28. Februar 2025

Gehwegfreigabe im Schwabtunnel soll es richten

Der Schwabtunnel bleibt eine Angststrecke für Radfahrende. Es gilt Tempo 40 und die Pflicht für Radfahrende, auf der Fahrbahn zu radeln. Für Autofahrende gilt ausdrücklich ein Überholverbot gegenüber Radfahrenden. 

Aber die Fahrt durch den Tunnel ist nur was für Radler:innen mit starken Nerven.  Radfahrerin Katharina schilderte uns in der Radcommunity kürzlich: "Ich hatte in dieser Woche zweimal den Fall, dass Autofahrer im Schwabtunnel bewusst von hinten auf mich zurasen, wenn ich dort mit dem Rad auf der Straße fahre. Die Geschwindigkeit kann ich nur schätzen, fühlt sich aber wie 70 bis 100 km/h an. Es geht nicht ums Überholen, sondern ums Einschüchtern. Eigentlich bin ich darauf angewiesen, zwei bis drei Mal täglich durch diesen Tunnel zu fahren, traue mich aber bald nicht mehr." 

Sie schrieb eine Gelbe Karte an die Stadt. Darauf bekam sie eine verständnisvolle Antwort, in der die Stadt ihr Bedauern über diese Erlebnisse ausdrückt und gesteht, dass die Verkehrsführung im Schwabtunnel für Radfahrende "suboptimal" ist. Der Tunnel sei aber halt eng, die Verkehrsflächen könnten nicht umstrukturiert werden, die Polizei kontrolliere zwar "soweit es ihre Kapazitäten erlauben", doch das könne keine dauerhafte Lösung sein. Wobei nebenbei bemerkt die Polizei in der Vergangenheit auch schon ihr Unverständnis für die Situation und die Verkehrsregeln im Tunnel offenbart hat, wie diese Geschichte zeigt. 

Deshalb - und nun kommt's - habe man in der Stadt entschieden, die Gehwege für den Radverkehr freizugeben, "damit unsichere Radfahrerinnen und Radfahrer auf den Gehweg ausweichen können." Das solle zeitnah umgesetzt werden. 

Immerhin, damit sind die Vielen, die dort jetzt schon aus Angst auf den Gehwegen radeln, wenigstens legalisiert, wenngleich natürlich kein Radfahrer die gesetzlich vorgeschriebene Schrittgeschwindigkeit einhält, denn das geht gar nicht. Aber es werden weitere - auch E-Scooter-Fahrende (Foto), für die die Gehwegfahrt aber illegal bleibt - den Gehweg nutzen, und das wird unangenehm für Menschen zu Fuß (für Radfahrende auch). Hier sind durchaus nicht wenige Menschen zu Fuß unterwegs. Und es gibt auch unsicherer Fußgänger:innen, die sich vor zu schnellen Fahrrädern fürchten. Wie schützen wir eigentlich die?

Damit passiert wieder genau das, was immer passiert: Als Radfahrerin kann ich mich nur zwischen Pest und Colera entscheiden, Stress und Angst auf der Fahrbahn, Konflikte und Stress für Fußgänger:innen auf dem Gehweg. Der aggressive Autoverkehr (einzelne aggressive Autofahrer:innen) kann nicht diszipliniert werden, also pfercht man wieder einmal Radfahrende mit Fußgänger:innen auf der kleineren Verkehrsfläche zusammen, wo sie die Konflikte untereinander austragen, die eigentlich mit dem dominanten Autoverkehr ausgetragen werden müssten. Das fördert vor allem den Hass auf Radfahrende. Von uns Radfahrenden kann aber eben auch nicht verlangt werden, dass wir mit unseren Knochen dafür einstehen, Autofahrende daran zu erinnern, dass Radfahrende auf die Fahrbahn gehören. Natenom wurde von einem Autofahrer getötet, der von hinten auf ihn auffuhr. 

Da viele Leute freigegebene Gehwege für Radwege halten, wird auch das passieren, was an anderen Stellen in Stuttgart auch passiert: Radfahrende, die dennoch auf der Fahrbahn radeln, was sie dürfen, werden von einigen Autofahrenden angehupt oder durch Fahrmanöver abgestraft wie oben beschrieben, weil die Leute in Autos glauben, Menschen auf Fahrrädern müssten den Gehweg nutzen. Es wird also für Fahrbahnradler:innen im Tunnel noch unangenehmer, wenn sie auf eine bestimmte Sorte aggressiver Autofahrender stoßen. 

