Bologneser Bertram fährt oft auf der Friedrichstraße Richtung Stadtmitte. Am 9. März war er mit seinem Kind im Kinderanhänger auf der Fahrbahn unterwegs und bekam Probleme mit der Polizei.
Es geht um den dreispurigen Abschnitt, der vom Bahnhof zur Theodor-Heuss-Straße führt. Der Gehweg daneben ist für Radfahrer freigegeben. Dass dies kein Radweg ist, scheint Teilen der Polizei nicht bekannt zu sein. Und es zeigte sich auch, dass klare Argumente von manchem Beamten als Provokation betrachtet werden.
Hier Bertrams Gedächtnisprotokoll:
Von den drei Fahrspuren benutzte ich den rechten und ließ noch genug Platz mit meinem Anhänger zu den parkenden Autos.
Neben mir, auf der mittleren Fahrspur, fuhr ein Polizeiauto der Hundestaffel (Fahrzeugnummer u. Kennzeichen sind bekannt) von hinten kommend neben mir und der Beifahrer Herr X. (Name bekannt) ließ die Scheibe runter und rief mir zu, ich solle doch auf dem Radweg fahren.
Ich antwortete: "Hier gibt es keinen."
Er meinte, doch, ich solle auf dem Radweg fahren.
Ich wieder: "Es gibt hier keinen."
Er wieder: "Fahren sie rechts auf dem Radweg!"
Ich wieder: "Das ist kein Radweg."
Danach schnitt das Fahrzeug mir den Weg ab indem es auf meine Fahrspur wechselte und mit dem Fahrzeug schräg auf der Straße stehen blieb. Der Beifahrer stieg aus und ließ die Tür offen. Ich konnte nicht mehr weiterfahren und musste stehen bleiben. Er meinte erneut, ich solle auf dem Radweg fahren und ich wieder: "Da ist keiner."
Er bat mich auf den Gehweg, ich stieg ab. Dort teilte er mir mit das man hier auch fahren dürfe. Ich wieder: "Das ist richtig, auf der Friedrichstraße zu fahren sei aber auch erlaubt. Auch schneller als Schrittgeschwindigkeit, wo hingegen das Fahren auf dem Gehweg mit Rad frei höchstens in Schrittgeschwindigkeit erlaubt ist.
Er: "Das ist eine Bundesstraße, auf der ist generell nicht erlaubt, mit dem Fahrrad zu fahren."
Ich wieder: "Wenn das Schild Kraftfahrstraße dabei ist, haben Sie Recht, hier ist aber keines."
Er: "Warum fahren Sie auf der Straße?"
Ich: "Weil es eine Straße ist."
Er: "Sie könnten auch hier fahren, auf dem Radweg."
Ich: "Das könnte ich, ist aber noch immer kein Radweg."
Sein Kollege: "Sie sind aber sehr provozierend."
Dazu habe ich nichts gesagt.
Herr X: "Sie behindern den Verkehr auf der Straße und deswegen müssen Sie auf dem Radweg fahren."
Ich: "Mag sein, dass ich langsamer bin, aber es gibt noch zwei weitere Spuren, wo man mich überholen kann."
Ich habe dann die richtige Polizei gerufen, weil ich mir nicht sicher war, ob das echte Polizisten sind. Aus dem Wagen bellte ein Hund, meine Tochter im Fahrradanhänger hat das nicht sehr gefreut. Die Argumente sind dann ausgetauscht, Strafzettel wollten Sie mir auch nicht geben. Ich habe fast darum gebeten, zumindest meinte ich, sie sollten ohne Zurückhaltung mir einen ausstellen, wenn ich etwas angestellt hätte. Haben sie aber nicht.
Nach 15 Minuten sind sie weitergefahren. Ich habe noch gewartet, bis die Polizisten vom Revier Hauptstätterstraße kamen. Zwischenzeitlich kam auch noch eine Frau vom Parkraummanagement und teilte mit mir die Meinung: "Ja man darf auf dem Gehweg Radfahren, darf es aber auch an dieser Stelle auf der Straße tun." Da war ich froh, dass ich nicht alleine war.
Die Beamten des Reviers 1 hörten sich mein Anliegen an und meinten: "Da muss man jetzt kein Fass aufmachen."
Hätte ich auch nicht, wenn man mich in Ruhe Radfahren ließe.
Eine kleine Nachbemerkung von RiS. Es gibt sehr viel, was Polizisten wissen müssen. Und die Regeln für den Radverkehr sind leider nicht allen autofahrenden Polizisten bekannt.
Deshalb eine kleine Nachhilfe: Radwege dürfen gar nicht erst angelegt werden, damit Radfahrer den Autoverkehr nicht behindern, sondern nur dort, wo Radfahrer in Gefahr wären. Dieses Argument, der Radler müsse woanders fahren, damit die Autos nicht langsamer tun müssen, ist nicht vereinbar mit der StVO.
