10. November 2020

Haltet eure Spur, liebe Autofahrenden!

Autofahrenden fällt es schwer, nicht auf einem Radschutzstreifen zu fahren, weil ihnen ihre Fahrbahn bei Gegenverkehr zu schmal erscheint, obgleich sie es nicht ist. 

Nach meiner Beobachtung fahren etwa zwei Drittel der Autofahrenden mit den rechten Reifen auf einem Schutzstreifen, auch dann, wenn ihnen gar nichts entgegenkommt. Die Fotos stammen nicht von Stuttgart, sondern aus Wangen im Allgäu. Hier wurden auf einer Durchfahrtstraße Schutzstreifen angelegt. Ein Mittelsstreifen fehlt. Die Fahrbahn ist breit genug, um zwei Pkw aneinander vorbei zulassen, bei Lkw klappt das nicht. Dennoch darf man nicht einfach auf Schutzstreifen fahren. Man darf es nur ausnahmsweise.


Grundsätzlich darf man mit dem Auto kurz über Schutzstreifen fahren, etwa, um dem Gegenverkehr auszuweichen, aber nur, wenn man dabei keine Radfahrenden gefährdet oder behindert. Dieser Autofahrer zeigt, dass das auf dieser Straße sehr gut geht. 

Für den Bus, einen Lastwagen und einen Sprinter ist die Fahrbahn bei Gegenverkehr in der tat zu schmal.

So wie das dieser Autofahrer macht (Collage Bild oben), ist das falsch. Es gibt für die Autos ausrechend breite Fahrspuren. Es gibt also keinen Grund, nach rechts auf den Schutzstreifen auszuweichen. Zumal die meisten Autofahrenden nicht mitkriegen, wenn sich von rechts hinten ein Radfahrer nähert, der hier das Recht hätte, an den Autos vorbei, zur Haltelinie vorzufahren. 

Also, liebe Autofahrende, übt doch mal, eure Spur zu halten! Auf der Straße kriegt ihr ja eh den meisten Platz, da müsst ihr nicht auch noch die schmalen Streifen belegen, die man uns Radfahrenden gönnt. Das routinemäßige Missachten von Radstreifen und Fahrspurbegrenzungen führt auch dazu, dass Sie Kurven schneiden, statt sie auszufahren. Das führt dazu, dass Sie etwas zu schnell unterwegs sind, also nicht mehr der Situation und den Fahrbahnverhältnissen angemessen fahren. Und das bringt andere Verkehrsteilnehmer:innen in Gefahr. Und sagen Sie nicht, da radelt ja gerade keiner. Machen Sie sich klar, dass Sie wie die meisten Autofahrenden auch, Radfahrende oft gar nicht bemerkten, schon gar nicht, wenn sie rechts hinter ihnen im toten Winkel kommen. Und Sie wollen doch sicher keinen Radfahrenden verletzen oder gar töten. Das geht aber blitzschnell, wenn Sie die Radinfrastruktur nicht bebachten.

Halten oder gar parken darf man übrigens seit der StVO-Novelle nicht mehr auf einem solchen Schutzstreifen. Das kostet 55 Euro Bußgeld. Und überholen darf man Radfahrende auf solchen Streifen auch nur, wenn man zu ihnen 1,50 Meter Abstand halten kann, also nur dann, wenn kein Gegenverkehr kommt. Geht das nicht, muss man hinter ihnen blieben.


