15. Mai 2018

Radfahrer anfordern - Hä?

Es gibt ein paar Stellen in Stuttgart, wo Radfahrende Drücker sehen, aber keine Ampeln. Damit kann man den querenden Autoverkehr stoppen. 

Er bekommt Rot. Das sieht man allerdings nur daran, dass die Autos unmotiviert anhalten. Man selber bekommt kein Signal. Dieser Drücker ist relativ neu und steht im Westen an der Forststraße, wo sie die Schwabstraße quert. Im Gegensatz zu anderen solcher Stellen sehr schön ist die Gehwegnase, auf der der Drücker steht. Es kann ihn also kein Auto zuparken. Grundsätzlich aber muss man mit solchen Dingern umgehen lernen. Und dieser hier hält eine besondere Überraschung bereit.


Auf der Tafel steht nämlich: "Radfahrer bitte anfordern." Nein, das heißt nicht, hier bitte Radfahrer anfordern. Vielmehr sollen Radfahrer etwas anfordern. Die Frage ist aber schon was eigentlich?  Das steht da nämlich nicht.* Und so beginnt das Rätselraten.

Blogleser Matthias, von dem auch die Fotos stammen, schrieb mir dazu: "Ich wusste ja, dass man Mails abrufen kann und Nachrichten auf dem Anrufbeantworter, aber Radfahrer? Drücke ich auf den Taster und dann kommt ein Radfahrer angefahren? Ich probierte es aus. Der Taster leuchtete rot auf, und kurz Zeit später blieben die Autos auf der Schwabstraße stehen. Aber wo war mein Signal, dass ich jetzt losfahren durfte? Dann fuhren die Autos wieder los. Also nochmal drücken. Von der einen Seite sieht man nur die rote Fußgängerampel und eine rote Abbiege-Ampel, und von der anderen Seite gar nichts und fährt dann halt nach Gefühl los, oder wenn der Taster ausschaltet. Hm, war wohl eine gut gemeinte Lösung und sicher recht teuer, aber ich würde glaube ich einfach ohne Ampeldrücken bis an die Kreuzung vorfahren, gucken und wenn es frei ist rüberfahren. Gut, bei viel Verkehr mag die Ampel gut sein, aber dann hätte man auch die Fußgängerampel nehmen können."

Mathias ist kein ungeübter Radler. Und trotzdem hat er das originelle Gadget des Stuttgarter Radverkehrs nicht gleich kapiert. Wie ergeht es an solchen Stellen dann eigentlich Sonntagsausflüglern auf Rädern? Oder Familien mit Kindern? Wie kann die vorausradelnde Mutter oder der Vater abschätzen, wie schnell man die Kinder über die Schwabstraße treiben muss, damit alle drüben sind, bevor die Autos wieder starten? Man sieht ja keine Ampel auf der eigenen Seite (auch keine parallele Fußgängerampel), die rot geworden ist und so anzeigt, dass der Rest der Radlertruppe besser zurückbleibt.

Und woran sich eigentlich orientieren, wenn gar keine Autos kommen? Klar, ist, dass ich immer fahren darf, wenn keine Autos kommen. Aber der Drücker suggeriert jetzt wieder was anderes. Nämlich warten und irgendwas anfordern, das nicht beschrieben wird. Er verführt auch dazu, genau dort stehen zu bleiben, schätzungsweise fünf Meter hinter der Einmündung. Viel besser aber wäre es, man würde zur Haltelinie an der Einmündung der Forststraße in die Schwabstraße vorfahren. Das ist ja nicht verboten, kein Rotlicht hält mich davon ab. Dann hat man Einblick in die ganze lange Schwabstraße rauf und runter, und man ist auch schneller drüben, wenn man merkt, dass die Autos angehalten haben.

