19. Januar 2018

Gehwegfahrten sind extrem riskant

Fußgänger hassen sie: Radfahrer auf Gehwegen. Also bleibt weg von den Fußwegen! Auf der Fahrbahn ist es eh viel sicherer für Radfahrer. 

Ich bin selber mal wochenlang mit Krücken unterwegs gewesen und hatte immer Angst, dass mich aus Versehen jemand anstößt (weil ich dann umgefallen wäre) oder ein Radfahrer meine mangelnde Wendigkeit falsch einschätzt. Diese Angst dürfen wir Radler Menschen mit Gehhilfen nicht machen. Ich bin als Radlerin mal sehr langsam (und erlaubt), aber mit doch nur einem Meter Abstand hinter einer alten Frau durchgefahren. Sie hat sich fürchterlich erschreckt, sie ist regelrecht zusammengefahren und ins Taumeln geraten. Es tat mir sehr leid. Ich wusste zwar selber, dass keine Gefahr bestanden hatte, aber das hat die alte Frau eben gar so nicht erlebt. Deshalb finde ich, sollten wir Radfahrenden Gehwege meiden, auch wenn sie vielerorts leider erlaubt sind. Gehwege sind ohnehin extrem unsicher für Radler.

Unnötig: Das ist doch kein ängstlicher, ungeübter Radler
Aus Hauseingängen können plötzlich Leute treten, die nicht mit Radlern rechnen, sondern mit einem Fußgängertempo auf dem Gehweg. Autos kommen aus Grundstückseinfahrten oder biegen in ihre Hofeinfahrt ein, ohne mit Radfahrern zu rechnen. Und sie müssen auch nicht mit Radfahrern rechnen. Auf Gehwegen herrscht Querverkehr, und der ist immer gefährlich für Radler. An Kreuzungen biegen Autos ab, ohne den Radfahrer zu erkennen, der hinter geparkten Autos auf dem Gehweg kommt. Fährt jemand aus einer Einmündung hinaus auf eine Vorfahrtsstraße, guckt er nach dem Autoverkehr, nicht aber nach Radlern, die womöglich noch von rechts vom Gehweg runterkommen. Das Unfallrisiko ist für Radler, die fahrbahnfern, also auf Radwegen oder Gehwegen in Gegenrichtung zur Autofahrtrichtung der parallelen Straße fahren zwölf mal höher als auf der Fahrbahn.

Überflüssig: Muss sich der Radler hier so durch die
Fußgänger drängeln? Nebenan ist Tempo-30-Straße
Und vor Gericht bekommen Radfahrer in solchen Situation nicht Recht. Gerade in den letzten Jahren eines offensichtlich drastisch zunehmenden Radfverkehrs, sind etliche Urteile gefallen, die sich mit Unfällen von Radlern befassen, die auf Gehwegen oder Fußgängerfurten fuhren. Die Gerichte geben Radfahrern da oft eine erhebliche Mitschuld am Unfall, wenn nicht sogar die ganze Schuld. Die grundsätzlich größere Betriebsgefahr eines Autos (die bedeutet, dass ein Autofahrer immer mitschuld ist, wenn er einen Unfall mit einem Radfahrer oder Fußgänger hat), tritt dann zurück hinter die Fahrlässigkeit des Radlers.

Muss nicht sein: Fahrt über Fußgängerfurt und weiter
auf dem Gehweg bergauf.
Über Fußgängerfurten muss man schieben, wenn man wie ein Fußgänger geschützt sein und Vorrang vor dem einbiegenden Verkehr haben will. Man kann sich nicht darauf berufen, dass die Fußgänger Grün hatten als man selber fuhr. Man genießt auch keinen Vorrang, wenn man auf dem nicht erlaubten Gehweg parallel zu einer Vorfahrtsstraße und bei Fußgängergrün auf die Fußgängerfurt radelte. Der Autofahrer, der den Radler dann anfährt (meist nicht absichtlich), bekommt Recht. Denn auf Gehwegen darf man halt nicht fahren. Der Autofahrer musste nicht mit einem Radfahrer rechnen. Auf einer nicht für Radler ausgelegten (und nicht für Radler beampelten) Fußgängerfurt verliert man als Radfahrer all seine Rechte als Verkehrsteilnehmer, die man hätte, wenn man auf der Fahrbahn oder einem Radweg oder Radstreifen fahren würde, und muss seinen Schaden alleine tragen. (/OLG Frankfurt am Main v. 16.09.1998, (OLG Koblenz v. 28.04.2011: und AG Wiesbaden v. 01.10.2015)

Gefährlich: Geisterradler fährt auf Einmündung
von rechts zu. 
Das gilt auch, wenn man auf einem nicht freigegebenen Gehweg mit dem Rad in ein Auto donnert, das unvermittelt aus einer Grundstückseinfahrt herauskommt (OLG Karlsruhe v. 14.12.1990:), auch wenn im Einzelfall ein Gericht dem Autofahrer dennoch mal eine Mitverantwortung geben könnte, weil auch der aufpassen muss.