12 Kommentare:

  1. Schutzstreifen sind vollkommen überflüssig. Ich habe Polizisten gefragt, was denn der Sinn eines Schutzstreifens sei. Es gibt nichts, was ein Schutzstreifen verbessert, außer dass die Firma, die die Farbe liefert Umsatz macht und der Maler beschäftigt ist. Meist haben Schutzstreifen für mich als Radfahrer mehr Nachteile. Die meisten Autofahrer sehen "Radweg", überholen mit viel zu wenig Abstand, fahren auch über die Markierung, wie Du beschrieben hast. Viele Schutzstreifen sind viel zu schmal, enden einfach im Nirwana, provozieren gefährliche Situationen und führen meist viel zu dicht an parkenden Autos vorbei. Ich brauche diese vollkommen überflüssige Verkehrseinrichtung nicht. Und dass Autofahrer an der Ampel wegen des Schutzstreifens Platz zum vorbeifahren lassen, gehört auch eher in den Bereich Mystik.
    Was ich viel dramatischer finde ist, dass es Leute auf dem Fahrrad gibt, die dort entgegen der Fahrtrichtung fahren. Das ist ganz toll, wenn einem so ein Vollpfosten entgegen kommt. Meistens wollen die dann rechts an einem vorbei, weil links brandet ja der motorisierte Verkehr und dann steht man da und wird auch noch blöd angemacht.
    Und den absoluten Hammer zum Thema Schutzstreifen, habe ich in Lörrach erlebt. Da ist zwischen den beiden Schutzstreifen nur noch ein Fahrstreifen, mit Gegenverkehr. Da habe ich mich echt gefragt, wer sich das ausgedacht hat. Zwei Schutzstreifen auf einer Gegenverkehrsfahrbahn, die in Summe gerade mal so breit ist, dass zwei Auto aneinander vorbeikommen. Da gibt es kein "bei Bedarf überfahren"; da ist immer Bedarf. Und dann hat man die Situation wie auf jeder normalen Fahrbahn. Also was soll dann da ein Schutzstreifen?
    Also, weg mit dem Zeug, hat keinen Nutzen, keinen Mehrwert, gefährdet und wird von den Städten missbraucht für "wir machen doch echt was für den Radverkehr". Aber doch nicht so. Dann richtig, mit richtigen sicheren Radwegen, mit weniger Autoverkehr, mit geringeren Geschwindigkeiten und einfacheren verständlichen Regeln.
    Gruß
    Karin

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    1. Ich kann Karin, mit allem was Sie sagt zu 100% zustimmen!
      Schutzstreifen hinzupinseln ist der billige Versuch sich aus der Verantwortung zu stehlen, etwas wirklich nachhaltiges für den Radverkehr zu tun.
      Sicherer wäre es ohne Frage, es gäbe diese sch**** Dinger gar nicht!
      Sandy

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  2. Ich habe ihn mir ja nicht ausgedacht, diesen Schutzstreifen. Allerdings kenne ich diese Straße auch serh gut als Radlerin. Die meisten Radler fahren sie Richtung Ampel, aber in Gegenrichtung, in die ich fotografiert habe, bevorzugten sie den Gehweg, weil die Autos von der Ampel mit Schwung kommen. Der Schutzstreifen zeigt jetzt wenigstens allen, wo wir die Radfahrenden haben wollen: auf der Fahrbahn. Und er verlangsamt sogar den Verkehr, weil die Autofahrenden ohne Mittelstreifen langsamer werden beim Spur-Halten. Und man kann jetzt an der Ampel an der Autoschlange vorfahren, die Autos stehen jetzt nicht mehr dicht am Bordstein. Das finde ich auch ganz vorteilhalft. DAss die Autofahrenden sich da noch dran gewöhnen müssen, sieht man.

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    1. „Der Schutzstreifen zeigt jetzt wenigstens allen, wo wir die Radfahrenden haben wollen: auf der Fahrbahn. Und er verlangsamt sogar den Verkehr, weil die Autofahrenden ohne Mittelstreifen langsamer werden beim Spur-Halten.“
      Ich habe leider andere Erfahrungen mit „Schutzstreifen“ gemacht:
      Er zwingt mich in die Dooring Zone der parkenden Autos, ignoriere ich ihn und fahre links der gestrichelten Linie, bin ich Freiwild für Autos, die mich dann anhupen und eng überholen dürfen.
      Jetzt im Herbst fahre ich im Dreck und im Laub, der sich am Straßenrand und damit auf dem Schutzstreifen sammelt. Viele sind so schmal, dass ich durch jeden Gullideckel hoppeln darf! Und im Winter liegt der geräumte Schnee drauf.
      Autofahrer halten keinen Überholabstand, fahren einfach an der Linie entlang und glauben das passt schon so. Das sie dabei langsamer sind merke ich nicht.
      Und das sie den Streifen bei Stau oder vor einer Ampel frei lassen, kann ich leider gar nicht bestätigen.
      Sandy

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  3. Ich mag Schutzstreifen. Wie eine Menge anderer "radinfrstruktur" zeigen sie klar, wo man nicht fahren soll.

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  4. Das Wort 'Schutzstreifen' finde ich absoluten Murks. Ich plädiere dafür, das wieder das alte Wort 'Suggestivstreifen' eingeführt wird. Es ist nämlich nicht mehr als eine 'Orientierung'- jedoch von Schutz kann keine Rede sein!

    Der überwiegende Teil der Autofahrer hat absoluten keinen Plan mehr wie breit ihr Fahrzeug wirklich ist- durch die SUV-Welle von AMG/Mercedes & Co. hat sich das Ganze noch verschärft. Die einen fahren zu dicht an einem vorbei und die anderen machen völlig übertriebene Ausholschwünge das sie fast auf dem Gegenverkehr-Gehsteig landen. Hat oft was von Slapstick.