Auf den ersten Blick denkt man bei diesen Drückern immer: "Ah, nett! Gute Idee, da hat jemand an Radler gedacht." Aber ich halte diese Konstruktion für nicht ungefährlich. Sie schiebt dem Radler auch irgendwie den Schwarzen Peter zu. Wenn es zu einem Zusammenstoß kommt, kann er sich auf gar nichts berufen. Schon gar nicht darauf, dass der Autofahrer  - zum Beispiel von rechts - Rot hatte. Das hat er nämlich nicht sehen können. Er konnte es nur daraus schließen, dass beispielsweise zwei Autos auf der Spur von Links gehalten haben. Hier schützt mich eben auch keine Fußgängerampel, an deren Grünphase ich mich orientieren könnte.

Zwei ältere solcher Drücker-Konstruktionen kenne ich. Die eine steht in Degerloch, wo das Königssträßle die Jahnstraße überquert. Hier habe ich wenigstens die Zeichen auf der Fußgängerampel, um sicher zu sein, dass Autofahrer Rot haben. Dennoch kommt es zu kritischen Situationen, weil die Autofahrer von der Waldau her sich über die von Radlern angeforderte Lücke im Querverkehr freuen, durchstarten und in alle Richtungen abbiegen. Außerdem nutzen immer wieder Linksabbieger aus Richtung Fernsehturm die Lücke, um ins Königssträßle Richtung Waldau abzubiegen, obgleich ihre Ampel tatsächlich Rot zeigt.

Auch in Cannstatt im Veielbrunnenweg gibt es so einen Anforderer. Auf dem Schild steht wie in Degerloch auch übrigens: "Radfahrer bitte Fußgänger-Grün anfordern." Das ist doch mal ein Wort.

Und kein Haltegriff verführt hier den Radler, am Drücker stehen zu bleiben. Man fährt natürlich vor zur Haltelinie. Blöd nur, dass der Drücker auf dem Gehweg steht und Autofahrer sich gerne davor stellen und parken. Dann kommt man gar nicht hin.

Vermutlich gibt es an ein paar entlegenen Ecken des Stuttgarter Verkerhsnetzes noch einige solcher Dinger. Ich nehme gerne Meldungen und Fotos dazu entgegen.

Für diesen Drücker in der Forststraße hat der Bezirksbeirat über drei Jahre lang gekämpft. Nun ist er da. Gut: Er kann nicht zugeparkt werden. Schlecht: Er verführt dazu, genau dort stehen zu bleiben. Dann aber fehlt der volle Einblick in die Schwabstraße. Und Gaga: Der Text ist absurd, komisch und völlig sinnfrei. 

*Die Komik und Absurdität liegt in der falschen Grammatik. "Anfordern" ist ein transitives Verb, das gerne ein Akkusativ-Objekt hätte (anfordern, wen oder was?). Weshalb man den Satz zwangsläufig so verstehen muss, als solle man einen Radfahrer anfordern. Ein Komma hätte hier schon mal geholfen, dieses Missverständnis zu beseitigen: "Radfahrer, bitte anfordern." Allerdings wäre dann noch deutlicher geworden, dass etwas Entscheidendes fehlt, nämlich das Was. Zum Beispiel: "Radfahrer, bitte Rot für Querverkehr anfordern!"



9 Kommentare:

  1. Wo die Hauptstadtroute 1 die Böheimstraße kreuzt, befindet sich auch so ein Drücker. Man fordert Grün für den Fußgängerüberweg an, der sich ein paar Meter weiter in Richtung Marienplatz befindet. Und man kann nur raten, ob man die Autofahrer wohl Grün haben oder nicht.

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    1. Richtig, den kenne ich natürlich auch. Da ist so oft Rot für Autofahrer, dass ich nie benutze.

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    2. so was brauchen wir eigentlich. Strassenübergänge wo man gefühlt als Radfahrer bevorzugt wird. wie am Marienplatz. oder auch Wolframstraße bei Milaneo. Dagegen muss man am Hbf (Lautenschlagerstr) und Möhringer Str/Streiberstr viel zu lange warten.