Und definitiv ist ein Gehweg kein Radweg, auch dann nicht, wenn er für Radler freigegeben ist. (Radfahrer sind auch keine Fußgänger, sondern Fahrzeuge und gehören auf die Fahrbahn. ) Das ist leider eines der vielen großen Irrtümer, den Stuttgarter Radler und Nicht-Radler immer wieder unterliegen. Bundesstraßen, die nicht mit dem Rad befahren werden dürfen, müssen mit dem Kraftfahrstraßenschild oder einem Schild "Für Radler verboten" gekennzeichnet werden. Sonst sieht man es ihnen ja nicht an, wer drauf fahren darf.
Jetzt darf man sich nicht nur gegen hupende Autofahrer wehren, jetzt muss man der Polizei auch noch Verehrserziehung geben. Also da sollte sich die Stadt aber mal ihr Personal unter die Lupe nehmen und nachschulen. Sowas ist nicht tragbar.
AntwortenLöschenVerehrserziehung steht hier symbolisch für Verkehrserziehung ;-)
LöschenIch nehme stark an, dass das Thema "Kein Radfahren auf der Bundesstraße" noch weiteren Radlern begegnet sein dürfte.
AntwortenLöschenMir ist ähnliches auf der Paulinenbrücke passiert. Dort gibt es zwar keinen Gehweg, erst recht keinen freigegebenen. Aber eben auch eine Bundesstraße. Beim Überqueren der Brücke vom Österreichischen Platz in Richtung Gerber hat mich ein Polizeiwagen bei einer Spurverschwenkung recht knapp geschnitten. Vorne an der Ampel angekommen, kam ich neben eben jenem Polizeiauto zum stehen. Ich habe ins Fahrzeug hineingestikuliert und bei daraufhin heruntergelassener Fensterscheibe dem Fahrer auf einen nötigen gewissen Mindestabstand hingewiesen.
Daraufhin wurde der Beifahrer sehr pampig und meinte, dass ich hier überhaupt nicht fahren dürfe, da es eine Bundesstraße sei. Und drohte mir eine weitergehende Beschäftigung an.
Das war der Punkt für mich, diplomatisch zu deeskalieren, da ich unterwegs zu einem Termin war...
Seitdem interessiert mich, wo (in der StVO?) die Sache mit Bundesstraße/Kraftfahrstraße geregelt ist. Weiß hier dazu jemand Bescheid?
Bundesstraßen sind dort eben nicht geregelt, weil das nur denjenigen definiert, welcher die Straße unterhält (aber auch das ist nicht immer zu 100% über den Namen festzustellen, Deutschland eben). In der StVO sind lediglich Kraftfahrstraßen und Autobahnen definiert. Aber bei der Geschichte hier habe ich ein Deja-vu. Vor nun doch vermutlich zwei Jahre habe ich entweder hier oder in einem anderen Stuttgarter Blog ebenfalls schon eine solche Geschichte gelesen. Da ging es darum, dass ein Radfahrer auf einer dieser monströsen innerstädtischen Ringstraßen um die Stuttgarter Innenstadt (ich glaube es war die Konrad-Adenauer-Str.) ebenfalls des Befahrens einer "Bundesstraße" verdächtigt wurde. Er bog von der Ulrichstraße ein.
LöschenIch würde die Sache zumindest einmal an eine höhere Dienststelle weiterleiten.
Ok, die Geschichte habe ich gerade wiedergefunden, sie ist 9(!) Jahre her. (ich habe allerdings nicht schon vor 9 Jahren gelesen :D )
Löschenhttp://de.soc.recht.strassenverkehr.narkive.com/KjgBlFBW/fahrt-mit-dem-fahrrad-auf-einer-bundesstrasze-mit-baulich-getrennten-fahrbahnen-aerger-mit-der
Den Thread sollte man überhaupt mal genießen.
Über diese Geschichte bin ich nach meinem Erlebnis auf der Paulinenbrücke beim Googlen auch gestolpert. Sie ist wirklich ein Genuss, allerdings von der zweifelhaften Sorte. Dort endete das berechtigte Fahren mit dem Fahrrad auf der Haupstätterstraße unter anderem in der amtlichen Aufforderung, ein psychiatrische Gutachten beizubringen, natürlich auf eigene Kosten. Man lernt dort beispielhaft die Untiefen des sogenannten Rechtsstaats kennen. Rechthaben und Recht bekommen sind bekanntlich zwei Paar Stiefel.
LöschenMich jedenfalls hat die Story erstmal abgeschreckt, im Polizeiapparat weiter nach der entsprechenden Rechtsgrundlage zu recherchieren.
"Ich behindere den Verkehr nicht, ich _bin_ der Verkehr!"