    Ich würde 'diese Panzer von AMG/Mercedes & Co.' in der Innenstadt generell verbieten. Nur noch die max. Größe eines Smart mit E-Motor zulassen. Alle anderen: Wir bleiben draußen!!! Dann wäre Platz für alle da...

    Was Aufstellmarkierungen an Ampeln angeht: Auf der HRR1 von Fellbach - Cannstatt fehlen jede Menge...Claudia Klein

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    1. Suggestivstreifen ist eine gute Bezeichnung.Diese Streifen suggerieren Schutz und Sicherheit, liefern aber weder das eine noch das andere.

      Stattdessen produzieren sie Gefahr: Gefährdungsstreifen

      Und sie führen zu Unfällen: Blut- oder Todesstreifen.

      "Schutzstreifen" ist bestenfalls ein Euphemismus.

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    2. Ja, "Angebotsstreifen" und "Suggestivstreifen" sind gängige Bezeichnungen.

      Diese Begriffe sind bei Ämtern und Politikern aber nicht so beliebt, denn "Schutzstreifen" hört sich so an, als hätte man Wunder was getan - und das sensationell billig, weil rechtlich so gut wie keine Änderung vorgenommen wird, wenn einer aufgepinselt wird. Keine teuren baulichen Maßnahmen und kein Konflikt mit der Autolobby, denn de facto wird ja nichts eingeschränkt, was nicht sowieso schon gilt.

      Was am Begriff "Schutzstreifen" richtig blöd ist: bis zur vorletzten oder drittletzten (?) StVO-Novelle hatte der Begriff eine komplett andere Bedeutung.

      Das führt zusätzlich zur Verwirrung. Welcher "Otto Normalverbraucher" ist schon sattelfest, was den Unterschied zwischen "Schutzstreifen" und "Sicherheitsstreifen" angeht? Die sind ziemlich gegensätzlich: auf dem einen darf man fahren, auf dem anderen nicht, Dafür darf man dort Verkehrsschilder aufstellen - aber nicht andersherum.

      Selbst die Spezialisten der Behörden von Stuttgart (Tiefbauamt, Ordnungsamt) verwechseln das immer noch regelmäßig.

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  5. Das mit den 55 Euro Bußgeld ist ein Wunschtraum. Noch ist völlig unklar, was daraus wird.

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  6. Auf sog. Schutzstreifen werde ich regelmäßig mit viel zu wenig Abstand überholt, z. B. auf dem "Schutzstreifen" (hat den Namen nicht verdient) an der Löwentorstraße. Eine absolute Fehlplanung ist hier die Stelle nach der Kreuzung mit "Am Wolfersberg", da sich neben dem Schutzstreifen die 2 Fahrspuren der Autos zu einer verengen und sich die Pkw-Fahrer oft ein Rennen liefern, um zuerst auf die Spur zu kommen. Das ist hochgefährlich und ich verstehe nicht, wie man bei einer Neugestaltung auf so einen Murks kommt.

    Gleiches gilt für Schutzstreifen nach Kreisverkehren - hier, ebenfalls an der Löwentorstraße - nutzen die Autofahrer häufig beim Ausfahren die Radspur einfach mit.

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  7. schöner artikel.
    kein autofahrer wird ihn lesen.

    aber das macht nichts. die mehrheit der vernunft zieht sich eh wieder in ihren elfenbeinturm der verantwortungsfreien selbstzerfleischung zurück, für mindestens die nächsten 8 jahre.

    setzen.
    6.

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  8. Es ist schwer, den Planern zu unterstellen, dass durch diese Streifen die Radler geschützt werden sollen. Sei es, weil die Streifen plötzlich um 90 Grad abknicken (wie in der Oberen Paulusstraße) und so überhaupt nicht fahrbar sind. Am Botnanger Sattel wurde auf so einem Streifen diese Woche ein junger Radler erlegt, der Autofahrer machte Fahrerflucht. Und dann gibt es noch eine Stuttgarter Besonderheit: die zebragestreiften Schutzstreifen in der Reinsburgstraße, die letzte Woche wieder neu aufgepinselt wurde. Sie sind besonders heimtückisch, weil der Autoverkehr meint, dass die Radler diese benützen müssen und gleichzeitig diese Streifen ja offizieller Autoparkplatz sind (das Thema war hier auch schon im Blog).

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