1. Juli 2025

Selbstjustiz von Autofahrern verstört Radfahrende

Die Beinsteiner Straße in Weinstadt bei Waiblingen ist Teil des Radnetzes Baden-Württemberg. Es handelt sich um einen schmale Straße am Rand eines Wohngebiets, die im Westen einen Feldwegcharakter hat.  Seit Jahren ist die Straße zugeparkt. 

Dort hat sich ein von der Presse (Waiblinger Zeitung; hinter der Bezahlschranke) aufmerksam begleiteter für uns in Deutschland leider typischer Konflikt um öffentliche Autoabstellflächen entfaltet, der in Selbstjustiz mündete: Anwohnende - offensichtlich Autobesitzer:innen -  haben die im April aufgestellten Parkverbotsschilder umgedreht oder ganz umgelegt. Da die nur zur Bekräftigung eines ohnehin geltenden, aber seit Jahren nicht beachteten und nicht geahndeten Parkverbots dort stehen, nützt deren Entfernung nichts. Das Parkverbot kann trotzdem geahndet werden. Die Stadt Waiblingen, die für diese Straße in Weingarten zuständig ist, droht nun mit Strafanzeige. Denn das Entfernen von Verkehrszeichen ist keine Ordnungswidrigkeit, sondern ein Straftat. Selbstjustiz kann keine Stadt, kein Staat, keine rechtsstaatlich verfasste Gesellschaft dulden, sie stellt all unsere Übereinkünfte für ein friedliches Zusammenleben infrage. Dass Autofahrende Schilder abmontieren, die ihnen nicht passen, ist keine Seltenheit. Das war auch bei den Überholverbotsschildern  in der Böblinger Straße in Kaltental der Fall, die auch nur die bestehende Regel bekräftigten. Auch die ostentative Missachtung von Verkehrszeichen ist nicht selten und passiert derzeit beispielsweise im Schwabtunnel in Stuttgart. 

Auf mich wirkt das Verhalten dieser Autofahrer:innen beängstigend aggressiv und ziemlich verstörend. So sieht das auch Blogleser Miran, der mich auf diese Geschichte aufmerksam gemacht hat. Was ist das für eine Mentalität bei manchen Autofahrenden, dass sie keinerlei Regeln mehr akzeptieren wollen, die ihnen nicht passen? 

Aber von Anfang an: 

Alles begann damit, dass Radfahrer Miran sich an die Verwaltung von Waiblingen wandte, um darauf aufmerksam zu machen, dass im westlichen Einmündungsbereich der Beinsteiner Straße ständig große Fahrzeuge stehen, sodass man überhaupt nicht sehen kann, ob einem in der Straße, in die man einbiegen will, ein Auto entgegenkommt (Foto ganz oben). Für das Radnetz Baden-Württemberg gelten schließlich Standards, was Sicherheit und Wegbreite betrifft. Miran wollte dort ein Parkverbot erreichen, das das Radfahren sicherer machen würde. Das lehnte die Stadt ab, sie erkannte dafür keine zwingende Notwendigkeit, die sich nur dann ergebe, wenn sich dort Unfälle häufen. Es häufen sich dort aber eben nur Beinahezusammenstöße. 

Dabei stellte die Stadt allerdings fest und stellte damit auch klar, dass die Autos, die in der Straße selbst geparkt sind, dort nicht stehen dürfen, weil die Restfahrbahnbreite die drei Meter unterschreitet. Eine allgemeine Verkehrsregel besagt, dass man nicht parken darf, wenn die Restfahrbahnbreite unter 3,05 Meter liegt, damit Feuerwehr und Rettungsfahrzeuge noch durchkommen. (Autobesitzer:innen parken immer so, dass noch andere Pkw vorbeikommen, ob das auch Müllfahrzeuge und Feuerwehr (oder Radfahrende oder Fußgänger:innen) können, ist ihnen egal.) Um das zu bekräftigen, stellte man also Parkverbotsschilder (nicht Halteverbotsschilder) auf. Im Mai fand Miran beim Vorbeiradeln zwei davon umgedreht vor, schließlich auch eines ganz aus dem Boden gerissen und umgelegt. Waiblingen schickte wohl mindestens zweimal Leute los, die sie wieder aufstellten, wobei allein das Aufstellen des umgelegten Schildes laut Angaben Stadt der Waiblinger Zeitung gegenüber 800 Euro gekostet hat. 