Die Gehwege im Tunnel sind zudem nicht sonderlich breit. Die Spritzschutzmauern wurden bei der letzten Sanierung des Tunnels abgebaut und durch hochstehende Fahrbahnbegrenzungslichter ersetzt, auf die man beim Radeln auch nicht kommen sollte. Das schafft nicht mehr Platz auf dem Gehweg, sondern de facto weniger, denn alle Radelnden wollen Abstand zum Bordstein zur Fahrbahn halten und Menschen gehen in der Regel an der Wand entlang. Und natürlich dürfen Menschen zu Fuß zu zweit nebeneinander gehen. Wir Radfahrende dürfen sie nicht wegbimmeln oder zwingen, beiseite zu treten. Das ähnelt der Situation in Cannstatt in der Bahnunterführung zum Wilhelmsplatz. Als Radler:in hat man immer die Angst, von einem zornigen oder unachtsamen Fußgänger den Gehweg runter in den Autoverkehr geschubst zu werden. Das Fehlen einer Barriere zur Fahrbahn macht das Radeln extrem unsicher. Für die Bahnunterführung hat man die Lösung gefunden: Eine von zwei Richtungsfahrspuren wird zur gemeinsamen Bus- und Radspur. Der Umbau soll im Frühjahr beginnen.

In der Vergangenheit (seit 2014) waren alle polischen Versuche, den Schwabtunnel für den Autoverkehr wenigstens in eine Richtung zu sperren, vergeblich. Autofahrende brauchen den Tunnel nicht, sie haben andere Strecken, um völlig anstrengungslos vom Süden in den Westen zu kommen (oder umgekehrt), auch wenn es ein Umweg sein könnte. Die "kürzeste Strecke" brauchen Autofahrende grundsätzlich nicht. Radfahrende dagegen schon, denn sie fahren mit Muskelkraft. Sie haben nur den Tunnel, wenn sie nicht die steilen Straßen über den Berg radeln wollen, die zudem ein langer Umweg sind. 

Nicht geklärt ist für mich auch, wo eigentlich der Aufgang auf den Gehweg hinkommt. Direkt vor dem Tunneleingang? Dann muss dort der Bordstein niedriger gemacht oder mit Asphalt angerampt werden (siehe Foto). Oder will man die Radfahrenden dort, wo die Schwabstraße auf die Schickhardtstraße trifft und ein Zebrastreifen ist, auf den Gehweg bringen, also dort das Schild aufstellen? Oder sollen sie am beamelten Fußgängerüberweg hochhopsen? Alles ganz schlecht. Und man müsste sich dann wieder gut auskennen, um die Gelegenheit rechtzeitig zu nutzen. 

Die Reduktion des Platzes für den Autoverkehr im Schwabtunnel ist meines Erachtens die einzige zukunftsgerechte Lösung. 

13 Kommentare:

  1. Wenn die Stadt Interesse daran hätte, den Radverkehr dort sicherer zu machen, könnte an die wenige Nutzung durch KFZ durch Zahlen untermauern und dann entsprechend für KFZ zum Wohle des Radverkehrs sperren.
    Bei uns gibt es auch so eine Unterführung. Früher war sie einseitig für KFZ freigegeben. Seit Jahren ist sie wegen Bauarbeiten (man hat ja Verständnis) gesperrt und nur für Radverkehr freigegeben. Das könnte man ohne größere Probleme, wenn die Bauarbeiten beendet sind, auch beibehalten. Nach Jahren der Umleitung nutzt kein Mensch mehr diese Strecke mit dem Auto.
    Das wäre vielleicht auch eine Taktik hier. Wegen "Bauarbeiten" für KFZ sperren und nach Jahren dann komplett umwidmen, weil eh keiner mehr die Strecke mit dem Auto kennt.
    Karin

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    1. Auch der Schwabtunnel war mal monatelang wegen Sanierung gesperrt, aber die Versuche, ihn für den Autoverkehr danach gesperrt zu lassen, sind gescheitert. Sehr laut waren die Leute, die sich beschwerten, dass die Autofahrer durch die kleinen Wohnstraßen über den Berg geisterten.

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  2. Vielleicht bräuchte es Speed Bumps und Geschwindigkeit 20 kmh im Schwabtunnel, damit die Autofahrenden schön langsam da durch tuckern?

