenig nach rechts gedreht. Jetzt sollten also alle Stuttgarter Polizisten erkennen, dass diese Ampel nicht für Radfahrer gilt ;)
Ach ja, in die Fahrradstraße ein-/durchfahrende KFZ jeglicher Art wurden selbstverständlich nicht behelligt.
Ja, echt schräg. Meine Beobachtung ist, dass die Polizei, wenn sie sich auf illegal durchfahrende Autos konzentriert (was sie in der Eberhardstraße durchaus macht), dann auch viele Autos rauswinkt, aber andere Vergehen nicht verfolgt. Und mit den Radler:innen dürften die ja echt genug zu tun gehabt haben.
LöschenNur ein Kommentar zum Standort von Ampeln.
AntwortenLöschenIn Mannheim gibt es "Autoampeln", die nicht vor sondern hinter der Kreuzung stehen und trotzdem für die Kreuzung gelten. Das ist absolut rechtskonform.
Früher stand so eine direkt vor dem Polizeipräsidium. Dort hätte man massenhaft Führerscheine einsammeln können, soviele Rotlichtverstöße gab es dort. Man hat sich wohl deswegen entschieden, die Verkehrsführung zu ändern, da die meisten Auswärtigen die Sache mit der Ampel hinter der Kreuzng nicht geblickt haben. Ist aber absolut rechtskonform, ähnlich wie Radampeln vor oder hinter der Kreuzung. Nur sind Radfahrer es gewohnt mit mal so und mal so umzugehen, PKW-Lenker nicht.
Karin
Aha. Dieses Detail habe ich natürlich nicht nachgeschaut. Das mag auch das Missverständnis der Polizist:innen erklären. In Stuttgart kenne ich keine solche Ampel. Danke für den Hinweis, Karin.
LöschenDieser Kommentar wurde vom Autor entfernt.
LöschenDie gibt es z. B. in Heslach an der Kreuzung Müller-/Möhringerstr. Möchte man auf der Müllerstr die Möhringerstr queren, kann man sich absolut nicht drauf verlassen, dass Autofahrende bei "Rot" die Haltelinie auf der Einfahrtsseite der Kreuzung beachten. Die rollern dann einfach gemütlich in die Kreuzung rein und halten erst an der jenseitigen Linie.
Löschendie StVO sagt in §37 (1) 6.:
AntwortenLöschen(Zitat)"Wer ein Rad fährt, hat die Lichtzeichen für den Fahrverkehr zu beachten. Davon abweichend sind auf Radverkehrsführungen die besonderen Lichtzeichen für den Radverkehr zu beachten. An Lichtzeichenanlagen mit Radverkehrsführungen ohne besondere Lichtzeichen für Rad Fahrende müssen Rad Fahrende bis zum 31. Dezember 2016 weiterhin die Lichtzeichen für zu Fuß Gehende beachten, soweit eine Radfahrerfurt an eine Fußgängerfurt grenzt."
Der Fehler liegt also duchaus im Detail, wo keine Signalgeber mit Fahrradsymbol ist, gilt die Ampel an der Fahrbahn. Das ist da irgendwie nicht so recht zu erkennen, auch wenn das örtliche Radfahrer vielleicht wissen oder so deuten. Eigentlich müsste da in die Streuscheibe wohl eher ein Pfeil nach rechts?
Seit der StVO-Novelle 2017 ist das eigentlich nur noch schlimmer für Radfahrer geworden, solche Aufstellflächen wie in Bild 3 verwirren vor allem die Autofahrer im Querverkehr und reichen für größere Gruppen nicht aus.
Bei mir in der Stadtist ein Ampelirrsinn entstanden, bis Ende 2016 "musste" man angeblich alle Ampeln umbauen und tauschte Streuscheiben wie in Bild 3 gegen gemeinsame Fußgänger/Radfahrer-Streuscheiben aus, vergaß aber nicht wenige davon. In der Nachbarstadt wurde dies garnicht gemacht.
Ebenso bis Ende 2016 baute man vermehrt auch kleine rot-gelb-grün-Ampelchen und zusätzliche Linksabbieger-Ampelchen an die Kreuzungen, weil das angeblich so sein muss (natürlich nur in meiner Stadt).
Ab 2017 jedoch wurde die Arbeitswut beim Fahrrad-Ampelchenumbau dann doch wieder erheblich gebremst.
Haltelinien für Fahrräder sind hier auch ein Thema, mal sind die weit hinter der Ampel, mal garnicht vorhanden, manchmal die Aufstellflächen so, dass andere Radfahrer behindert werden. Meldet man ein Problen, reagiert die Stadtverwaltung schon mal gar nicht oder stimmt dem zu und macht trotzdem nichts.
Die Radfaher werden an einigen Stellen total verwirrt und fahren beim Grünlicht eines ganz anderen Signalgebers für die querende Strecke los.
Nebenbei interessieren sich der ADFC-KV und andere Pedalistengruppen in meiner Stadt für sowas und andere Gefahrstellen nicht und machen statt dessen lustige Poolnudeldemos, temporäre Popup-Fahrradstreifen und fordern Radschnellwege durchs Biotop.
-Anonymous von woanders-