Ein Schmankerl am Rand ist, dass ein ehemaliger Schuldirektor und SPD-Politiker sich einmischte, zwar Selbstjustiz ablehnte, aber das Parkverbot, insbesondere die Verkehrszeichen zum "Wiehern des Amtsschimmels" erklärte, und das in völliger Verkennung, dass es es eine allgemein gültige Regel der StVO ist, dass eine Fahrbahn eine Restbreite für Rettungsfahrzeuge und Feuerwehr aufweisen muss. Ich stelle mir vor, die Feuerwehr kommt wegen geparkter Autos nicht zu einem brennenden Haus und derselbe Politiker fragt dann, wer es zu verantworten hat, dass dort widerrechtlich geparkt wurde? 



9 Kommentare:

  1. https://www.youtube.com/shorts/-aNNLh6wtm8

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    1. Aussage einer Passantin: "Feuerwehr ist wichtig, keine Frage, aber parken ist genauso wichtig." Erstaunlich, dass immer nur die Perspektive für viele Leute gilt, die sie gerade selber haben. Würden ihr Haus brennen, würde sie Parkplätze nicht mehr so wichtig finden, sondern, dass die Feuerwehr zu ihrem Haus kommt und löscht. Leider passiert dies den meisten Menschen nicht ein einziges Mal im Leben. Während etliche täglich einen Parkplatz suchen.

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    2. "Leider passiert dies den meisten Menschen nicht ein einziges Mal im Leben." ?!?!?

      ich wünsche niemandem, dass sein Haus brennt!!!

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  2. Wenn der Staat geltendes Recht nicht mehr durchsetzt, hat er seine Daseinsberechtigung verloren.
    Thomas

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  3. Torsten K. aus DA1. Juli 2025 um 22:48

    "Verkehrszeichen, die lediglich die gesetzliche Regelung wiedergeben, sind nicht anzuordnen."

    Also hat die Verwaltung das Recht gebrochen und die Anwohner haben nur den rechtlich korrekten Zustand wieder hergestellt.

    Im Übrigen fordere ich, behindernd geparkte Fahrzeuge stets kostenpflichtig umzusetzen.

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    1. Ich fürchte, heutzutage geht es nicht mehr anders. Die Verkehrsregelkenntnis ist minimal. Ich persönlich finde das aber auch verkehrt. Man muss kontrollieren und bebußen. Dann kann man den Leuten, die sich beschweren erklären, wie die geltende Regel ist.

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    2. Ich denke das kann man mit der "Broken Window Theory" erklären: Falschparken wird nicht geahndet, was die Leute irgendwann als Normalzustand empfinden. Das Enthemmt dann noch extremer das Auto in den Weg zu stellen. Und am Ende haben die Leute auch keine Hemmungen mehr die Hinweisschilder zu entfernen.
      Genau das ist auch bei uns in Tübingen im Wohngebiet Alte Weberei passiert. Den Ordnungsamt war das ziemlich egal. Die haben kürzlich sogar das Personal reduziert...

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    3. Mit den beiden Wörtern wird viel Schindluder getrieben, aber in diesem Zusammenhang ist es m.E. tatsächlich sinnvoll zu fragen:
      "cui bono"
      ergänzt durch "follow the money"
      Alfons Krückmann

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  4. Hallo Zusammen,
    In meinen Augen steht der Mecedes in Bild 1 auch schon regelwidrig,. Denn das ist eine Einmündung und da gelten ja die 5m Abstand von der Kreuzung der Fahrbahnen (wenn man sich einen evlt vorhandenen Radius weg denkt)
    Egal wie das da gemessen wird, der steht mitten in der Kreuzung und weil damit die Sichtbeziehung deutlich eingeschränkt ist, ist das auch eine Gefährdung.
    Das mögen die Verantwortlichen der Stadt anders sehen, aber dann sollten sie sich an das Bundesverkehrsministerium wenden und die Regeln überarbeiten lassen.
    Wenn man aber davon ausgeht, dass die Regel auf der Erkenntnis beruht, dass eine gestörte Sichtbeziehung eine Gefährdung ist, müsste folgerichtig die Polizei diese Gefährdung beseitigen lassen.
    Wenn das konsequent nicht gemacht wird, könnte man ja behaupten wir leben in einer Bananenrepublik wenn es um die Durchsetzung geltenden Rechts geht (zumindest wenn KFZ im Spiel sind)
    Und da parken wegen der zu geringen Breite der Fahrbahn eh nicht regelkonform möglich ist, kann man ja mal mit dem Ticketschreiben anfangen, auch wenn die Schilder (oder weil die Schilder) umgedreht wurden.
    Zum Wochenende darf man noch ein wenig träumen, auch wenn ich mir sicher bin, dass es niemals dazu kommen wird.

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