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  3. Ich sehe hier leider keine geeignete Alternative für Autos.
    Wie wäre denn ein Fußgängersteg oberhalb des aktuellen Gehwegs. Unten Radfahrer, oben Fußgänger.
    Oder warum nicht ein Fahrradtunnel parallel zum Schwabtunnel oder auch von der Schickhardtstraße zum unteren Ende der Hasenbergsteige - übergehend in eine Fahrradstraße 'Hasenbergstraße'. Das Fahrrad-Netz sollte möglichst unabhängig und abseits vom Autoverkehr sein in meinen Augen.
    Wer der Schwabtunnel offen für Autos halten möchte und technologieoffen bleiben, muss für alle gleichwertige Möglichkeiten schaffen.

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    1. Bitte das unsägliche Wort technologieoffen nicht mehr verwenden. Das sollte im Orkus verschwinden, so wie seine Erfinder. (Die Idee ist natürlich auch Blödsinn.)

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    2. Welche Idee ist Blödsinn? Und warum?
      Das "unsägliche" Word wird in meinen Augen nicht verschwinden. Wir könnten aber anfangen aufzuzeigen, dass zu sogenannter Technologieoffenheit auch der Radverkehr gehört.

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    3. Der Neusprech-Bergriff Technologieoffenheit suggeriert, dass Technologie in irgendeinem Sinne neutral sei, und behauptet fälschlicherweise, dass es überhaupt eine technologische Lösung unserer Probleme geben könne.
      In Wirklichkeit wurde das Wort natürlich von den Verbrenner- und AKW-Fans in der FDP kreiert, um ihr Ziel der Beibehaltung des Status-Quo zu verschleiern.
      Er gehört mitsamt der grundlegenden Ideologie auf den Müllhaufen derGeschichte.

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    4. statt kreiert lies popularisiert, die Schöpfer des Begriffs waren Geistesverwandte der FDP.

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    5. "Wie wäre denn ein Fußgängersteg oberhalb des aktuellen Gehwegs."

      Dazu wäre eine Rampenlänge zu Beginn und Ende des Steges von je ca. 48 Meter notwendig (Steigung max 6%; mit Ruhepodest; 2,25 Meter Höhenunterschied). Es sollen ja schließlich auch Menschen mit Rollstuhl auf den Steg kommen. Das Problem kann man wunderbar mit Rampen-Technologie lösen. Oder einfach halt eine Fahrbahnrichtung sperren.

      Joachim

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    6. Liebe Johanna, mir dem Auto kann man auch außen herum über die Schnellstraße fahren oder ganz anders. Autofahrende habe irre viele Straßen zur Verfügung, Radfahrende dagegen ganz wenige. Als Autofahrer brachteman auch nicht immer den kürzesten und weniger steilen Weg. Man sitzt ja nur und strengt sich nicht an.

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    7. @Joachim: Danke für die Auslegung der nötigen Rampenlänge. Daran hatte ich nicht gedacht. Platz für eine Rampe ist vermutlich auch nicht ausreichend.
      Eine Spur sperren hört sich realistischer an.

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  4. wie wäre es mit zwei Radstreifen und einspuriger Führung des Kfz-Verkehrs mit Ampelregelung ( abwechselnd jede RIchtung )?
    Allzuviel KFZ-Verkehr scheint es ja nicht zu geben, weil auf zwei der vier Bilder kein KFZ zu sehen ist

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    1. Wobei das mit einer Spur sperren auch nicht so einfach ist, denn egal, welche Richtung man nimmt, die Radfahrenden in der anderen Richtung müssten dann zwei Mal die Fahrbahn wechseln, um auf den Radfahrstreifen und wieder zurück auf ihre Fahrseite zu kommen. Und zwei Mal an einer Ampel warten, das ist nicht radfahrgemäß. Diese Idee wurde auch schon als Ausweg diskutiert und nicht weiter verfolgt. Es wurde auch schon diskutiert, den Autoverkehr per Ampel abwechselnd mal in die eine, dann in die andere Richtung durchzulassen. Es fährt außerdem ein Bus da durch, was eine komplette Sperrung für Autos noch komplizierter macht. Wobei auch dieser Bus während der mehrmonatigen Sanierung ja anders fahren musste und gefahren ist. Ich finde es immer etwas kurios, was für Verrenkungen wir machen, nur damit dem Autoverkehr keine der gewohnten Kurzverbindungen verloren geht, bis hin zu parallelen Radtunneln im Fall des Flughafentunnels (was irre viel Geld kostet und technisch (auch bei aller Offenheit für Technolgie) nicht möglich ist.) Es fällt uns ungeheuer schwer, den Radverkehr (und Bus- und Stadtbahnverkehr) als einzig sinnvollen Verkehr in einer Stadt zu bevorrechtigen.

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