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    3. Ja, aber nicht so komisch gemacht! Übrigens wären Induktionsschleifen im Boden besser. An mache Drücker muss man viel zu umständlich heranfahren.

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    4. Hallo Christine, aber nur neue Induktionsschleifen. In meiner Stadt gibt es auch welche, leider funktionieren die nicht für Radfahrer. Angeblich, laut Stadt, funktionieren die Schleifen auch nicht, sondern die Kamera reagiert auf Licht bzw. Fahrzeuggröße. Also ich habe 70-90 Lux am Ped, trotzdem funktioniert die Ampel nicht. Andere in der Stadt auch nicht für Radfahrer. Ich wurde sogar aufgefordert vom Ped zu steigen und den Fußweg mit Bedarfsknopf zu nutzen. Wäre ja kein großer Umweg. Umweg nicht, aber man kommt aus "dem Tritt", muss absteigen und "verliert" Zeit. Soviel zur Fahrradfreundlichen Stadt.

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    5. Bei uns in der Stadt gibt es Induktionsschleifen an Bettelampeln. Sie erkennen ein Fahrrad auch, erkennbar daran, daß der Drückerkasten zu blinken anfängt, wenn man über die Schleife fährt. Allerdings sind die Anlagen für eine sehr geringe Geschwindigkeit ausgelegt (unter 15 km/h). Die Ampel ist stets noch rot, wenn man bei ihr ankommt.

      Das macht aber nichts, man darf als Fahrradfahrer einer Bettelampel ohnehin nicht trauen, weil so mancher Autofahrer "gerade noch" mit hohem Tempo bei Dunkelgelb durchrauscht. Also schaue ich stets, ob ein Auto kommt, und wenn keins kommt, fahre ich. Hast Du nicht neulich mal erst ganz zutreffend geschrieben, Verkehrsregeln seien für Autos gemacht?

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  2. Also ich bin ein großer Fan dieser Drücker. MMn die beste Lösung: Man kann die Autos anhalten, wenn notwendig, aber man wird nicht selber unnötig angehalten.

    In Möhringen gibt es zwei solche Drücker bei der Kreuzung Lautlinger Weg / Vaihinger Straße. Im Berufsverkehr ist das die einzige Chance, über die Vaihinger Straße zu kommen. Andererseits muss man nachts nicht an einer roten Fahrradampel warten.

    Am alten Friedhof in Vaihingen befindet sich eine Fahrradampel, wenn man aus der Holzhauser Straße kommt. Ich wünschte dort wäre auch nur ein Drücker für die parallel geschaltete Fußgängerampel, denn so muß man auch nachts um drei an einer roten Fahrradampel halten, denn sie ist die ganze Nacht an (im Gegensatz natürlich zur Autoampel, die nur angeht, wenn man drückt)

    Ich fürchte, wenn man sich zu sehr über diese seltsamen Drücker mokiert, fängt die Stadt an, überall dort stattdessen Fahrradampeln aufzustellen - dann wird man wieder unnötig ausgebremst.

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    1. Ich gebe dir Recht. Der Vorteil ist, dass man sie nutzen kann, aber nicht muss. Allerdings sollte man schon erfahren, was man anfordert. Die Situation muss völlig klar sein.

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    2. Vielleicht sollte es dort dann ein Grün-Signal geben, jedoch kein Rot Signal wenn nichts angefordert ist. Somit gilt also in allen anderen Situationen das Stopp Schild an der Stelle, was für den geübten Radfahrer (insbesondere Rechtsabbieger) wohl schneller und deswegen komfortabler ist.

      Genau wie an den anderen Ampeln weiß man somit ansonsten nämlich nicht, ob der Querverkehr Rot hat (und wie lange noch). Sonst kann es nämlich schnell mal so für die Autos aussehen, als ob mal wieder so ein "rücksichtsloser Radler" die Vorfahrt missachtet, was für das Klima schlecht ist.

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