Fährt ein Radfahrer entgegen der Fahrtrichtung (linksseitig als Geisterradler) auf einem Radweg oder Radfahrstreifen, dann bekommt er zur Hälfte Schuld, wenn er dabei mit einem Auto zusammenstößt, das aus einer Einfahrt kommt (OLG Karlsruhe v. 29.03.2016:). Der Autofahrer musste nicht damit rechnen, dass von rechts was kommt, er schaut beim Einfahren in eine Straße ja zuerst nach links in den nahenden Verkehr.

Hier findet ihr noch mehr Urteile zum Thema Radfahren und Unfälle.





10 Kommentare:

  1. Gehwege sind für mich als Radler tabu! Einzige Ausnahme:
    wenn ich mit Kind unterwegs bin.
    Auch freigegebene Gehwege versuche ich zu meiden, allerdings
    hab ich viele Streckenführungen, die mich zwangsläufig auf
    einen solchen führen, ohne Gelegenheit auf die Fahrbahn zu wechseln.
    Und überhaupt lässt sich ganz oft der Unterschied zwischen
    kombiniertem Fuß-/Radweg und freigegebene Fußweg nicht erkennen!

    Ich würde es mir durchaus zutrauen meinen täglichen Weg komplett
    auf der Fahrbahn zu fahren. Mittlerweile hab ich ein dickes Fell!
    Aber dann würde ich wie alle anderen im Stau stehen und aus zwei Ampeln würden gleich mal fünf werden!
    Sandy

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  2. "...oder ein Fahrrad meine mangelnde Wendigkeit falsch einschätzt" - das ist doch genau die Formulierung, die bei PKW-Fahrrad-Unfällen immer so gerügt wird, oder?

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  3. Ein Teil des Problems sind auch verantwortungslose Verkehrtplaner:
    Die lassen einfach ein Z.240 aufstellen. Damit wird aus einem verbotenen unsichereren Gehweg dann ein benutzungspflichtiger "sicherer Radweg" und fördern damit das Radfahren auf dem Gehweg.

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  4. Guter Beitrag!

    Ich lebe in einer Stadt (Pirmasens), in der es quasi überhaupt gar keine (benutzungspflichtigen) Radwege gibt. Und in der auch allgemein kaum jemand Rad fährt (die häufigste Ausrede ist die Topographie - zumindest eine Parallele zu Stuttgart). ;)

    Aber von den wenigen Radfahrern, die man ab und an mal sieht, fahren bestimmt 3 von 4 auf den Gehwegen herum. Leider sendet die Stadtverwaltung auch vermehrt die völlig falschen Signale aus - denn sie gibt zunehmend Gehwege für Radfahrer frei. Dabei böte es sich grade in so einer von Radverkehrsinfrastruktur "unverdorbenen" Stadt doch an, die Radfahrer zum Fahrbahnfahren zu "erziehen".

    Allgemein betrachtet: Im Zeichen 240 manifestiert sich ja einer der größten Widersprüche der StVO überhaupt. Weil es allein für Radfahrer die Grundregel der Fahrbahnnutzung als auch das Gehwegfahrverbot auf den Kopf stellt - und dann an vielen Wegen, die ursprünglich ja auch nie etwas anderes waren als Bürgersteige / Gehwege, gar die Pflicht zur Benutzung anordnet. Das geschieht ja zudem meist völlig willkürlich - und deshalb kann man es zumindest nachvollziehen, dass der ein oder andere einfach weiter auf den Gehwegen rumfährt. Denn der fragt sich ja dann auch, warum er das hier gar muss, dort darf - und es woanders verboten ist.

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    1. In Pirmasens hat man offensichtlich noch keine Pedelecs entdeckt, die haben in Stuttgart dem Radverkehr enorm auf die Räder geholfen. Und in der Tat hat eine Stadt ohne Radinfrastruktur viele Chancen, die Städte mit einer veralteten Radinfrastruktur (zum Beispiel Hamburg) nicht haben, nämlich den Radverkehr gleich so zu regeln, dass er Fußgänger nicht stört. In Stuttgart sind über hundert Kilometer Gehwege für Radfahrer freigegeben, auch hier verführt das dazu, dass Radler eigentlich jeden Gehweg nehmen zu dürfen meinen. Und klar ist, dass die Radwegbenutzungspflicht dringend aufgehoben werden muss. Ich kann nur alle Radler/innen auffordern, ihren Bundestagsabgeordneten diese Aufgabe mit auf den Weg in die kommende Legislaturperiode zu geben: Abschaffung der Benutzungspflicht für Radwege. Das blaue Schild soll dann nur noch Radstreifen und Radwege als solche kennzeichnen, die für Autos und Fußgänger verboten sind. So wie das Fußgängerschild Bereiche kennzeichnet, wo keine Autos und Räder fahren dürfen, Fußgänger aber natürlich selbstverständlich nicht gehen müssen, sondern können.

