Immer mehr Menschen fahren mit dem Fahrrad. Aber die Infrastruktur hinkt hinterher.
Die Planungen von Radwegen und Radspuren ist großenteils Jahrzehnte alt. Entsprechend schmal und verwinkelt ist sie, geprägt von einer defensiven Haltung dem Autoverkehr gegenüber. Dem darf nichts weggenommen werden, so die Planung, weshalb Räder an Engstellen immer wieder über Gehwege und Fußgängerampeln geleitet werden. Immer mehr Radler benutzen heute schon die Fahrbahn, denn sie wollen direkt links abbiegen und überhaupt schneller vorankommen. Das wiederum stört den Autoverkehr und schafft Aggressionen auf beiden Seiten. Radler fühlen sich bedrängt, Autofahrer ausgebremst. Geschrei und Gehupe ist die Folge.
Doch der Radverkehr boomt, auch in Stuttgart. Eigentlich bräuchten wir jetzt sofort den großen Wurf:
Radschnellwege in die Stadt, einen schnellen Tallängsweg, der nicht im Innenstadtgewinkel zwischen Fußgängern und Parkplatzsuchverkehr versickert, breite Radspuren oder Radwege entlang der Hauptstraßen, die Grüne Welle für Radfahrende. Fahrradstraßen ohne Autoverkehr. Denn der Radboom lässt sich nicht aufhalten, er lässt sich nur noch in geordnete Bahnen lenken.
Wobei ich als Vielradlerin, die überall in Stuttgart unterwegs ist, allmählich auf dem Standpunkt stehe: Wenn die Radinfrastruktur nicht mitkommt, dann fahren wir eben auf den Fahrbahnen. Dann müssen Autofahrende halt langsam tun, wenn sie hinter uns sind. Räder können überall fahren. Autos nicht. Und wenn die Autogesellschaft kein Interesse daran hat, Rädern die Wege so zu ebenen, dass beide Verkehrsarten in ihren Geschwindigkeiten vorankommen, dann muss sich der Autoverkehr eben nach der Geschwindigkeit der langsameren, also der Räder, richten. Mich stört das nicht.
Allerdings könnte man die Entwicklung beschleunigen, indem man Radwege baut, die von allen, von 8 bis 80 befahren werden können. Dann steigen noch mehr Menschen aufs Fahrrad um, dann hört der Mama-Taxi-Dienst vor den Schulen auf, dann radeln viele zum Einkaufen, dann werden die Autostraßen leerer und die, die mit dem Auto fahren müssen, stehen weniger im Stau. Momentan hinkt in so gut wie allen Städten die Politik hinter der Wirklichkeit hinterher. Sie fördert den Radverkehr nur minimal, sie baut gerade mal die Radwege, die unvermeidlich sind, oder für die auf Fahrbahnen zufällig genug Platz ist. In ein paar Jahren werden auch in Stuttgart dank der Pedelecs und E-Lastenräder so viele Radfahrende unterwegs sein, dass die Politik (der Gemeinderat) es bereuen wird, nicht früher an Radwege gedacht zu haben, die den Radverkehr lenken und sicherer machen.
Die Fotos zeigen drei Abschnitte auf wichtigen Radrouten. Oben der so genannte Sicherheitsstreifen auf der Silberburgstraße, der Busfahrer verführt, auf Tuchfühlung zu überholen. Die Engstelle auf der Hauptradroute 1 am Marienplatz. Und die Zufahrt auf der Hauptradroute 1 am Charlottenplatz durch den Aufstellplatz für Fußgänger zu einer Ampel, die man nur in zwei bis drei Zügen überqueren kann. Alle drei inakzeptabel für eine Radinfrastruktur, die Radfahrende ernst nimmt.
Berlin plant jetzt ein umwälzendes Mobilitätgesetz mit echtem Vorrang für Fußverkehr, Fahrrad und öffentlichen Nahverkehr. Das ist dem Druck der Inttiative Radentscheid zu verdanken.
Der Radentscheid Stuttgart freut sich noch über Unterstützer und Neugierige jeder Art. Kreative, Fachkundige, Fachfremde... wenn ihr was für den Radverkehr in Stuttgart machen wollt, kommt ins alternative Radforum
AntwortenLöschenZiemlich bitter - für uns alle ..: http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/auto-zwei-von-drei-fahren-pendlern-fahren-im-pkw-zur-arbeit-a-1163732.html
AntwortenLöschenEs heißt aber dort auch: "Das Auto ist dem Bundesamt zufolge auch auf Kurzstrecken das beliebteste Verkehrsmittel: Selbst bei Arbeitswegen bis zu fünf Kilometern spielen Busse und Bahnen demnach mit acht Prozent keine große Rolle. 40 Prozent der Erwerbstätigen wählen auch für Kurzstrecken das Auto, 28 Prozent gehen zu Fuß. Knapp jeder Vierte (23 Prozent) benutzt auf solchen Strecken regelmäßig das Fahrrad.
LöschenIm langjährigen Vergleich haben sich die Anteile der verschiedenen Verkehrsmittel nach Angaben des Bundesamts kaum verändert." Immerhin 23 Prozent benutzen auf Kurzstrecken das Fahrrad. Und dass sich das in den letzten Jahren alles kaum verändert hat, liegt ja auch daran, dass sich die Infrastruktur kaum verändert hat und nach wie vor das Auto bevorzugt. Es ist bequemer mit dem Auto zu fahren, weil es offensichtlich bequem viele Parkplätze gibt, sowohl vor der Haustür, als auch am Zielort in der Stadt.
Die StZ bezieht sich im März dieses Jahres auf eine Studie zur umweltfreundlichen Mobilität. Dort heißt es: "Allerdings werden in der Landeshauptstadt nur 7,5 Prozent der Fahrten mit dem Rad zurückgelegt. Vorrang hat das Auto, dass für 55,5 Prozent der Wege genutzt wird. Mit öffentlichen Verkehrsmitteln fahren 15 Prozent, zu Fuß werden 22 prozent der Wege zurückgelegt."
AntwortenLöschenKann man da wirlich von einem Radboom sprechen?
Karl
Das täuscht halt. Denn der Autoverkehr hat ebenfalls stark zugenommen. Im Verhältnis ändert sich in Stuttgart nichts, aber tatsächlich hat der Radverkehr in den letzten Jahren für alle sichtbar deutlich zugenommen, was man auch an den Zählstellen sieht. Von letztem auf dieses Jahr sind es derzeit etwa 20 % mehr.
LöschenWas kann man von "Radverkehrsinfrastruktur" erwarten ?
AntwortenLöschenDa muss man mal in die ERA2010 schauen. Mehr als das, was dort "Regelmaß" beschrieben wird, darf man nicht erwarten. Regelmäßig werden auch nur die dort beschriebenen Mindestmaße angewendet. Diese Maße für Radverkehrsanlagen sind aber für stärkeren Radverkehr absolut unterdimensioniert.
Und du hast mit deinem Bild des "Schutzstreifens" der schmaler ist als das Fahrradpiktogramm,auch dokumentiert, das selbst die unzureichenden Vorgaben der ERA von Verkehrtplanern noch unterschritten werden.
Der Absatz:
AntwortenLöschenWobei ich als Vielradlerin,…Mich stört das nicht.
Ist wahrscheinlich genau die richtige Idee. Danke für diesen Gedanken.
Bescheidenheit. Mich stört es auch nicht direkt, nur dass ich weiß, dass es viel besser geht und dass es viel besser auch viel besser für Umwelt und Lebensqualität wäre... das wir das nicht ausnutzen stört mich dann doch
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