AntwortenLöschenPolizistendarsteller, die die StVO nicht beherrschen gibt es überall, auch in Berlin und Brandenburg. Jegliches Verständnis dafür ist aber fehl am Platze. PolizistInnen, die nicht ausreichend für den Straßenverkehr ausgebildet sind, sollten auch nicht auf diesen losgelassen werden. Von Polizisten, die sich im Straßenverkehr einmischen, kann man fundierte Kenntnis der StVO und zumindest höchstrichterlicher Urteile erwarten.
AntwortenLöschenTeam blau ist in Stuttgart meist gut unterwegs in Sachen Radverkehr. Ich fahre auch auf der Fahrbahn - dazu ist die schließlich da. Dieser Polizist war wohl ein Ausreißer.
AntwortenLöschenEs gibt leider immer wieder befremdliche Situationen. Etwa, wenn die Polizei ins Tagblattturm-Ende der Fahrradstraße hineinfährt und an der Radampel wartet. Klar ist die Polizei immer irgendwie im Einsatz, aber bei einer reinen Ordnungsdienstfshrt eben doch nicht im Noteinsatz.
LöschenDie Polizisten haben unrecht, keine Frage. Unabhängig davon sieht der Gehweg sehr breit aus und nicht gerade überfüllt. Ich würde lieber dort radeln statt in den Abgasen und dem Lärm der Kraftfahrzeuge.
AntwortenLöschenDas dann aber, weil es ein Fußweg mit Radfreigabe ist, mit Schrittgeschwindigkeit.
LöschenUnd die Fußgänger freuen sich, wenn sie keine Radler um sich haben. Wir stressen die nämlich so eie uns die Autos.
LöschenWo du gerne Rad fahren möchtest ist unabhängig von der Frage, wo man Rad fahren darf und sollte.
LöschenIch denke, das dieser Polizeibeamte und auch viele andere Beamte die Welt ausserhalb ihrer Wohnung/Büros fast ausschließlich aus Windschutzscheibenperspektive sehen. Und damit eine verzerrte Wahrnehmung der Realität haben.
AntwortenLöschenZum Thema Verkehrsbehinderung gibt es noch einen netten Passus aus der StVO: "Ohne triftigen Grund dürfen Kraftfahrzeuge nicht so langsam fahren, dass sie den Verkehrsfluss behindern."
AntwortenLöschenEr findet sich in §3. Ein Radfahrer kann also den Verkehr gar nicht behindern, wenn er langsamer als andere Verkehrsteilnehmer ist. Paragraph 3 wendet sich ausdrücklich an KFZ.
Und selbst wenn, nicht schneller zu fahren als man halt kann ist ein triftiger Grund.
LöschenWas allerdings auch für Radler gilt ist §5: Wer ein langsameres Fahrzeug führt, muss die Geschwindigkeit an geeigneter Stelle ermäßigen, notfalls warten, wenn nur so mehreren unmittelbar folgenden Fahrzeugen das Überholen möglich ist. Hierzu können auch geeignete Seitenstreifen in Anspruch genommen werden; das gilt nicht auf Autobahnen.
Aber auch hier die Einschränkung auf mehrere unmittelbar folgende Fahrzeuge. Für ein einzelnes Fahrzeug muss man nicht. Man kann, aber es ist keine Pflicht.
LöschenSelbst wenn §3 keine Einschränkung auf Kfz hätte, muss ein Radfahrer nicht schneller fahren als er kann. Das ist auch ein triftiger Grund. Ein Mofa ist auch schneller, oder ein Microcar.
AntwortenLöschenMartin
Auf zweispurigen Fahrbahnen (in eine Richtung) ist es überhaupt kein Problem, wenn rechts ein Fahrzeug langsamer fährt. Man kann ja wunderbar überholen. Dass Fahrräder langsamer sind als Autos (im Durchschnitt sind sie auf 5 km allerdings schneller), ist kein Argument dafür, sie auf Gehwege zu schicken. Sonst müsste man ja auch sagen, Fußgänger sind langsamer als Fahrräder und müssen weg von der Straße. Paragraf 1 der StVO fordert alle Verkehrsteilnehmer auf, rücksichtsvoll und verantwortungsbewusst zu fahren. Der Straßenverkehr ist eine Solidargemeinschaft, wo man auf einander achtet. Denn nur über Straßen können wir uns fortbewegen.
AntwortenLöschenIch wuerde eine dienstaufsichtsbescherde gegen die beamten einleiten, da nach vwv zu para. 2 der stvo die polizei verpflichtet ist radverkehrsanlagen auf ihre zweckmäßig keit zu prüfen. Wie soll sie dieser aufgabe nachkommen wenn sie die vorschriften offensichtlich nicht kennt. Bei abdraengen besteht noch der tatbestand der noetigung.
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