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    2. Hi Christine,

      doch, im Grunde basiert die äußerst spärliche (meist nur aus zweifelhaften Schutzstreifen und eben vielen Gehwegfreigaben bestehende) Pseudo-Radverkehrsförderung der Stadt sogar auf Pedelecs, die man sich bei der städtischen Touristinfo mieten kann. Davon wird aber so gut wie kein Gebrauch gemacht. Das Auto ist halt um Welten bequemer - und (ernsthaftes) Radfahren ist in einer Gegend mit unter einem Prozent Radverkehrsanteil sowieso nur was für Spinner! ;)

      An den parlamentarischen Weg glaube ich nicht; auch da sitzen hauptsächlich Autofahrer, die eine von Radfahrern freie Fahrbahn wollen! Wenn ich sehe, wie z. B. ein kleiner Verbandsgemeindebürgermeister ganz selbstverständlich der Ansicht ist, ein verkehrlich wichtiger Radweg neben einer per Z 254 gesperrten Bundesstraße sei im Winter nicht zu räumen und zu streuen...

      Die Sache mit dem Z 240 wird sich so einfach nicht aus der Welt schaffen lassen, da es ja das "Wiener Übereinkommen über den Straßenverkehr" gibt. Glaube nicht, dass man das national durch Herausnahme aus dem Verkehrszeichenkatalog mal eben ungültig machen könnte. Man könnte zwar schon - aber der Wille fehlt. Und das Z 240 ist ja das Standard-Schild grade für Wege außerorts.

      Blau und Rund bedeutet halt nun einmal international einheitlich: Gebot! ;) Alternative wären vielleicht quadratische wie z. B. in Frankreich.

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    3. Hi Christine,

      Pirmasens ist eine Autostadt wie sie im Buche steht. Und die örtliche Verwaltung tut alles, das das so bleibt.

      Wir haben hier einen Gehweg, der für Radler freigegeben ist. Dieser Gehweg kreuzt zwei Querstraßen. Besonderheit: Beim Überqueren muss ich keine Bordsteine rauf und runter, sondern die Autos müssen hoch. Eigentlich super, Geschwindigkeit runter, Sicherheit rauf.

      Offensichtlich hat die Stadt festgestellt, dass diese Regelung für Radler gefährlich ist. Sie hat nämlich vor kurzem auf den niveaugleichen Gehwegen Furten aufgemalt - mit einem Fahrradsymbol . Ohne Fußgängersymbol.

      Man hätte auch Schilder abschrauben können und die paar Radler auf die Fahrbahn schicken können. Aber das wäre ja ein Eingriff in den motorisierten Verkehr.

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    4. Hey Mattias, kommst du etwa aus der Gegend? Pirmasens ist in der Tat eine Autofahrerstadt wie sie im Buche steht; im Kreis Südwestpfalz sieht es leider auch nicht besser aus. Wer hier kein Auto fährt, muss sich eigentlich immer dafür "rechtfertigen". Auf jeden Fall kann mit so einem was nicht stimmen...! ;) Zudem hab ich den Eindruck, dass grade in einer wirtschaftlich schwächeren Region das Auto als wichtigstes Statussymbol noch einmal an Wert hinzugewinnt.

      Das einzig Positive an Pirmasens ist, dass man trotzdem nicht mittels blöder Schilder überall auf Gehwege gezwungen wird. Was erlaubtes Gehwegradeln dann im Einzelfall anrichtet: auch Aua macht klug!

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  5. Alexander Müller, Stuttgart31. Januar 2018 um 12:58

    Hallo,

    zum Thema Fußgängerwege und Fußgängerfurten:

    Insbesondere letzere benutze ich sehr gerne und ausgiebig, wenn die Ampel für den Straßenverkehr bzw. den dort gelegenen Radverkehr rot zeigt. Dann steige ich ab, meistens schon aus dem Fahren raus um den Schwung mitzunehmen, springe mit dem Rad auf den Bürgersteig und jogge über die Fußgängerampel um dann auf der anderen Seite mein Rad wieder auf die Straße zu setzen (wenn frei), aufzusteigen und weiterzufahren.
    Auf diese Art nutze ich die Vorteile des Fahrrads im Straßenverkehr und die Tatsache, dass ich mich ganz schnell zum Fußgänger/Jogger machen kann ;-)

    Tipp: Rote Fußgängerampeln bzw. Fahrradampeln - überquere ich, wenn es die Verkehrssituation zulässt. Hier steige ich vorher ab und schiebe das Rad dabei. Sollte ich hierbei "erwischt" werden, so werden 5€ für das Missachten einer Lichtzeichensignalanlage fällig anstatt 60€-100€ für das Überfahren der selbigen mit dem Fahrrad.

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